entscheidungen

Wird das Verbot einer Werbung, die als konkrete Verletzungsform in Bezug genommen wurde, sowohl auf § 5 Abs. 1 UWG (Irreführende geschäftliche Handlung), als auch § 5a Abs. 2 UWG (Irreführung durch Unterlassen) gestützt, handelt es sich nur um einen Streitgegenstand.

Bundesgerichtshof
Urt. v. 25.06.20, I ZR 96/19

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 10. April 2019 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der Revision - an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

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Die Klägerin ist die Verbraucherzentrale Schleswig-Holstein. Sie ist in der Liste qualifizierter Einrichtungen nach § 4 des Unterlassungsklagengesetzes eingetragen. Die Beklagte bietet Verbrauchern Telekommunikationsdienstleistungen an.

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Auf den Internetseiten der Beklagten wurde im September und November 2017 mit der Aussage "LTE-Geschwindigkeit" oder "LTE-Highspeed" wie aus den nachfolgenden Einblendungen ersichtlich geworben.

Anlage K 1:

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Anlage K 2 (zweiseitig):

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Anlage K 3:

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  • Gemäß den Vertragsbedingungen der Beklagten, auf die durch den bei der Preisangabe befindlichen Sternchenhinweis sowie durch Informationen hingewiesen wird, die über die elektronischen Verweise "Alle Tarifdetails" sowie "Produktinformationsblatt" erreichbar sind, beläuft sich die tatsächliche Übertragungsgeschwindigkeit auf maximal 21,6 Mbit/s im Download.

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    Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagten werbe irreführend und enthalte Verbrauchern wesentliche Informationen vor. Sie hat die Beklagte vorgerichtlich abgemahnt.

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    Die Klägerin hat beantragt,

    1. die Beklagte unter Androhung von näher bezeichneten Ordnungsmitteln zu verurteilen, es zu unterlassen, im Rahmen geschäftlicher Handlungen gegenüber Verbrauchern für den Abschluss von Mobilfunkverträgen mit "LTE-Geschwindigkeit" und/oder "LTE-Highspeed" zu werben oder werben zu lassen, obwohl für die entsprechenden Tarife gemäß der Geschäftsbedingungen und Produktinformationsblätter lediglich eine Geschwindigkeit von bis zu 21,6 Mbit/s versprochen wird, wenn dies wie folgt geschieht [es folgen die vorstehenden Abbildungen];

    2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 250 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Klageerhebung zu zahlen.

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    Das Landgericht hat die Beklagte antragsgemäß verurteilt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage abgewiesen und die Anschlussberufung der Klägerin als unzulässig verworfen, mit der diese hilfsweise das Verbot der genannten Werbung erreichen wollte, wenn nicht darauf hingewiesen wird, dass eine maximale Download-Geschwindigkeit von 21,6 Mbit/s erreichbar ist. Mit der vom Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagte beantragt, verfolgt die Klägerin ihre Klageanträge weiter.

    Entscheidungsgründe

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    I. Das Berufungsgericht hat die mit der Klage verfolgten Ansprüche als unbegründet angesehen und hierzu ausgeführt:

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    Die angegriffene Werbung sei nicht irreführend. Der durchschnittliche Verbraucher rechne angesichts der in der Werbung verwendeten Begriffe "LTE-Geschwindigkeit" und "LTE-Highspeed" weder mit der Bereitstellung einer Datenübertragung im Bereich der technisch erzielbaren Höchstwerte noch mit der Bereitstellung von Datenübertragungsraten, die einem durchschnittlichen Wert entsprächen, wie er in LTE-Netzen in Deutschland zur Verfügung stehe.

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    Auf § 5a UWG könne ein Verbot nicht gestützt werden, weil der von der Klägerin erhobene Vorwurf, die Beklagte habe dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten, indem dieser nicht ausreichend auf die infolge der Drosselung reduzierte Download-Geschwindigkeit von 21,6 Mbit/s hingewiesen worden sei, nicht vom Streitgegenstand des Rechtsstreits erfasst werde. Der in der Berufungsinstanz gestellte Hilfsantrag sei als Anschlussberufung zu beurteilen, weil es sich im Verhältnis zum ursprünglichen Klageantrag um einen anderen Streitgegenstand handele. Diese Anschlussberufung sei unzulässig, weil sie nicht innerhalb der der Berufungsbeklagten gesetzten Frist zur Berufungserwiderung erhoben worden sei.

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    II. Die Revision der Klägerin hat Erfolg. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Klage zwar unter dem Gesichtspunkt einer Irreführung gemäß § 5 UWG abgewiesen werden (dazu II 2). Sie trägt allerdings nicht die Verneinung eines Verstoßes gegen § 5a Abs. 2 und 3 UWG (dazu II 3). Die Revision hat damit auch Erfolg, soweit sie sich gegen die Abweisung des auf Zahlung von Abmahnkosten gerichteten Antrags wendet.

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    1. Die Revision wendet sich nicht dagegen, dass das Berufungsgericht die Klägerin als nach § 8 Abs. 3 Nr. 3 UWG klagebefugt angesehen hat. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

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    2. Ohne Erfolg greift die Revision die Beurteilung des Berufungsgerichts an, es fehle an einer irreführenden geschäftlichen Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG.

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    a) Das Berufungsgericht hat angenommen, die angegriffene Werbung sei nicht irreführend. Dies könne der Berufungssenat ohne Einholung eines Sachverständigengutachtens beurteilen, weil seine Mitglieder zum Adressatenkreis der Werbung gehörten. Die in der Werbung verwendeten Begriffe "LTE-Geschwindigkeit" und "LTE-Highspeed" seien nicht so zu verstehen, dass das Angebot der Beklagten die maximale Datenübertragungsgeschwindigkeit im LTE-Netz - 300 Mbit/s - erlaube. Der durchschnittliche Verbraucher rechne nicht mit der Bereitstellung einer Datenübertragung im Bereich der technisch erzielbaren Höchstwerte, weil ihm bekannt sei, dass die konkrete Übertragungsrate nicht allein von der Übertragungstechnik, sondern auch von weiteren Rahmenbedingungen wie etwa der Signalstärke, der Netzdichte und der Anzahl von Nutzern beeinflusst werde. Der Begriff "Highspeed" impliziere zwar eine höhere Geschwindigkeit als bei der Verwendung älterer Funknetzstandards, bedeute jedoch ebenfalls nicht die Bereitstellung der technisch maximal möglichen Übertragungsgeschwindigkeit. Der durchschnittliche Verbraucher rechne auch nicht mit der Bereitstellung von Datenübertragungsraten, die einem durchschnittlichen Wert entsprächen, wie er in LTE-Netzen in Deutschland zur Verfügung stehe. Von solchen Werten habe der Verbraucher keinerlei konkrete Vorstellung und irre deshalb nicht über die Unterschreitung des Durchschnittswerts von 22,7 Mbit/s. Der durchschnittliche Verbraucher erwarte aufgrund der angegriffenen Werbung zwar eine Verbesserung der Netzgeschwindigkeit im Vergleich zum älteren UMTS/3G-Übertragungsstandard sowie eine Verwendung der Netztechnik LTE, ferner auch eine Netzgeschwindigkeit, die den derzeitigen Bedürfnissen für die regelmäßige Nutzung von Mobilfunkdiensten in ausreichendem Maß gerecht werde. Diese Erwartungen erfülle das Angebot der Beklagten jedoch. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung stand.

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    b) Nach § 5 Abs. 1 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer eine irreführende geschäftliche Handlung vornimmt, die geeignet ist, den Verbraucher zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Eine geschäftliche Handlung ist gemäß § 5 Abs. 1 Satz 2 UWG irreführend, wenn sie unwahre Angaben oder sonstige zur Täuschung geeignete Angaben über - nachfolgend aufgezählte - Umstände enthält. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 Fall 2 Nr. 1 UWG ist eine geschäftliche Handlung irreführend, wenn sie zur Täuschung geeignete Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung enthält, zu denen Vorteile, Risiken, Beschaffenheit oder die Ergebnisse von Tests zählen. Eine Irreführung liegt vor, wenn das Verständnis, das eine Angabe bei den Verkehrskreisen erweckt, an die sie sich richtet, mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht übereinstimmt (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteil vom 4. Juli 2019 - I ZR 161/18, GRUR 2020, 299 Rn. 10 = WRP 2020, 317 - IVD-Gütesiegel, mwN).

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    c) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Berufungsgericht habe verkannt, dass die Angaben "LTE-Geschwindigkeit" und "LTE-Highspeed" im Zusammenhang mit der angegriffenen Werbung nach dem Verständnis der Verbraucher eine Eigenschaft bezeichneten, die die angebotene Leistung wertvoller mache, selbst wenn die Verbraucher keine konkrete Vorstellung von bestimmten Übertragungsgeschwindigkeiten hätten.

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    aa) Allerdings trifft es zu, dass die Annahme einer Irreführung auch in Betracht kommt, wenn der angesprochene Verkehr mit einer werblichen Angabe keine klare Vorstellung verbindet, sofern dem beworbenen Produkt gerade diejenigen Merkmale fehlen, in denen der Verkehr aufgrund der werblichen Angabe den Vorteil des Angebots erblickt (vgl. BGH, Urteil vom 6. Juni 1958 - I ZR 33/57, BGHZ 28, 1, 7 - Buchgemeinschaft II; Urteil vom 7. Februar 1961 - I ZR 123/59, GRUR 1961, 361 = WRP 1961, 154 - Hautleim; Urteil vom 21. Juni 2018 - I ZR 157/16 , GRUR 2018, 1263 Rn. 25 = WRP 2018, 1458 - Vollsynthetisches Motorenöl). In diesen Fällen ändert die Unklarheit des verwendeten Begriffs nichts daran, dass der Verkehr ihm eine Aussage über Eigenschaften des beworbenen Produkts entnimmt, die es nicht aufweist (vgl. Bornkamm/Feddersen in Köhler/Bornkamm/Feddersen, UWG, 38. Aufl., § 5 Rn. 1.110; Großkomm.UWG/Lindacher, 3. Aufl., § 5 Rn. 130).

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    bb) Im Streitfall hat das Berufungsgericht jedoch das Vorliegen einer Irreführung nicht verneint, weil mangels einer konkreten Vorstellung des angesprochenen Verkehrs eine Irreführung über Eigenschaften des Angebots nicht festgestellt werden könne. Es ist bei seiner Feststellung, der durchschnittliche Verbraucher habe keine konkrete Vorstellung von bestimmten Datenübertragungsraten, nicht stehengeblieben, sondern hat weiter angenommen, die durch die Bezeichnung als "LTE-Geschwindigkeit" oder "LTE-Highspeed" ausgelöste Verbrauchervorstellung, die angebotenen LTE-Tarife seien gegenüber früheren Technikstandards tatsächlich vorteilhaft, werde nicht enttäuscht. Es handelt sich danach gerade nicht um einen Fall, in dem durch die Verwendung einer Angabe, die der Verbraucher nicht im Einzelnen versteht, eine Irreführung hervorgerufen wird.

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    Die Feststellungen des Berufungsgerichts zum Verkehrsverständnis haben Bestand. Tatgerichtliche Feststellungen zur Verkehrsauffassung sind in der Revisionsinstanz nur darauf nachprüfbar, ob das Berufungsgericht bei seiner Würdigung einen falschen rechtlichen Maßstab angelegt, gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen oder wesentliche Umstände unberücksichtigt gelassen hat (st. Rspr.; vgl. nur BGH, GRUR 2020, 299 Rn. 14 - IVD-Gütesiegel, mwN). Solche Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf; sie sind auch nicht ersichtlich. Soweit die Revision vorbringt, durch die Verwendung der Begriffe "LTE-Geschwindigkeit" und "LTE-Highspeed" setze die Beklagte die von ihr angebotenen Datenübertragungsraten in ein Verhältnis zu LTE-üblichen Datenübertragungsraten, weshalb die Werbung schon irreführend sei, wenn die Übertragungsraten des Leistungsangebots der Beklagten hinter den in Deutschland möglichen und üblichen Spitzen- oder auch nur Durchschnittswerten zurückblieben, setzt sie lediglich in revisionsrechtlich unbeachtlicher Weise ihr eigenes Verkehrsverständnis an die Stelle der Würdigung des Berufungsgerichts.

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    3. Mit Erfolg rügt die Revision, dass das Berufungsgericht einen Verstoß gegen § 5a Abs. 2 UWG wegen des Vorenthaltens von wesentlichen Informationen in Gestalt der bei den beworbenen Telekommunikationsangeboten bereitgestellten Datenübertragungsgeschwindigkeit verneint hat.

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    a) Das Berufungsgericht hat ausgeführt, auf § 5a UWG könne ein Verbot nicht gestützt werden, weil ein solcher Vorwurf nicht vom Streitgegenstand des Rechtsstreits erfasst werde. Die Klägerin habe den Streitgegenstand auf den Antrag beschränkt, mit den Begriffen "LTE-Geschwindigkeit" und "LTE-Highspeed" zu werben, obwohl tatsächlich lediglich eine Geschwindigkeit von bis zu 21,6 Mbit/s angeboten werde. Weiter habe die Klägerin den Antrag dahingehend eingeschränkt, dass die in den Anlagen K 1 bis K 3 enthaltene Werbung als konkrete Verletzungsform umfasst sein soll. Damit sei der Streitgegenstand auf das Erwecken einer Fehlvorstellung der Verbraucher über die angebotene Datenübertragungsgeschwindigkeit beschränkt. Der Vorwurf, die Beklagte habe dem Verbraucher wesentliche Informationen vorenthalten, indem er nicht ausreichend auf die infolge der Drosselung reduzierte Download-Geschwindigkeit von 21,6 Mbit/s hingewiesen habe, knüpfe an eine andere konkrete Verletzungsform und damit einen anderen Streitgegenstand an. Ein solcher Anspruch werde wesentlich davon bestimmt, ob die in anderen Teilen der Werbung der Beklagten unstreitig erfolgten Hinweise auf die Tarifdetails und die nähere Produktbeschreibung ausreichend deutlich seien. Durch die Bezugnahme auf die Anlagen K 1 bis K 3 habe die Klägerin gerade diese Werbeteile von ihrem Antrag ausgenommen. Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

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    b) Nach § 5a Abs. 2 Satz 1 UWG handelt unlauter, wer im konkreten Fall unter Berücksichtigung aller Umstände dem Verbraucher eine wesentliche Information vorenthält, die dieser je nach den Umständen benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen (Nr. 1), und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (Nr. 2). Werden Waren oder Dienstleistungen unter Hinweis auf deren Merkmale und Preis in einer dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Weise so angeboten, dass ein durchschnittlicher Verbraucher das Geschäft abschließen kann, gilt nach § 5a Abs. 3 Nr. 1 UWG die Information über alle wesentlichen Merkmale der Ware oder Dienstleistung in dem dieser und dem verwendeten Kommunikationsmittel angemessenen Umfang als wesentlich. Nach § 5a Abs. 5 UWG sind bei der Beurteilung des Vorenthaltens von Informationen räumliche oder zeitliche Beschränkungen des gewählten Kommunikationsmittels sowie alle Maßnahmen des Unternehmers zu berücksichtigen, dem Verbraucher die Informationen auf andere Weise zur Verfügung zu stellen.

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    c) Das Berufungsgericht hat zu Unrecht angenommen, im Streitfall sei ein Unterlassungsanspruch gemäß § 8 Abs. 1, §§ 3, 5a Abs. 2 UWG nicht vom mit der Klage geltend gemachten Streitgegenstand umfasst.

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    aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird der Streitgegenstand durch den Klageantrag, in dem sich die von der Klagepartei in Anspruch genommene Rechtsfolge konkretisiert, und den Lebenssachverhalt (Klagegrund) bestimmt, aus dem die Klagepartei die begehrte Rechtsfolge herleitet (BGH, Urteil vom 13. September 2012 - I ZR 230/11, BGHZ 194, 314 Rn. 18 - Biomineralwasser; Urteil vom 7. März 2019 - I ZR 184/17, GRUR 2019, 746 Rn. 32 = WRP 2019, 874 - Energieeffizienzklasse III; Urteil vom 12. März 2020 - I ZR 126/18, GRUR 2020, 755 Rn. 25 = WRP 2020, 851 - WarnWetter-App).

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    Richtet sich die Klage gegen die konkrete Verletzungsform, so ist in dieser Verletzungsform der Lebenssachverhalt zu sehen, durch den der Streitgegenstand bestimmt wird (BGH, Urteil vom 11. Oktober 2017 - I ZR 78/16, GRUR 2018, 431 Rn. 12 = WRP 2018, 413 - Tiegelgröße; BGH, GRUR 2020, 755 Rn. 27 - WarnWetter-App; vgl. auch BGH, Urteil vom 7. April 2011 - I ZR 34/09, GRUR 2011, 742 Rn. 17 f. = WRP 2011, 873 - Leistungspakete im Preisvergleich; BGHZ 194, 314 Rn. 24 - Biomineralwasser). Das Klagebegehren richtet sich in diesem Fall gegen ein konkret umschriebenes Verhalten, das gerade auch bei einer vom Standpunkt der Parteien ausgehenden natürlichen Betrachtungsweise den Tatsachenkomplex und damit die Beanstandungen umschreibt, zu der die konkrete Verletzungsform Anlass geben kann. Beanstandet der Kläger in einem solchen Fall etwa eine Werbeanzeige unter mehreren Gesichtspunkten, überlässt er es bei einem Erfolg der Klage dem Gericht zu bestimmen, auf welchen Aspekt das Unterlassungsgebot gestützt wird. Eine solche Klage ist begründet, wenn sich ein Anspruch unter einem der vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte (dazu vgl. BGH, GRUR 2018, 431 Rn. 16 - Tiegelgröße) ergibt. Abgewiesen werden kann eine solche Klage hingegen nur, wenn die Prüfung durch das Gericht ergibt, dass das begehrte Verbot unter keinem der vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte begründet ist.

    25

    Dem Kläger ist es allerdings nicht verwehrt, in Fällen, in den er eine konkrete Werbeanzeige unter verschiedenen Aspekten jeweils gesondert angreifen möchte, eben diese verschiedenen Aspekte im Wege der kumulativen Klagehäufung zu jeweils getrennten Klagezielen zu machen. In diesem Fall muss er die einzelnen Beanstandungen in verschiedenen Klageanträgen umschreiben, wobei er zur Verdeutlichung jeweils auf die konkrete Verletzungsform Bezug nehmen kann (BGHZ 194, 314 Rn. 24 f. - Biomineralwasser; BGH, GRUR 2020, 755 Rn. 27 - WarnWetter-App). In einem solchen Fall folgt aus der Antragsfassung, unter welchem der vom Kläger geltend gemachten Gesichtspunkte das Gericht den jeweiligen Antrag zu prüfen hat.

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    bb) Danach erfasst der mit der vorliegenden Klage geltend gemachte Streitgegenstand auch einen Verstoß gegen § 5a Abs. 2 UWG.

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    (1) Die Klägerin hat in ihren Antrag das angegriffene tatsächliche Verhalten in Form der werblichen Angaben aufgenommen, wie sie in ihrer Gesamtheit in den Anlagen K 1 bis K 3 enthalten sind. In der Klagebegründung hat die Klägerin neben einer Irreführung auch eine Informationspflichtverletzung nach § 5a Abs. 2 UWG mit der Begründung geltend gemacht, es handele sich bei dem Umstand, dass die beworbenen Tarife lediglich eine Geschwindigkeit von 21,6 Mbit/s vorsähen, um eine wesentliche Eigenschaft im Sinne dieser Vorschrift.

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    (2) Die Auffassung des Berufungsgerichts, der Vorwurf nach § 5a UWG sei vom Antrag nicht erfasst, weil die Klägerin im Antrag nicht die Produktinformationsblätter in Bezug genommen habe, in denen Angaben zur Übertragungsgeschwindigkeit enthalten seien, lässt außer Acht, dass die Klägerin die Verletzung der Informationspflicht - also das Unterlassen eines Hinweises auf die angebotene Datenübertragungsgeschwindigkeit - gerade in den Anlagen K 1 bis K 3 verortet, die sie deshalb in Bezug genommen hat. Im Rahmen des von der Klägerin dem Gericht insoweit unterbreiteten Rechtsschutzbegehrens ist zu prüfen, ob die Datenübertragungsgeschwindigkeit ein Merkmal der beworbenen Dienstleistung darstellt, über das gemäß § 5a Abs. 2, Abs. 3 Nr. 1 und Abs. 5 UWG in den in Bezug genommenen Werbeanzeigen selbst - und nicht erst in nachgelagerten Bestandteilen des werblichen Angebots wie einem verlinkten Produktinformationsblatt - informiert werden muss. Der Vorwurf der Informationspflichtverletzung gemäß § 5a Abs. 2 UWG knüpft damit - entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts - an dieselben konkreten Verletzungsformen und damit identische Streitgegenstände an wie der Vorwurf der Irreführung gemäß § 5 Abs. 1 UWG.

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    (3) Dass die Klägerin von der Möglichkeit, im Sinne der Rechtsprechung des Senats durch Formulierung gesonderter Anträge die rechtliche Zielrichtung einzelner Anträge zu spezifizieren (vgl. BGHZ 194, 314 Rn. 25 - Biomineralwasser), keinen Gebrauch gemacht hat, bedeutet nicht (gleichsam im Umkehrschluss), dass der Streitgegenstand auf einen bestimmten rechtlichen Aspekt - hier: die Irreführung nach § 5 UWG - beschränkt wäre. Die Klägerin hat - im Gegenteil - ihren Antrag ausdrücklich damit begründet, die Beklagte enthalte Verbrauchern mit Blick auf die Datenübertragungsgeschwindigkeit entgegen § 5a Abs. 2 UWG wesentliche Informationen vor. In einem solchen Fall kann die Klage nur abgewiesen werden, wenn sie sich unter keinem der geltend gemachten Gesichtspunkte als begründet erweist (dazu Rn. 24).

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    (4) Der Umstand, dass der Antrag seinem Wortlaut nach eher auf das Verbot einer Irreführung zielt als das Verbot einer Informationspflichtverletzung, schränkt seine Zielrichtung nicht ein. Durch die Bezugnahme auf die konkrete Verletzungsform ist klargestellt, welches tatsächliche Verhalten Gegenstand der Beanstandung ist. Eine etwaige verbale Zuspitzung auf einzelne rechtliche Aspekte steht als unschädliche Überbestimmung der Würdigung dieses Verhaltens auch unter anderen rechtlichen Aspekten nicht entgegen (vgl. BGH, GRUR 2011, 742 Rn. 17 - Leistungspakete im Preisvergleich).

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    d) Die Entscheidung des Berufungsgerichts stellt sich auch nicht im Ergebnis als richtig dar. Die Revision der Beklagten ist daher nicht gemäß § 561 ZPO zurückzuweisen.

    32

    aa) Bei den angegriffenen Werbeanzeigen handelt es sich um Angebote zu einem Geschäftsabschluss im Sinne des § 5a Abs. 3 UWG.

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    (1) § 5a Abs. 3 UWG dient der Umsetzung von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG über unlautere Geschäftspraktiken. Nach der danach erforderlichen richtlinienkonformen Auslegung des § 5a Abs. 3 UWG reicht es für ein Angebot im Sinne dieser Vorschrift aus, dass eine Aufforderung zum Kauf im Sinne von Art. 7 Abs. 4 der Richtlinie 2005/29/EG vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 14. September 2017 - I ZR 231/14, GRUR 2017, 1269 Rn. 16 = WRP 2018, 65 - MeinPaket.de II, mwN). Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist das der Fall, wenn der Verbraucher hinreichend über das beworbene Produkt und dessen Preis informiert ist, um eine geschäftliche Entscheidung treffen zu können, ohne dass die kommerzielle Kommunikation auch eine tatsächliche Möglichkeit bieten muss, das Produkt zu kaufen, oder dass sie im Zusammenhang mit einer solchen Möglichkeit steht (EuGH, Urteil vom 12. Mai 2011 - C-122/10, Slg. 2011, I-3903 = GRUR 2011, 930 Rn. 33 - Ving Sverige). Das Vorliegen eines Angebots im Sinne von § 145 BGB oder einer Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ist nicht erforderlich; es reicht vielmehr aus, wenn der Verbraucher so viel über das Produkt und dessen Preis erfährt, dass er sich für den Kauf entscheiden kann. Dabei genügt als für die Annahme einer Aufforderung zum Kauf erforderliche geschäftliche Entscheidung nach Art. 2 Buchst. k der Richtlinie 2005/29/EG insbesondere jede Entscheidung eines Verbrauchers darüber, ob, wie und unter welchen Bedingungen er einen Kauf tätigen will. Hierzu zählt nicht nur die Entscheidung über den Erwerb oder Nichterwerb eines Produkts, sondern auch damit unmittelbar zusammenhängende Entscheidungen wie insbesondere das Betreten des Geschäfts oder das Aufrufen eines Verkaufsportals im Internet (EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2013 - C-281/12, GRUR 2014, 196 Rn. 36 = WRP 2014, 161 - Trento Sviluppo und Centrale Adriatica; BGH, GRUR 2017, 1269 Rn. 17 und 19 - MeinPaket.de II, mwN).

    34

    (2) Danach stellen die angegriffenen Werbeanzeigen Aufforderungen zum Kauf und damit qualifizierte Angebote im Sinne von § 5a Abs. 3 UWG dar. Sie enthalten konkrete Beschreibungen von Kommunikationsdienstleistungen der Beklagten einschließlich der Preisangabe. Durch sie erhält der Verbraucher die wesentlichen Angaben, um sich zum Erwerb dieser Waren zu entschließen. Es handelt sich um Absatzwerbung und nicht um eine bloße Aufmerksamkeits- oder Imagewerbung. Die in der Werbung gegebenen Informationen können und sollen den Verbraucher dazu veranlassen, über das verlinkte Internetportal die beworbenen Dienstleistungen zu bestellen.

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    bb) Eine abschließende Entscheidung ist dem erkennenden Senat jedoch verwehrt, weil das Berufungsgericht keine tatsächlichen Feststellungen zum Vorliegen einer Informationspflichtverletzung gemäß § 5a Abs. 2, Abs. 3 und Abs. 5 UWG getroffen hat. Diese Beurteilung erfordert eine in tatgerichtlicher Würdigung des Sachverhalts vorgenommene Abwägung der Interessen des Verbrauchers und des Unternehmers (vgl. BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 26/15, GRUR 2016, 1076 Rn. 31 = WRP 2016, 1221 - LGA tested). Für die Frage, welche Informationen der Unternehmer im Rahmen einer Aufforderung zum Kauf erteilen muss, ist eine Prüfung des Einzelfalls erforderlich, bei der es einerseits auf die vom Unternehmer gewählte Gestaltung des Werbemittels und den Umfang der insgesamt erforderlichen Angaben ankommt, und andererseits die Entscheidung des Gesetzgebers zu beachten ist, bestimmte Angaben als wesentlich anzusehen (vgl. BGH, GRUR 2017, 1269 Rn. 27 - MeinPaket.de II). An entsprechenden tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts fehlt es im Streitfall.

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    cc) Entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung scheidet die Annahme einer Informationspflichtverletzung nicht deshalb aus, weil das Berufungsgericht angenommen hat, der Verbraucher habe keine konkrete zahlenmäßige Vorstellung über die bei LTE-Telekommunikationsangeboten in Deutschland durchschnittlich erreichte Datenübertragungsgeschwindigkeit.

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    Die Abwesenheit einer für die Irreführung nach § 5 Abs. 1 UWG erforderlichen Fehlvorstellung über einen tatsächlichen Umstand steht nicht der Annahme entgegen, dass dieser Umstand eine für den Vertragsschluss wesentliche Information darstellt (vgl. BGH, Urteil vom 9. Februar 2012 - I ZR 178/10, GRUR 2012, 943 Rn. 13 = WRP 2012, 1083 - Call by Call). Selbst wenn daher eine irreführende geschäftliche Handlung im Sinne des § 5 Abs. 1 UWG mit Blick auf die bei den beworbenen Angeboten erreichte Übertragungsgeschwindigkeit nicht vorliegt, weil es an entsprechenden konkreten Vorstellungen des Verbrauchers fehlt, kommt es im Rahmen der Prüfung einer Informationspflichtverletzung gemäß § 5a Abs. 2 und 3 UWG durchaus in Betracht, die Datenübertragungsgeschwindigkeit als wesentliche Information anzusehen, die der Verbraucher benötigt, um eine informierte geschäftliche Entscheidung zu treffen, und deren Vorenthalten geeignet ist, ihn zu einer geschäftlichen Entscheidung zu veranlassen, die er andernfalls nicht getroffen hätte (§ 5a Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 UWG).

    38

    III. Danach ist die angegriffene Entscheidung aufzuheben und zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).