AG Rheinbach, Einstellungsbeschl. v. 12.02.96, 2 Ds 397/95 – Schlampe

eigenesache Die Bezeichnung eines anderen Teilnehmers im öffentlichen Diskussionsforum eines Online-Netzes (hier: Fidonet) als »Schlampe« ist auch dann als strafbare Beleidigung zu werten, wenn in dem Diskussionsforum (hier: CHAUVI.GER) Äußerungen mit beleidigendem Charakter an der Tagesordnung sind. Darauf, ob auch der Verletzte in anderen Beiträgen beleidigt hat, kommt es für die Strafbarkeit nicht an.

 

nrw

AMTSGERICHT RHEINBACH
BESCHLUSS

Aktenzeichen: 2 Ds 397/95
Entscheidung vom 12. Februar 1996

Da das Verfahren eingestellt wurde, gibt es keine Entscheidung oder schriftliche Stellungnahme. Die nachfolgenden Wertungen stammen von Herrn Rechtsanwalt Strömer, Düsseldorf, der Verteidiger des Angeklagten war. Sie stellen nur eine tendenzielle Wertung aus der Sicht des Verteidigers, keine offizielle Stellungnahme des Gerichts dar.

In der Strafsache

[...]

wegen: Beleidigung

wird das Verfahren nach Erfüllung der Auflage gem. Beschluss vom 12.2.1996 nach §§ 45, 47 JGG eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens trät die Staatskasse während die notwendigen Auflagen des Angeklagten nicht übernommen werden (§§ 467 Abs. 1 und 4 StPO, 74 JGG).

[...]

Der nicht vorbestrafte 19jährige Angeklagte war Auszubildender. Er beteiligte sich im Jahr 1996 von seiner Wohnung in Rheinbach aus an der Diskussion in verschiedenen öffentlichen Nachrichtenforen (»Echoareas«) des nichtkommerziellen Mailboxnetzes »Fidonet«. Unter anderem besuchte er regelmäßig die Echoarea »CHAUVI.GER«.

Die Verletze ist die Freundin eines anderen Teilnehmers dieser Echoarea aus Berlin. Dieser Teilnehmer bezeichnete seine ehemalige Ehefrau, von der er im September 1993 geschieden wurde, in der CHAUVI.GER wiederholt als »Ex-Schlampe«. Der Angeklagte nahm das zum Anlass, an ihn in der gleichen Echoarea folgende öffentliche Nachricht zu richten: »Wenn Deine Ex-Ehefrau eine Ex-Schlampe ist, dann ist Deine jetzige Freundin ja wohl eine Schlampe«. Das Wort »Schlampe« war in der Echoarea in den vergangenen Wochen etwa 100 Mal in anderem Zusammenhang gefallen.

Die Verletzte erstattete gegen den Angeklagten in Berlin Strafanzeige wegen Beleidigung. Die Staatsanwaltschaft erhob daraufhin am 28. September 1995 Anklage wie folgt:

Anklageschrift
xxx

wird angeklagt,

am 10.6.1995
in Berlin
als Heranwachsender
eine andere Person beleidigt zu haben.

Der Angeschuldigte, der wie die Zeugin D. Inhaber eine Mailbox ist, gab am 10.6.1995 eine Mitteilung in das Kommunikationsnetz ein, die die Zeugin erreichte und darüber hinaus von ca. weiteren 200 Personen gelesen werden konnte. Die Mitteilung lautete auszugsweise wie folgt:

»...

Msg : 1557 of 1557
From : xxx
To : xxx
Subj : Re: Berliner Schnepfe

...

Ey, Schlampe, wie erfolgversprechend stellst Du Dir weitere Complaintversuche nach solchen Anschuldigungen vor?

...«

Vergehen, strafbar gemäß § 185 StGB.

Der gem. § 194 StGB erforderliche Strafantrag ist rechtzeitig gestellt.

Beweismittel:

Einlassung des Angeschuldigten.

[...]

Es wird beantragt, das Hauptverfahren vor dem Amtsgericht - Jugendrichter - zu eröffnen.

Das Amtsgericht Rheinbach ließ in der Hauptverhandlung deutlich erkennen, dass es beabsichtigte den Strafbefehl in vollem Umfang zu bestätigen. Auf Anraten des Gerichts und Antrag des Angeklagten, dem sich die Staatsanwaltschaft anschloss, wurde das Verfahren gegen Zahlung einer Geldbuße von 300 DM an eine gemeinnützige Organisation eingestellt.

 

Kontakt

Rechtsanwaltskanzlei Strömer
Duisburger Straße 9
40477 Düsseldorf

Telefon:   +49 211 164581-00
Telefax:   +49 211 164581-01
E-Mail:    anwalt@stroemer.de