Freibrief für Kennzeichenverletzungen

Tobias H. Strömer / Dezember 2001

Wer mit der Registrierung einer Internet-Domain fremde Kennzeichenrechte verletzt oder hieran mitwirkt, haftet dem Kennzeicheninhaber gegenüber auf Unterlassung, unter Umständen auch auf Schadensersatz. Wer das Gleiche potentielle mehrere dutzend mal tut, haftete nicht. Das scheint, auf eine Kurzformel reduziert, die Quintessenz der Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Streit um die Domain „ambiente.de" zu sein. Tatsächlich weist die Entscheidung Ungereimtheiten auf und privilegiert die DENIC e.G. ungerechtfertigt gegenüber anderen Registrierungsstellen.

Der Bundesgerichtshof, der sich - soweit ersichtlich - im Mai 2001 zum ersten Mal überhaupt zu Domain-Streitigkeiten äußern konnte, hat in seiner Entscheidung zwar festgehalten, dass die Registrierungsstelle maßgeblich an der Verletzung von Kennzeichenrechten durch die Registrierung von Internet-Domains beteiligt ist, eine Verantwortlichkeit für Kennzeichenverletzung sah der Senat aber nicht.

Die Karlsruher Richter haben sicherlich Recht, wenn sie der derzeitigen Vergabepraxis ein rasches Ende prophezeien, falls der DENIC e.G. eine Prüfungspflicht im Einzelfall auferlegt wird. Der Vergleich mit Anzeigenredaktionen, denen auch nur eine kursorische Prüfung auf offensichtliche Rechtsverletzungen obliegt, überzeugt aber nicht. Dem Verleger ist es keineswegs egal, ob in der von ihm verlegten Zeitschrift Anzeigen erscheinen, die Rechte Unbeteiligter verletzen. Die DENIC e.G. nimmt dem gegenüber durchaus billigend in Kauf, dass nach ihrer Vergabepraxis laufend Kennzeichenrechte verletzt werden. Zu ihrer Entschuldigung trägt sie lediglich vor, sie könne angesichts der Vielzahl der vergebenen Domains beim besten Willen keine Prüfung vornehmen. Tatsächlich ist bislang kein einziger Fall bekannt geworden, in dem die Vergabestelle von sich aus einen Registrierungswunsch mit dem Argument zurückgewiesen hat, die begehrte Registrierung einer Internet-Domain verletze fremde Kennzeichenrechte. Wenn der Bundesgerichtshof (immerhin) vorgibt, dass die Registrierungsstelle in krassen Fällen einen Registrierungswunsch zurückzuweisen hat, stellt sich natürlich die Frage, nach welchen Kriterien sie solche „krassen Fälle" von anderen unterscheiden will. Nach Ansicht der Richter soll eine Domain-Registry nur dann verpflichtet sein, eine Registrierung abzulehnen oder aufzuheben, wenn für sie unschwer erkennbar ist, dass die Nutzung der Domain Rechte Dritter beeinträchtigt. Außerdem müsse die DENIC e.G. erst dann reagieren, wenn sie vom Kennzeicheninhaber oder von dritter Seite auf einen möglichen Verstoß hingewiesen wird. Zu berücksichtigen sei nämlich, dass die Vergabestelle eine Aufgabe im öffentlichen Interesse erfülle und Domains im automatisierten Verfahren vergebe. Eine Registrierung müsse die DENIC e.G. aber dann aufheben, wenn sie ohne weitere Nachforschungen zweifelsfrei feststellen kann, dass mit der Domain-Registrierung Rechte Dritter verletzt werden. Das wiederum ist nach Ansicht des Bundesgerichtshofs etwa dann der Fall, wenn ihr entweder eine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung oder eine eindeutige strafbewehrte Unterlassungserklärung des Domain-Inhabers vorgelegt wird oder die Rechtsverletzung so offensichtlich ist, dass sie sich aufdrängt. Also etwa dann, wenn die Domain mit einer berühmten Marke mit überragender Verkehrsgeltung identisch ist. Das Landgericht Frankfurt/Main sah eine offensichtliche Rechtsverletzung zum Beispiel bei der Registrierung der Domain „viagratip.de" (Urteil vom 21.03.2001) und verurteilte die Vergabestelle folgerichtig zur Löschung der Adresse. Auch kartellrechtliche Ansprüche aus §§ 33, 20 Abs. 1 GWB auf Freigabe der Domain vermögen die Karlsruher Richter im Fall der DENIC e.G. nicht zu erkennen. Eine unbillige Behinderung des Kennzeicheninhabers scheide aus, weil das Interesse der DENIC e.G. an einer effektiven Vergabepraxis überwiege.

Im Ergebnis wird die DENIC e.G. deshalb abwarten dürfen, bis ihr ein rechtskräftiges Urteil vorgelegt wird. Die DENIC e.G. leitet ihre Legitimation aus vertraglichen Absprachen mit der IANA (Internet Assigned Numbers Authority) her. Sie besitzt danach ein Monopol für die Vergabe von Internet-Domains unterhalb der Top-Level-Domain .de. Das bedeutet aber keineswegs, dass es keine anderen „Registrierungsstellen" für Internet-Domains in Deutschland gibt. Jeder Provider, der Domain Name Server (DNS) betreibt, nimmt täglich Registrierungswünsche entgegen. Zum einen werden dabei Second-Level-Domains, die von der DENIC e.G. registriert wurden, in den Domain-Name-Server des Providers eingetragen, um auf diese Weise mit der Domain eine Internet-Präsenz zu adressieren. Zum anderen sorgt der Domaininhaber dafür, dass mit sogenannten Third-Level-Domains oder Subdomains, also der Gliederungsebene unterhalb der von der DENIC e.G. vergebenen Adressen, bestimmte Ausschnitte aus der Internet-Präsenz des Kunden erreichbar gemacht werden. Letztendlich registriert jeder Domaininhaber damit Third-Level-Domains. Für die Vergabe der Adresse „ist-unfaehig.de" ist die DENIC e.G. zuständig, für die Registrierung von „schroeder.ist-unfaehig.de" der Domaininhaber.

Besonders deutlich wird die Vergleichbarkeit zwischen Provider und Registry dann, wenn ein Domain-Inhaber Tausende von Third-Level-Domains in der Weise einrichtet, dass er jedem Internet-Nutzer die Möglichkeit bietet, ungeprüft Domains registrieren zu lassen. Der Inhaber der Second-Level-Domain „de.vu" bietet eine solche Möglichkeit etwa all denjenigen an, die bei der Vergabe einer Domain unterhalb von .de zu kurz gekommen sind und glauben, mit der Endung „de.vu" eine ähnlich attraktive - und zudem verfügbare - Adresse gefunden zu haben.

Bislang ist leider noch niemand auf die Idee gekommen, dem Domaininhaber, der solche Dienste anbietet, eine ähnliche Privilegierung zukommen zu lassen, wie der DENIC e.G.

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