OLG Hamburg, Urt. v. 28.09.95, 3 U 170/95 – »TV live«

Ein durch eine Titelschutzanzeige begründete Priorität für ein Printmedium erstreckt sich nicht automatisch auf eine Veröffentlichung unter gleichem Namen im Internet.

Fundstelle: NJW-RR 1996, 879

Streitwert: 250.000 €

hamburg

HANSEATISCHES OBERLANDESGERICHT HAMBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 3 U 170/95
Entscheidung vom 28. September 1995

 

In dem Rechtsstreit

[...]

hat das Hanseatische Oberlandesgericht Hamburg, 3. Zivilsenat [...] für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragsgegnerinnen wird das Urteil des Landgerichts Hamburg, Zivilkammer 15, vom 26. April 1995 abgeändert. Die einstweilige Verfügung vom 10. April 1995 wird aufgehoben und der ihr zugrunde liegende Antrag zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

und beschlossen:

Der Streitwert wird auch für die Rechtsmittelinstanz auf 500.000 DM festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Zeitschriftenmarkt.

Die Antragstellerin befaßte sich im Herbst 1994 mit dem Plan, eine Fernsehprogramm-Zeitschrift herauszugeben. Im Oktober 1994 (41. Kalenderwoche) veröffentlichte sie im »Titelschutzanzeiger« eine Sammelanzeige für zwölf Titel »in allen Medien«, darunter die Titel »TV Life« und »TV live«. Im November wurden die Entwicklungsarbeiten aufgenommen, und im Februar begannen die redaktionellen Arbeiten an einer Nummer (Anlage Ast 1), wobei streitig ist, ob diese die Merkmale einer »Nullnummer« erfüllt. Jedenfalls wurde eine Nummer mit dem Titel »TV live«, deren »redaktioneller Mantel« etwa 60 % der Ausgabe ausmachte, Gegenstand einer Marktforschungsstudie.

In der ersten Hälfte Februar 1995 nahmen die Antragsgegnerinnen in einer Sammelanzeige u.a. Titelschutz für »TV Live« und »TV Live Magazin« in Anspruch. Daraufhin erhielten ihre Rechtsvertreter ein anwaltliches Schreiben vom 27. Februar 1995, in dem darauf hingewiesen wurde, daß »eine Mandantin« Rechte an dem Titel habe. Zum 13. April 1995 wurde das Erscheinen einer Programm-Zeitschrift mit einer beigefügten CD-ROM-Diskette unter dem Titel »TV LIVE MAGAZIN« angekündigt, die von den Antragsgegnerinnen herausgegeben bzw. vertrieben werden sollte. Die Antragstellerin erwirkte dagegen das landgerichtliche Verbot,

im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Druckschrift mit dem Titel

»TV LIVE MAGAZIN«

zu verlegen und/oder zu verbreiten und/oder verlegen und/oder verbreiten zu lassen und/oder eine derartig gekennzeichnete Druckschrift öffentlich anzukündigen und/oder dafür zu werben.

Aus diesem Grunde erschien die angekündigte Zeitschrift später unter dem Titel »TV ROM MAGAZIN«.

In der Verhandlung über den Widerspruch der Antragsgegnerinnen erklärte die Antragstellerin, die Marktstudie über ihr eigenes Verlagsobjekt stehe vor dem Abschluß. Von ihrem Ergebnis werde die alsbald zu treffende Entscheidung über das Erscheinen abhängen.

Das Landgericht bestätigte mit Urteil vom 26. April 1995 sein Verbot.

Im Mai lag das Ergebnis der Marktbefragung vor. Es war so günstig ausgefallen, daß nunmehr die Herausgabe der Zeitschrift in Angriff genommen wurde. Gleichzeitig ließ die Antragstellerin eine betriebswirtschaftliche Prognoserechnung erstellen. Die sich offenbarenden Risiken veranlaßten die Antragstellerin zu einer Änderung ihrer Pläne. Am 3. Juli 1995 traf der Vorstand die Entscheidung, vorerst keine gedruckte Ausgabe erscheinen zu lassen. Ende Juli 1995 meldete die Presse, daß die Antragstellerin mit ihrer neuen Zeitschrift frühestens im nächsten Jahr auf dem Markt erscheinen wolle.

Parallel zu Arbeiten an der Herausgabe der Druckausgabe von »TV live« befaßte sich die Antragstellerin mit dem Vorhaben, unter diesem Titel Fernsehprogramme über das Datennetz »Internet« dem Publikum zugänglich zu machen, und meldete dort am 13. Juni 1995 die Bezeichnung »TV live« an. Nachdem sie Ende Juni erfahren hatte, daß konkurrierende Großverlage Ähnliches beabsichtigten, und sie - gemessen an den elektronischen Versionen von deren Programmzeitschriften - ihr eigenes Vorhaben in der geplanten Form nicht mehr für ausreichend hielt, stellte sie es zurück, um es überarbeiten zu lassen. Am 3. Juli 1995 erhielt die Firma HexMac den Auftrag, entsprechende Programme zu entwickeln. Die Antragstellerin hat das elektronische »TV live« erstmalig anläßlich der Internationalen Funkausstellung am 25. oder 26. August 1995 der Öffentlichkeit angeboten und verweist im Hinblick auf Aussehen und Funktionsweise auf ihre Anlagen Ast 20 und 21.

Die Antragsgegnerinnen begründen ihre Berufung damit, daß die Antragstellerin wegen des Zeitablaufs keine Rechte aus ihrer Titelschutzanzeige für »TV live« herleiten könne. Was die Antragstellerin auf elektronischem Wege anbiete, erfordere allenfalls eine Vorbereitungszeit von zwei Monaten. Es sei kein titelschutzfähiges Werk, es ermögliche den Benutzern lediglich einen Zugriff auf ohnehin bei der Antragstellerin vorhandene Datenbanken. Die auf diesem Wege zugänglichen Fernsehprogramme würden im wesentlichen von den Fernsehanstalten bereitgestellt und von Agenturen den Verlagen unmittelbar im gewünschten Format und Umfang bereits aufbereitet überspielt.

Die Antragsgegnerinnen beantragen,

das Urteil des Landgerichts dahin abzuändern, daß die einstweilige Verfügung aufgehoben und der auf ihren Erlaß gerichtete Antrag zurückgewiesen wird.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

und behauptet, sie habe von Anfang an eine elektronische Veröffentlichung ihrer Programmzeitschrift »TV live« neben der Druckausgabe beabsichtigt und ab April 1995 gestaltete Einzelseiten für die elektronische Ausgabe entwickelt. Ein Angebot vor der Funkausstellung sei aus technischen Gründen nicht in Betracht gekommen. Es verwende keine Standard-Formate, sondern ein eigenständiges »Layout«.

Von der Darstellung weiterer Einzelheiten wird abgesehen (§ 543 Abs. 1 ZPO).

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Antragsgegnerinnen hat Erfolg. Die Antragstellerin hat keine Rechte an dem Titel »TV live«, die denen der Antragsgegnerinnen vorgehen.

1. Es war für § 16 UWG anerkannt, daß der die Priorität begründende Titelschutz für eine Druckschrift auch dadurch entsteht, daß sie unter dem Titel öffentlich angekündigt wird, sofern das Werk anschließend in angemessener Frist unter seinem Titel erscheint. Dieser Fall wurde dem gleichgeachtet, daß der Titel mit Erscheinen der Druckschrift tatsächlich in Benutzung genommen wird (GRUR 1989, 760, 761 Titelschutzanzeige mit weiteren Nachweisen). Für den nunmehr aus §§ 5 Abs. 3, 15 Abs. 4 MarkenG herzuleitenden Schutz gilt nichts anderes. In diesem Punkte hat das MarkenG gegenüber dem bisherigen Rechtszustand keine Änderungen gebracht, denn es stellt nur eine Zusammenfassung und Kodifizierung des bisher schon geltenden Rechtes dar. An eine Neuregelung war erklärtermaßen nicht gedacht (Bundestagsdrucksache 12/6581, S. 59, 67 f.). Deshalb läßt sich aus den Regelungen für Marken nichts herleiten. Für geschäftliche Bezeichnungen (§§ 5 MarkenG) ist keine Schonfrist vorgesehen. Eine wie auch immer geartete Annäherung an die Frist von fünf Jahren (§ 43 MarkenG) ergibt sich aus der neuen Gesetzeslage deshalb gerade nicht.

2. Das Landgericht hat einen Titelschutz bejaht, weil sich zum Zeitpunkt der Entscheidung im Verfügungsverfahren noch nicht habe feststellen lassen, daß seit der Anzeige eine unangemessene Frist bis zum Erscheinen der Zeitschrift verstrichen sei. Dabei ist das Landgericht als selbstverständlich davon ausgegangen, daß die Anzeige überhaupt geeignet war, einen Titelschutz zu begründen. Das ist nicht ganz unproblematisch, denn beim Erscheinen der Anzeige handelte es sich bei der ins Auge gefaßten Zeitschrift um eine bloße Möglichkeit. Nach der eidesstattlichen Versicherung des Zeugen [...] (Anlage Ast 12) fielen die grundlegenden Entscheidungen später, nämlich am 19. Oktober, während die ersten Entwicklungsarbeiten gar erst Mitte November aufgenommen wurden. Es ist durchaus zweifelhaft, ob bloße Absichten den Schutz verdienen, der in der Vorverlegung auf den Zeitpunkt der Anzeige liegt, wenn sie sich noch nicht in ernsthaften und konkreten Vorbereitungshandlungen niedergeschlagen haben (Großkomm./Teplitzky, § 16 UWG Rdnr. 100).

Doch soll das nicht vertieft werden. Selbst wenn die Anzeige die Eignung hatte, eine Benutzungsaufnahme zu fingieren, so ist diese Fiktion gegenstandslos geworden, weil die vorbereitete Zeitschrift nicht in angemessener Frist nach der Ankündigung unter dem Titel »TV live« erschienen ist und auch nicht erscheinen wird. Die Antragstellerin hat ihr Vorhaben erklärtermaßen »zurückgestellt« und betreibt es gegenwärtig nicht. Nach Pressemeldungen sind »diese Pläne auf das nächste Jahr verschoben«. Die Antragstellerin hat sich statt dessen der Einführung "der elektronischen Version der Programmzeitschrift" gewidmet.

3. Es braucht hier nicht entschieden zu werden, ob diese »elektronische Version der Programmzeitschrift« ein titelschutzfähiges »Werk« im Sinne des § 5 Abs. 3 MarkenG darstellt. Es ist jedenfalls nicht das Verlagsobjekt, das im Hinblick auf die Titelschutzanzeige vom Oktober in angemessener Frist erschienen ist.

Allerdings hat die Antragstellerin in ihrer anonymen Sammelanzeige für zwölf Titel »in allen Medien« nicht gesagt, für welches Verlagsobjekt sie den Schutz beanspruche. Es erscheint durchaus erwägenswert, daß die dadurch erzielte umfassende »Sperrwirkung« für die Wettbewerber gebietet, besonders strikte Anforderungen an die Angemessenheit einer Frist zu stellen. Diese Interessen des Marktes dürfen nicht außer Acht gelassen werden. Sie verbieten es beispielsweise, die Frage der Angemessenheit allein nach den besonderen Umständen zu beurteilen, die gerade bei der Antragstellerin vorgelegen haben. Solche Umstände mögen ihr den Vorwurf schuldhaften Verhaltens ersparen, haben aber nichts mit der Frage zu tun, ob die durch die Schutzanzeige vorläufig entstandene Priorität endgültig hat gewahrt werden können. Die angemessene Frist kann nur in objektivierender Betrachtung bestimmt werden, die von allen Besonderheiten des Anzeigenden absieht.

4. Zu solchen Besonderheiten gehört nicht der Wunsch, mit einem Titel zugleich in mehreren Medien hervorzutreten, also eine Zeitschrift sowohl im Druck als auch in einer elektronischen Version erscheinen zu lassen. Eine solche Erscheinungsweise kann vernünftigen wirtschaftlichen Überlegungen entsprechen. Deshalb neigt der Senat dazu, in einem solchen Falle die Angemessenheit nach den Erfordernissen der Version zu bestimmen, die die längere Vorbereitungszeit braucht, auch wenn die andere vorher auf den Markt gebracht werden könnte. Sollte das sachgerecht sein, dann muß der nachträgliche Verzicht auf die Version mit der längeren Vorbereitungszeit nicht notwendig bedeuten, daß die Schutzwirkung für die mit der kürzeren Vorbereitungszeit damit unwiederbringlich verloren ist.

5. Doch braucht sich der Senat in diesem Punkte nicht festzulegen, denn die Antragstellerin hat nicht glaubhaft gemacht, daß ein solcher Fall hier gegeben ist. Deshalb braucht auch nicht entschieden zu werden, ob im vorliegenden Falle der Titelschutz für die Antragstellerin - unbeschadet ihres Verzichts auf eine Druckausgabe - nicht allein schon deshalb entfallen ist, weil sie die angemessene Frist selbst für eine solche in jedem Falle überschritten hatte, als die elektronische Version erschienen ist.

Wenn die Antragstellerin behauptet, sie habe »von Anfang an an der neuen Programmzeitschrift, für die der Titel »TV live« benutzt werden sollte, sowohl in einer Print-Version wie auch in einer elektronischen Version gearbeitet und diese Arbeiten zügig vorangetrieben«, so ist das nicht glaubhaft gemacht worden und widerspricht ihrem sonstigen Vorbringen. Die Erklärung des Zeugen [...] in seiner eidesstattlichen Versicherung vom 24. August 1995 (Anlage Ast 18): (Das neue Programmangebot) »ist auf der Grundlage der getesteten und geplanten gedruckten Version konzipiert«, besagt nichts, weil sie keine Angaben zum Beginn der Arbeiten an der elektronischen Version enthält. Ebenso unergiebig ist die eidesstattliche Versicherung des Zeugen [...] vom 25. August 1995, in der es heißt: »Bereits im Januar 1994 habe ich die Idee entwickelt, zur Printausgabe einer Programmzeitschrift ein elektronisches Pendant in Form eines Angebots auf einem online-Dienst einzurichten. Diese Idee haben wir im Frühjahr 1995 auf das TV live-Konzept von Harm [...] übertragen. Geplant war, zum Markteintritt parallel mit beiden Ausgaben, der Print und der Elektronischen, zu erscheinen.«

Mit Ideen allein wird nichts ins Werk gesetzt, zumal sie sich nicht einmal auf eine konkrete Programmzeitschrift mit dem Titel »TV live« bezogen haben. Der erste Schritt, den Titel »TV live« für ein elektronisches Medium zu verwenden, ist danach im »Frühjahr 1995« getan worden. Nach dem sonstigen Vortrag der Antragstellerin muß der Senat davon ausgehen, daß dies kaum vor dem Mai 1995 und eher noch später geschehen ist. Zwar hat die Antragstellerin behauptet, sie habe »ab April 1995 gestaltete Einzelseiten für die elektronische Ausgabe entwickelt«, das ist aber mit der Angabe des Zeugen [...] nicht zu vereinbaren, wonach die elektronische Version »auf der Grundlage der getesteten und geplanten gedruckten Version konzipiert« worden sei. Nach den Angaben der Antragstellerin war die Marktbefragung überhaupt erst am 25. April abgeschlossen, und anschließend mußte noch auf die Ergebnisse gewartet werden.

Danach ist der Entschluß, etwas elektronisch zu veröffentlichen, günstigstenfalls im Mai 1995 gefaßt und erst danach in die Tat umgesetzt worden. Dafür spricht auch, daß in der mündlichen Verhandlung vom 26. April 1995 vor dem Landgericht von einem derartigen Vorhaben nicht mit einem Worte die Rede war, obwohl es die Position der Antragstellerin deutlich hätte verstärken können.

6. Damit stellt sich hier die Frage, ob es einen entscheidenden Unterschied ausmacht, wenn der Entschluß, die Zeitschrift gleichzeitig auch auf elektronischem Wege zu veröffentlichen, nicht von Anfang an, sondern erst nachträglich gefaßt wird.

Diese Frage dürfte jedenfalls für den Fall zu bejahen sein, daß die Vorbereitung des elektronischen Mediums das Erscheinen der Druckausgabe verzögern und dazu führen würde, die angemessene Frist für eine solche zu überschreiten. Das könnte wohl im Interesse der Mitbewerber nicht hingenommen werden. Doch selbst das braucht der Senat nicht endgültig zu entscheiden, denn auch diese Fallgestaltung hat die Antragstellerin nicht glaubhaft gemacht.

Die Antragstellerin will die Dinge so darstellen, als habe sich die Arbeit an der gedruckten Ausgabe ihrer Programmzeitschrift »TV live« in der Vorbereitung dessen, was sie nunmehr auf elektronischem Wege anbietet, gleichsam fortgesetzt. Dazu fehlt es aber an hinreichendem Vortrag, zu dem jedenfalls die Behauptung gehört hätte, daß ohne die Vorarbeiten an der Druckausgabe das Erscheinen der elektronischen Ausgabe in dieser Form und zu einem früheren Zeitpunkt nicht möglich gewesen wäre. Nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand kann der Senat von einer solchen Gegebenheit nicht ausgehen. Ein Vergleich der »Nullnummer« (Anlage Ast 1) mit den Anlagen Ast 20 und 21, die »Aussehen und Funktionsweise« des Angebotes belegen, macht eine solche Möglichkeit kaum einleuchtend, geschweige denn überwiegend wahrscheinlich. Jedenfalls erscheint dem Senat nicht glaubhaft, daß das elektronische Angebot das Werk ist, mit dessen Vorbereitung die Antragstellerin im November 1994 begonnen hat.

Die Unterschiede lassen sich nicht damit aus der Welt schaffen, daß man von »Versionen« spricht. Selbstverständlich ist es denkbar, eine Programmzeitschrift einmal gedruckt und einmal in der Weise anzubieten, daß sie vom Verbraucher auf seinem Bildschirm gelesen oder bei Bedarf ausgedruckt werden kann. In diesem Falle könnte man vielleicht von einem Werk sprechen, das lediglich in unterschiedlicher Form zum Verbraucher gelangt. Dieser Fall liegt hier nicht vor. Dem elektronischen Angebot der Antragstellerin fehlt der gesamte »Mantel«, der weitaus mehr als der Programmteil das Besondere der Zeitschrift prägt. Überzeugend nennt es daher die Antragstellerin selbst in der Anlage Ast 20 »eine sinnvolle Ergänzung« zur Programmzeitschrift, denn es erleichtert und vereinfacht den Umgang mit den Fernsehprogrammen, die jeweils nach den Bedürfnissen des Verbrauchers neu gruppiert werden, wie es die in einer festen Ordnung vorgegebene Zeitschrift nicht kann. Wann eine so enge Verknüpfung von beidem gegeben ist, daß man von einem Werk reden könnte, das lediglich auf unterschiedliche Weise den jeweiligen Besonderheiten des Mediums Rechnung trägt, braucht hier nicht erörtert zu werden. Das Angebot der Antragstellerin stellt jedenfalls nicht die elektronische Übermittlung jener Zeitschrift dar, deren »Nullnummer« die Antragstellerin zum Gegenstand einer Marktforschung gemacht hat.

7. Bei dieser Sachlage braucht der Senat nicht die Grenze zwischen einer angemessenen und einer unangemessenen Frist für das Erscheinen einer Zeitschrift zu ziehen und zu sagen, ob das Überschreiten von sechs Monaten nach der Titelschutzanzeige noch angemessen ist. Gegenstand der Betrachtung ist vielmehr das elektronische Angebot, das die Antragstellerin mit dem Titel »TV live« Ende August 1995 auf den Markt gebracht hat.

Mit diesem Angebot jedenfalls hat die Antragstellerin die angemessene Frist eindeutig überschritten. Sie war in der Lage, das Angebot innerhalb von vier Monaten auf den Markt zu bringen, nachdem sie sich dazu entschlossen und begonnen hatte, diesen Entschluß umzusetzen. Dann kann man nicht darüber streiten, daß die abgelaufene Frist seit dem Erscheinen der Titelschutzanzeige im Oktober 1994 unangemessen lang war. Ob darüber hinaus die Antragsgegnerinnen nicht sogar glaubhaft gemacht haben, daß sich das elektronische Angebot der Antragstellerin innerhalb von zwei Monaten bewerkstelligen ließ, muß deshalb nicht geprüft werden.

8. Aus dem Schreiben vom 27. Februar 1995 lassen sich keine Rückschlüsse ziehen. Es verweist seinem Inhalt nach lediglich auf die bestehende Rechtslage im Hinblick auf die veröffentlichte Titelschutzanzeige vom Oktober des Vorjahres und konnte den Antragsgegnerinnen vor Augen führen, daß es riskant sein mochte, den Titel »TV live« für ein eigenes Verlagserzeugnis zu verwenden. Aus dem Empfang des Schreibens auf irgendwelche Behinderungsabsichten zu schließen, ist nicht möglich.

9. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Antragstellerin nach § 91 ZPO zu tragen.