OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.07, I-20 W 178/07 – Ferrari-Modellfahrzeuge

eigenesache Die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr ist unabhängig von ihrer Geltendmachung oder gar Titulierung im Hauptsacheverfahren vorzunehmen.

Instanzen: LG Düsseldorf, Beschl.. v. 20.11.07, 14c O 235/06; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.07, I-20 W 178/07

Streitwert: 780 €

 

nrw

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS

Aktenzeichen: I-20 W 178/07
Entscheidung vom 27. Dezember 2007

 

In dem Rechtstreit

[...]

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Professor Berneke, den Richter am Oberlandesgericht Dr. Maifeld und den Richter am Landgericht Gmelin am 27. Dezember 2007

beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 12. Oktober 2007, berichtigt durch Beschluss vom 20. November 2007, abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Die Beklagten haben der Klägerin aufgrund des Urteils der 14c. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 29. November 2006 insgesamt 5.320,96 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB seit dem 7. Februar 2007 zu erstatten.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Klägerin. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

Gründe

Mit Schreiben ihrer späteren Prozessbevollmächtigten vom 27. April 2005 ließ die Klägerin die Beklagten wegen Verletzung ihres durch ein Geschmacksmuster geschützten Modells »[...]i« abmahnen und zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung, Erteilung von Auskunft und Verpflichtung zu Schadensersatz auffordern. Der Abmahnung war eine Kostennote in Höhe einer 1,5 Geschäftsgebühr auf der Basis eines Gegenstandswerts von 75.000,00 Euro beigefügt. Die Abmahnung war erfolglos. Die Klägerin reichte daraufhin die vorliegende gleichgerichtete Klage ein, mit der sie außerdem die Erstattung des hälftigen Betrags der vorgenannten Kostennote begehrte. Nach Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und Erteilung der Auskunft haben die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für insoweit erledigt erklärt. Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung ihre Abmahnkostenforderung auf eine 0,65 Gebühr als die Hälfte einer 1,3 Geschäftsgebühr reduziert. Dieser Betrag ist Teil der titulierten Nebenforderung von 1.400.00 Euro, der Rest sind Detekteikosten. Das Landgericht hat die Beklagten auch bezüglich der noch in Streit stehenden Hauptforderungen verurteilt und ihnen die Kosten des Verfahrens auferlegt. Den Streitwert hat es bis zur mündlichen Verhandlung auf 75.000,00 Euro und sodann auf 15.000,00 Euro zuzüglich des Kosteninteresses aus 60.000,00 Euro festgesetzt. Auf Antrag der Klägerin hat das Landgericht den Beklagten zunächst durch Beschluss vom 12. Oktober 2007 die Erstattung von Kosten in Höhe von 4.132,96 Euro aufgegeben. In diesem Betrag ist eine 1,3 Verfahrensgebühr auf der Basis eines Streitwerts von 75.000,00 Euro und eine 1,2 Terminsgebühr auf der Basis eines Streitwerts von 24.052,76 Euro enthalten. Durch Beschluss vom 20. November 2007 hat das Landgericht den von den Beklagten zu erstattenden Betrag um weitere 1.968,00 Euro Gerichtskosten ergänzt.

Gegen diese Festsetzungen richtet sich die sofortige Beschwerde der Beklagten, mit der sie die Herabsetzung der berücksichtigten Verfahrensgebühr auf eine 0,65 Gebühr und die Berechnung der Terminsgebühr auf der Basis eines Streitwertes von 22.592,86 Euro begehren.

II.

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 2. November 2007 ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12. Oktober 2007 ist den Verfahrensbevollmächtigten der Beklagten ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 18. Oktober 2007 und nicht - wie im Beschwerdeschriftsatz angegeben - am 17. Oktober 2007 zugegangen. Der 1. November ist gesetzlicher Feiertag, die am 2. November 2007 als Fax eingegangene Beschwerdeschrift hat die Zwei-Wochen-Frist folglich gewahrt.

Der Kostenerstattungsanspruch der Klägerin ist hinsichtlich der ihren Rechtsanwälten zustehenden Verfahrensgebühr auf eine 0,65 Gebühr beschränkt. Die Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben diese in der vorliegenden Angelegenheit bereits außergerichtlich vertreten, so dass auf ihrer Seite eine Geschäftsgebühr nach Nummer 2300 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG entstanden ist.

Nach Absatz 4 der amtlichen Vorbemerkungen 3, Teil 3 zum Vergütungsverzeichnis ist die Geschäftsgebühr zur Hälfte, jedoch höchstens zu einem Gebührensatz von 0,75, auf die Verfahrensgebühr anzurechnen. Die späteren Prozessbevollmächtigten der Klägerin haben für ihre außergerichtliche Tätigkeit zunächst eine 1,5 Geschäftsgebühr in Ansatz gebracht und diese später auf eine 1,3 Gebühr ermäßigt. Die im vorliegenden Verfahren geltend gemachte 1,3 Verfahrensgebühr reduziert sich daher auf eine 0,65 Gebühr.

Eine Anrechnung der Verfahrensgebühr auf die Geschäftsgebühr ist mit dem klaren Wortlaut der Vorschrift nicht zu vereinbaren. Für die obsiegende Partei wäre ein solches Vorgehen zwar prozessökonomisch sinnvoll, weil die außergerichtlich angefallenen Kosten (zum Teil) nicht gesondert eingeklagt werden müssten, Gründe der Prozessökonomie gestatten es jedoch nicht, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden (BGH, NJW 2049, 2050).

Der von einigen Oberlandesgerichten vertretenen Auffassung, die Vorschrift sei im Kostenfestsetzungsverfahren nur dann anzuwenden, wenn die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr im Hauptsacheverfahren tituliert worden sei (so KG, NJW-Spezial, 2007, 459; wohl auch OLG München, B. v. 30. Aug. 2007, Az.: 11 W 1779/07; OLG Karlsruhe, B. v. 18. Sep. 2007, Az.: 13 W 83/07; OLG Koblenz, B. v. 15. Mär. 2007, Az.: 14 W 170/07 u. B. v. 10. Okt. 2007, Az.: 14 W 667/07), vermag der Senat nicht zu folgen. Diese Auffassung findet in der Vorschrift keine Stütze. Absatz 4 der Vorbemerkung 3, Teil 3 des Vergütungsverzeichnisses zum RVG stellt allein darauf ab, ob eine Geschäftsgebühr entstanden ist, auf die Frage ihrer Titulierung oder (erfolgreichen) Geltendmachung kommt es demnach gerade nicht an. Die vom Kammergericht vorgenommene Unterscheidung der Rechtsbeziehungen zwischen dem Rechtsanwalt und dem eigenen Mandanten, in der eine Anrechnung erfolgen soll, und zwischen den Prozessparteien, in der die Verfahrensgebühr unangetastet bleiben soll, überzeugt nicht. Was zu den Kosten des Rechtsstreits gehört, kann nur einheitlich beantwortet werden. Nach § 11 Abs. 1 RVG kann ein Rechtsanwalt die ihm zustehende Vergütung gegen seinen Mandanten festsetzen lassen, soweit diese zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens gehört. Da es im Verhältnis Rechtsanwalt - Mandant auch nach dieser Auffassung zu einer Anrechnung kommen muss, würde zu den Kosten des gerichtlichen Verfahrens nach § 11 Abs. 1 RVG nur die reduzierte Verfahrensgebühr gehören. Folge der vorgenannten Auffassung wäre daher ein Auseinanderfallen des Verständnisses der Begriffe »Kosten des gerichtlichen Verfahrens« in § 11 Abs. 1 RVG und »Kosten des Rechtsstreits« in § 91 Abs. 1 ZPO, für das eine Rechtfertigung nicht zu erkennen ist.

Die vorgenannte Auffassung ist auch mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht zu vereinbaren. Der Bundesgerichtshof hat in seiner vorgenannten Entscheidung über den konkret entschiedenen Sachverhalt hinaus klargestellt, dass die Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr unabhängig von ihrer Geltendmachung oder gar Titulierung im Hauptsacheverfahren vorzunehmen ist. Anders kann die Formulierung »(...) bei einer Anrechnung auf die Verfahrensgebühr wird die obsiegende Partei darauf verwiesen, die volle Geschäftsgebühr gegen die unterlegene Partei - gegebenenfalls gerichtlich - geltend zu machen, (...) Gründe der Prozessökonomie gestatten es jedoch nicht, ein Gesetz gegen seinen klaren Wortlaut anzuwenden« (NJW 2049, 2050) nach Ansicht des Senats nicht verstanden werden. Als Vertreter der von ihm für vorzugswürdig erachteten Betrachtung führt der Bundesgerichtshof zudem den Verwaltungsgerichtshofs München an. Nach dessen Entscheidung hat der Gesetzgeber eine pauschalisierte, also von der konkreten Geschäftsgebühr unabhängige Anrechnung normiert, dem eine Kürzung der Verfahrensgebühr mit dem Satz von 0,65, also der Hälfte der Mittelgebühr nach Nummer 2300 W RVG, auch dann entspricht, wenn es an einer Erstattungsgrundlage für die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr fehlt; es widerspräche den Normzielen, wenn der Prozessgegner diese im gerichtlichen Verfahren sozusagen nachträglich zu übernehmen hätte (NJW 2006, 1990, 1991).

Die vom Landgericht auf der Basis eines Streitwertes von 24.052,76 Euro auf 823,20 Euro festgesetzte Terminsgebühr bleibt unverändert. Der von den Beklagten ermittelte Streitwert von 22.592,86 Euro liegt in der gleichen von 22.000,01 bis 25.000,00 Euro reichenden Gebührenstufe. Zwar begegnet die Streitwertfestsetzung des Landgerichts, das dem Wert der noch in Streit stehenden Hauptsache die auf den erledigten Teil entfallenden Kosten hinzugesetzt hat, Bedenken, da nach höchstrichterlicher Rechtsprechung die anteiligen Prozesskosten nach übereinstimmender Teilerledigungserklärung den Streitwert nicht erhöhen, solange auch nur der geringste Teil der Hauptsache noch in Streit ist (BGH, NJW-RR, 1995, 1089, 1990). Die Streitwertfestsetzung ist jedoch nicht angefochten worden, einer Änderung von Amts wegen steht der Ablauf der Frist von sechs Monaten ab Rechtskraft der Hauptsache entgegen, § 63 Abs. 3 S. 2 GKG.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Der Senat hat die Rechtsbeschwerde gemäß § 574 Abs. 3 ZPO zugelassen, da dies mit Rücksicht auf die abweichende Auffassung des Kammergerichts, die nach dem Vortrag der Klägerin die Oberlandesgerichte München, Karlsruhe und Koblenz teilen, als zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten erscheint

Beschwerdewert: 780,00 Euro

Professor Berneke RiOLG Dr. Maifeld ist infolge Sonderurlaubsverhindert zu unterschreiben Gmelin

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