AG Düsseldorf, Urt. v. 10.07.12, 29 C 2193/12 - E-Mail-Werbung

eigenesache Auch die nur einmalige Zusendung unverlangter Werbe-E-Mails stellt einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Der Versender kann sich nicht darauf berufen, der richtige Adressat der E-Mail sei eine andere Person gewesen. Maßgeblich ist, dass die E-Mail bei einem Empfänger eingeht, der diese nicht verlangt hat. Trifft den Versender geringes Verschulden ist ein Gegenstandswert von 1.500,00 Euro angemessen. 

 

 

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AMTSGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 29 C 2193/12
Entscheidung vom 10. Juli 2012

In dem Rechtsstreit

[...]

hat das Amtsgericht Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 5. Juni 2012 durch den Richter am Amtsgericht Sönnichsen

für Recht erkannt:

Der Beklagten wird untersagt, an die E-Mail-Adresse [...] ohne Zustimmung des Klägers E-Mails zu versen­den, in denen für Waren geworben wird.

Der Beklagten wird für jeden Fall einer Zuwiderhandlung gegen dieses gerichtliche Verbot als Zwangsvollstreckungsmaßnahme ein Ordnungs­geld bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren - angedroht

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte.

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 1.000,00 Euro vor­läufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger ist Inhaber einer Rechtsanwaltskanzlei in Düsseldorf und der von ihm ausschließlich genutzten Internet-Domain [...]. Am 02.02.2012 sandte die Beklagte an die E-Mail-Anschrift [...] einen Newsletter, in dem sie ihren Lagerverkauf bewarb. Die Parteien standen vorher nicht im geschäftlichen Kontakt. Unter dem 06.02.2012 forderte der Kläger die Beklagte auf, eine beigefügte strafbewehrte Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung zu unterschreiben, an den Kläger elektronische Nachrichten zu senden, in denen für Waren und Dienstleistun gen und/oder Dienstleistungen geworben werde. Für schuldhafte Zuwiderhandlungen sollte die Beklagte eine Vertragsstrafe in Höhe von 2.500,00 Euro zahlen.

Die Beklagte weigerte sich mit der Begründung, ein Dritter, Herr [...], habe im Zusammenhang mit einer Warenbestellung seine Einwilligung in den Ver­sand von E-Mail-Werbung an die Adresse [...] erteilt. Einen E­Mail-Account [...] hatte der Kläger niemals eingerichtet. Die E-Mail wurde in sein Postfach umgeleitet aufgrund der von ihm eingerichteten »Catch­All-Funktion«, die dafür sorgt, dass alle Nachrichten, die an E-Mail-Adressen unter­halb von [...] gesandt werden, in sein Postfach umgeleitet werden.

Der Kläger beantragt,

wie erkannt.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie behauptet, ihr Kunde [...] habe bei einer telefonischen Bestellung am 05.07.2010 sein Einverständnis damit erklärt, den Newsletter zu erhalten. Kunde sei Inhaber der E-Mail-Adresse [...]. Sie - die Beklagte - habe dessen E-Mail-Adresse falsch übertragen, so dass der Newsletter an die Domain [...] versendet worden sei. Die Beklagte ist der Auffassung, ein Unterlas­sungsanspruch bestehe nicht, da der Kläger nicht Adressat der E-Mail gewesen sei, da er die E-Mail-Adresse [...] gar nicht eingerichtet habe. Sie - die Beklagte - habe ihm die E-Mail auch nicht willentlich zugesendet. Vielmehr liege nur eine erkennbare Fehlleitung einer E-Mail vor, die nicht in das allgemeine Persön­lichkeitsrecht des Klägers eingreife.sr

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist begründet.

Der Kläger kann von der Beklagten die Unterlassung der Versendung gewerblicher E-Mails gern. §§ 823 Abs. 1, 1004 BGB verlangen.

Es liegt ein rechtswidriger Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebe­trieb des Klägers vor.

Auch die nur einmalige unverlangte E-Mail-Zusendung stellt einen Eingriff in den ein­gerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar. Unverlangte zugesandte E-Mail-Werbung beeinträchtigt regelmäßig den Betriebsablauf des Unternehmens. Mit dem Sichten und Aussortieren unerbetener E-Mails ist ein zusätzlicher Arbeitsaufwand verbunden. Mit der häufigen Übermittlung von Werbe-E-Mails ohne vorherige Einwil­ligung des Empfängers durch verschiedene Absender ist immer dann zu rechnen, wenn die Übermittlung einzelner E-Mails zulässig ist. Denn im Hinblick auf die billige, schnelle und durch Automatisierung arbeitssparende Versendungsmöglichkeit ist ohne Einschränkung der E-Mail-Werbung mit einem immer weiteren Umsichgreifen dieser Werbeart zu rechnen (vgl. BGH, Beschluss vom 20.05.2009, Az.: I ZR 218/07; zitiert nach Juris).

Unstreitig enthielt der Newsletter Werbung.

Ohne Erfolg macht die Beklagte geltend, der Kläger sei gar nicht Adressat des E­-Mail-Newsletters. Die Beklagte kann sich nicht darauf berufen, dass sie die E-Mail eigentlich an ihren Kunden [...] Stroehmer richten wollte und die E-Mail nur we­gen eines Rechtschreibfehlers aufgrund der eingerichteten »Catch-All-Funktion« im Postfach des Klägers gelandet ist. Das Risiko solcher Übertragungsfehler hat viel­mehr die Beklagte zu tragen, die schließlich auch für die Adressierung verantwortlich ist. Tatsächlich ist auch der Kläger der Adressat der E-Mail, denn die E-Mail ist an die Domain [...] zielgerichtet versandt worden. Unerheblich ist dabei, dass es einen eingerichteten E-Mail-Account [...] nicht gibt. Auch diese E-Mail ist aufgrund der »Catch-All-Funktion« an den Kläger adressiert. Dass die. Ein­richtung einer solchen »Catch-All-Funktion« unüblich ist, macht die Beklagte auch nicht geltend. Sie muss daher in Kauf nehmen, dass E-Mails an Adressen, die nicht eingerichtet worden sind, an den Inhaber der Domain gesendet werden. Für den Ar­beitsaufwand des Klägers, was das Sichten und Aussortieren der E-Mail angeht, macht es auch überhaupt keinen Unterschied, ob die Beklagte ihren Newsletter an die Adresse [...] oder an die tatsächlich eingerichtete E-Mail-Adresse des Klägers unterhalb der Domain [...] gesendet hat. Auch die Auslegung vom Sinn und Zweck des Verbotes verbietet es, dass sich derjenige, der unverlangt Werbe-E-Mails verschickt, sich darauf berufen kann, der richtige Adressat der E-Mail sei tatsächlich ein ganz anderer. Ein solcher Versender könnte die Rechtsprechung in dem Fall ganz einfach dadurch aushebeln, dass er in der Werbe-E-Mail den Adressaten mit einem ganz anderen Namen anspricht.

Die Zusendung der E-Mail war rechtswidrig, denn der Kläger hat nicht sein Einver­ständnis mit der Zusendung erklärt. Dies dürfte nach dem Beklagtenschriftsatz vom 05.06.2012 unstreitig sein. Jedenfalls bleibt die Beklagte beweisfällig. Auch die erfor­derliche Abwägung der widerstreitenden Interessen der Parteien geht zu Lasten der Beklagten. Nach § 7 Abs. 2 Nr. 3 UWG stellt grundsätzlich jede Werbung unter Ver­wendung elektronischer Post ohne vorherige ausdrückliche Einwilligung des Adres­saten eine unzumutbare Belästigung dar. Diese gesetzgeberische Wertung ist bei der Beurteilung der Generalklausel des BGB ebenfalls heranzuziehen, um Wer­tungswidersprüche zu vermeiden (vgl. BGH a.a.O.).

Es besteht auch Wiederholungsgefahr. Wiederholungsgefahr ist die auf Tatsachen begründet objektiv ernstliche Besorgung weiterer Störungen. Um die Wiederholungs­gefahr auszuschließen, hat die Beklagte eine Unterlassungserklärung abzugeben. Ob diese Unterlassungserklärung auch im konkreten Fall strafbewehrt sein muss, kann dahinstehen. Denn die Beklagte hat - nicht einmal hilfsweise - überhaupt keine Unterlassungserklärung abgegeben oder dargelegt, welche technischen Maßnahmen sie veranlasst hat, um weitere E-Mails an den Kläger zu unterbinden. Die Androhung kann bereits mit dem Urteil verbunden werden.

Die Androhung von Ordnungsgeld und -haft folgt aus § 890 Abs. 2 ZPO.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

Streitwert: 1.500,00 Euro.

Der Streitwert für den Unterlassungsanspruch ist gern. § 3 ZPO nach freiem Ermes­sen festzusetzen. Bei Unterlassungsansprüchen ist maßgebend die zu schätzende Beeinträchtigung des Unterlassungsgläubigers. Für die Bemessung ist in erster Linie dessen eigenes wirtschaftliches Interesse an der Anspruchsverwirklichung maßge­bend. Dieses Interesse ist nach der Gefährlichkeit der zu unterbindenden Handlung, nach dem Ausmaß des drohenden Schadens und dem Verschuldensgrad zu be­stimmen. Es hängt damit insbesondere von der Häufigkeit der zu unterlassenden Handlung und deren Wirkung bei dem Unterlassungsgläubiger ab. Auch der Ab­schreckungseffekt für die Zukunft ist zu berücksichtigen (vgl. OLG Schleswig, Be­schluss vom 05.01.2009, Az.: 1 W 57/08, zitiert nach Juris).

Unter Zugrundelegung dieses Maßstabes ist der Kläger durch die Zusendung eines einzigen Newsletters eher gering beeinträchtigt. Die Beklagte hat durch Übermittlung des »Whois-Auszuges« glaubhaft gemacht, dass sie den Newsletter an den Kläger nur aufgrund der fehlerhaft aufgenommenen E-Mail-Adresse versendet hat. Auch das Gericht hat ermittelt, dass es den Kunden [...] unter seiner alten An­schrift auf der [...]-straße 10 in [...] tatsächlich gibt. Das Gericht sieht kei­ne Gefahr, dass die Beklagte vorsätzlich unverlangt Newsletter an Nichtkunden ver­sendet, so dass ein Abschreckungseffekt zu vernachlässigen ist. Auch das Verschul­den der Beklagten ist als gering zu werten. Die falsche Aufnahme oder Übertragung einer E-Mail-Adresse ist allenfalls als leichte Fahrlässigkeit zu bezeichnen.

 

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