Streitwert:
Antragsverfahren: 17.000,00 €
Widerspruchsverfahren: 13.000,00 €
LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Entscheidung vom 18. April 2012
Aktenzeichen: 3-08 O 170/11
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
[...]
hat das Landgericht Frankfurt am Main - 8. Kammer für Handelssachen - durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Nickel, Handelsrichterin Schoor, Handelsrichter Vogelsang aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 18.04.2012 für Recht erkannt:
Die einstweilige Verfügung vom 23.12.2011 wird hinsichtlich des Ausspruchs zu 2. bestätigt.
Im Übrigen wird die einstweilige Verfügung aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückgewiesen.
Die Kosten des Antragsverfahrens haben der Antragsteller zu 5/8 und die Antragsgegnerin zu 3/8 zu tragen.
Die Kosten des Widerspruchsverfahrens haben der Antragsteller zu 1/2 und die Antragsgegnerin zu 1/2 zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Antragsteller wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung der Antragsgegnerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 130 % der beizutreibenden Kosten abzuwenden, wenn nicht die Antragsgegnerin vor Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Der Streitwert für das Antragsverfahren wird auf 17.000,00 € und der für das Widerspruchsverfahren auf 13.000,00 € festgesetzt.sr
Tatbestand
Die Parteien vertreiben über die Internetplattform amazon.de Lichterketten. Die Antragsgegnerin ist Lizenznehmerin der Wortmarken »[...]«, die für bestimmte Einzelhandelsdienstleistungen am 07.05.2007 eingetragen wurde (B1. 16 d. A.) und deren Inhaberin eine Frau [...] ist, und bewarb im November 2011 Lichterketten, auf der Internetplattform amazon.de mit der Aussage »100er LED Lichterkette blau, Innen und Außen, von [...]«.
Insoweit wird wegen der Einzelheiten auf Bl. 27 d. A. verwiesen. Der Antragsteller listete seine Lichterkette auf der Angebotsseite der Antragsgegnerin hinzu und wurde deswegen mit Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom 24.11.2011 (B1.9-13 d. A.) abgemahnt. In diesem Schreiben hieß es u. a. »Grund unserer Beauftragung ist die Beobachtung unserer Auftraggeberin, dass sie bei Amazon eine »100er LED Lichterkette blau, Innen und Außen« zum Verkauf anbieten und dabei behaupten, sie stamme »von [...]« Das stellt zunächst eine Kennzeichenrechtsverletzung im Sinne von § 14 Abs. 2 Ziffer 1 MarkenG dar.«
Der Antragsteller bestellte im Wege des Testkaufs am 24.11.2011 eine Lichterkette weiß, Aussen zum Preis von 10,95 Euro (Rechnung vom 25.11.2011 in Bl. 18 d. A.) bei der Antragsgegnerin. Diese Lichterkette wurde wie folgt von der Antragsgegnerin auf der Internetplattform amazon.de beworben (Bl. 44 d. A.) »Led Lichterkette weißes Licht 100 Led 10m von [...]« Der Antragsteller mahnte die Antragsgegnerin mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 01.12.2011 (BI. 31-34 d. A.) ab.
Die Kammer hat am 23.12.2011 eine einstweilige Verfügung erlassen, wegen deren Inhalts auf Bl. 49/50 d. A. verwiesen wird.
Der Antragsteller trägt vor, dass sich die Angabe »von« bei den Angeboten der Antragsgegnerin auf der Internetplattform amazon.de unmissverständlich auf die angebotene Ware beziehe und deshalb den Hersteller bzw. die Marke der angebotenen Ware identifiziere. Dies ergebe sich insbesondere daraus, dass die Angabe »von« von Anbietern nur dadurch hinzugefügt werden könne, indem in der amazon-Produktzusammenfassung in den dafür vorgesehenen Feldern »Hersteller (Hersteller des Produkts)« oder »Marke (Marke oder Hersteller des Produkts)« entsprechende Angaben gemacht werden können (Bl. 15 d. A.). Dies sei sowohl Anbietern als auch Kunden bekannt.
Die von der Antragsgegnerin angebotenen Lichterketten würden weder von einem Hersteller [...] produziert, noch unter der Marke [...] vertrieben. Damit spiegele die Antragsgegnerin ihren Kunden wahrheitswidrig vor, es handele sich bei der Lichterkette um ein von ihr bzw. einem Hersteller [...] hergestelltes oder ein unter einer Marke [...] hergestelltes und vertriebenes Produkt. Der Antragsteller macht deshalb einen Unterlassungsanspruch aus § 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG geltend.
Außerdem stelle die Behauptung der Antragsgegnerin in der Abmahnung vom 24.11.2011, ihr stünde ein Unerlassungsanspruch aus § 14 MarkenG zu, eine unlautere geschäftliche Handlung im Sinne von § 4 Nr. 10 UWG sowie einen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb des Antragstellers dar (unberechtigte Schutzrechtsverwarnung). Die Angabe von [...] beziehe sich auf die bei amazon gelistete Ware, für die jedoch keine Markeneintragung bestehe. Die Marke [...] genieße nur Schutz für Einzelhandelsdienstleistungen. Die Antragsgegnerin habe die Bezeichnung [...] jedoch nicht für Einzelhandelsdienstleistungen benutzt.
Die Antragstellerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 23.12.2011 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin trägt vor, dass sie die Bezeichnung »von ...]« nur zur Kennzeichnung ihrer Dienstleistungen und ihres gesamten Geschäftsbetriebs benutzt habe und nicht zur Kennzeichnung der angebotenen Ware.
Insoweit sei nämlich zu berücksichtigen, dass bei einer Dienstleistungsmarke eine Bezeichnung nur auf Gegenständen in Betracht komme, die bei der Erbringung der Dienstleistung zum Einsatz gelangen würden, wie etwa Rechnungen, Werbedrucksachen, Papiere und Prospekte. Es sei nur erforderlich, dass der Verkehr erkennen könne, die Bezeichnung werde nicht nur für den Geschäftsbetrieb, sondern auch für eine konkrete Dienstleistung verwendet.
In der Verwendung des Begriffs [...] im Zusammenhang mit der konkret bezeichneten Dienstleistung der Antragsgegnerin werde der Verkehr darin nicht nur die Benennung des Geschäftsbetriebs sehen, sondern zugleich auch die bestimmte Leistung, die aus diesem Geschäftsbetrieb stamme.
Der amazon-Käufer werde die Angabe »von [...]« so verstehen, dass es sich um ein Produkt handele, das von einem Verkäufer mit dem Namen [...] verkauft werde.
Die Annahme, dass der Verkehr glaube, es gebe eine Warenmarke [...] für Lichterketten, komme nur dann in Betracht, wenn die Antragsgegnerin ihre Lichterketten als »[...]-Lichterketten« verkaufen würde. Dies tue sie jedoch nicht.
Das Wort »von« deute auf die betriebliche Herkunft hin.
Schließlich setze die Kennzeichnung eines Produkts eine Markeneintragung nicht voraus.
Im Schriftsatz vom 03.02.2012 trägt die Antragsgegnerin noch vor, dass sie sich nirgendwo als »Hersteller« bezeichnet habe, sondern lediglich angegeben habe, die von ihr verkauften Lichterketten stammen »von« ihr. Vorsichtshalber weise sie darauf hin, dass dann für den Ausschluss einer Irreführung ausreiche, wenn der Hersteller tatsächlich ein mit dem werbenden Anbieter verbundenes Unternehmen sei. Dies sei im Verhältnis zwischen ihr und der Fa. [...] GmbH, die tatsächlich Importeur der Artikel sei, der Fall.
Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und die Sitzungsniederschrift vom 18. 04. 2012 in Bl. 144 d. A. verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Antrag zu 1) ist unbegründet.
Dem Antragsteller steht weder aus §§ 3, 4 Nr. 10 UWG noch aus § 823 Abs. 1 BGB (Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb) ein Anspruch auf Unterlassung unter dem Gesichtspunkt der unberechtigten Schutzrechtsverwamung zu.
Eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung und damit ein Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb bzw. eine gezielte Behinderung eines Mitbewerbers liegt vor, wenn ein Hersteller oder Abnehmer eines Produkts wegen einer Verletzung von Ausschließlichkeitsrechten ernsthaft und endgültig zur Unterlassung aufgefordert wird (Köhler, in: Köhler/Bornkamm UWG 30. Auflage § 4 R. 10.169). Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben.
Insoweit kann offen bleiben, ob die Abmahnung der Antragsgegnerin vom 24.11.2011 berechtigt war, soweit sie den Antragsteller wegen einer Markenverletzung aus § 14 Abs. 1 Nr. 2 MarkenG auf Unterlassung in Anspruch genommen hat. Selbst wenn ein solcher Anspruch nicht gegeben sein sollte, liegt keine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung vor.
Denn hierfür ist zusätzlich erforderlich, dass ein Hersteller oder Abnehmer zur Unterlassung aufgefordert wurde, der das Zeichen, wegen dessen er abgemahnt wurde, auch in der Zukunft verwenden will und deshalb in seinen Rechten ein Produkt unter einem bestimmten Zeichen vertreiben zu dürfen, eingeschränkt und behindert wird. Eine solche Behinderung des Antragstellers in Bezug auf die Bezeichnung [...] ist vorliegend nicht gegeben.
Denn der Antragsteller nimmt für sich nicht in Anspruch, seine Lichterketten unter der Produkt- oder Dienstleistungsmarke [...] verkaufen zu wollen. Vielmehr wendet er sich nur dagegen, dass die Listung seiner Lichterketten unter dem Angebot der Antragsgegnerin »von [...]« eine Kennzeichenverletzung darstellen soll. Dies allein reicht jedoch für eine unberechtigte Schutzrechtsverwarnung nicht aus. Allenfalls wäre die Abmahnung unberechtigt gewesen. Dies allein stellt jedoch noch keinen Eingriff in den eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb oder eine gezielte Behinderung des Antragstellers durch die Antragsgegnerin dar. Denn hierfür ist zusätzlich erforderlich, dass die Antragsgegnerin den Antragsteller zur Unterlassung eines Kennzeichens aufgefordert hat, dass der Antragsteller in der Zukunft für seine Lichterketten benutzen wollte. Der Antragsteller trägt aber selbst nicht vor, dass Zeichen [...] zur Kennzeichnung seiner Lichterketten benutzen zu wollen.
Demgegenüber ist der Antrag zu 2) begründet.
Dem Antragsteller steht insoweit ein Anspruch auf Unterlassung nach §§ 3, 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 Nr. 3 UWG zu, als die Antragsgegnerin für die von ihr vertriebenen Lichterketten mit der Aussage (B1.44 d. A.)
»Led Lichterkette weißes Licht 100 Led 10m von [...]«
warb. Denn diese Aussage ist irreführend, weil ein Durchschnittsverbraucher die Aussage dahingehend versteht, dass die beworbene Lichterkette von einem Hersteller namens [...] oder diese Lichterkette unter dieser Produktbezeichnung vertrieben wird.
Eine geschäftliche Handlung — wie hier die Werbeaussage »von [...]« im Zusammenhang mit dem Verkauf von Lichterketten - ist irreführend, wenn sie unrichtige oder missverständliche, zu Fehlvorstellungen führende und wettbewerblich relevante Angaben enthält.
Ob Angaben unrichtig oder missverständlich sind und eine Fehlvorstellung hervorrufen, bestimmt sich maßgeblich danach, wie der angesprochene Verkehr die beanstandete Werbung aufgrund ihres Gesamteindrucks versteht.
Die Werbung der Antragsgegnerin richtete sich an Verbraucher, sodass auf den durchschnittlich informierten und verständigen Verbraucher abzustellen ist, der die Aussage mit der angemessenen Aufmerksamkeit liest. Insoweit handelt es sich nicht um eine Tatsachenfeststellung, sondern um eine Prognoseentscheidung, wie der Durchschnittsverbraucher die Aussage verstehen wird. Hierzu ist die Kammer aufgrund Erfahrungswissens aus eigener Sachkunde in der Lage, weil die Mitglieder der Kammer auch Verbraucher sind.
Der Durchschnittsverbraucher wird die Aussage
»LED Lichterkette ... von [...]«
dahingehend verstehen, dass die Lichterkette von einem Hersteller namens [...] stammt oder unter der Produktbezeichnung [...] vertrieben wird. Demgegenüber ist es fernliegend, dass der Durchschnittsverbraucher die Aussage »von [...]« nur als Hinweis auf die betriebliche Herkunft, d. h., dass die Lichterketten von [...] vertrieben werden, verstehen wird. Zwar heißt es auf der angegriffenen Seite weiter unten
»Auf Lager
Verkauf und Versand durch [...]-de.«
und rechts daneben
»Auf Lager. Verkauft von [...]-de«.
Aber selbst wenn diese Aussagen zusammen mit der Aussage
»Led Lichterkette ... von [...]«
wahrgenommen werden, folgt daraus nicht, dass die angegriffene Aussage vom Durchschnittsverbraucher nur dahingehend verstanden wird, dass die Antragsgegnerin ihren Vertrieb der Lichterketten mit [...] kennzeichnet. Dies ist fernliegend. Vielmehr wird ein Durchschnittsverbraucher die Aussagen insgesamt dahingehend verstehen, dass die Lichterkette unter der Bezeichnung [...] vertrieben wird, d. h., die Aussage »von [...]« als Hinweis auf die Herkunft der Lichterkette und nicht nur als Hinweis auf die Herkunft der Dienstleistung, Vertrieb, verstanden wird. Zumal einem Verbraucher der Unterschied zwischen Warenmarke und Dienstleistungsmarke nicht geläufig ist. Deshalb wird er die Aussage »von [...]« eher als Produktmarke wahrnehmen, denn als Dienstleistungsmarke.
Die so verstandene Aussage ist unzutreffend und daher irreführend. Denn die Antragsgegnerin ist nicht Herstellerin der von ihr unter »von [...]« vertriebenen Lichterkette.
Soweit die Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung erstmals behauptet, dass sie auch Herstellerin der Lichterketten sei, ist ihr Vortrag hierzu widersprüchlich und unschlüssig. Aufgrund der eidesstattlichen Versicherung vom 05.04.2012 (B1. 142 d. A.) ist davon auszugehen, dass die Lichterketten in Asien hergestellt werden. Soweit die Antragsgegnerin in dieser eidesstattlichen Versicherung behauptet, dass dies nach genauen Vorgaben der Antragsgegnerin geschehe, ist dieser Vortrag unschlüssig, weil die Antragsgegnerin im Einzelnen nicht vorträgt, welche Vorgaben sie konkret der Herstellerin in Asien macht. Erst dann könnte festgestellt werden, ob und inwieweit die Antragsgegnerin Herstellerin der in Asien produzierten Lichterketten ist.
Einer solche Feststellung, dass die Antragsgegnerin Herstellerin der Lichterketten ist, würde im Übrigen auch ihr Vortrag im Schriftsatz vom 03.02.2012 (B1.67 d. A.) entgegenstehen, in der die Antragsgegnerin behauptet hat, nicht Herstellerin der Lichterketten zu sein. Warum dies nun anders sein soll, ist weder ersichtlich noch schlüssig noch dargetan.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.
Nickel Schoor Vogelsang