LG Köln, Urt. v. 19.06.08, 31 O 90/08 – Gegenanzeigen

eigenesache Die Veröffentlichung von wettbewerbswidrigen Werbeanzeigen verpflichtet nicht dazu, irgendwelche Anzeigen des Geschädigten zu finanzieren. Erforderlich ist eine Interessenabwägung auch unter zeitlichen Aspekten. Werbung ist vergänglich; nach mehr als sechs Monaten ist eine Fortwirkung der schädigenden Anzeige nicht mehr feststellbar. Bei durchschnittlich schwierigen marken- und wettbewerbsrechtlichen Abmahnungen ist eine »gedeckelte Mittelgebühr« in Höhe einer 1,3-Geschäftsgebühr angemessen.

Streitwert: 6.402,80 €

 

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LANDGERICHT KÖLN
IM  NAMEN  DES  VOLKES
TEILANERKENNTNIS- UND TEILSCHLUSSURTEIL

Aktenzeichen: 31 O 90/08
Entscheidung vom 19. Juni 2008

 

In dem Rechtsstreit

[...]

hat die 31. Zivilkammer des Landgerichts Köln auf die mündliche Verhandlung vom 15.05.2008 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Kehl die Richterin am Landgericht Wille und die Richterin Dr. Bruhns

für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.589,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2007 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin zu ¾ und die Beklagte zu ¼.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Den Parteien wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin ist eine der führenden Internet-Provider in Deutschland. Sie verfügt über mehr als 5 Millionen Kunden. U.a. bietet sie sog. Web-Hosting-Dienstleistungen an.

Die Beklagte ist eine unmittelbare Mitbewerberin der Klägerin.

In der Zeitschrift »Monatsspiegel« vom November 2007, einer Publikation für Teilnehmer der Microsoft-Partnerprogramme, die sich an »Business-Entscheider« und »Multiplikatoren« wendet, veröffentlichte die Beklagte die nachstehend verkleinert wiedergegebene Werbeanzeige:

[...]

in der es hervorgehoben heißt: »Wer 1 & 1 zusammen zählen kann, setzt auf Hosted Exchange 2007«

Die Klägerin hält diese Anzeige wegen pauschaler Herabsetzung für grob wettbewerbswidrig.

Auf die Abmahnung hin gab die Beklagte eine Unterlassungserklärung ab und erteilte Auskunft dahingehend, dass die Anzeige (nur) einmal in der Zeitschrift »Monatsspiegel« veröffentlicht worden sei.

Mit ihrer Klage begehrt die Klägerin zum einen Ersatz der Abmahnkosten in Höhe von 1.902,80 Euro, berechnet nach einem Gegenstandswert von 50.000 Euro und einer Gebühr von 1,8 nebst Auslagenpauschale. Zum anderen begehrt die Klägerin Schadensersatz in Höhe von 4.500 Euro. Zur Begründung macht sie geltend: Die Klägerin sei bei dem Adressaten der Werbung unter ihrem Firmenschlagwort 1 & 1 nahezu zu 100 % bekannt, die Beschädigung des Rufs und der Marke wiege besonders schwer. Deshalb sei die Beklagte unter dem Gesichtspunkt des Marktverwirrungsschadens verpflichtet, der Klägerin diejenigen Kosten zu ersetzen, die durch die Schaltung gegenläufiger Anzeigen in demselben Medium entstünden. Die Kosten für eine Anzeige in gleicher Größe beliefen sich - unstreitig - auf 2.250,00 Euro, erforderlich und angemessen sei die Schaltung von mindestens 2 Anzeigen. Dem stehe der Zeitablauf seit der Verletzung nicht entgegen, weil der Anspruch so lange bestehe, wie sich die wettbewerbswidrige Werbung noch nachteilig auf den Ruf des geschädigten Unternehmens auswirken könne. Vergleichend heranzuziehen sei insoweit die Rechtssprechung zu Urteilsveröffentlichungen, der zu entnehmen sei, dass jedenfalls ein Zeitraum von bislang etwas mehr als 6 Monaten unschädlich sei. Ansonsten habe es der Verletzer in der Hand, durch Verzögerungen den Anspruch zu vereiteln.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie einen Betrag in Höhe von 6.402,80 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 24.11.2007 zu zahlen.

Die Beklagte hat den auf die Abmahnkosten entfallenden Teil der Klageforderung in Höhe von 1.589,00 Euro nebst Zinsen im Termin am 15.5.2008 anerkannt und beantragt im Übrigen,

die Klage abzuweisen.

Sie meint, es habe schon keine Rechtsverletzung stattgefunden. Die bloße Nennung der Marke in dem Wortspiel sei weder marken- noch wettbewerbsrechtlich unzulässig. Vielmehr müsse es - auch unter dem Aspekt des Art. 5 GG - gestattet sein, sich auf humoristische Weise in der Werbung mit Wettbewerbsprodukten auseinander zu setzen. Eine unzulässige Herabsetzung liege hierin nicht. Unabhängig davon habe die Klägerin auch nicht vorgetragen, wie denn die von ihr zu schaltenden Anzeigen gestaltet sein sollten.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Soweit die Klageforderung anerkannt wurde, war hierüber ohne Sachprüfung durch Anerkenntnisurteil zu entscheiden, § 307 ZPO.

Die darüber hinausgehende Klage ist unbegründet.

Der Klägerin stehen weder weitergehende Ansprüche auf Ersatz von Abmahnkosten noch Schadensersatzansprüche der begehrten Art zwecks Schaffung von »Gegenanzeigen« zu.

Dabei kann unterstellt werden - die Kammer hat ihre diesbezügliche Auffassung in der mündlichen Verhandlung zum Ausdruck gebracht - dass die Werbung der Beklagten in der konkreten Form wettbewerbswidrig gewesen ist, weil auch bei einem schuldhaften Verhalten der Beklagten keine weitergehenden Ansprüche - so wie sie geltend gemacht werden - begründet sind.

Im Einzelnen:

Die Höhe der Abmahnkosten ist auf der Basis eines Gegenstandswerts von 50.000 Euro bei einer 1,5-Gebühr zzgl. Auslagenpauschale zu berechnen, was den von der Beklagten im Termin anerkannten Betrag von 1.589,00 Euro ergibt. Der Ansatz der von der Klägerin ihrer Berechnung zugrunde gelegten 1,8-Gebühr ist nach Auffassung der Kammer nicht gerechtfertigt.

Die Kammer gewährt für »normale« Abmahnungen auch in Wettbewerbs- und markenrechtlichen Angelegenheiten grundsätzlich die sog. »gedeckelte« Mittelgebühr von 1,3. Auch im vorliegenden Fall besteht an sich kein Anlass, hiervon abzuweichen, da der Sachverhalt sehr überschaubar und die rechtliche Beurteilung nicht sonderlich schwierig gewesen ist. Da jedoch - anders als nach früherem Recht - mit der Gebühr sämtliche Tätigkeiten des Anwalts im Zusammenhang mit der Abmahnung abgegolten werden, konnte hier erhöhend berücksichtigt werden, dass im Zuge der weiteren Abwicklung eine weitere Korrespondenz stattfand. Diese erschöpfte sich jedoch in einem kurzen weiteren (7-zeiligen) Schreiben (Bl. 37 d.A.), in dem darauf hingewiesen wurde, dass die erteilte Auskunft unzutreffend sei, was durch eine 2-zeilige Antwort klargestellt wurde. Das rechtfertigt eine Erhöhung der 1,3-Gebühr auf 1,5, nicht aber auf 1,8.

Eine bezifferter Schadensersatzanspruch, im Ergebnis darauf gerichtet, der Klägerin die Kosten für 2 »Gegenanzeigen« zu erstatten, die erst in der Zukunft zu konzipieren und zu schalten wären, steht der Klägerin hingegen nicht zu.

Dabei mag wiederum unterstellt werden, dass die Werbung unzulässig war und der Klägerin ein sog. Marktverwirrungsschaden in Form eines »Imageschadens« entstanden sein kann, der darauf beruht, dass die Produkte der Klägerin - wenn auch vordergründig humorvoll - pauschal als minder geeignet herabgewürdigt wurden. Die Kammer verkennt auch nicht, dass es für den Geschädigten vergleichsweise leicht ist, im Wege der Schadensersatzfeststellungsklage ein obsiegendes Urteil zu erstreiten, jedoch ausgesprochen problematisch, den entstandenen Imageschaden zu beziffern. Es ist deshalb auch nach Auffassung der Kammer nicht von vornherein ausgeschlossen, im Wege der Schadensbeseitigung vom Schädiger zu bezahlende Gegenmaßnahmen zu ergreifen, wozu theoretisch auch die Schaltung von »Gegenanzeigen« gehören könnte.

Gleichwohl führt dies nicht dazu, dass eine bezifferte Geldforderung entstünde oder zugesprochen werden könnte, die die Klägerin nach eigener Absichtserklärung ggfls. dazu verwenden wird, erst noch zu konzipierende Eigenwerbung zu erstellen und dann zu veröffentlichen.

Die Schadensbeseitigung/-Wiedergutmachung erfolgt in derartigen Fällen nämlich nicht durch die Geldzahlung, sondern durch die Veröffentlichung einer bestimmten Anzeige, die dann inhaltlich darauf zu überprüfen wäre, ob sie zur Schadensbeseitigung geeignet und erforderlich ist. Der Schädiger ist - auch bei Fällen der vorliegenden Art - keineswegs dazu verpflichtet, irgendwelche Anzeigen des Geschädigten zu finanzieren, mögen diese auch generell geeignet sein, das Image des Werbenden zu fördern. Erforderlich ist deshalb auch eine inhaltliche Gestaltung, die einen Bezug zur schädigenden Handlung aufweist, (vgl. BGH GRUR 1979, 804 Falschmeldung; GRUR 1990, 1012 Pressehaftung).

Zusätzlich erforderlich ist eine Interessenabwägung auch unter zeitlichen Aspekten. Werbung ist vergänglich, insbesondere pflegen solche Werbeaussagen schnell zu verblassen, die inhaltlich vergleichsweise belanglos und/oder untergeordnet erscheinen. Hierzu gehört im Ergebnis auch die streitgegenständliche Anzeige, deren Schwerpunkt in der Anpreisung des eigenen Produkts liegt und die lediglich als »Aufhänger« die zu beanstandende Herabsetzung der Klägerin enthält. Die »Fortwirkung« ist deshalb extrem überschaubar. Die Kammer bleibt insoweit bei ihrer in der mündlichen Verhandlung geäußerten Auffassung, dass nach mehr als 6 Monaten eine solche Fortwirkung nicht mehr feststellbar ist und eine Schadensbeseitigung mit Veröffentlichung von Gegenanzeigen dementsprechend ausscheidet, weil sie nicht erforderlich ist bzw. unangemessen wäre. Die von der Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 29.5.2008 bemühte Parallele zum Anspruch auf Urteilsveröffentlichung und die hierzu von ihr angeführte Rechtsprechung führen im vorliegenden Fall nicht weiter, da zum einen die Sachverhalte nicht vergleichbar sind und zum anderen jedenfalls teilweise dem BGH eine Sachprüfung unter Hinweis auf das Ermessen des Haftrichters verwehrt war (vgl. z. B. BGH GRUR 1967, 362 Spezialsalz I).

Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 288 BGB, 92, 708 Nr. 1, 11, 711 ZPO.

Streitwert: 6402,80 Euro.

Kehl              Wille         Dr. Bruhns

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