LG Berlin, Urt. v. 27.11.01, 16 O 319/01 - artcom

eigenesache Der Inhaber einer Firma mit völlig schwacher Kennzeichnungs- und Unterscheidungskraft (hier: »ArtCom«) kann auch bei Branchenidentität und Priorität nicht die Freigabe der Domain, die aus der Firma gebildet ist, von einem Wettbewerber verlangen, weil der Verkehr die Domain in solchen Fällen nicht als Hinweis gerade auf das Unternehmen des Firmeninhabers auffasst. Wurde die Domain bereits 1991 registriert, handelt der Firmeninhaber zudem rechtsmissbräuchlich, wenn er erst 1997 eine Marke anmeldet und im Jahre 2000 unter Hinweis auf bessere Markenrechte auf Freigabe klagt.

 

berlin

LANDGERICHT BERLIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 16 O 319/01
Entscheidung vom 27. November 2001

 

In dem Rechtsstreit

[...]

hat die Zivilkammer 16 des Landgerichts Berlin in 10589 Berlin (Charlottenburg), Tegeler Weg 17-21, auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 11. Oktober 2001 durch die Richter am Landgericht Oelschläger und Dr. Hess sowie die Richterin Ernst

für Recht erkannt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 6.000,00 DM vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird gestattet, Sicherheit durch eine schriftliche, selbstschuldnerische, unbedingte, unbefristete und unwiderrufliche Bürgschaft eines als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts zu erbringen.

Tatbestand

Die Klägerin entwickelt Soft- und Hardware zur Herstellung von Computergrafiken. Die Beklagte betreibt u.a. Geschäfte mit rechnergestützter Technologie. Die Parteien streiten um eine Internet-Domain »www.artcom.de«.

Die Historie der Klägerin stellt sich - soweit unstreitig - wie folgt dar: Die Klägerin ist seit dem 26. Januar 1988 im Handelsregister des Amtsgerichts Bremen wie aus dem Rubrum ersichtlich eingetragen. Die Klägerin ist Inhaberin einer Wort/Bildmarke »ArtCom« mit Priorität vom 19. März 1988 für bestimmte Waren und Dienstleistungen aus dem Computerbereich, wegen deren Einzelheiten auf die Urkundskopie auf Blatt 9 der Akte verwiesen wird. Am 30. Mai 1995 ließ sich die Klägerin die Domain »artcom-gmbh.de« registrieren, wobei bei Aufruf dieser Domain keine Inhalte erscheinen. Die Klägerin ist des Weiteren Inhaberin einer (angegriffenen) Wortmarke »ArtCom« mit Priorität vom 30. Januar 1997 für ebensolche Waren und Dienstleistungen, wegen deren Einzelheiten auf die Urkundskopie auf Blatt 10 der Akte verwiesen wird.

Auf Seiten der - in Berlin ansässigen - Beklagten entwickelten sich die Dinge - soweit unstreitig - folgendermaßen:

Zunächst wurde am 2. Juli 1988 ein »Art + Com Projekt für rechnergestütztes Gestalten und Darstellen e.V.« errichtet und am 5. Dezember 1988 in das Vereinsregister eingetragen. Mitglieder dieses Vereins gründeten 1995/1996 die »Art + Com Beteiligungsgesellschaft bürgerlichen Rechts« und aus dieser heraus alsdann die »Art + Com Medientechnologie und Gestaltung GmbH«, welche sich schließlich 1998 in die aus dem Passivrubrum ersichtliche AG umwandelte. Die streitgegenständliche Domain »www.artcom.de« ist gegenwärtig für besagte GmbH registriert. Eine »Umschreibung« der Domain auf die AG, erfolgte bislang nicht, weil der DENIC eG ein diesbezüglicher »Dispute-Antrag« der Klägerin vorliegt. Die Beklagte nutzt die Domain zu Werbezwekken und auch als Bestandteil ihrer E-Mail-Anschriften (wie beispielsweise »Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.«), über die sie täglich zwischen 1.000 und 1.500 E-Mails erhält. Die Domain kann nicht »art+com.de« lauten, weil Internet-Domains ein Pluszeichen nicht enthalten können.

Ausweislich einer Handelsregisterrecherche der Auskunftei Dumrath & Fassnacht vom 20. Juli 2001 (Blatt 73 bis 75 der Akte) gibt es in Deutschland zahlreiche Unternehmen, die die Bezeichnung »ArtCom« in ihrer Firma führen.

Mit Schreiben vom 29. März 2000 (Blatt 13 ff. der Akte) forderte die Klägerin die Beklagte zum Verzicht auf die Benutzung besagter Domain und zu deren »Herausgabe« an die Klägerin auf. Die Beklagte wies das mit Schreiben vom 12. Mai 2000 (Bl. 19, 20 der Akte) unter Berufung auf eine Verwirkung zurück, und zwar u.a. mit Hinweis auf eine dem Schreiben beigefügte, von der DENIC eG unter dem 17. April 2000 erstellte »History_artcom.de«, wegen deren Einzelheiten auf Blatt 21 bis 24 der Akte verwiesen wird. Auch auf ein Angebot der Klägerin, im Gegenzug zu besagter »Herausgabe« der Beklagten die vorsorglich seitens der Klägerin registrierten Domains »artundcom.de«, »artpluscom.de«, »art-und-com.de« und »art-plus-com.de« zu übertragen, ging die Beklagte nicht ein.

Die Klägerin verfolgt ihr Begehren, das sie auf sachliches und förmliches Kennzeichenrecht stützt, im Klagewege weiter und trägt hierzu vor: Sie sei bereits seit 1987 unter der Kurzbezeichnung »ArtCom« bundesweit tätig. Sie benutze »Firma und Marke seit ihrer Gründung«. Auch in der Werbung habe die Klägerin Firma sowie Marke gezielt eingesetzt und tue dies noch heute. Sie benutze die Domain »www.artcom-gmbh.de« im geschäftlichen Verkehr. Anlässlich eines von ihr eingeleiteten Widerspruchsverfahrens gegen eine von der Beklagten 1997 angemeldete Wort-/Bildmarke »ART+COM« sei sie im Zusammenhang mit einer vorsorglichen Überprüfung des werblichen Auftritts der Beklagten bei einer Recherche im Internet auf deren Domain »www.artcom.de« gestoßen.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1.  [es] bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 500.000,00 DM, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an dem Vorstand, zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs die Bezeichnung »ArtCom« zu verwenden, sofern dies nicht mit Zustimmung der Klägerin geschieht, insbesondere die Bezeichnung als Internet-Domain wie folgt zu verwenden:

»www.artcom.de«,

2. an sie Zug um Zug gegen die Domains »artundcom.de«, »artpluscom.de«, »art-und-com.de« und »art-plus-com.de« die Domain

»www.artcom.de«,

herauszugeben und gegenüber der DENIC eG alle zum Zwecke der Übertragung der Domain »www.artcom.de« an die Klägerin erforderlichen Erklärungen abzugeben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte trägt vor:

(Bereits) am 26. Mai 1991 sei besagter Verein als Inhaber der Domain »artcom.de« eingetragen gewesen. Es dürfte - angesichts der Registrierung der klägerischen Domain »artcom-gmbh.de« gesichert sein, dass die Klägerin seit dem Mai 1995 von der Registrierung der streitgegenständlichen Domain Kenntnis habe.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im Einzelnen wird auf die von ihren Prozessbevollmächtigten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist unbegründet. Der Klägerin steht weder der geltend gemachte Unterlassungsanspruch noch der »Herausgabeanspruch« zu.

Das Unterlassungsbegehren hinsichtlich einer (sonstigen) Verwendung der Bezeichnung »ArtCom« ohne Zustimmung der Klägerin (erster Antrag, erster Teil, vor »insbesondere«) ist von vornherein unbegründet, ohne dass auf spezielle Tatbestandsmerkmale von diesbezüglich in Betracht zu ziehenden Unterlassungsanspruchsgrundlagen eingegangen werden müsste. Unterlassung - nach welcher Anspruchsgrundlage auch immer - kann grundsätzlich allein bei bereits erfolgtem Eingriff (wegen dann bestehender Wiederholungsgefahr) und ansonsten nur ausnahmsweise (bei Erstbegehungsgefahr) verlangt werden. Eine in der Vergangenheit erfolgte Verwendung der Bezeichnung »ArtCom« durch die Beklagte (abgesehen von der Benutzung der streitgegenständlichen Domain, dazu sogleich) steht nicht in Rede. Es gibt auch keine - vorgetragenen oder sonst ersichtlichen - Anhaltspunkte für eine diesbezügliche Erstbegehungsgefahr. Denn die Beklagte legt gerade Wert auf Verwendung ihres korrekten Firmenkerns »ART + COM« und lässt das Pluszeichen in der Domain nur aus technischen Gründen entfallen. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, dass und warum die Beklagte außerhalb besagter Domain die Bezeichnung »ArtCom« verwenden sollte.

Unbegründet ist der erste Antrag auch in seinem zweiten Teil (nach »insbesondere«). Die Klägerin hat keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Unterlassung der Verwendung der Internet-Domain »www.artcom.de« im geschäftlichen Verkehr. Ein solcher Anspruch folgt weder aus § 15 Abs. 4 MarkenG noch aus § 14 Abs. 5 MarkenG.

Nach § 15 Abs. 4 MarkenG kann auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer eine geschäftliche Bezeichnung entgegen § 15 Abs. 2 MarkenG benutzt. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist es Dritten untersagt, die geschäftliche Bezeichnung oder ein ähnliches Zeichen im geschäftlichen Verkehr unbefugt in einer Weise zu benutzen, die geeignet ist, Verwechslungen mit der geschützten Bezeichnung hervorzurufen. Diese Voraussetzungen liegen hier nicht vor.

Die Firma der Klägerin lautet »ArtCom Atelier für Computergraphik GmbH«. Die streitgegenständliche Domain lautet »www.artcom.de«. Die Bezeichnungen sind insoweit »ähnlich« im Sinne von § 15 Abs. 2 MarkenG, als das Firmenschlagwort der Klägerin (»ArtCom«) und die Second-Level-Domain der Beklagten (»artcom«) akustisch und - abgesehen von der zu vernachlässigenden unterschiedlichen Groß-/Kleinschreibung - auch schriftbildlich identisch sind. Diese Ähnlichkeit in beiden Zeichen genügt hier nach Auffassung der Kammer aber nicht, um eine Verwechslungsgefahr anzunehmen. Die Verwechslungsgefahr hängt nicht nur von den Parametern der Zeichen und der Branchenähnlichkeit (auch letzteres kann hier unterstellt werden), sondern auch vom Grad der Kennzeichnungskraft des Klägerzeichens ab. Je geringer diese Kennzeichnungskraft ist, desto geringer können die Unterschiede bei Zeichen und Branche sein, um eine Verwechslungsgefahr (trotz Ähnlichkeit) zu verneinen.

Hier meint die Kammer, dass die Firma »ArtCom Atelier für Computergraphik GmbH« eine völlig schwache Kennzeichnungskraft hat. Unproblematisch gilt dies für die Rechtsformangabe (»GmbH«) und die Angabe des Unternehmensgegenstandes (»Atelier für Computergraphik«). Allein mit diesen Elementen wäre die Geschäftsbezeichnung von Hause aus überhaupt nicht unterscheidungskräftig. Aber auch das Schlagwort »ArtCom« führt nur zu einer völlig schwachen Unterscheidungskraft der klägerischen Firma.

Das liegt erstens daran, dass auch insoweit Hinweise auf die Tätigkeit der Klägerin vorliegen, die - auch wenn zum einen fremdsprachlich und zum anderen abgekürzt - jedermann verständlich sind. »Art« ist der allgemein bekannte englische und französische Begriff für »Kunst« und »Com« ist eine nahe liegende Abkürzung für Computer. Genau mit »Computerkunst«, nämlich der Herstellung von »Computergraphiken« beschäftigt sich aber die Klägerin, sodass es sich bei »ArtCom« um nicht viel mehr als eine im Grunde glatt beschreibende Angabe handelt.

Zu dieser ohnehin von Hause aus bestehenden sehr schwachen Kennzeichnungskraft tritt zweitens eine weitere Schwächung gerade des Firmenschlagwortes »ArtCom« hinzu, weil dieses - von der Klägerin offenbar unangegriffen - in den Firmen zahlreicher sonstiger Unternehmen in Deutschland verwendet wird, die ebenfalls in gleicher oder ähnlicher Branche tätig sind wie die Klägerin. Vor diesem Hintergrund ist nicht ersichtlich, warum der Verkehr die Domain als Hinweis gerade auf das Unternehmen der Klägerin auffassen bzw. die Domain gerade mit der Firma der Klägerin verwechseln sollte. Auch deshalb kann die Klägerin gegen die Beklagte unter firmenrechtlichen Gesichtspunkten nach Auffassung der Kammer nicht mit Erfolg gegen die Domain »www.artcom.de« der Beklagten vorgehen.

Nicht übersehen werden darf überdies die zeitliche Abfolge des Geschehens: Die Kammer unterstellt zu Gunsten der Klägerin, dass diese seit ihrem Bestehen, also seit 1988 ihre Firma und auch gesondert besagtes Firmenschlagwort im geschäftlichen Verkehr benutzt. Ebenso muss aber davon ausgegangen werden, dass auch die Domain »www.artcom.de« schon seit sehr langer Zeit, nämlich bereits seit 1991 existiert. Dies folgt aus der von der DENIC eG erstellten (umgekehrt chronologischen) »History« zu dieser Domain (Bl. 21 bis 24 der Akte), deren inhaltliche Richtigkeit auch die Klägerin nicht in Abrede stellt, wenn dort am Schluss als ältestes Datum "910526", also der 26. Mai 1991 eingetragen ist. Am 30. Mai 1995 hat sich die Klägerin ihre Domain »artcom-gmbh.de« eintragen lassen. Wer sich eine solch unattraktive, weil viel zu lang geratene und deshalb völlig unpraktische Domain registrieren lässt, macht das - jedenfalls solange er keine plausiblen Gründe hierfür vorträgt - nur deshalb, weil es mit der nahe liegenden Domain eben »artcom.de« - nicht geklappt hat. Wenn das so ist, dann hatte die Klägerin - sie stellt das hier übrigens jedenfalls dezidiert auch gar nicht in Abrede - bereits seit dem 30. Mai 1995 Kenntnis von besagter Domain, ohne hiergegen bis zu ihrem Schreiben vom 29. März 2000 gegen deren (über eine entsprechende Anfrage bei der DENIC eG ohne weiteres zu ermittelnden) Inhaber vorzugehen. Nahm also die Klägerin die streitgegenständliche Domain nahezu fünf Jahre als »gegeben« hin, ohne sie in irgendeiner Weise anzugreifen, hat demgegenüber die Beklagte sich (schon wegen der E-Mail-Anschriften) einen schutzwürdigen Besitzstand aufgebaut, indem sie darauf vertraute, andere Unternehmen mit dem Firmenkern »artcom« würden die Domain nicht angreifen, so muss man hier nach Auffassung der Kammer in Anwendung von § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB jedenfalls von Verwirkung ausgehen, wenn man entgegen obigen Ausführungen einen Unterlassungsanspruch überhaupt annehmen wollte.

Scheidet nach dem bisher Ausgeführten § 15 Abs. 4 MarkenG als Anspruchsgrundlage aus, so folgt der mit dem ersten Antrag, zweiter Teil, geltend gemachte Unterlassungsanspruch im Weiteren auch nicht aus § 14 Abs. 5 MarkenG. Nach § 14 Abs. 5 MarkenG kann unter anderem auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer ein Zeichen entgegen § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG benutzt. Nach der zuletzt genannten Vorschrift ist es Dritten unter anderem untersagt, ohne Zustimmung eines Markeninhabers im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren oder Dienstleistungen für das Publikum die Gefahr der Verwechslungen besteht. Diese Voraussetzungen liegen weder bezüglich der seitens der Klägerin angeführten Wort-/Bildmarke noch hinsichtlich der Wortmarke vor.

Hinsichtlich der Wort-/Bildmarke »ArtCom« (Blatt 9 der Akte) ist die Klage von vornherein unschlüssig, da die Klägerin nicht vorträgt, dass diese Marke überhaupt noch in Kraft ist. Die Marke wurde am 19. März 1988 angemeldet mit der Folge, dass ihre Schutzdauer gemäß § 47 Abs. 1 MarkenG am 31. März 1998 endete. Verlängerungsmaßnahmen nach § 47 Abs. 2 ff. MarkenG sind weder behauptet noch sonst ersichtlich. Ein diesbezüglicher Hinweis der Kammer an die Klägerin auf eventuell vergessenen Sachvortrag gemäß § 139 ZPO war nicht geboten, da sich dieser Hinweis bereits in der Klageerwiderung vom 15. August 2001 auf Seite 2 im dritten Absatz findet (Blatt 52 der Akte). Dessen ungeachtet ist - selbst wenn diese Wort-/Bildmarke noch in Kraft sein sollte - auch hier entsprechend den vorstehenden Ausführungen zur Firma der Klägerin von einer fehlenden Verwechslungsgefahr und jedenfalls von der Verwirkung eines (vermeintlichen) Anspruchs auszugehen.

Auch auf ihre mit Priorität vom 30. Januar 1997 eingetragene Wortmarke »ArtCom« kann die Klägerin ihr Unterlassungsbegehren im Ergebnis nicht stützen. Von einer mangels hinreichender Kennzeichnungskraft von vornherein gänzlich fehlenden Schutz- und Eintragungsfähigkeit darf die Kammer allerdings (anders als neuerdings auch das Deutsche Patent- und Markenamt für eine seitens der Beklagten begehrte Wortmarke »ART + COM« meint; vgl. Beschluss vom 2. März 1999 - 397 41 099.9/42 - hier Blatt 62 bis 64 der Akte) nicht ausgehen, da die Verletzungsgerichte an die hier nun einmal getroffene Eintragungsentscheidung der Markenbehörde gebunden sind. Gleichwohl kann die Kammer hier - trotz zumindest großer Branchenähnlichkeit und Identität zwischen Wortmarke und Second-Level-Domain - dem Unterlassungsbegehren der Klägerin nicht näher treten, weil sie dieses für rechtsmissbräuchlich hält. Dass davon auszugehen ist, dass die Domain bereits seit 1991 existiert und dass die Klägerin seit 1995 Kenntnis von ihr hat, wurde bereits ausgeführt. Wenn dann aber die Klägerin sich (erst) 1997 entscheidet, eine mit der Second-Level-Domain identische Wortmarke anzumelden, dann ist es nach Auffassung der Kammer mit Treu und Glauben im Sinne von § 242 BGB nicht zu vereinbaren, wenn mit Hilfe dieser »jüngeren« Marke die im beträchtlichen Umfang »ältere« Domain, die redlich erworben und lange Jahre redlich benutzt wurde, nunmehr beseitigt (bzw. »herausgegeben«, dazu sogleich) werden soll. Hinzu tritt, dass die Klägerin dieses Ansinnen erst im Jahr 2000 in Angriff genommen hat, sodass - wie bereits zur Firma ausgeführt - auch hier von einer Verwirkung gemäß § 21 Abs. 4 MarkenG i.V.m. § 242 BGB auszugehen ist.

Steht der Klägerin nach allem gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch bezüglich der Domain »www.artcom.de« nicht zu, so folgt daraus auch mit den gleichen Erwägungen die Unbegründetheit des Antrags zu Ziffer 2) auf »Herausgabe« der Domain bzw. auf Abgabe von hierzu erforderlichen Erklärungen. Nur am Rande ist daher darauf hinzuweisen, dass dieser Antrag seinem Wortlaut nach bereits unzulässig gewesen wäre, weil die »Herausgabe« einer Domain objektiv unmöglich sein dürfte (keine Vollstreckbarkeit nach § 888 ZPO) und die abzugebenden Willenserklärungen nicht genau vorgegeben sind (keine Fiktionsmöglichkeit nach § 894 ZPO). Dessen ungeachtet hat die Kammer den Antrag nicht als unzulässig, sondern als unbegründet abgewiesen, weil sie ihn anhand der Klagebegründung dahingehend auslegt, dass die Beklagte dazu verurteilt werden soll, gegenüber der DENIC e.G. zu erklären, dass die Domain ab sofort nicht mehr für die Beklagte, sondern für die Klägerin registriert sein soll. Wegen der ohnehin bestehenden Unbegründetheit (auch) dieses Antrags musste die Kammer hier auch nicht mehr auf die (umstrittene, nach Einführung des »Dispute-Antrags« bei der DENIC e.G. aber nur noch vermindert praktisch relevante) Frage eingehen, ob vom Inhaber einer kennzeichenrechtsverletzenden Domain nicht nur Störungsunterlassung bzw. Störungsbeseitigung, sondern darüber hinaus auch »Übertragung« der Domain an einen Verletzten überhaupt verlangt werden kann.

Die Kostenentscheidung findet ihren Rechtsgrund in § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgen aus den §§ 709 Satz 1, 108 Abs. 1 ZPO.

Oleschläger         Ernst          Dr. Hess

 

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