entscheidungen

Auskunft über bereits gelöschte Daten muss im Rahmen des Art. 15 DSGVO auch dann nicht erteilt werden, wenn diese womöglich mit großem Aufwand wiederherzustellen wären. Eine Kopie von großen Datenmenmgen, die nur mit unverhältnismäßigem Aufwand anzufertigen wären (mehrere Tausend E-Mails, sieben Manntage Aufwand), sind nicht geschuldet.

Streitwert: 6.000,00 €

Landgericht Heidelberg
Urteil vom 21. Februar 2020, 4 O 6/19

Tenor

  1.  Die Klage wird abgewiesen.

  2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

  3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leistet.

  4. Beschluss: Der Streitwert wird auf 6.000,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten über einen vermeintlichen Auskunftsanspruch des Klägers als ehemaliges Vorstandsmitglied der der vorgenannten Gesellschaft. Der Kläger war 2010/2011 Vorstandsmitglied der ……..AG. Im März 2013 meldete die AG beim Amtsgericht Heidelberg Insolvenz an. Zum Insolvenzverwalter wurde der Beklagte bestellt. Im weiteren Verlauf wurde die AG von der Q aufgekauft.

Der Kläger begehrt nun vom Beklagten Auskunft über seine personenbezogenen Daten.

Er ist der Ansicht, ein Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO stehe auch Organen von juristischen Personen zu. Ferner sei der Auskunftsanspruch nach Art. 15 Abs. 1 DS-GVO nicht auf die Vorlage von Urkunden gerichtet. Zudem stehe vorliegend die Berufsgeheimnispflicht des Beklagten nicht entgegen. Des Weiteren sei der Auskunftsanspruch nicht zu unbestimmt, da der Gesetzeswortlaut des Art. 15 Abs. 1 DSGVO wiedergegeben worden sei und es sich hierbei um einen Globalanspruch handele. Dem stehe auch nicht Erwägungsgrund 63 zur DS-GVO entgegen. Außerdem könne der Beklagte die Daten des Klägers jederzeit von der Q herausverlangen, jedenfalls habe der Beklagte ein Einsichtsrecht und ein Recht auf Anfertigung von Kopien.

Der Kläger beantragt,

1. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von dem Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers im Hinblick auf

- die Verarbeitungszwecke,

- die Kategorien personenbezogener Daten, die verarbeitet werden,

- alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der personenbezogenen Daten, soweit diese nicht bei dem Kläger erhoben wurden,

- die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden,

- die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten des Klägers gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer,

- das Bestehen eines Rechts des Klägers auf Berichtigung oder Löschung der sie betreffenden personenbezogenen Daten oder auf Einschränkung der Verarbeitung durch den Verantwortlichen oder eines Widerspruchsrechts gegen diese Verarbeitung,

- das Bestehen eines Beschwerderechts des Klägers bei einer Aufsichtsbehörde sowie

- das Bestehen einer automatisierten Entscheidungsfindung einschließlich Profiling gemäß Art. 22 Abs. 1 und 4 Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO) und, sofern eine automatisierte Entscheidungsfindung besteht, aussagekräftige Informationen über die involvierte Logik sowie die Tragweite und die angestrebten Auswirkungen einer derartigen Verarbeitung für den Kläger.

2. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der von dem Beklagten vorgenommenen Verarbeitung sind, zur Verfügung zu stellen.

Hilfsweise:

3. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die von dem Beklagten vorgenommene Verarbeitung der personenbezogenen Daten des Klägers betreffend die Datenkategorie E-Mail-Korrespondenz im Zeitraum vom 21.08.2010 bis zum 30. November 2011 im Hinblick auf

- die Verarbeitungszwecke,

- alle verfügbaren Informationen über die Herkunft der personenbezogenen Daten, soweit diese nicht bei dem Kläger erhoben wurden,

- die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, gegenüber denen die personenbezogenen Daten des Klägers offengelegt worden sind oder noch offengelegt werden,

- die geplante Dauer, für die die personenbezogenen Daten des Klägers gespeichert werden, oder, falls dies nicht möglich ist, die Kriterien für die Festlegung dieser Dauer zu erteilen.

4. Der Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand der von dem Beklagten vorgenommenen Verarbeitung sind, in dem nach Antrag zu 3 geltend gemachten Umfang zur Verfügung zu stellen.

Der Beklagte beantragt die Klageabweisung.

Der Beklagte wendet ein, dass der Auskunftsantrag bereits unzulässig sei. Die Vorlagepflicht von Urkunden durch den Gegner im Zivilprozess sei in den §§ 421 ff. ZPO abschließend geregelt. Ferner fehle das Rechtsschutzinteresse des Klägers, da er nicht vorgetragen habe, warum er die Information möchte. Sein Begehren laufe daher auf eine unzulässige Ausforschung hinaus. Jedenfalls sei sein Vorgehen rechtsmissbräuchlich, da der Kläger lediglich eine bessere Position in dem Verfahren 11 O 44/15 KfH vor dem Landgericht Heidelberg erlangen wolle.

Des Weiteren ist er der Auffassung, dass der Auskunftsantrag zudem unbegründet sei. Als Insolvenzverwalter und Rechtsanwalt unterliege der Beklagte dem Berufsgeheimnis, weshalb er keine Auskünfte zu erteilen habe. Zudem sei der Auskunftsanspruch zu unbestimmt. Außerdem seien dem Kläger viele Informationen selbst am besten bekannt, weshalb das Auskunftsverlangen gemäß Erwägungsgrund 62 ins Leere gehe.

Der Beklagte behauptet, dass die Erfüllung des Auskunftsanspruchs für ihn einen unverhältnismäßigen Aufwand bedeute. Die Personalakte und die Hardware der ITSysteme der AG seien an die Q, herausgeben worden. Allein die hilfsweise begehrte E-Mail-Korrespondenz betreffe ca. 10.000 E-Mails. Diese müssten zunächst auf den IT-Servern wiederhergestellt werden und so dann im Anschluss gesichtet und 'die personenbezogenen Daten Dritter sowie Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse geschwärzt werden. Dies würde Kosten für die Wiederherstellung von ca. 4.000 € und für die Sichtung und Schwärzung von ca. 120.000 € hervorrufen. Die Anonymisierung bzw. Schwärzung habe · durch einen Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer zu erfolgen. Ferner sei nicht sicher, ob eine Wiederherstellung der Daten gelinge.

Widerklagend für den Fall, dass der Auskunftsanspruch erfolgt hat, begehrt der Beklagte die Feststellung, dass der Kläger die Kosten des Auskunftsanspruchs zu tragen hat. Die Wiederherstellung, Sichtung und Schwärzung der Daten würden insgesamt ca. 124.000 € Kosten. Der Beklagte ist der Ansicht, dass diese Kosten von dem Kläger zu tragen seien, da der Beklagte bereits Auskunft über die Daten erteilt habe und damit der Auskunftsanspruch erfüllt sei. Alle darüber hinausgehende Kosten seien nicht mehr vom Beklagten zu tragen.

Der Beklagte beantragt widerklagend:

Es wird festgestellt, dass der Kläger sämtliche Kosten zu tragen hat, die aufgrund der von ihm begehrten Auskunft anfallen und über die Kosten der bisherigen Auskunftserteilung hinausgehen. Der Kläger beantragt die Abweisung der Widerklage. Er ist der Auffassung, dass Ansprüche aus Art. 15 DS-GVO unentgeltlich zu erfüllen seien. Der früher geltend gemachte Anspruch habe sich nicht auf personenbezogene Daten bezogen und sie zudem nicht erfüllt worden. Der Kläger hat seinen Auskunftsanspruch zunächst im Wege der Widerklage im Verfahren 11 O 44/15 KfH vor dem Landgericht Heidelberg erhoben. Mit Beschluss vom 15.01.2019 wurde die Widerklage abgetrennt und so dann dem nach dem Geschäftsverteilungsplan zuständigen und erkennenden Gericht zugewiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

I. Die Klage hat keinen Erfolg.

Im Rahmen der Zulässigkeit ist bereits problematisch, ob der Kläger vorliegend überhaupt ein berechtigtes Rechtsschutzinteresse in Bezug auf seinen geltend gemachten Auskunftsanspruch hat. Hierüber brauchte das Gericht jedoch nicht zu entscheiden, da die Klage jedenfalls unbegründet ist.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Auskunftsanspruch, weder aus den Hauptnoch aus den Hilfsanträgen.

1. Die Hauptanträge Ziff. 1 und 2 sind zu unbestimmt.

Art. 15 DS-GVO gewährt einen Anspruch auf Auskunftserteilung der personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten. Bei personenbezogenen Leistungs- und Verhaltensdaten handelt es sich um eine bestimmte Kategorie von personenbezogenen Daten i.S.v. Art. 15 Abs. 1 Hs. 2 b) DS-GVO i.V.m. Art. 4 Nr. 1 DS-GVO (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018, Az. 17 Sa:11/18). Vorliegend beschreibt der Kläger jedoch nicht einmal, auf welche Bereiche bzw. Kategorien er seine Auskunft erstrecken lassen will. Für Verantwortliche, die eine große Menge von Informationen über die betroffene Person verarbeiten, sieht Erwägungsgrund 63 a.E. zunächst eine Erleichterung bei einem (pauschalen) Auskunftsersuchen vor. So darf der Verantwortliche vor Auskunftserteilung von der betroffenen Person eine Präzisierung des Auskunftsbegehrens verlangen (s. auch Bäcker in Kühling/Buchner DS-GVO Art. 15 Rn. 30; Schantz in Schantz/Wolff DatenschutzR Rn. 1193; bzgl. der Herausforderungen iRv Big Data Anwendungen s. Werkmeister/Brandt CR 2016, 233 (236 f.)). Die betroffene Person hat klarzustellen, an welchen Informationen bzw. welchen Verarbeitungsvorgängen sie interessiert ist (Paal/Pauly/Paal, 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn. 8).

2. a. Die Hilfsanträge Ziff. 3 und 4 sind dahingehend hinreichend präzisiert, dass der Kläger Auskunft über die Datenkategorie E-Mail-Korrespondenz im Zeitraum vom 21.08.2010 bis zum 30. November 2011 verlangt. Der Auskunftsberechtigte ist nach Erwägungsgrund 63 S. 7 zur DS-GVO berechtigt, zu erklären, auf welche Informationen oder auf welche Verarbeitungsvorgänge sich das Auskunftsersuchen bezieht (vgl. LAG Baden-Württemberg, Urt. v. 20.12.2018, Az. 17 Sa 11/18). Hiervon machte der Kläger vorliegend Gebrauch und schränkte insoweit seinen zunächst umfassend begehrten Auskunftsanspruch ein.

b. Es kann jedoch bereits bezweifelt werden, ob der Beklagte vorliegend wirklich Daten des Klägers i.S.d. Art. 15 DS-GVO verarbeitet. Das Auskunftsrecht umfasst alle Daten, die bei dem Verantwortlichen vorhanden sind. Eine Ausnahme für bestimmte Datenkategorien sieht Art. 15 nicht vor. Hingegen muss der Verantwortliche grundsätzlich keine Auskunft über Daten erteilen, die er in der Vergangenheit verarbeitet hat, über die er jedoch nicht mehr verfügt (Kühling/Buchner/Bäck r. 2. Aufl. 2018, DS-GVO Art. 15 Rn.8). Für das Gericht ist durchaus nachvollziehbar, dass sich vorliegend keinerlei Speichermedien mehr im Besitz der AG befinden; sondern diese vielmehr umfassend an die Q, übergeben wurden. Hieran ändert auch ein mögliches Zugriffsrecht des Beklagten auf die ehemaligen Server der AG nicht zwangsläufig etwas. Daten in Backups sind für den Verantwortlichen nämlich u.U. nicht unmittelbar greifbar. Gern. § 34 Abs. 7 i.V.m § 33 Abs. 2 S. 1 N . 2 BDSG a.F durfte vormals die Auskunft entfallen, wenn die Daten ausschließlich der Datensicherung dienten und eine Benachrichtigung einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert hätte. Der Wegfall dieser Spezialnorm bedeutet jedoch keineswegs, dass nun sämtliche Backups Gegenstand der Auskunftsverpflichtung geworden wären. Vielmehr kommt es auch hier auf den konkreten Aufwand auf Seiten des Verantwortlichen an (vgl. Gala DS-GVO/Franck, 2. Aufl. 2018, DSGVO Art. 15 Rn. 42), hierzu sogleich. c. Jedenfalls steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass die verlangte Auskunft für den Beklagten mit einem unverhältnismäßigem Aufwand verbunden ist. Es ist für das Gericht nachvollziehbar und plausibel, dass vorliegend zur Beschaffung der Daten zunächst einmal diese auf. den alten Servern der AG wiederhergestellt werden müssten. Diesbezüglich hat das Gericht keinerlei Zweifel daran, dass hierzu Kosten jedenfalls im Bereich bis zu 4.000 € anfallen würden.

Des Weiteren geht das Gericht davon aus, dass die Datenkategorie E-Mails jedenfalls mehrere tausend E-Mail umfassen dürfte. Der Kläger war vorliegend als Vorstandsmitglied über einen Zeitraum von mindestens einem Jahr, ggf. sogar eineinhalb Jahre, tätig. Mit einem solchen Amt ist zwangsläufig ein nicht unerheblicher Schriftverkehr per E-Mail verbunden. Das grundsätzliche Erfordernis der Sichtung und Schwärzung dieser E-Mails zur Sicherung berechtigter Interessen Dritter ist zwischen den Parteien unstreitig und wird auch in der Rechtsprechung anerkannt (vgl. LAG BadenWürttemberg, NZA-RR 2019, 242, Rn. 163). Ob hierfür zwangsläufig ein Rechtsanwalt oder Wirtschaftsprüfer einzusetzen ist, brauchte das Gericht vorliegend nicht zu entscheiden. Es ist davon überzeugt, dass die potentielle Aufbereitung der Daten für den Kläger unverhältnismäßige Ressourcen bindet. Der Beklagte rechnet dies auf S. 7 seines Schriftsatzes vom 22.08.2019 beispielhaft vor. Selbst wenn das Gericht eine deutlich geringere Anzahl an E-Mails In Kombination mit einem Mittelwert an bearbeiteten E-Mails pro Tag annimmt, würde die Aufbereitung der Daten eine Person über Wochen beschäftigen. Dies in Relation zum - nach Ansicht des Gerichts wenn überhaupt als gering einzustufenden - Informationsinteresse des Klägers sieht das Gericht als einen unverhältnismäßigen Aufwand an. Vorliegend handelt es sich um E-Mails; die bereits neun bis zehn Jahre alt sind. Der Kläger ist zudem seit neun Jahren nicht mehr für die AG tätig. Diese existiert in der bisherigen Form sogar nicht einmal. mehr. Es ist für das Gericht durchaus bezeichnend, dass der Kläger seinen Auskunftsanspruch erst Jahre nach der Beendigung der Tätigkeit für die· AG im Rahmen eines zivilrechtlichen Verfahrens vor dem Landgericht Heidelberg, Az. 11 O 44/15 KfH, geltend machte. Er ließ sich selbst dahingehend ein, dass es keinen Fall von Rechtsmissbrauch darstellt, wenn ein Arbeitnehmer mit der Geltendmachung einer Datenkopie Druck auf seinen Arbeitgeber ausüben will. Des Weiteren blieb der Kläger trotz Anordnung des persönlichen Erscheinens in der Terminsverfügung vom 04.09.2019 der mündlichen Verhandlung am 06.02.2020 unentschuldigt fern. Dies kann das Gericht würdigen und für den Kläger nachteilige Schlüsse, vorliegend sein fehlendes bzw. geringes Informationsinteresse, ziehen (vgl. OLG Naumburg, Urteil vom 24.8.2015-1 U 37/15).

3. Mangels Eintritt der innerprozessualen Bedingung war über die Hilfswiderklage des Beklagten nicht mehr zu entscheiden.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus§ 91 Abs. 1 ZPO und der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 1, 711 S. 1 ZPO.

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