BPatG, Beschl. v. 13.08.08, 29 W (pat) 146/06 - Farbmarke Rapsgelb

Einer konturlosen Farbmarke kommt Unterscheidungskraft nur unter außergewöhnlichen Umständen zu, etwa wenn die Zahl der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist. Auf dem Gebiet der Druckereierzeugnisse, und zwar auch dem Segment der Branchenbücher, werden Farben dagegen vielfach und beliebig dekorativ eingesetzt. Wird eine Farbe einem rechtlich in dieser Form nicht mehr existenten Dienstleister zugerechnet, kann sich der neue Anbieter hierauf nicht berufen.  Trotz danach fehlender Unterscheidungskraft ist die Farbe »Rapsgelb« für Branchenverzeichnisse gleichwohl, und zwar aufgrund eines Grads der Verkehsrdurchsetzung von jedenfalls über 50%, für die DeTeMedien eintragungsfähig.

 

bundesadler

BUNDESPATENTGERICHT
BESCHLUSS

Aktenzeichen: 29 W (pat) 146/06
Beschluss vom 13. August 2008

 

In der Beschwerdesache

[...]

betreffend die Markenanmeldung 304 69 244.1

hat der 29. Senat (Marken-Beschwerdesenat) des Bundespatentgerichts in der Sitzung vorn 13. August 2008 unter Mitwirkung der Vorsitzenden Richterin Grabrucker und der Richterinnen Fink und Dr. Mittenberger-Huber

beschlossen:

Der Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent- und Markenamts vom 9. Oktober 2006 wird aufgehoben.

Gründe

Die Farbmarke DE 304 69 244.1

RAL 1021
Rapsgelb

ist für verschiedene Waren und Dienstleistungen der Klassen 9, 16, 35, 38, 41 und 42 zur Eintragung in das Register angemeldet. Nach einer Einschränkung des Waren- und Dienstleistungsverzeichnisses im Beschwerdeverfahren soll sie nur mehr für die Waren und Dienstleistungen der

Klasse 16: Druckereierzeugnisse, nämlich gedruckte Branchen-Telefonbücher und gedruckte Branchen-Verzeichnisse;

Klasse 41: Veröffentlichung und Herausgabe von gedruckten Branchen-Telefonbüchern;

in das Markenregister eingetragen werden.

Die Markenstelle für Klasse 38 des Deutschen Patent und Markenamts hat die Anmeldung des Zeichens durch Beschluss vom 9. Oktober 2006 insgesamt zurückgewiesen.

Sie vertritt die Auffassung, der Anmeldung fehle jegliche Unterscheidungskraft. Weder die Einwände der Anmelderin noch die zur Verkehrsdurchsetzung eingereichten Unterlagen ständen dieser Beurteilung entgegen. Das angemeldete Zeichen sei markenfähig und abstrakt unterscheidungskräftig. Ihm fehle jedoch die konkrete Fähigkeit, Produkte eines Unternehmens von dem anderer Unternehmen zu unterscheiden. Farben würden vom Publikum nicht wie Wort- oder Bildmarken wahrgenommen. Es fehle eine generelle Gewöhnung des Verkehrs, aus Farben von Waren oder Umverpackungen ohne grafische oder verbale Elemente originär auf deren Herkunft zu schließen, Dies könne nur unter ungewöhnlichen Umständen in eng spezifisch begrenzten Waren- und Dienstleistungsbereichen der Fall sein. Komme in der jeweiligen Branche der Einsatz einer Farbe als Herkunftshinweis in Betracht, müsse zudem geprüft werden, ob die konkrete Farbe lediglich als dekoratives oder sachbezogenes Gestaltungsmittel wahrgenommen werde. Branchenbücher würden grundsätzlich nach Art und Anwendungsbereich mit Farben bezeichnet, so »Weiße Seiten« für Verzeichnisse von Telefonanschlüssen Privater, »Blaue Seiten« für den Handwerksbereich oder »Grüne Seiten« für Anbieter umweltfreundlicher Produkte. Der Begriff »Gelbe Seiten« sei außerdem lexikalisch belegt und bedeute »Branchenverzeichnis als Ergänzungsband zum Telefonbuch«. Ein Anspruch auf Eintragung ergebe sich auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nicht, da eine sachwidrige Behandlung nicht zu einer anspruchsbegründenden Selbstbindung führe.

Eine Verkehrsdurchsetzung sei nicht nachgewiesen, da insoweit lediglich auf die Beurteilung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit Bezug genommen werde, die im Eintragungsverfahren jedoch irrelevant sei. Das vorgelegte demoskopische Gutachten aus dem Jahr 2004 könne die erforderliche Bekanntheit für die beantragten Waren und Dienstleistungen ebenfalls nicht nachweisen. Es beziehe sich zum Einen nur auf die Waren »Branchen-Telefonbücher«. Zum Anderen ordne der Verkehr die Farbe nicht einheitlich einem, sondern mehreren Unternehmen zu. Zumindest die Zuordnung zur Deutschen Post AG könne der Anmelderin, die ohnehin niemand direkt benannt habe, nicht zugerechnet werden, da sie nicht zu den mit der Anmelderin verbundenen Unternehmen gehöre. Die Markenanmelderin als Tochter der Deutschen Telekom AG sei rechtlich nicht mit der Deutschen Post AG verbunden, selbst wenn sie zu den Postnachfolgeunternehmen der Deutschen Bundespost rechne. Addiere man daher die auf die Deutsche Post AG entfallenden Prozentpunkte nicht zum Ergebnis hinzu, liege die Durchsetzung lediglich bei 41,2%, mithin unter der für eine Verkehrsdurchsetzung einzuhaltenden Untergrenze von 50 %.

Mit ihrer hiergegen gerichteten Beschwerde vom 20. März 2007 trägt die Beschwerdeführerin vor, dass die Markenstelle die Anforderungen an die Eintragung abstrakter Farbmarken überspanne. Es dürften insbesondere keine höheren Anforderungen als an die Eintragung der anderen Markenformen gestellt werden. Sie habe ihr Verzeichnis im Laufe des Verfahrens nunmehr bewusst auf die Waren und Dienstleistungen »Druckereierzeugnisse, nämlich gedruckte Branchen-Telefonbücher und gedruckte Branchen-Verzeichnisse; Veröffentlichung und Herausgabe von gedruckten Branchen-Telefonbüchern« beschränkt und damit auf die Anmeldung von Oberbegriffen verzichtet. Bei den noch beanspruchten Branchentelefonbüchern und deren Herausgabe habe die Beschwerdeführerin nach der Privatisierung der Deutschen Bundespost durch kontinuierliche Oualitätsarbeit und konsequente Markenpolitik einen überragenden Bekanntheitsgrad aufgebaut, der einer Benutzungsrnarke gleichkomme. Der maßgebliche Markt, für den die Beschwerdeführerin konturunbestimmten Farbmarkenschute beanspruche, nämlich Waren und Dienstleistungen im Kernbereich von Branchenverzeichnissen/Branchentelefonbüchern, sei ebenfalls sehr spezifisch. Der Verkehr sei dort an Farben, und zwar gerade durch den Marktauftritt der Beschwerdeführerin, aber auch von Mitbewerbern gewöhnt. Zweitkennzeichnungen durch Wortmarken seien in diesem Segment gleichfalls üblich. Die Farbe »rapsgelb« der Beschwerdeführerin werde darüber hinaus nicht sachbezogen, sondern lediglich kennzeichnend verwendet Insgesamt sei das angemeldete Zeichen daher originär unterscheidungskräftig. Hilfsweise werde eine Eintragung aufgrund Verkehrsdurchsetzung geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin und ihre Partnerverlage verlegten Branchenverzeichnisse in gelber Farbe mit dem Titel »Gelbe Seiten« bereits seit den frühen 1960er Jahren. Die Analyse eines renommierten Marktforschung Instituts aus dem Jahr 2004 belege, dass 54% der Bevölkerung ab 14 Jahren Branchenverzeichnisse nutzten. Von den Personen, die Printmedien verwendeten, griffen 69 % zu den »Gelben Seiten«. Die Gesamtauflage der »Gelben Seiten« sei seit 1990 von 23.855.200 (zusammen mit den Regionalausgaben der »Gelben Seiten«) auf 48.088.029 im Jahr 2006 gestiegen, Der rechnerische Marktanteil, der schwierig zu ermitteln sei. dürfe bei ca. 94 % liegen. Der Werbeaufwand sei erheblich, insbesondere sei die Beschwerdeführerin mit ihren „Gelben Seiten" bundesweit im Sportsponsoring aktiv.

Die Beschwerdeführerin legte im Beschwerdeverfahren erneut ein demoskopisches Gutachten vom Mai 2008 vor. Daraus ergibt sich, dass 61,7 % der Gesamtbevölkerung in der Farbe »Gelb« den Hinweis auf einen ganz bestimmten Herausgeber sehen. Zu Lasten der Beschwerdeführerin sind entsprechend den Anforderungen des Senats die Prozentsatze in Abzug gebracht worden, die auf Personen entfielen, die namentlich die »(Deutsche) Post« benannt und als Herausgeber individualisiert hatten. Diese Zahlen sind durch zusätzliche Aufklärungs- und Kontrollfragen ermittelt worden. Sowohl in der Gesamtbevöikerung als auch bei den Nutzern/Besitzern von Branchen-Telefonbüchern ergab sich der Kennzeichnungsgrad von über 60 %. Im Verkehrskreis der Besitzer und Nutzer von Branchen-Telefonbüchern belief sich die namentlich richtige Zuordnung auf 51,6%.

Die Anmelderin beantragt,

den Beschluss der Markenstelle für Klasse 38 vom 9. Oktober 2006 aufzuheben.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Akten Bezug genommen.

Die Beschwerde ist gem. § 66 Abs. 1 und 2 MarkenG zulässig und in der Sache begründet. Für die nach der Einschränkung des Waren- und Dienstleistungs Verzeichnisses noch verfahrensgegenständüchen Waren und Dienstleistungen

»Druckereierzeugnisse, nämlich gedruckte Branchen-Telefonbücher und gedruckte Branchen-Verzeichnisse; Veröffentlichung und Herausgabe von gedruckten BranchenTelefonbüchern«

hat sich die angemeldete Marke aufgrund ihrer marken mäßigen Benutzung im Verkehr gem. § 8 Abs. 3 MarkenG durchgesetzt.

1. Die angemeldete F:arbrnarke ist mangels Unterscheidungskraft von Haus aus nicht schutzfähig (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG}.

1.1. Unterscheidungskraft im Sinne der genannten Vorschrift ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die angemeldeten Waren und Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Sie entspricht der Hauptfunktion der Marke, die Ursprungsidentität der gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen zu gewährleisten. Die Beurteilung der Unterscheidungskraft hat sich daher einerseits an den beanspruchten Waren und Dienstleistungen und andererseits an der Auffassung der angesprochenen Verkehrskreise zu orientieren (vgl. EuGH GRUR 2006, 229, Rn.27f. - BiolD; GRUR 2004, 674, Rn. 34 - POST-KANTOOR; BGH GRUR 2005, 417, 418 - BerlinCard; GRUR 2006, 850, Rn. 18 - FUSSBALL WM 2006). Bei der Beurteilung der Unterscheidungskraft einer abstrakten Farbmarke ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass das angesprochene Publikum nicht daran gewöhnt ist, allein aus der Farbe von Waren oder ihrer Verpackung auf die Herkunft der Waren zu schließen, da eine abstrakte Farbe im Verkehr grundsätzlich nicht als Mittel der Identifizierung verwendet wird. Nur unter außergewöhnlichen Umständen kann ihr daher Unterscheidungskraft zukommen, etwa wenn die Zahl der beanspruchten Waren oder Dienstleistungen sehr beschränkt und der maßgebliche Markt sehr spezifisch ist (vgl. EuGH GRUR 2003, 604, Rn. 65 f. - Liberte!)

1.2. Die beanspruchten gedruckten Branchen-Telefonbücher und Branchen-Verzeichnisse sind Waren, die sich an die allgemeinen Verkehrskreise richten. Es handelt sich dabei um eine sehr spezialisierte Form der Druckereierzeugnisse, in denen Firmen und Branchen alphabetisch sortiert bundesweit, auf einzelne Orte oder regional eingeschränkt, mit Adresse und Telefonnummer sowie ggf. weiteren Informationen aufgelistet sind. Die Dienstleistung der »Veröffentlichung und Herausgabe von gedruckten Branchen-Telefonbüchern« korrespondiert mit diesen Waren, da mittels der Dienstleistung die vorgenannten Druckwerke entstehen (BGH GRUR 2003, 342, 343 -WINNETOU). Die gedruckten Branchen-Telefonbücher werden dabei in der Regel kostenfrei an alle deutschen Haushalte abgegeben. Mit der Tagespost erhalten die Verbraucher eine Mitteilung, dass die neuen Branchenbücher bei der nächsten Postfiliale oder diversen namentlich benannten Verbrauchermärkten abgeholt werden können. Bei Rücksendung der Mitteilungskarte ist auch eine kostenpflichtige Zustellung an die gewünschte Adresse möglich. Im Handel sind die Branchen-Telefonbücher nicht erhältlich. Bei den verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen handelt es sich im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften daher um eine sehr beschränkte Zahl von Waren/Dienstieistungen und ein spezifisches Waren- bzw. Dienstleistungssegment (EuGH GRUR 2003, 604 ff. - Rn. 66 - Libertel). Dieser nennt die beschränkte Zahl der Waren und Dienstleistungen und den spezifischen Markt als Beispiele außergewöhnlicher Umstände, die dazu führen können, dass der Verkehr einer Farbe abweichend von seiner gewöhnlichen Wahrnehmung als Warenfarbe oder dekoratives Element einen betrieblichen Herkunftshinweis beimisst. Dabei geht, er offensichtlich davon aus, dass nur in einem überschaubaren Marktsegment mit eigenen Kennzeichnungsgewohnheiten eine »Umgewöhnung« des Verkehrs in der Wahrnehmung abstrakter Farben stattfinden kann. Für den Senat folgt daraus, dass außergewöhnliche Umstände nur angenommen werden können, wenn die Waren und Dienstleistungen Teil eines in sich geschlossenen, von den üblichen Kennzeichnungsgewohnheiten unabhängigen und in diesem Sinne spezifischen Marktsegments sind (vgl. BPatG 29 W (pat) 58/06 -Signalgelb). Dies ist hier der Fall (vgl. BPatG GRUR 2005, 1056, 1058 -Dunkelblau/Heilblau; 33 W (pat) 143/02 -Zitzengummis für Melkanlagen).

1.3. Dem Zeichen kann dennoch keine Unterscheidungskraft von Haus aus zugebilligt werden, weil sich für die verfahrensgegenständlichen Waren und Dienstleistungen eine Gewöhnung des Verkehrs an die herkunftshinweisende Verwendung abstrakter Farben im Sinne der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften nicht feststellen lässt (vgl. EuGH a. a. O.F Rn. 65 - Liberte!). Auf dem Gebiet der Druckereierzeugnisse, und zwar auch dem Segment der Branchenbücher, werden Farben vielfach und beliebig dekorativ eingesetzt.

Die Recherche des Senats zeigt bei Verlagen, die Branchen-Telefonbücher und -Verzeichnisse herausgeben, eine allgemeine Übung die Umschlagseiten farbig zu gestalten. Die Farbe hat dabei im Wesentlichen die Funktion eines »eye-catchers« und erregt die Aufmerksamkeit des Lesers. Die Anbieter gestalten die Seiten dabei in unterschiedlichen Farben. Mitbewerber verwenden rot/blaue (Die Kölner Branchen Verlags-GmbH; Schmidt Media GmbH), blaue (Dr. Bringmann & Gessler Veriag GmbH; Essener Branchen Verlags-GmbH), grüne (Verlag DAS grüne BRANCHENBUCH; Gröne & Partner GmbH) oder weiß/grau-gestreifte (Eniro Windhager Medien GmbH) Umschlagseiten. Die Innenseiten sind mehrfarbig und bunt bedruckt. Die Farbe wird dabei üblicherweise nicht als Merkmal einer bestimmten Branche/Region oder eines Verlags hervorgehoben. Es wird auch kein Bezug zwischen der jeweiligen Farbe und dem herausgebenden Verlag hergestellt (vgl. die Ausführungen zum Identifikationszusammenhang in BPatG 29W(pat)61/07 - Farbmarke Sonnengelb; Grabrucker, GRUR 1999, 850, 852; diess., WRP 2000, 1331, 1334). In der Wahrnehmung der beteiligten Verkehrskreise verbinden sich Farbe und Ware/Dienstleistung damit zu einem einheitlichen Erscheinungsbild, so dass der Verkehr keine Veranlassung hat, der Farbe als solcher eine herkunftshinweisende Wirkung beizumessen (vgl BGH GRUR2007, 780, Rn. 28 - Pralinenform; GRUR 2007, 235, Rn. 24 - Goldhase; GRUR 2003, 712, 7114 - Goldbarren; BPatG GRUR 2008, 428 - Farbmarke Rot).

1.4. Da es bereits an einer Gewöhnung des Verkehrs an abstrakte Farben als Kennzeichnungsmittel im spezifischen Marktsegment fehlt, erübrigt sich die Prüfung der konkreten Unterscheidungskraft im Sinne von § 8 Abs. 2 Nr, 1 MarkenG. Es kommt auf die Frage einer möglichen beschreibenden Bedeutung der Farbe »Gelb« für die beanspruchten Waren und Dienstleistungen daher nicht an. Lässt sich für das beanspruchte Marktsegment keine Gewöhnung der Verbraucher an die markenmäßige Verwendung der Farben feststellen, so ist eine Eintragung grundsätzlich nur im Wege der Verkehrsdurchsetzung möglich (vgl, Grabrucker/Fink, GRUR 2008, 371 ff. - Jahresbericht 20D7).

2. Das Schutzhindernis der fehlenden Unterscheidungskraft hat die Marke für die beanspruchten Waren infolge ihrer Benutzung im Verkehr überwunden (§ 8 Abs. 3 MarkenG).

2.1, Die Eintragung einer Marke im Wege der Verkehrsdurchsetzung setzt voraus, dass das Zeichen infolge seiner kennzeichenmäßigen Verwendung, d.h. aufgrund der Benutzung des Zeichens als Marke, für die fraglichen Waren und Dienstleistungen von einem wesentlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkannt wird (BGH GRUR 2008, 710 ff. - Rn. 23 -VISAGE). Maßgebliche Kriterien sind dabei nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften insbesondere der von der Marke gehaltene Marktanteil, die Intensität, die geografische Verbreitung und die Dauer der Benutzung dieser Marke, der Werbeaufwand für die Marke, der Anteil der angesprochenen Verkehrskreise, der die Ware oder Dienstleistung auf Grund der Marke als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennt sowie Erklärungen von Industrie- und Handelskammern oder anderen Berufs verbänden (vgl. EuGH GRUR 2006, 1022, Rn. 75 - Wicklerform; GRUR 2002. 804 , Rn. 60 - Philips; GRUR 1999, 723, Rn. 51 - Chiemsee). Die Tatsache, dass die angesprochenen Verkehrs kreise die Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend erkennen, muss auf der Benutzung des Zeichens als Marke beruhen, also einer Benutzung, die der Identifizierung der Ware oder Dienstleistung als von einem bestimmten Unternehmen stammend dient (EuGH, a. a. O,, Rn. 49, 54 - Chiemsee; a. a. 0., Rn. 64 - Philips; BGH, a. a. O., Rn. 23 - VISAGE).

2.2. Der Nachweis der Verkehrsdurchsetzung weist vorliegend deshalb besondere Schwierigkeiten auf, weil die Farbe »Gelb« in Verbindung mit Telefondienstleistungen einschließlich der Herausgabe und Veröffentlichung von Branchen-Telefonbüchern und Branchenverzeichnissen über Jahrzehnte dem Monopolunternehmen Deutsche Bundespost zugeordnet war. Der Senat hat insoweit zwar darauf hingewiesen, dass die Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu »LOTTO« (BGH GRUR 2006, 760 ff. - Rn. 21) bezüglich des Grades der Durchsetzung nicht einschlägig ist, da die Beschwerdeführerin selbst keine Monopolistin ist. Eine Verkehrsdurchsetzung ohne demoskopisches Gutachten war jedoch ausgeschlossen, da nachgewiesen werden musste, dass die maßgeblichen Verkehrskreise die Farbe »Gelb« als betrieblichen Herkunftshinweis sehen und nicht mehr als Symbolfarbe gattungsmäßig der Post zurechnen. Dies war nur durch eine methodisch einwandfreie Verkehrsbefragung herauszufinden, bei der aus dieser historischen Situation heraus Angaben, die auf die Deutsche Bundespost und die Deutsche Post AG als (Teil-)Rechtsnachfolgerin rekurrierten, nicht mitgezählt wurden. Nach allgemeiner Meinung in Literatur und Rechtsprechung ist die Nennung eines vom Anmelder abweichenden Namens nämlich nur dann unschädlich, wenn auf andere namentlich genannte Anbieter geringe Prozentsätze entfallen, nicht aber dann, wenn sie in beachtlichem Umfang benannt werden (Eichmann in: Hasselblatt/Eichmann, Münchner Anwaltshandbuch Gewerblicher Rechtsschutz, § 9 Rechtsdemoskopische Gutachten, Rn. 42; Niedermann, Empirische Erkenntnisse zur Verkehrsdurchsetzung, GRUR 2006, 367, 371; Ingerl/Rohnke, Markengesetz, 2. Auflage, § 8 Rn. 328: Ströbele in: Ströbele/ Hacker, Markengesetz, 8. Auflage, § 8 Rn. 354; BGH GRUR 2008. 505 ff. - Rn. 30 - TUC-Salzcracker; BGH GRUR 2007, 1071 - Rn. 32 - Kinder II; BPatG 32 W (pat) 39/03, S. 21 -Kinder; 32 W (pat) 320/03, S. 9 - YOGHURTGUMS; 32 W (pat) 217/04, S. 7 - Schülerhilfe). Dem setzt der Senat die Zurechnung der Farbe zu einem rechtlich in dieser Form nicht mehr existenten Dienstleister durch den Verkehr gleich. Die im freien Wettbewerb stehende Beschwerdeführerin kann sich daher diejenigen Angaben nicht zurechnen lassen, die auf Verhältnissen aus Monopolzeiten beruhen und heute der Deutschen Post AG zugewiesen werden.

2.3. Davon ausgehend ergibt eine Gesamtschau der vorgetragenen Umstände und des vorgelegten demoskopischen Verkehrsgutachtens vom Mai 2008, dass das Schutzhindernis der von Haus aus fehlenden Unterscheidungskraft gem. § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG überwunden ist.

2.3.1. Der Marktanteil der Beschwerdeführerin liegt nach ihren glaubhaften Angaben bei ca. 94 %. Die Gesamtauflage der »Gelben Seiten« und der »Gelben Seiten regional« ist von 1995 bis 2006 von 36.729.560 Stück auf 48.068.029 gestiegen, was nominal bedeutet, dass im Jahr 2006 50 % aller Deutschen ein Exemplar erhalten haben. Es ist außerdem gerichtsbekannt, dass das Branchen-Telefonbuch der Beschwerdeführerin einmal jährlich kostenlos auf Postamtern und bei unterschiedlichen Einkaufsmärkten zur Mitnahme bereitgelegt ist.

2.3.2. Aus dem demoskopischen Verkehrsgütachten vom Mai 2008 ergibt sich bei der Gesamtbevölkerung als Verkehrskreis ein Durchsetzungsgrad von 61,7 %. Die Befragung wurde von einem anerkannten Institut zur Durchführung von Verkehrsbefragungen durchgeführt. Befragungsumfang, Repräsentativst der Stichproben und Ablauf und Inhalt der Interviews sind nachvollziehbar dargestellt, ein Kommentar erläutert die - vom Senat angeregten - Aufklärungs- und Kontrollfragen. Abzustellen ist für die maßgeblichen Verkehrskreise nicht nur auf die Nutzer von Branchen-Telefonbuchern, sondern auf die Gesamtbevölkerung. Es ist davon auszugehen, dass jede Person über 14 Jahren, die telefoniert, zu einem beliebigen Zeitpunkt Einsicht in ein Branchen-Telefonbuch genommen hat, selbst wenn dies nicht regelmäßig geschieht und sie kein eigenes Branchen-Telefonbuch besitzt. Der Bekanntheitsgrad für Branchen-Telefonbücher liegt in der Gesamtbevölkerung bei 90,4 %. Davon ordnen 39,6 % die »Gelben Seiten« bereits namentlich richtig zu, wobei als »namentlich richtig« nicht nur die Beschwerdeführerin angesehen wurde, sondern auch die Angaben »(Deutsche) Telekom«, »Die Gelben Seiten« und namentlich benannte Kooperationspartner der DeTeMedien GmbH. 53,1 % sehen in der Farbe »Gelb« den Hinweis auf ein bestimmtes Unternehmen. Zunächst »mehrere Unternehmen« nennen 10,8% der Befragten, schränken nach zulässigen Kontrollfragen aber doch auf letztlich nur ein bestimmtes Unternehmen ein. Weitere 5,7 % meinen mit »mehrere Herausgeber« auf Nachfrage nur Unternehmen, die miteinander verbunden sind, weil sie die Verzeichnisse zusammen herausgeben. Insgesamt sehen damit 69,6 % (53,1 % + 10,8 % + 5,7 %) der Befragten die Farbe »Gelb« im Zusammenhang mit einem Branchen-Telefon buch als Hinweis auf einen bestimrnten Herausgeber an. 11,7 % nennen dagegen als Unternehmen »Post/Deutsche Post AG/ehemalige Bundespost« bei der namentlichen Benennung des Herausgebers. Von diesen sind allerdings nach dem Gutachten nur 7,9% in Abzug zu bringen, da sich bei den übrigen Befragten durch Aufklärungsfragen ergeben hat, dass sie mit der Angabe »Post« nicht den Herausgeber, sondern nur die Abholstelle für die Branchenverzeichnisse meinen. Das Gutachten kommt insoweit zu 69,6 % ./. 7,9 % - 61,7 %. Selbst wenn man zu Lasten der Beschwerdeführerin davon ausgeht, dass auch diejenigen, die die »Post« lediglich als Abholstelle für die Branchen-Telefonbücher halten, jedenfalls einem bestimmten -falschbenannten Unternehmen die Herausgeberschaft zurechnen, verbleibt es immer noch bei 57,9% der dann richtigen Zuordnung zu einem bestimmten Unternehmen, das nicht als das ehemalige Monopolunternehmen benannt wurde. Wenn man weiter zu lasten der Beschwerdeführerin unterstellt, dass die Fehlertoleranz nicht berücksichtigt wurde, und diese - der Fehlertoleranztabelle entsprechend - mit 5,7 % anzusetzen ist, bleibt ein Zuordnungsgrad von zwischen 52,2 % und 63,6 %, folglich ein Wert, der jedenfalls über der erforderlichen Hürde von 50 % liegt. In der Rechtsprechung des Bundespatentgerichts wird nämlich davon ausgegangen, dass bei der statistischen Auswertung nach der Gaußschen Verteilungskurve die Fehlertoleranz zu berücksichtigen ist (GRUR 2007, 593, 596 -Ristorante; GRUR 2007, 324 -Kinder; 32 W fpat) 217/04 -SCHÜLERHILFE). Dies ist vorliegend im Gutachten nicht geschehen, ändert jedoch am Ergebnis nichts. In der Zusammenschau mit den sonstigen Umständen und dem Erreichen eines Grenzwerts, der über 50 % in der Gesamtbevölkerung liegt, ist die Verkehrsdurchsetzung erfolgreich.

Der Beschwerde ist somit im Hinblick auf das Begehren der Beschwerdeführerin, das beantragte Zeichenim Wege der Verkehrsdurchsetzung einzutragen, stattzugeben.

Grabrucker           Fink             Dr. Mittenberger-Huber

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