LG Düsseldorf, Urt. v. 07.02.01, 12 O 492/00 - Branchenbuch

eigenesache  Wer Daten für ein Internet-Branchenbuchs aus öffentlichen zugänglichen Quellen sammelt und per Computer erfassen lässt, erbringt keine »wesentliche Investition« gemäß § 87a UrhG. Die Zusammenstellung von Adressdaten für ein Branchenbuch erfüllt nicht die Anforderungen an ein elektronisches Sammelwerk iSv § 4 UrhG. Mangels Sonderrechtsschutz für das Branchenbuch ist dann auch ein Schutz nach § 1 UWG ausgeschlossen.

Streitwert 25.000 €

nordrhein-westfalen

LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 12 0 492/00
Entscheidung vom 7. Februar 2001

In dem Verfahren auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung

[...]

wegen Urheberrechtsverletzung und unlauteren Wettbewerbs

hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17. Januar 2001 durch die Richter Dr. Wirtz, Gmelin und Beuchel

für R e c h t erkannt:

I. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Antragsteller darf die Vollstreckung des Antragsgegners gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.400,00 DM abwenden, wenn nicht der Antragsgegner seinerseits vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Den Parteien wird gestattet, die Sicherheitsleistung auch durch die Bürgschaft einer deutschen Großbank oder Sparkasse zu erbringen.

Tatbestand

Der Antragsteller betreibt ein Zentrum für Dienstleistungen auf Rügen. Der Antragsgegner besitzt einen Geschäftsbetrieb mit Namen »@lanthis«, der Software entwickelt, in Stralsund. Der Antragsteller wollte für sein Dienstleistungszentrum eine Plattform im Internet anbieten. Dazu sammelte er verschiedene Daten von Personen der Insel Rügen. Er bediente sich öffentlich zugänglicher Quellen, wie Telefonbücher, Branchenbücher, der »Gelben Seiten« und Eintragungen in das Handelsregister. Gleichzeitig erkundigte sich der Antragsteller in einigen Fällen selber bei den betroffenen Personen nach der Richtigkeit der Angaben.

Der Antragsteller sammelte und ordnete die ermittelten Daten und ließ diese auf CD brennen. Am 7.7.2000 übergab der Antragsteller dem Antragsgegner eine entsprechende CD. Hintergrund der Übergabe war eine beabsichtigte »Kooperationsvereinbarung« zwischen Antragsteller und Antragsgegner. Der Antragsgegner sollte für den Antragsteller die Software für eine Internet-Datenbank der Insel Rügen erstellen. Diese Software sollte dann von Antragsteller und Antragsgegner gemeinsam vermarktet und der Erlös geteilt werden. Zu einer solchen Vereinbarung kam es jedoch nie. Ende September beendete der Antragsteller die Zusammenarbeit mit dem Antragsgegner. Am 16.10.2000 erfuhr der Antragsteller durch eine Werbebroschüre von einem im Internet bestehenden Branchenbuch für Rügen. Dieses Branchenbuch erstellte der Antragsgegner. Daraufhin mahnte der Antragsteller den Antragsgegner am 23.10.2000 und am 26.10.2000 ab, da es ich bei dem Internet-Branchenbuch um eine vermeintliche Verwendung der Datenbank des Antragstellers handele.

Der Antragsteller behauptet, er habe die Idee einer Dienstleistungs-Plattform im Internet für Rügen gehabt. Bisher habe es ein auf die Insel Rügen bezogenes Adreß- oder Branchenbuch nicht gegeben. Zur Umsetzung seiner Idee sollte der Antragsgegner die von ihm gesammelten Daten als Internetseiten aufbereiten. Er selber habe sämtliche Daten der Insel Rügen gesammelt. Die von ihm erstellte Datenbank der Insel Rügen habe etwa 3400 Firmen in 570 Branchen enthalten. Die Daten habe er nach Branche, Firma, Anschrift, Telefon und Orten ordnen lassen.

Diese Datensammlung habe sich zusammen mit Angaben über die Struktur der Datenbank auf der an den Antragsgegner übergebenen CD befunden. Die CD sei in einem für den Antragsgegner lesbaren Office Programm von Microsoft verfaßt gewesen. Am 11.7.2000 habe der Antragsteller dem Antragsgegner eine zweite CD übergeben. Diese habe bis auf zusätzliche Tabellen der ersten CD entsprochen. Der Antragsgegner habe die auf den CDs enthaltene Datenbank des Antragstellers verwendet. Die von dem Antragsgegner erstellte Internet-Datenbank beruhe auf der vom Antragsteller erstellten Datenbank. Der Antragsgegner habe dabei verschiedene Fehler, wie Schreibfehler oder fehlerhafte Angaben, von der Datenbank des Antragstellers übernommen.

Der Antragsteller beantragt,

den Antragsgegner zu verurteilen,

1. ihm bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,00, ersatzweise Ordnungshaft bis zu,6 Monaten, oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Wiederholungsfall Ordnungshaft bis zu 2 Jahren, zu untersagen, im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken die unter den Internet-Adressen http://www.inselruegen.com und/oder http://www.ruegenworld.de abrufbare als »Branchenbuch bezeichnete Datenbank mit nach Firmen, Branchen, Inhabern, Anschriften und Telefonnummern geordneten Unternehmen der Insel Rügen ganz oder teilweise zu vervielfältigen, zu bearbeiten oder öffentlich wiederzugeben, wenn die Daten der dem Antragsgegner am 7.7.2000 vom Antragsteller gegen Quittung übergebenen CD-Rom und/oder einer dem Antragsgegner am 11.7.2000 vom Antragsteller ohne Quittung übergebenen CD-Rom entnommen wurden, wenn dies nach Maßgabe des beispielhaft angefügten Ausdrucks von 136 Seiten des nach Branchen in alphabetischer Reihenfolge sowie Firma und Anschrift geordneten »Branchenbuchs« des Antragsgegner auf der Internet-Seite »http://ruegenworld.de/wirtschaft/ Branchenbuch.asp« geschieht:

[es folgen 136 Seiten Ausdruck einer als »Branchenbuch« bezeichneten Datenbank]

und/oder die so bezeichnete Datenbank nach Maßgabe der nachstehend wiedergegebenen Werbebroschüre zu bewerben:

[es folgt die Kopie einer sechsseitigen Werbebroschüre]

2. die als »RCdb-Haendler 2000.mdb« und als »RCdbOriginal-2000.mdb« bezeichneten CD-Roms an den Gerichtsvollzieher zur Verwahrung herauszugeben.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner behauptet, er habe nicht nur die Software, sondern die gesamte Internet-Datenbank für das gemeinsam vorgesehene Projekt entwerfen sollen. Er habe bereits seit Anfang Juni 2000 eine eigene Datenbank für Rügen erstellt. Letztlich habe er die CD des Antragstellers überhaupt nicht lesen können, da sie im ACCESS-2000 Format verfaßt worden sei. Auf der CD des Antragstellers hätten sich nur 72 Personeneintragungen befunden. Keine dieser Eintragungen und auch keine Fehler aus den Daten des Antragstellers würden sich in seiner Internet-Datenbank wiederfinden.

Wegen des Vorbringens der Parteien im übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zulässig, aber unbegründet.

1. Der Antrag ist zulässig. Entgegen dem Vorbringen des Antragsgegners ist das LG Düsseldorf örtlich zuständig. Örtlich zuständiges Gericht für den Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 937 Abs. 1, 943 ZPO das Gericht der Hauptsache. Dies ist gemäß § 24 Abs. 2 S. 1 UWG das LG Düsseldorf. Das ergibt sich schon daraus, daß die Einschränkung des § 24 Abs. 2 S. 2 UWG nicht für Gewerbetreibende gilt, die durch einen Wettbewerbsverstoß unmittelbar in ihren Rechten verletzt werden (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., 1999, § 24 UWG Rdnr. 1 b). Eine solche Verletzung macht der Antragsteller geltend, indem er sich auf die wettbewerbswidrige Verwendung einer von ihm vermeintlich erstellten Datenbank beruft.

Düsseldorf ist auch der Begehungsort der behaupteten Wettbewerbsverletzung im Sinne des § 24 Abs. 2 S. 1 UWG. Dies folgt daraus, daß Begehungsort nicht nur der Ort der Tathandlung ist, sondern auch der Ort des Verletzungserfolges (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., 1999, § 24 UWG Rdnr. 6). Ein solcher geltend gemachter Verletzungserfolg liegt in Düsseldorf. Die vom Antragsgegner erstelle Internet-Datenbank kann dort abgerufen werden. Eine Internet-Datenbank ist überall dort zugänglich, wo eine entsprechende Internetverbindung aufgebaut werden kann.

II. Der Antrag auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung ist unbegründet. Der Antragsteller konnte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt das Bestehen eines Verfügungsanspruchs gemäß §§ 936,920 Abs. 2 ZPO glaubhaft machen.

1. Insbesondere ist nicht glaubhaft, das heißt überwiegend wahrscheinlich, daß dem Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner zusteht.

a. Dem Antragsteller steht kein Unterlassungsanspruch gegen den Antragsgegner aus §§ 87 a, 87 b UrhG i.V.m. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG zu.

aa. Ein solcher Anspruch des Antragstellers gemäß § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG scheitert schon daran, daß der Antragsteller nicht glaubhaft machen kann, daß der Antragsgegner das Urheberrecht verletzt. Insbesondere wird nicht ausreichend vorgetragen, daß der Antragsgegner in die Rechte eines Datenbankherstellers gemäß § 87 b UrhG eingreift. Hierfür fehlt es schon an einer Datenbank im Sinne des § 87 a UrhG.

Gemäß § 87 a UrhG erfordert eine Datenbank eine nach Art oder Umfang wesentliche Investition. Was genau unter einer solchen wesentlichen Investition zu verstehen ist, ist im Gesetz nicht definiert. Schon aus dem Wortlaut »wesentlich« folgt, daß irgendeine Investition von Geld, Zeit und Mühe nicht genügen kann. Je größer die Investition gewesen ist, desto wahrscheinlicher ist davon auszugehen, daß eine wesentliche Investition vorliegt. Dabei sind die Kosten für die Beschaffung des Datenbankinhalts und die Kosten für die Datenaufbereitung zu berücksichtigen (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., 1998, § 87 a Rdnr. 9; Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., 1999 § 87 a Rdnr. 15). Ferner sind Sinn und Zweck des § 87 a UrhG zu beachten. § 87 a UrhG soll die Investition des Datenbankherstellers in die Datenbank schützen. Der Datenbankhersteller soll davor bewahrt werden, daß sich ein Benutzer der Datenbank die Ergebnisse seiner Investitionen aneignet. (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., 1998, vor §§ 87 a-e Rdnr. 3).

Dieses Interesse des Datenbankherstellers kann aber nicht unbegrenzt bestehen. Es wird begrenzt durch das Interesse der Allgemeinheit an Informationsfreiheit. Insoweit muß eine Interessenabwägung erfolgen. Der Schutz der Investition des Datenbankherstellers muß gegen das Rechtsgut der Gemeinfreiheit von Informationen abgewogen werden. Die Gemeinfreiheit von Informationen darf nicht monopolisiert werden (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., 1998, § 87 a Rdnr. 9).

Dieser Wertung steht auch nicht das vom Antragsteller angeführte Urteil des Bundesgerichtshofs vom 6.5.1999 entgegen. Der Bundesgerichtshof hat in seinem Urteil vom 6. Mai 1999 entschieden, daß ein Telefonbuch eine Datenbank im Sinne des § 87 a Abs. 1 UrhG darstellen kann (Schulze, Rechtsprechung zum Urheberrecht, BGH 472, 1, 10). In dem Fall lag eine wesentliche Investition vor. Hierbei handelte es sich um die Erstellung von Telefonbüchern für die Deutsche Telekom AG. Deren Erstzusammenstellung erforderte einen erheblichen Aufwand. Dies bezieht sich sowohl auf die Beschaffung der Daten als auch auf deren Erfassung. Dabei ist davon auszugehen, daß im Zeitpunkt der Erstellung noch keine anderen öffentlich zugänglichen Quellen, wie etwa Telefonbücher anderer Telefongesellschaften, zur Verfügung standen. Es wurde in diesem Fall nicht auf Daten zurückgegriffen, welche in ihrer bisherigen Form der Gemeinfreiheit von Informationen unterfielen.

Der Antragsteller hat weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht, eine vergleichbare wesentliche Investition im Sinne des § 87 a UrhG vorgenommen zu haben. Eine solche Investition scheitert schon an dem mangelnden Aufwand, den der Antragsteller im Hinblick auf die Beschaffung des Datenbankinhalts und die Datenaufbereitung erbracht hat. Der Antragsteller hat Daten über auf Rügen ansässige Personen gesammelt. Diese Daten ließ er zusammentragen und per Computer erfassen. Er hat sich hierzu fast ausschließlich öffentlicher Quellen bedient. Das bedeutet, es bestanden bereits andere umfangreiche Sammlungen von Daten, wie etwa Telefonbücher, Branchenbücher oder »Gelbe Seiten«. Würde die bloße Beschaffung von solchen Daten bereits einen eigenen Urheberrechtsschutz genießen, droht eine Monopolisierung von Informationen. Der Schutz der Gemeinfreiheit von Informationen wäre bedroht. Das urheberrechtliche Interesse des Einzelnen wird hier durch das Interesse der Allgemeinheit an dem Zugang zu öffentlichen Daten begrenzt.

Dabei kann es dahingestellt bleiben, ob es allein auf Rügen bezogene öffentliche Daten bisher gegeben hat. Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers als richtig unterstellt wird und die bisher vorhandenen öffentlichen Quellen nicht Rügen allein umfaßten, stellte es für den Antragsteller keinen wesentlichen Aufwand dar, die Rügen betreffenden Adressen herauszufiltern.

Unerheblich ist auch, ob der Antragsteller die Datenangaben in einzelnen Fällen noch einmal überprüft hat, ob der er die Daten nach Branche, Firma, Anschrift, Telefon und Orten sortiert und inwieweit er hierzu Mitarbeiter beschäftigt hat. Dies ändert nichts an der Tatsache, daß es sich grundsätzlich um öffentlich leicht zugängliche Daten handelte. Der Antragsteller konnte diese aus den bereits bestehenden öffentlichen Quellen unproblematisch übernehmen. Selbst wenn das Vorbringen des Antragstellers als richtig unterstellt wird, liegt hierin kein wesentlicher Beitrag. Die Angaben über Branche, Firma, Anschrift, Telefon und Ort gehen bereits aus den öffentlich zugänglichen Daten hervor. Der Antragsteller hat insoweit nur eine schematische Zusammenstellung von Fakten vorgenommen.

Letztlich kann auch dahingestellt bleiben, in welchem Umfang der Antragsteller Daten erhoben hat. Selbst wenn man die Angaben des Antragstellers als richtig unterstellt, er habe sämtliche Angaben zu Personen auf Rügen gesammelt, würde dies an der Qualität der Verarbeitung der Daten nichts ändern.

Insgesamt kann der Antragsteller nicht ausreichend vortragen und glaubhaft machen, daß er eine wesentliche Investition in Bezug auf die vermeintliche Datenbank vorgenommen hat.

bb. Da es hier schon an dem Merkmal einer Datenbank fehlt, ist es unerheblich, ob der Antragsteller überhaupt glaubhaft machen kann, daß der Antragsgegner seine Daten übernommen und insoweit in die Rechte eines Datenbankherstellers eingegriffen hat.

b. Ebenso kommt auch kein Unterlassungsanspruch aus den allgemeinen Vorschriften zum urheberrechtlichen Schutz von Datenbanken gemäß § 4 UrhG i.V.m. § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG in Betracht.

Grundsätzlich lassen die Vorschriften über den Schutz des Datenbankherstellers gemäß §§ 87a-e den allgemeinen Schutz von Datenbanken unberührt. (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., 1998, vor §§ 87 a-e Rdnr. 6; Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., 2000, vor §§ 87 a ff., Rdnr. 6). Während das in den §§ 87 a-e umgesetzte Schutzrecht sui generis die Investition in den Inhalt der Datenbank regelt, erfaßt das allgemeine Urheberrecht an einer Datenbank die Auswahl und die Anordnung des Datenbankinhalts.

Hier fehlt es schon an einem im Sinne des § 4 UrhG geschützten Sammelwerk. Gemäß § 4 Abs. 1 UrhG muß bei den Sammlungen aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung vorliegen. Dieses Merkmal muß auch bei Datenbanken im Sinne des § 4 Abs. 2 UrhG vorliegen. (Möhring/Nicolini, Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., 2000, § 4 Rdnr. 11). Der erforderliche Werkcharakter fehlt bei Sammlungen, die keine Auswahl treffen und vorgegebenen Ordnungsprinzipien folgen. Eine mechanische Zusammenstellungen von Adressen, Fernsprech- oder Branchenverzeichnissen, Fernseh-, Rundfunk- oder Theaterprogrammen und dergleichen sind keine schutzfähigen Sammelwerke. (Fromm/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl., 1998, § 4 Rdnr. 3; Schricker, Urheberrecht, 2. Aufl., 1999, § 4 Rdnr. 9). Insbesondere bei Fernsprechbüchern fehlt es an der schöpferischen Auswahl oder Anordnung, da es ausschließlich auf die Vollständigkeit ankommt. (Möhring/Nicolini,Urheberrechtsgesetz, 2. Aufl., 2000, § 4 Rdnr. 11). Der Antragsteller konnte weder hinreichend darlegen noch glaubhaft machen, daß die von ihm aus öffentlichen Quellen übernommenen Daten aufgrund der Auswahl oder Anordnung der Elemente eine persönliche geistige Schöpfung darstellen. Mangels eines Werkcharakters unterliegt die Datensammlung des Antragstellers nicht dem allgemeinen urheberrechtlichen Schutz an einer Datenbank.

c. Der Antragsteller kann auch keinen Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen § 1 UWG glaubhaft machen.

Ein solcher Verstoß im Sinne einer unlauteren Wettbewerbshandlung wurde nicht hinreichend vorgetragen. Als unlautere Wettbewerbshandlung kommt hier eine Ausbeutung des Wettbewerbs in Betracht. Eine solche Ausbeutung des Wettbewerbs kann entweder durch Nachahmen fremder Leistung oder durch die unmittelbare Übernahme fremder Leistung vorliegen.

aa. Im Streitfall hat der Antragsteller weder hinreichend dargetan noch glaubhaft gemacht, daß eine Ausbeutung des Wettbewerbs durch Nachahmen fremder Leistung vorliegt.

aaa. Dies ergibt sich schon daraus, daß für die Datensammlung des Antragstellers kein Sonderrechtsschutz besteht. Ein Sonderrechtsschutz liegt bei Patent-, Gebrauchsmusterrechten, Urheberrechten und den ihnen verwandten Geschmacksmusterrechten sowie bei Kennzeichenrechten vor. (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., 1999, § 1 UWG, Rdnr.'439).

Einen solchen Sonderrechtsschutz trägt der Antragsteller in Bezug auf seine Datensammlung nicht ausreichend vor.

bbb. Auch eine Verletzung des lauteren Wettbewerbs in Bezug auf eine nicht unter Sonderrechtsschutz stehende Leistung liegt nicht vor. Dabei ist zu berücksichtigen, daß es grundsätzlich nicht wettbewerbswidrig ist, den Wettbewerb auf fremde Leistungen aufzubauen. Jeder Fortschritt in der menschlichen Kultur knüpft an Bestehendes an. Das bloße Nachahmen eines nicht unter Sonderrechtsschutz stehenden Arbeitsergebnisses kann niemals wettbewerbswidrig sein. Das Ausnutzen fremder Arbeitsergebnisse führt nur unter bestimmten Voraussetzungen zu einer Verletzung des lauteren Wettbewerbs. § 1 UWG verfolgt insoweit einen anderen Schutzzweck als die gewerblichen Sonderschutzrechte. Schutzrichtung des § 1 UWG ist nicht die schöpferische Leistung, sondern der Schutz vor unlauterer Wettbewerbshandlung.

Die Nachahmung von nicht unter Sonderschutz stehenden Erzeugnissen ist dann wettbewerbswidrig, wenn die Erzeugnisse von wettbewerblicher Eigenart sind und das Hinzutreten besonderer Umstände die Nachahmung unlauter erscheinen läßt. Dabei muß der Grad der wettbewerblichen Eigenart um so höher sein, je geringer die Unwertmomente sind und umgekehrt (vgl. BGH, WRP 1976, 370, 371 -Ovalpuderdose; GRUR 1996, 210, 211 - Vakuumpumpen; OLG Düsseldorf, WRP 1997, 582, 584 - Caterpillar-Arbeitsstiefel).

Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller eine Nachahmung der von ihm zusammengestellten Daten überhaupt glaubhaft machen kann. Es fehlt im Streitfall schon an den Voraussetzungen, unter denen eine Nachahmung ausnahmsweise unzulässig ist. Der Antragsteller kann die besonders unlauteren Umstände einer Ausnutzungshandlung im Zusammenhang mit der wettbewerblichen Eigenart seiner Datensammlung weder hinreichend darlegen noch glaubhaft machen.

In Betracht kommt eine unlautere Ausnutzungshandlung in Form eines Vertrauensbruchs. Bei einem Vertrauensbruch ist dem Nachahmer die Leistung anvertraut worden, und durch das Nachahmen wird das geschenkte Vertrauen mißbraucht. (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., 1999, § 1 UWG, Rdnr. 476).

Einen solchen Vertrauensbruch hat der Bundesgerichtshof angenommen, wenn bei Vertragsverhandlungen zum Herstellen von Werkzeugen technische Zeichnungen im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses überlassen wurden. Die danach erfolgte Benutzung der Zeichnungen zur Herstellung gleicher Werkzeuge verstößt nach Ansicht des BGH dann gegen § 1 UWG, wenn zur Anfertigung der Zeichnungen ein erheblicher Aufwand an Konstruktionsarbeit nötig gewesen wäre. (vgl. BGH, GRUR 1964, 31, 33 - Petromax II). Der Bundesgerichtshof verweist darauf, daß auch nach vorangegangenen Vertragsverhandlungen frei ist, was in seiner konkreten Erscheinungsform jedem Interessenten ohne größere Schwierigkeiten und Opfer zugänglich ist. Aus dieser Wertung ergibt sich,' daß ein möglicher Vertrauensmißbrauch im Zusammenhang mit der wettbewerblichen Eigenart der ausgenutzten Leistung zu beurteilen ist.

Dies kommt auch in einer Entscheidung des Oberlandesgerichts München zum Ausdruck. Dort wurde über die Nachahmung von Brennstempeln entschieden, die zuvor nach Entwürfen des Erstbestellers angefertigt waren. Eine solche Nachahmung ist laut Oberlandesgericht München für Konkurrenzerzeugnisse dann nicht wettbewerbswidrig, wenn die Entwürfe dem vorbekannten Formenschatz angehörten, aus dem sie jeder andere gleichfalls ohne weiteres hätte herausgreifen können, und bar jeder wettbewerblichen Eigenart waren. Selbst ein Vertrauensverhältnis dürfe mangels anderweitiger Abreden nicht zu Beschränkungen in der Verwendung dessen führen, was dem Unternehmer auch sonst ohne weiteres zugänglich wäre. (OLG München, GRUR 1965, 196, 197 -Reiseandenken).

Unerheblich davon, ob der Antragsteller glaubhaft machen kann, daß er dem Antragsgegner zwei CDs mit sämtlichen Daten über Rügen »anvertraut« hat, kann der Antragsteller weder hinreichend vortragen noch glaubhaft machen, daß die von ihm zusammengestellten Daten eine solche wettbewerbliche Eigenart besitzen. Vielmehr handelte es sich bei der Datenbank um eine Zusammenstellung von Informationen, die jederzeit aus den bereits vorhandenen Quellen erhältlich waren. Diese Informationen konnte jeder andere ohne weiteres zusammenstellen. Würde die Datensammlung des Antragstellers bei ihrer Nachahmung einen Vertrauensbruch im Sinne des § 1 UWG darstellen, läge eine Beschränkung in der Verwendung dessen vor, was jedem anderen sonst ohne weiteres zugänglich wäre. Eine solche Wertung würde das Interesse der Allgemeinheit an öffentlich zugänglichen Informationen unbillig beschränken. Insoweit kann es dahingestellt bleiben, ob unlautere Begleitumstände, nämlich ein Bruch des vom Antragsteller entgegengebrachten Vertrauens, vorgelegen haben. Mangels wettbewerblicher Eigenart der Datensammlung und entsprechendem Vertrauensbruch kann der Antragsteller keine Ausbeutung des Wettbewerbs durch Nachahmen fremder Leistung glaubhaft machen.

bb. Eine Ausbeutung des Wettbewerbs kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt der unmittelbaren Obernahme einer fremder Leistung glaubhaft gemacht werden. Auch für diese Alternative fehlt es an der erforderlichen wettbewerblichen Eigenart der Datensammlung des Antragstellers (vgl. hierzu: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., 1999, § 1 UWG, Rdnr. 503).

Zudem setzt die in Betracht kommende unmittelbare Aneignung voraus, daß ein Wettbewerber ohne einen sachlich anzuerkennenden Grund ein fremdes schutzwürdiges Leistungsergebnis, dessen Früchte dem Erbringer dieser Leistung weder aufgrund eines Sonderrechts noch auf andere Weise zugeflossen sind, sich aneignet. Hier fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Unwertgehalts. Die Feststellung des Unwertgehalts erfordert eine Interessenabwägung. Wer ein fremdes Leistungsergebnis ohne eigene Leistung unmittelbar übernommen hat, kann sich auf den Grundsatz der Nachahmungsfreiheit nicht berufen (Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 21. Aufl., 1999, § 1 UWG, Rdnr. 498).. Auch insoweit kann der Antragsteller nicht ausreichend vortragen, daß er in Bezug auf die bereits vorhandenen Daten über die Insel Rügen ein schutzwürdiges Arbeitsergebnis erstellt hat. In jedem Fall kann der Antragsteller nicht glaubhaft machen, daß seine Datensammlung ein solches unter Kostenaufwand hergestelltes Erzeugnis darstellt, an dem ihm "billigerweise die Früchte der Arbeit zukommen müßten." Insoweit ist nochmals auf die bereits vorhandenen öffentlichen Quellen hinzuweisen.

Nach alledem steht dem Antragsteller auch kein Unterlassungsanspruch aus unlauterem Wettbewerb zu.

2. Es ist auch nicht glaubhaft, das heißt überwiegend wahrscheinlich, daß dem Antragsteller der gegen den Antragsgegner geltend gemachte Herausgabeanspruch zusteht. Insbesondere ergibt sich ein solcher Anspruch nicht aus § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG i.V. §§ 985, 986 BGB.

Hier fehlt es schon an der Verletzung eines nach § 97 Abs. 1 S. 1 UrhG geschützten Rechtsgutes. Der Antragsteller konnte nicht glaubhaft machen, eine Datenbank im Sinne des Urhebergesetzes erstellt zu haben. Im übrigen kann es dahingestellt bleiben, ob der Antragsteller glaubhaft machen konnte, daß er die zwei im Antrag bezeichneten CDs an den Antragsgegner übergeben hat und daß die CDs die vom Antragsteller benannten Daten enthielten.

Nach alledem ist der Antrag des Antragsteilers auf Erlaß einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 91 Abs. 1 S. 1, 708 Nr. 6, 711 S.1 und 108 Abs. 1 ZPO.

Streitwert : 50.000, 00 DM

Dr. Wirtz Beuchel Gmelin

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