Hürdenlauf für die private Kopie

Rechtsanwalt Holger Gaspers / Februar 2004

computerDie Lage ist prekär: Der Markt der digitalen Medien, allen voran die CD- und DVD-Industrie, wankt und ist empfindlich getroffen von der immer größeren Zahl der Nutzer von CD/DVD-Brennern in der Bundesrepublik. Mit dem technischen Fortschritt wird es für die Künstler und die sie vermarktende Industrie mittlerweile zu einer existentiellen Frage, welche neue technische Finesse morgen ihr Werk in glänzender Qualität für wenig Geld dupliziert.

Der Handlungsbedarf für die Politik war somit offensichtlich und hat seinen Niederschlag in der Reform des Urheberechtsgesetzes gefunden. Insbesondere zu bislang unerwähnten Themenbereichen wie der Zulässigkeit von Kopierschutzmechanismen hat sich der Gesetzgeber nunmehr geäußert. Seit dem 13. September 2003 ist das neue Gesetz in Kraft. Welche Auswirkungen es auf die Rechte des Verbrauchers hat, soll im Folgenden kurz dargestellt werden.

Kopierschutzmechanismen

Lange hatte die Industrie sie gefordert und auch schon mehr schlecht als recht auf diversen Tonträgern zum Einsatz gebracht: Kopierschutzmechanismen, die die Funktionalitäten von Brennern und CD-Rom-Laufwerken aushebeln und jede Kopie damit unmöglich machen sollten. Der Gesetzgeber hat derartige Schutzmechanismen für notwendig und zulässig erachtet und sie daher explizit in das reformierte Gesetz aufgenommen. In § 95a UrhG wird festgelegt, dass „wirksame technische Maßnahmen" die das Kopieren (auch) von CD und DVD verhindern sollen, nicht umgangen werden dürfen. „Wirksam" soll eine technische Maßnahme nach Auffassung des Gesetzgebers dann sein, wenn dadurch der „durchschnittliche Nutzer" von einer Vervielfältigung abgehalten wird. Spezialisten die nach der Devise leben, „ein Code ist zum Knacken da" sind also nicht der Bewertungsmaßstab des Gesetzgebers.

Informationspflichten

Entscheidet sich ein Hersteller für einen Kopierschutzmechanismus, so muss der Verbraucher gemäß § 95d UrhG nun „deutlich" auf diesen Kopierschutz hingewiesen werden.

Festzuhalten ist also, dass Kopierschutztechniken ab sofort offiziell zulässig sind und die Umgehung dieses Schutzes verboten ist, zu welchem Zweck auch immer sie erfolgt.

Wer etwas Verbotenes tut, der muss aber nicht in jedem Fall auch eine Strafe fürchten. Dass zeigt das neue Gesetz mal wieder in aller Deutlichkeit:

Private Kopie nach § 53 UrhG

Es hatte sich schon während der Geltungsdauer der alten Fassung des Urheberrechtsgesetzes herumgesprochen, dass die so genannte Privatkopie zulässig ist. Wer Kopien eines Werks angefertigt hatte, um diese zum »privaten und sonstigen eigenen Gebrauch« zu verwenden, der befand sich rechtlich auf der sicheren Seite (vgl. auch ↕»Brenzlige Zeiten für Musikfreunde«).

Auch in der neuen Fassung des Urheberrechtsgesetzes bleibt die Privatkopie zulässig. Nicht wirklich neu aber nun auch ausdrücklich im Gesetz verankert ist die Einschränkung, dass eine Privatkopie von einer offensichtlich rechtswidrigen Vorlage selbstverständlich nicht zulässig ist. Wer von P2P-Börsen (wie Kazaa o.a.) im Internet kopiert, der wird illegale Kopien nicht durch eine Privatkopie in die Legalität führen können. Dies ist im Ergebnis nur logisch und war dem Grunde nach auch vor der Reform nicht anders.

Obwohl der Gesetzgeber auch im reformierten Gesetz eindeutig Stellung für die (digitale oder analoge) Privatkopie bezieht, wird aber gleichzeitig verboten, einen bestehenden Kopierschutz zu umgehen.

Ein unlösbarer Widerspruch - mag der geneigte Leser des neuen Gesetzes denken. Doch wirft man einen Blick auf die Sanktionsvorschriften des Gesetzeswerks, so findet man hier die (vorläufige) Auflösung für diesen scheinbaren redaktionellen Fehler:

In § 108 UrhG findet sich die Strafe für das Umgehen des Kopierschutzes: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr. Die Ausnahme: Wer die Tat zum privaten Gebrauch begeht, bleibt straffrei. Somit darf ruhig schlafen, wer maximal sieben Kopien eines Werkes herstellt und diese unentgeltlich höchstens an enge Freunde und Bekannte weitergibt.

Auswirkungen

Für den Verbraucher ändert sich daher weniger als erwartet:

Die Privatkopie bleibt gemäß § 53 UrhG zulässig. Daraus folgt allerdings kein Recht auf die private Kopie. Kopierschutzmechanismen sind kraft des neuen Gesetzes zulässige Maßnahmen der Urheber oder der mit Ihnen verbundenen Industrie, um ihre Werke vor Vervielfältigung zu schützen.

Das Umgehen eines bestehenden Kopierschutzes ist zwar verboten. Wer den Kopierschutz trotzdem austrickst wird aber nur bestraft, wenn er zu kommerziellen Zwecken oder im großen Stil kopiert. Der Verbraucher, der sich eine Privatkopie von einer kopiergeschützten CD oder DVD unter Umgehung des Schutzmechanismus herstellt, handelt zwar gegen das in § 95a UrhG aufgestellte Verbot, bleibt aber nach § 108 UrhG straffrei. Auch Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche der Urheber dürften erst greifen, wenn der Verbraucher mehr als die Privatkopie herstellt und damit gegen urheberrechtliche Vorschriften verstößt.

Es stellt sich zudem die Frage, welche Art von Kopierschutz der Gesetzgeber eigentlich im Auge hatte. Entgegen weit verbreiteter Ansicht unterscheidet der Gesetzestext nicht zwischen analogen und digitalen Kopien. Verboten ist deshalb im Prinzip auch das Herstellen eines Vervielfältigungsstücks auf analogem Weg. Selbst wer mit einem Mikrofon die über einen Radiolautsprecher wiedergegebene Musik von einer kopiergeschützten Audio-CD auf eine Audiokassette aufnimmt und eine Kopie mit miserabler Qualität fertigt, müsste daher ein schlechtes Gewissen haben. Es liegt auf der Hand, dass der Gesetzgeber eine solche »Umgehung« des Kopierschutzes nicht verhindern wollte. es bedarf offensichtlich einer korrigierenden Auslegung der neuen Vorschriften. Von einer »Umgehung« kann nur die Rede sein, wenn eine Einschränkung aufgehoben wird, die der Berechtigte zur Vermeidung einer ganz bestimmten Kopiertechnik vorgenommen hat. Das Abgreifen des an den Line-Out-Ausgang gesendeten Signals mit einer geeigneten Software etwa dürfte daher nicht verboten sein, solange der Hersteller der CD eine solche Kopiertechnik durch geeignete »wirksame« Maßnahmen gar nicht eingeschränkt hat.

Die Auswirkungen der Reform liegen also weniger beim einzelnen Verbraucher als beim gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Umgang mit dem Thema »Kopierschutz knacken«.

Vorbei sein dürfte es nun mit den Umsatz steigernden Aufmachern der einschlägigen Computermagazine, in denen dem potentiellen Käufer Tipps und Tricks feilgeboten wurden, mit denen er „auf jeden Fall jede DVD oder CD knacken" könne. Vorbei auch der offizielle Verkauf von Softwareprodukten, die mit ihren unschlagbaren Kopierfunktionen für alle geschützten Silberscheiben geworben haben. Wer den Markt beobachtet wird feststellen, dass einige Programme direkt nach Inkrafttreten der Urheberrechtsreform aus den Läden verschwunden sind. Andere Hersteller haben ihre Produkte „abgespeckt" und ermöglichen nun nicht mehr das Kopieren von CDs oder DVDs mit Kopierschutz.

Fazit

Für den durchschnittlichen Verbraucher wird es zukünftig nicht mehr so leicht wie noch vor dem 13. September 2003 sein, sich eine zulässige Privatkopie zu erstellen. Auf die Hilfe kommerzieller Anbieter wird er dabei ebenso verzichten müssen wie auf Tricks in der Fachpresse. Ob das ehrenwerte Ziel der Reform, der wirksame Schutz des geistigen Eigentums, durch die neuen Verbote allerdings auf Dauer erreicht werden wird, bleibt abzuwarten. Schon hört man aus Kreisen der Phonoindustrie den Ruf nach einer weiteren Fortentwicklung des Gesetzes, um die digitale Privatkopie nur noch einem exklusiven Kreis von Käufern zugänglich zu machen, die dieses Recht eigens mit dem Original erworben haben. Erst wenn diese und andere Änderungen in das Urheberrechtsgesetz eingearbeitet worden sind, wird nach Ansicht der Musikindustrie der Tonträgermarkt in Deutschland wieder „funktionieren". Nach welchen Spielregeln dieser Markt dann funktionieren würde ist offensichtlich: Die Industrie würde festlegen, wann und zu welchen Konditionen ein Verbraucher sich eine Privatkopie von einem ordnungsgemäß gekauften Original anfertigen darf.

Der Widerstand der Verbraucherverbände wird nicht lange auf sich warten lassen...