Streitwert: 100.000 €
LANDGERICHT HAMBURG
IN NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Entscheidung vom 23. Oktober 2007
Aktenzeichen: 312 O 573/07
In der Sache
[...]
erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 12, auf die bis zum 12.10.2007 eingereichten Schriftsätzen durch
den Vorsitzenden Richter am Landgericht Sievers
die Richterin am Landgericht Dr. Bremer
die Richterin am Landgericht Blömer
für Recht:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 2.065,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 17.08.2007 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Der Kläger verlangt die Erstattung von Abmahnkosten wegen einer Markenverletzung in Höhe von € 2.065,03.
Der Kläger ist Inhaber der Marke »G-mail ... und die Post geht richtig ab«, die vom DPMA am 20.06.2000 für die Klassen 38, 39 und 42 eingetragen worden ist. Die Marke beansprucht Schutz für Telekommunikation, Dienstleistungen in und für elektronische Kommunikationsnetze wie Internet oder World Wide Web, elektronische Post, Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung etc. (Anlage K 1, Bl. 2 der Akte).
Der Kläger benutzt die Marke zum Beispiel für die Bereitstellung, Verwaltung und Betreuung von Email-Accounts sowie für einen hybriden Zustellservice.
Der Beklagte betreibt die Internetseite »www.[...].de« und genießt für das Zeichen »[...]« markenrechtlichen Schutz. Auf seinen Internetseiten präsentiert der Beklagte ein Angebot rund um das Microsoft Windows-System. Unter der Rubrik »Softwarearchiv« gibt es - teilweise auch kostenpflichtige - Angebote, nach dem Vortrag des Klägers zum Download, nach dem Vortrag des Beklagten reine Verlinkungen.
Der Kläger stellte Anfang September 2006 fest, dass der Beklagte unter dem Zeichen »Gmail Drive« Software auf seiner Internetseite anbot. Einen Ausdruck der Internet-Seite vom 11.09.2006, auf der GMail Drive Shell Extension benannt ist, hat er als Anlage K 5 eingereicht. Der Kläger mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 12.09.2006 ab und forderte ihn zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung auf (Anlage K 6).
Der Beklagte gab am 15.09.2006 eine strafbewehrte Unterlassungserklärung ab (Anlage K 8), die der Kläger am 21.09.2006 annahm. Gleichzeitig verlangte der Kläger Auskunft und Erstattung seiner Anwaltskosten (Anlage K 9). Bei einem Gegenstandswert von € 100.000 rechnete er € 2.065,03 für eine 1,3 Geschäftsgebühr nach §§ 2, 13 RVG '04, Nr. 2400 VV, die Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer ab (Anlage K 10).
Er hält diesen Betrag für nach § 14 Abs. 6 MarkenG bzw. §§ 683 Abs. 1, 677, 670 BGB erstattungsfähig. Der Kläger meint, der Beklagte habe durch das Angebot von Software unter »Gmail Drive« die älteren Markenrechte des Klägers nach § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG verletzt. Es bestehe Verwechslungsgefahr, weil zwischen dem Anbieten von Software und der Dienstleistung Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung eine hochgradige Waren-(Dienstleistungsähnlichkeit bestehe. Die Zeichen »Gmail Drive« und »G-mail ... und die Post geht richtig ab« seien hochgradig ähnlich, weil die Marke des Klägers durch den Bestandteil »Gmail« entscheidend geprägt werde.
Der Kläger meint, auch GMail Drive und GMail Drive Shell Extension würden maßgeblich durch »Gmail« geprägt. Denn »Drive« sei rein beschreibend für Software. »Drive« bedeute im Zusammenhang mit Software »Treiben« bzw. »Antrieb«, »Laufwerk« und/oder »Ansteuerung«. »Shell« sei die gängige Bezeichnung für eine Software, die den Benutzer mit dem Computer verbinde und »Shell Extension« eine erweiterte Shell Software. Wegen der klanglichen Ähnlichkeit sei eine Zeichenähnlichkeit zwischen »Gmail« und »G-mail zu bejahen. Der Beklagte habe »Gmail« auch kennzeichenmäßig benutzt.
Der Gegenstandswert von € 100.000 sei angemessen, da vom 10.11.2004 bis zum 11.09.2006 3.823 Internetnutzer die Software unter dem Zeichen »Gmail Drive« heruntergeladen hätten.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger € 2.065,03 nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszinssatz seit dem 6. Oktober 2006 zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
Klageabweisung.
Der Beklagte meint, er schulde keine Anwaltshonorare, weil er bereits nicht auf Unterlassung haften müsse.
Der Beklagte trägt vor, er habe auf seiner Internetseite lediglich eine Verlinkung auf die Software GMail Drive Shell Extension 1.05 gehabt, die für ihn ein fremdes Angebot gewesen sei. Auf eine Markenrechtsverletzung sei der Beklagte erst durch Abmahnung der Klägerin aufmerksam geworden und habe Link und Text daraufhin von seiner Webseite entfernt. Die Software habe er neben einer Vielzahl anderer Programme beschrieben und verlinkt. Es sei nicht möglich gewesen, all diese Programme auf die Verletzung fremder Kennzeichen- und Namensrechte zu prüfen. Der Beklagte meint, die Rechtsprechung, die vertrete, dass derjenige, der Kennzeichen im Marktwettbewerb nutze, sich über den Rechtsbestand an Kennzeichenrechten am Markt vergewissern müsse, sei nicht mit der Zeit gegangen. Kein Anbieter im Internet könne vor jedem Einstellen eines Angebots eine Markenrecherche durchführen.
Weiter betreibe die Google Inc. den kostenlosen Emaildienst GMail in allen Ländern außer Deutschland, Österreich und Großbritannien, wo das Programm Google Mail heiße, weiter als GMail. Deshalb handele es sich bei Erwähnung und Verlinkung des Zusatzprogramms um eine zulässige Markennennung. Die Marke der Klägerin »G-mail ... und die Post geht richtig ab« und GMail Drive Shell Extension 1.05 seien auch nicht hinreichend ähnlich für eine Verwechslungsgefahr. Schließlich habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung von Anwaltshonoraren, weil er gar nicht geltend mache, dass für sie solche angefallen seien.
Der Kläger verweist darauf, dass der Beklagte einen Screenshot mit dem Zeichen GMail Drive auf den beanstandeten Seiten eingestellt habe und dass sein Softwareangebot eine von ihm selbst zusammengestellte Sammlung von aufbereiteten Softwareangeboten Dritter sei (Bl 41), das Privileg des § 9 TDG greife daher nicht. Der Kläger meint, dass es sich im rechtlichen Sinne um eigene Inhalte handele, wenn Software nicht von einem eigenen Server zum Herunterladen angeboten werde, sondern über einen so genannten Deep-Link von einem ausländischen Server. Denn der Beklagte habe sich so fremde Inhalte zu Eigen gemacht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die eingereichten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig und im Wesentlichen begründet.
Dem Kläger steht ein Kostenerstattungsanspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zu.
Abmahnkosten sind nach §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB zu erstatten, wenn sie berechtigt waren und können zudem unter dem Gesichtspunkt des Schadensersatzes nach § 14 VI MarkenG verlangt werden. Ein Anspruch aus §§ 677, 683 S. 1, 670 BGB besteht, wenn zum einen der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch bestanden hat und zum anderen die Abmahnung dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Schuldners entsprochen hat. Dies ist der Fall, wenn die Abmahnung erforderlich war, um dem Schuldner zu ermöglichen, den Gläubiger ohne Inanspruchnahme der Gerichte klaglos zu stellen.
1. Verletzung der Marke »G-mail ... und die Post ghet richtig ab«.
Eine Markenverietzung nach § 14 II Nr. 2 MarkenG war zum Zeitpunkt der Abmahnung gegeben. Der Beklagte hat im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen benutzt, das aufgrund seiner Ähnlichkeit mit der Marke des Klägers und aufgrund der Ähnlichkeit der betroffenen Dienstleistungen eine Verwechslungsgefahr begründet hat.
Der Beklagte hat ausweislich der als Anlage K 5 eingereichten Ausdrucke seiner Seite sowohl die vollständige Bezeichnung der Software GMail Drive Shell Extension als auch die Kurzform GMail Drive verwendet. Beide Zeichen sind wie auch die Marke des Klägers durch den Bestandteil GMail geprägt. Die Zusätze Drive bzw. Drive Shell Extension als nähere Beschreibungen einer Software ändern daran nichts. Denn aus der weiteren vom Beklagten eingestellten Beschreibung ergibt sich, dass eine Software für den Google-Maildienst, also für eine Internetdienstleistung, angeboten wird. Da alle Begriffe für Internetdienstleistungen bzw. damit zusammenhängende Waren verwendet werden, ist Ähnlichkeit der bezeichneten Waren und Dienstleistungen anzunehmen. Der Bestandteil »GMail« ist originär zumindest durchschnittlich kennzeichnungskräftig (OLG Hamburg, Urteil vom 04.07.2007, Az. 5 U 87/06, Rz. 34, zit. nach juris).
Auch vorliegend gilt bei der Prüfung der Verwechslungsgefahr zweier aus mehreren Elementen zusammengesetzten Kennzeichen, dass die sich gegenüber stehenden Kennzeichen in ihrer Gesamtheit zu betrachten und in der Weise einander gegenüber zu stellen sind, wie sie dem Verkehr entgegen treten. Dabei kann innerhalb der Gesamtbezeichnung ein Element eine selbstständige kennzeichnende Kraft haben, die zu einer eigenständigen, von den übrigen Markenbestandteilen gelösten Verwechslungsgefahr führt (OLG Hamburg, Urteil vom 04.07.2007, Az. 5 U 87/06, Rz. 27 f., zit. nach juris): Es genügt für die Feststellung einer Verwechslungsgefahr, dass das Publikum auf Grund der von der älteren Marke behaltenen selbständig kennzeichnenden Stellung auch den Inhaber dieser Marke mit der Herkunft der Waren oder Dienstleistungen in Verbindung bringt, die von dem zusammengesetzten Zeichen erfasst werden (EuGH GRUR 05, 1042, 1044 -THOMSON LIFE; vgl auch OLG Hamburg a.aO.).
Unter Berücksichtigung der bereits originär zumindest durchschnittlichen Kennzeichnungskraft des Bestandteils G-mail oder GMail, der Dienstleistungs- und Warenähnlichkeit sowie der Ähnlichkeit der Zeichen ist das Vorliegen einer Verwechslungsgefahr anzunehmen: Vorliegend wird der Verkehr, der die Bezeichnung GMail Drive Shell Extension oder GMail Drive sieht, gerade im Zusammenhang mit Software für Internetdienstleistungen Gefahr laufen, das Produkt für eines des Klägers zu halten.
Eine reine Nennung der Bezeichnung liegt nicht vor, weil der Beklagte sie nicht lediglich erwähnt, sondern auch ihren Download ermöglicht. Auch eine beschreibende Nutzung im Sinne des § 23 MarkenG liegt nicht vor, weil der Begriff »G-mail« oder GMail keine eigene Bedeutung hat und somit nichts beschreibt, sondern als Zeichen benutzt wird.
2. Aufwendungsersatz
Die Eingehung einer Verbindlichkeit ist bereits als Aufwendung im Sinne des § 670 BGB anzusehen. Darauf, ob die Rechnung der Prozessbevollmächtigten des Klägers von diesem bezahlt wurde, wie es der Kläger unter Beweis gestellt hat, kommt es daher nicht an.
Der Kläger kann deshalb die für die Abmahnung erforderlichen Aufwendungen ersetzt verlangen. Vorliegend ist die geltend gemachte 1,3-Geschäftsgebühr nach Nr. 2400 VV RVG nebst der Telekommunikationspauschale angemessen. Dass der Kläger vorsteuerabzugsberechtigt wäre, hat der Beklagte nicht substantiiert. Der vom Kläger angesetzte Gegenstandswert in Höhe von 100.000 € ist angemessen.
3. Zinsforderung
Der Zinsanspruch ist nach § 291 I BGB ab dem 17.08.2007 gegeben. Dass er bereits am 6.10.2006 entstanden sein sollte, ist nicht erkennbar. Der Kläger hatte im Schreiben vom 21.09.2006 (Anlage K 9) angeboten, bei Erstattung der Anwaltskosten bis zum 5.10.2006 auf die Geltendmachung von Auskunfts- und Schadensersatzansprüchen zu verzichten. Dass in diesem Angebot gleichzeitig eine Festsetzung der Leistungszeit nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB liegen könnte, ist nicht ersichtlich, da es sich um die einseitige Bestimmung der Leistungszeit handelt, die allein für eine Bestimmung der Leistungszeit nach dem Kalender nicht ausreicht (Palandt-He/nrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., § 286 Rz. 22). § 286 Abs. 3 BGG ist ebenfalls nicht anwendbar, da keine Entgeltforderung vorliegt (Palandt-Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., § 286 Rz. 27). Die Zustellung der Klage ist am 17.08.07 erfolgt.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.
Dr. Bremer Blömer Sievers