AG Charlottenburg, Urt. v. 25.01.02, 230 C 150/01 - Veröffentlichte E-Mail

Achtungsverletzende Äußerungen über eine individualisierbare Person dürfen in einem Forenbeitrag im Internet auch dann nicht veröffentlicht werden, wenn sie lediglich aus dem Beitrag eines Dritten zitiert werden. Wer E-Mails als »Rundbrief« verschickt, ohne dabei auf den vertraulichen Charakter besonders hinzuweisen, kann eine Veröffentlichung im Internet dagegen nicht untersagen. E-Mails genießen regelmäßig keinen Urheberrechtsschutz.

Streitwert: 4.000 €

 

berlin

AMTSGERICHT CHARLOTTENBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

 

Aktenzeichen: 230 C 150/01
Entscheidung vom 25. Januar 2002


In dem Rechtsstreit

[...]

hat das Amtsgericht Charlottenburg, Abt. 230, auf die mündliche Verhandlung vom 23. November 2001 durch die Richterin am Amtsgericht Morsch

für Recht erkannt:

1. Der Beklagten wird auf Antrag des Klägers zu 2. unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die auch im Wiederholungsfalle 2 Jahre nicht übersteigen darf, untersagt, den Text [...] in Bezug auf den Kläger zu 2. im Internet, insbesondere in der Newsgroupde.soc.weltanschauung.scientology zum Abruf durch jedermann einzustellen.

2. Die Klage der Klägerin zu 1. wird abgewiesen.

3. Von den Gerichtskosten und den außergerichtlichen Kosten der Beklagten haben die Klägerin zu 1. und die Beklagte jeweils die Hälfte zu tragen.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar; für den Kläger zu 2. jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 2.000,- Euro zuzüglich des jeweils beizutreibenden Betrages.

5. Die Klägerin zu 1. darf die Vollstreckung der Beklagten und die Beklagte darf die Vollstreckung der Klägerin zu 1. durch Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die andere Partei zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Parteien gehören zum Kreis der öffentlichen Kritiker der Scientology-Sekte. Das zentrale Forum, in dem die Kritiker der Scientology-Sekte agieren, ist die Newsgroup de.soc.weltanschaung.scientology im Internet.

Am 10. Juli 2001 stellte die Beklagte einen Beitrag mit dem Titel »...« in dieses Diskussionsforum ein. Hinsichtlich des gesamten Textes, dessen streitgegenständlicher Teil sich aus dem Antrag der Kläger rgibt, wird auf Blatt 23-26 Band I der Akten verwiesen. Der Text besteht im ersten Teil (von ... bis ...) aus inem Brief, den die Klägerin zu 1. am 14. März 2000 an die Beklagte und Frau [...] per E-Mail übersandt hatte (Bl. 35 Band I d.A). Mit Schreiben vom 18. Juli 2001 (Bl. 48-54 d.A. Bd. I) wurde die Beklagte rfolglos seitens der Kläger aufgefordert, eine Unterlassungserklärung abzugeben. Die Klägerin zu 1. war mit einem Scientologen verheiratet und ist nunmehr die Lebensgefährtin des Klägers zu 2.

Die Kläger tragen vor:

Das Einstellen des Textes in die Newsgroup stelle eine Persönlichkeitsverletzung der Kläger dar. Der erste Teil des Textes verletze das Recht der Klägerin am eigenen Wort, da es sich hierbei um einen Brief handele, den die Klägerin zu 1. an die Beklagte und Frau [...] übermittelt habe und der Brief nur zur Kenntnisnahme durch diese Personen gedacht gewesen sei. Besonders zu beachten sei, dass es sich hierbei um einen Text in bezug auf den späteren Lebensgefährten der Klägerin zu 1. handele und der Text eleidigende Elemente enthalte. Die Klägerin zu 1. werde durch die Veröffentlichung ihres Briefs persönlich betroffen, da sie erkennbar sei. So enthalte der gesamte Text eine Vielzahl von individualisierenden Merkmalen des Lebenslaufes der Klägerin zu 1.: Sie ist Österreicherin. Sie lebt mit dem Kläger zu 2. zusammen, der in dem Beitrag namentlich benannt ist. Sie führte in Berlin ein einstweiliges Verfügungsverfahren gegen Frau [...] wegen der Veröffentlichung von privaten Briefen. Sie hat ein Buch über die Erfahrungen mit ihrem früheren Ehemann veröffentlicht und zunächst einen engen Kontakt mit der Beklagten und Frau [...] gepflegt, der dann später abbrach. Von der Klägerin zu 1. sei auch erkannt worden, was sich daraus ergebe, dass Dritte Beiträge in das genannte Diskussionsforum eingestellt hätten, in denen sie darüber berichtet haben, dass die Klägerin zu 1. im Juli bei der Talkshow »Fliege« gewesen sei, in dem sie ausführlich über ihr Leben mit dem Scientology Mitglied und Ehemann berichtet hat. Dem unbefangenen Leser sei klar gewesen, dass die Beklagte hier gerade mit einem Zitat der Lebensgefährtin des Klägers zu 2. eine besondere Kritikspitze erreichen konnte und wollte. Auch der 2. Teil des Zitates (...) stelle eine Persönlichkeitsverletzung der Klägerin zu 1. dar - wobei dahinstehen könne, ob es sich hierbei um eine E-Mail der Klägerin zu 1. gehandelt habe - da der unbefangene Leser den Brief der Klägerin zu 1. ebenfalls zugeordnet habe, was aber unzutreffend sei. Der Text verletze auch das Persönlichkeitsrecht des  Klägers zu 2. Die Beklagte habe sich die in dem Text verwendeten Zitate zueigen gemacht und sie seien ihr daher wie eine eigene Äußerung zuzurechen. Es handele sich um eine Generalabrechnung mit dem Kläger zu 2. und der Inhalt der zitierten Aussage stelle eine ehrverletzende und diffamierende Schmähkritik dar, die den Schutz der Meinungsfreiheit für sich nicht mehr in Anspruch nehmen könne. Es handele sich hier um eine Privatfehde und an der Veröffentlichung dieser Aussage im Internet bestehe keinerlei öffentliches Interesse. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg folge daraus, dass der streitgegenständliche Text weltweit, daher auch in Berlin, abrufbar sei und der Streitwert auf 2.500,-- DM geschätzt werde.

Die Kläger beantragen,

der Beklagten unter Androhung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung zu zahlenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000,-- DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, die auch im Wiederholungsfalle 2 Jahre nicht übersteigen darf, zu untersagen, den Text »...« in Bezug auf den Kläger zu 2. im Internet, insbesondere in der Newsgroup de.soc.weltanschauung.scientology zum Abruf durch jedermann einzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

und entgegnet:

Die Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg sei nicht gegeben, da der Streitwert erheblich über 10.000,--DM liege und bestritten werde, dass der streitgegenständliche Beitrag der Beklagten in Berlin abgerufen wurde.

Das Persönlichkeitsrecht der Kläger sei nicht verletzt. Ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Klägerin zu 1. liege schon deshalb nicht vor, weil durch die Veröffentlichung der anonymisierten Briefe deren Erkennbarkeit nicht gegeben sei. Die individualisierenden Merkmale der Klägerin seien im letzten Teil des Beitrages der Beklagten nicht mehr aufgegriffen worden und ein Bezug zu dem vorstehenden Text könne nicht hergestellt werden.

Darüber hinaus habe sich die Beklagte auch erkennbar nicht den Inhalt der hier streitgegenständlichen E-Mail zueigen gemacht, sondern sich hiervon eindeutig distanziert. Wenn jemand die zitierte E-Mail mit der Klägerin zu 1. im Zusammenhang bringen konnte, so nur deshalb, weil er bereits vorher von der E-Mail und der Autorenschaft der Klägerin zu 1. gewusst habe. Sie habe die E-Mail als Beleg für ihre Ansicht verwendet, dass sich Menschen ändern und Vorverurteilungen nur kontraproduktiv sein können. Schon hieraus ergebe sich, dass es sich nicht um eine Schmähkritik gehandelt habe.

Es habe sich vielmehr um Meinungsäußerungen gehandelt, die als Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage abgegeben worden seien, nämlich wie die Scientology-Bewegung am besten zu bekämpfen sei und vor allem, wie die Kritiker der Scientology miteinander umzugehen hätten. Schließlich komme das Newsgroupforum einem virtuellen Stammtisch gleich, an welchem schnell einmal in überheizter Diskussion »kräftiger« formuliert werde als gewöhnlich. Erst wenn nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Diffamierung der Person im Vordergrund stehe, habe eine solche Äußerung als Schmähung hinter dem Persönlichkeitsrecht des Betroffenen zurückzustehen. Von Schmähkritik könne hier jedoch keine Rede sein.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst deren Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig.

Das Amtsgericht Charlottenburg ist sachlich zuständig gemäß § 23 Ziff. 1 GVG a.F., da der Streitwert zum Zeitpunkt der Klageerhebung 10.000,-- DM nicht überstiegen hat und gemäß § 23 Ziff. 1 GVG 5.000 Euro nicht übersteigt. Es handelt sich vorliegend um eine nichtvermögensrechtliche Streitigkeit, deren Streitwert sich nach den §§ 3, 5 ZPO, 12 Abs. 2 GKG richtet. Das Gericht folgt der Ansicht des LG Hamm (MDR 1980, 613), wonach, obgleich es keinen Regelwert mehr wie früher (§ 14 Abs. 1 S. 1 GKG a.F.) gibt, im Regelfall der Wert von 4.000,-- DM nicht unterschritten werden soll.

Wertungsumstände, die zu einem höheren Streitwert führen könnten, sind vorliegend nicht ersichtlich.

Es handelt sich nicht um eine Grundsatzentscheidung, sondern um einen Einzelfall, der nicht ohne weiteres auf ähnlich gelagerte Fälle übertragbar ist. Es ergeben sich aus der Entscheidung auch keine Weiterungen in wirtschaftlicher Hinsicht für die Parteien und es handelt sich bei den Parteien auch nicht um Personen der Zeitgeschichte. Schließlich geht es vorliegend nicht um die Unterlassung von einer Veröffentlichung in Printmedien mit hoher Auflage, vielmehr erreicht die Veröffentlichung in dem hier in Rede stehenden Chatroom nur einen eng begrenzten Interessentenkreis. Gemäß § 5 ZPO beträgt der Streitwert mithin 4.000,-- Euro (8.000,-- DM) und die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ist nicht gegeben.

Die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts Charlottenburg folgt aus § 32 ZPO. Die unerlaubte Handlung ist dort begangen, wo das Medium, in das der Text eingestellt ist, bestimmungsgemäß abrufbar ist (Zöller/Vollkommer, ZPO, 20. Aufl., S 32 Anm. 17; KG, NJW 97, 3321). Auf die Frage, ob der Text tatsächlich im Gerichtsstand des Amtsgerichts Charlottenburg abgerufen worden ist, kommt es ebenso wenig an, wie auf die Frage, ob bei dem sogenannten fliegenden Gerichtsstand das Printmedium tatsächlich gelesen worden ist.

Die Klage ist teilweise begründet.

Der Kläger zu 2. hat einen Anspruch auf Unterlassung der Einstellung des im Tenor bezeichneten Textes im Internet gegen die Beklagte gemäß § 1004 BGB i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB. Der Umstand der Weigerung der Beklagten, eine Unterlassungsverpflichtung abzugeben, begründet die Wiederholungsgefahr gemäß § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB. Im Übrigen wird die Wiederholungsgefahr im Medienrecht bereits dann angenommen, wenn eine rechtswidrige Veröffentlichung erfolgt ist (Prinz/Peters, Medienrecht, 334).

Eine solche rechtswidrige Veröffentlichung liegt hier vor. Die Einstellung des aus dem Tenor ersichtlichen Textes verletzt das gemäß § 823 Abs. 1 BGB als sonstiges Recht geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers zu 2. In Ermangelung eines Rechtfertigungsgrundes, insbesondere der Wahrnehmung berechtigter Interessen, stellt sich dieser Eingriff als rechtswidrig dar. Der Text verletzt die persönliche Ehre des Klägers zu 2., und zwar sowohl seinen Anspruch auf Achtung als auch den seines guten Rufes. Die Verletzung des Achtungsanspruchs liegt in der Darstellung des Klägers zu 2. als einer wesenlosen Person, die mit menschlicher Kommunikation nicht mehr zu erreichen ist, sondern der nur noch mit körperlicher Gewalt begegnet werden kann. Die Formulierung »...« sowie »...« und der Passus »...« beschreiben eine Person, die es kaum noch verdient, als menschliches Wesen behandelt zu werden, dem trotz aller Meinungsverschiedenheiten noch ein Mindestmaß an Achtung entgegengebracht werden kann. Derartige achtungsverletzenden Äußerungen beschädigen auch den Ruf des namentlich genannten Klägers zu 2. in unzulässiger Weise und verletzen somit auch seine »äußere« Ehre. Der Umstand, dass der Text die Wiedergabe der Äußerung einer dritten Person ist, entlastet die Beklagte nicht. Die Beklagte fügt das Zitat dergestalt in ihre Gedankenführung ein, als sie es dafür benutzt, ihre Mei
nung über den Kläger zu 2. zu bestätigen. Im ersten Teil des Textes, der hier nicht streitgegenständlich ist, prangert die Beklagte den Diskussionsstil des Klägers zu 2. und seine Verhaltensweisen im persönlichen Umgang mit anderen Scientology-Kritikern an. Wenn die Beklagte im Anschluss daran schreibt:

»Nun die Bekannte hat ihre Meinung gesagt. Die möchte ich Dir nicht vorenthalten. Und ich werde auch nur eine paar Sätze zitieren, um klar zu machen, dass ich doch mit meiner Meinung über Deine Vorgehensweisen direkt noch weit hinter dem liege was so andere von Dir denken:«

so hat das sich anschließende streitgegenständliche Zitat lediglich die Aufgabe, ihre eigene Darstellung zu belegen. Äußert sich jemand negativ über eine Person und zitiert gleichzeitig eine Person, die sich noch negativer über diese Person äußert, so hat das Zitat allein den Zweck, die eigene Äußerung zu verstärken. Eine von der Rechtsprechung geforderte ernsthafte Distanzierung, an die die Gerichte hohe Anforderungen stellen, ist hierin nicht zu sehen. Soweit die Beklagte meint, sie habe sich von dem Inhalt der zitierten E-Mails distanziert und diese nur als Beleg für ihre Ansicht verwendet, dass sich Menschen ändern können und eine Vorverurteilung kontraproduktiv sei, kann dem nicht gefolgt werden. Eine solche Zielsetzung erschließt sich dem unbefangenen Leser nicht. Das Zitat hat vielmehr ersichtlich den Zweck, das dargestellte Negativbild von dem Kläger zu 2. zu unterstreichen. Die von der Beklagten behauptete Zielsetzung, es sei ihr darum gegangen, zu verdeutlichen, dass Ansichten und Meinungen einem stetigen Wechsel unterworfen seien und sogar Meinungen, die zu ausfälligen Äußerungen über einen Dritten führen, keinen Anspruch auf unendlichen Bestand in der Gedankenwelt des sich Äußernden haben können, ist dem Text nicht zu entnehmen. Insbesondere der Satz:

»Ein Tip, nimm den Beitrag und schau immer wieder rein - es ist Dein Spiegel!«

lässt erkennen, dass es der Beklagten zumindest auch wesentlich darum gegangen ist, den Kläger zu 2. mit den zitierten Äußerungen zu konfrontieren und diese Konfrontation den anderen Mitgliedern der Newsgroup zur Kenntnis zu bringen. Es handelt sich hierbei auch nicht um Meinungsäußerungen, die als Beiträge zum geistigen Meinungskampf in einer die Öffentlichkeit wesentlich berührenden Frage abgegeben wurden. Die von der Beklagten behauptete Intention, es sei ihr um die Auseinandersetzung darüber gegangen, wie die Scientology-Bewegung am besten zu bekämpfen sei, und vor allem, wie ihre Kritiker miteinander umzugehen haben, kommt in dem Text nicht zum Tragen. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem eigentlichen Gegner, der Scientology-Bewegung, lässt der Text vermissen. Und was den Umgang der Kritiker der Scientology miteinander angeht, so erscheint der Text nicht gerade geeignet, zur Mäßigung und einer sachlichen Diskussion beizutragen. Die Äußerungen sind nicht mehr vom Schutzbereich des Artikel 5 Abs. 1 S. 1 GG gedeckt anzusehen, da hier nicht mehr die Auseinandersetzung in der Sache, sondern die Herabsetzung der Person des Klägers zu 2. im Vordergrund steht. Der Annahme, es handele sich bei den chat-rooms um virtuelle Stammtische, bei denen auch mal kräftig ausgeteilt werden dürfe, kann nicht gefolgt werden. Die Messlatte für die Streitkultur am privaten Stammtisch darf nicht dieselbe sein, die bei einem quasi in der Öffentlichkeit ausgetragenen - weil jedermann zugänglich - im Internet eingestellten Text anzulegen ist. Das privat Gesprochene, möglicherweise durch eine Gefühlsaufwallung zustande gekommene Wort, ist anders zu beurteilen, als ein bewusst zum Zwecke der Veröffentlichung im Internet verfasster Text. Technische Möglichkeiten der Verbreitung von Meinungen in Textform sind kein Freischein für die Senkung des Niveaus der Streitkultur auf eine die Person herabsetzende Ebene.

Dass die Beklagte in Wahrnehmung berechtigter Interessen gehandelt und ein Recht zum Gegenschlag gehabt hätte, kann nicht angenommen werden, da nicht ersichtlich ist, dass sich der Kläger zu 2. in ähnlicher Weise in der Öffentlichkeit über die Beklagte geäußert hat. Die Beklagte hat auch schuldhaft das Persönlichkeitsrecht des Klägers zu 2. verletzt, da sie bei genügender Sorgfalt hätte erkennen können, dass der Text einen herabsetzenden Charakter hat und die Ehre des Klägers zu 2. verletzt. Sie hat zumindest fahrlässig gehandelt. Die Androhung des Ordnungsgeldes und der ersatzweisen Ordnungshaft folgt antragsgemäß aus § 890 Abs. 1 und 2 ZPO. Hinsichtlich der Klägerin zu 1. ist die Klage unbegründet.

Die Klägerin zu 1. hat kein Recht auf Unterlassung gemäß §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB. Eine Persönlichkeitsrechtsverletzung der Klägerin zu 1. kann nicht angenommen werden. Zwar hat die Beklagte eine an sie gerichtete E-Mail der Klägerin zu 1. veröffentlicht, jedoch ist das Recht am geschriebenen Wort umstritten und die Klägerin zu 1. als Verfasserin dieser E-Mail nicht erkennbar. Zwar unterliegt es grundsätzlich der Entscheidungsgewalt jedes Menschen, ob und in welcher Form von ihm verfasste Schriftstücke veröffentlicht werden dürfen (BGHZ 13, 334, 338). Dadurch, dass die Klägerin zu 1. die E-Mail jedoch nicht nur an die Beklagte, sondern auch an Frau [...] versandt hatte, ohne die vertrauliche Behandlung in irgendeiner Weise sicherzustellen, musste sie, zumal das Verhalten des Klägers zu 2. offenbar bereits Gegenstand der Diskussion in der Newsgroup war, damit rechnen, dass die E-Mail über den Kreis der beiden Adressatinnen hinaus bekannt und erörtert werden würde (vgl. BGHZ 31, 308 (314, 315)). Die Klägerin zu 1. muss sich den mangelnden Selbstschutz vorwerfen lassen, den sie als Autorin dieser E-Mail hat angedeihen lassen, indem sie sie nicht als ersichtlich privaten Einzelbrief, sondern quasi als Rundbrief an mehreren Personen versandte, »ohne die vertrauliche Behandlung in irgendeiner Weise sicherzu-stellen« (vgl. Jürgen Helle: Besondere Persönlichkeitsrechte im Privatrecht, Schriftenreihe JZ 1991 Seite 324).

Die Briefe genießen auch keinen Urheberrechtsschutz und sind keine geschützten Sprachwerke im Sinne des S 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG. Urheberrechtsschutz setzt erst ein, wenn die Briefe eine geistige Leistung darstellen, die sich in Form oder Inhalt des Briefes offenbart, wenn sich diese Briefe von persönlichen Briefen durch die Art der Sprachgestaltung oder der Auseinandersetzung mit wissenschaftlichen, kulturellen, politischen oder sonstigen Fragen abheben (KG, NJW 65, 3392 (3393)). Das ist hier ersichtlich nicht der Fall. Eine Persönlichkeitsverletzung der Klägerin zu 1. scheitert darüber hinaus an ihrer mangelnden Erkennbarkeit.

Entgegen der Auffassung der Klägerin zu 1. ist diese als Autorin der zitierten E-Mail nicht erkennbar.

Zwar dürfte die Klägerin zu 1. aufgrund der individualisierenden Merkmale im ersten Teil des streitgegenständlichen Textes für die Teilnehmer der Newsgroup erkennbar gewesen sei, bzw. konnte die Klägerin zu 1. begründeten Anlass dafür gehabt haben, dass sie erkannt werden könnte. Indes sind keinerlei Anknüpfungspunkte in dem Text ersichtlich, die darauf schließen lassen, dass die zuvor dargestellte »Österreicherin« identisch ist mit der Person, deren E-Mail später in dem Text wiedergegeben wurde. Während die Klägerin zu 1. zunächst im Text im Wesentlichen als »die Österreicherin« tituliert wurde, wird als Autorin der wiedergegebenen E-Mail eine gute Bekannte der Beklagten genannt. Eine Verknüpfung von diesen beiden Personen zu einer ist indes nicht erfolgt.

Die Kostenentscheidung folgt aus S 92 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Rechtsgrundlage in den §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Morsch

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