LG Frankfurt/Main, Urt. v. 15.01.10, 3-11 O 161/09 - VW-Bus

eigenesache Die Abbildung eines als dreidimensionale Marke geschützten Kraftfahrzeugs auf den einzelnen Blättern eines Kalenders stellt dann eine markenmäßige Nutzung dar, wenn die Marke auch für Druckereierzeugnisse geschützt ist.

hessen

LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 3-11 O 161/09
Entscheidung vom 15. Januar 2010

 

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

[...]

hat das Landgericht Frankfurt am Main - 11. Kammer für Handelssachen - durch Vorsitzende Richterin am Landgericht Götz-Tallner Handelsrichter Dietrich und Handelsrichter Eigenbrodt aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 15.01.2010

für Recht erkannt:

Der Beschluss - einstweilige Verfügung - vom 24.11.2009 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin hat die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen.

Tatbestand

Die Antragstellerin greift das Angebot und den Vertrieb von Kalendern, die widerrechtlich mit Abbildungen ihrer Fahrzeuge versehen sind, durch die Antragsgegnerin an und nimmt diese im Wege der einstweiligen Verfügung auf Unterlassung in Anspruch.

Die Antragstellerin ist Inhaberin der für Kraftfahrzeuge und deren Teile, aber auch für verschiedene Produkte aus Papier und Pappe, z.B. Druckereierzeugnisse, in Klasse 16 eingetragenen dreidimensionalen Marke »VW-Bus«, Registernummer [...] (Anlage AST 1).

Die Antragsgegnerin hat im Internet unter »[...].de« den Kalender »[...]2010« (vgl. Anlagen AST 2 und AST 11) mit Abbildungen des »VW-Bus« angeboten, der nicht von der Antragstellerin hergestellt oder autorisiert war.

Herstellerin des Kalenders »[...]2010« ist der [...] Verlag, der am 23.10.2009 von der Antragstellerin zur Abgabe einer Unterlassungserklärung aufgefordert wurde, die er am 30.10.2009 (Anlage AST 3) auch abgab.

Der [...] Verlag teilte seinen Abnehmern mit Schreiben vom 28.10.2009 (Anlage AST 4) mit, dass der Kalender »[...]2010« nicht mehr vertrieben werden dürfe. Die Antragsgegnerin, die selbst kein Kundin des [...] Verlags ist, wurde von ihrem Großhändler, der [...] GmbH, mit E-Mail vom 28.10.2009 darüber informiert, dass u.a. der Titel »[...]2010« aus rechtlichen Gründen nicht mehr verkauft werden dürfe. Die E-Mail enthielt u.a. den Hinweis: »Bitte stellen Sie sicher, dass sie Ihren Kunden die Artikel nicht mehr anbieten.« Wegen der Einzelheiten wird auf die als Anlage AG 3 vorgelegte E-Mail Bezug genommen.

Der Kalender wurde in der Folgezeit von der [...] GmbH, die als Großhändler ihr Angebot über eine Schnittstelle automatisch in das Internetangebot der Antragsgegnerin einstellt, nicht mehr gelistet. Die Antragsgegnerin überprüfte anhand der EAN und ISBN die mitgeteilte automatische Sperrung durch die [...] GmbH, unterzog jedoch den Titel des beanstandeten Kalenders »[...]2010« nicht einer Zusatzprüfung.

Der Kalender »[...]2010« war daher auch am 09.11.2009 noch im Angebot der Antragsgegnerin, da er von einem anderen Großhändler der Antragsgegnerin unter anderer EAN und ISBN über eine Schnittstelle in das Angebot der Antragsgegnerin eingestellt worden war.

Nachdem die Antragstellerin die Antragsgegnerin mit anwaltlichem Schreiben vom 10.11.2009 (Anlage AST 6) erfolglos hatte abmahnen lassen, hat sie mit Antrag vom 23.11.2009 die einstweilige Verfügung - Beschlussverfügung - der Kammer vom 24.11.2009 erwirkt, durch die ihr bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt wurde, ohne Zustimmung der Antragstellerin unter Verwendung der Abbildungen des VW-Bus Kalender zu bewerben, anzubieten und/oder zu vertreiben.

Die Antragsgegnerin, die nach der Abmahnung den Kalender »[...]2010« aus ihrem Angebot genommen hatte, hat gegen die Beschlussverfügung Widerspruch sowie Kostenwiderspruch eingelegt.

Mit Schreiben vom 25.11.2009 (Anlage AG 1) hat die Antragstellerin gegenüber der Antragsgegnerin bestätigt, »...dass sich die einstweilige Verfügung vom 24.November 2009 lediglich auf den Kalender »[...]« (und - wie bei einstweiligen Verfügungen üblich - kerngleiche Verstöße) bezieht.".

Die Antragstellerin ist der Ansicht, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch sei sowohl wegen einer Verletzung ihres Markenrechts als auch unter dem Gesichtspunkt des ergänzenden wettbewerbsrechtlichen Leistungsschutzes, der Behinderung und Irreführung begründet.

Die Antragsgegnerin habe trotz des Hinweises der [...] GmbH ihr Sortiment nicht auf den Titel »[...]« hin untersucht, obwohl bei verschiedenen Anbietern die Möglichkeit einer unterschiedlichen ISBN bestehe.

Die Antragstellerin beantragt,

den Widerspruch zurückzuweisen und die Verfügung zu bestätigen.

Hilfsweise beantragt sie,

den Verfügungstenor entsprechend dem Hilfsantrag der Antragsgegnerin zu fassen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

soweit die einstweilige Verfügung die Bewerbung, das Angebot und/oder den Vertrieb des Kalenders »[...]« betrifft, unter Aufhebung des Beschlusses vom 24.11.2009 den Verfügungsantrag vom 23.11.2009 zurückzuweisen;

im Übrigen soweit darüber hinaus jedwede Bewerbung, das Angebot und/oder der Vertrieb von Kalendern unter Verwendung von Abbildungen des [...] untersagt wurde, der Antragstellerin die Kosten des Verfügungsverfahrens auch insoweit aufzuerlegen.

Sofern die Kammer in dem Schreiben vom 25.11.2009 keinen teilweisen Verzicht sehen sollte, solle der Kostenwiderspruch hilfsweise als Vollwiderspruch angesehen werden.

Hilfsweise beantragt sie, den Verfügungstenor zur Klarstellung wie folgt neu zu fassen:

»Der Antragsgegnerin wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,-- € - ersatzweise Ordnungshaft - oder einer Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer, für jeden Fall der Zuwiderhandlung untersagt, ohne Zustimmung der Antragstellerin den Kalender »[...]« zu bewerben, anzubieten und/oder zu vertreiben.«

Sie ist der Ansicht, die Beschlussverfügung sei zu Unrecht ergangen.

Für sie habe vor der Abmahnung keine Unterlassungsverpflichtung bestanden, da sie als Buchhändlerin keine umfassende Verkehrsprüfungspflicht habe und sie auch keine zumutbaren Prüfungspflichten verletzt habe. Die E-Mail der [...] GmbH vom 28.10.2009 sei für eine angemessene Information über eine Markenverletzung nicht ausreichend gewesen, da sie keinen Hinweis auf eine Schutzrechtsverletzung enthalten habe. Sie habe daher nur überobligationsmäßig ihr Angebot auf die EAN und ISBN des betreffenden Angebots hin überprüft. Eine Zusatzprüfung des Titels habe sie im Hinblick auf die Vielzahl der bei ihr eingehenden Stornomeldungen - jährlich ca. 150 - »versäumt«. Seit der Abmahnung vertreibe sie - unstreitig - den Kalender »[...]2010« nicht mehr, da sie nunmehr eine Filterung nach ISBN und Titel vornehme. Mehr sei von ihr zur Ausräumung der Wiederholungsgefahr nicht geschuldet gewesen. Die Wiederholungsgefahr sei zudem aufgrund der Abgabe der Unterlassungserklärung durch den [...] Verlag entfallen.

Im Übrigen habe sie das für die Antragstellerin geschützte Zeichen nicht markenmäßig verwendet, da die zweidimensionale Abbildung der dreidimensionalen Marke keine markenmäßige Verwendung darstelle.

Da die Antragstellerin mit Schreiben vom 25.11.2009 auf die Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung, soweit sich diese auf andere Produkte als den Kalender »[...]« beziehe, verzichtet habe, sei insoweit die Rechtsverteidigung wegen Wegfalls des Rechtsschutzbedürfnisses auf den Kostenwiderspruch zu beschränken gewesen.

Die einstweilige Verfügung sei insoweit jedenfalls zu Unrecht ergangen, da die Beachtung eines so weitgehenden Verbots nicht geschuldet sei.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Auf den Widerspruch der Antragsgegnerin war die einstweilige Verfügung vom 24.11.2009 auf ihre Rechtmäßigkeit zu überprüfen. Dies führte zu ihrer Bestätigung.

Das Rechtsmittel der Antragsgegnerin ist als Vollwiderspruch gegen die einstweilige Verfügung vom 24.11.2009 anzusehen. Die einstweilige Verfügung ist nicht mit unterschiedlichen Rechtsmitteln hinsichtlich der konkreten Verletzungshandlung - die im Tenor nicht explizit aufgeführt ist - und der darüber hinausgehenden Verallgemeinerung angreifbar. Die allgemein gefasste Formulierung des Unterlassungsgebots lässt einen Vollwiderspruch bezogen auf die dem Unterlassungsgebot zugrundeliegende konkrete Verletzungshandlung nicht zu.

Im Übrigen liegt entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch kein Verzicht der Antragstellerin auf die Vollstreckung aus der einstweiligen Verfügung, soweit sich diese auf andere Produkte als den Kalender »[...]« bezieht, vor. Das Schreiben vom 25.11.2009 enthält lediglich eine Klarstellung hinsichtlich der Reichweite der einstweiligen Verfügung vom 24.11.2009, jedoch keinen teilweisen Verzicht auf die Rechte aus der einstweiligen Verfügung.

Damit ist entsprechend dem Hilfsantrag der Antragsgegnerin und auch dem zur Begründung der Rechtsmittel erfolgten Vortrags die einstweilige Verfügung vom 24.11.2009 umfassend auf ihre Rechtmäßigkeit hin zu überprüfen gewesen.

Der Antragstellerin steht gegenüber der Antragsgegnerin der geltend gemachte Unterlassungsanspruch gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 5 MarkenG zu.

Die Antragsgegnerin hat durch den nicht autorisierten Vertrieb des Kalenders »[...]2010« ein mit der im Eilantrag aufgeführten Marke »VW-Bus« identisches Zeichen für Kalender und damit für Waren benutzt, die mit denjenigen identisch sind, für die die Marke Schutz genießt. Damit liegt der Fall einer Markenverletzung bei Doppelidentität gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG vor.

Zudem führt die Verwendung der Marke für die Waren, für die sie Schutz genießt, auch zu einer Verwechslungsgefahr im Sinne des § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG, da der angesprochene Verkehr annimmt, der Kalender stamme von der Antragstellerin als Markeninhaberin oder einem Dritten, der mit der Antragstellerin in einer wirtschaftlichen (z.B. lizenzrechtlichen) Verbindung steht. Damit stellt die Verwendung der Abbildungen des »VW-Bus« auf den Kalenderblättern entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin auch eine markenmäßige Nutzung der Marke »VW-Bus« dar, da sie bei den angesprochenen Verkehrskreisen als Hinweis auf die Herkunft des Kalenders aus dem Haus der Antragstellerin oder z.B. eines Lizenznehmers aufgefasst wird.

Damit kann es dahinstehen, ob der Antragstellerin der geltend gemachte Anspruch zusätzlich gemäß §§ 3, 4 Nr. 9, 5, 8 Abs. 3, 3 Nr. 1 UWG zusteht.

Die Antragsgegnerin haftet als Störerin für die ohne Zustimmung der Antragstellerin erfolgte Bewerbung, das Angebot sowie den Vertrieb des mit den Abbildungen des VW-Bus versehenen Kalenders »[...]2010«.

Als Störer haftet derjenige auf Unterlassung, der - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung eines geschützten Rechts beiträgt (BGH GRUR 2007, 708, Rdnr. 40 m.w.N. - Internet-Versteigerung II). Die Haftung setzt jedoch die Verletzung von Prüfungspflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (BGH a.a.0).

Derartige Prüfungspflichten hat die Antragsgegnerin vorliegend verletzt. Nach Zugang der E-Mail der [...] GmbH vom 28.10.2009, in der ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass der Kalender »[...]2010« aus rechtlichen Gründen nicht mehr angeboten werden dürfe, lagen für die Antragsgegnerin konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen einer Schutzrechtsverletzung vor. Damit hatte die Antragsgegnerin entsprechende, wirkungsvolle Maßnahmen zu ergreifen, um künftige Rechtsverletzungen durch den Vertrieb des Kalenders »[...]2010« zu unterbinden. Soweit die Antragsgegnerin darauf hinweist, dass die E-Mail nicht ausreichend über das Vorliegen einer Markenverletzung informiert habe, hätte es der Antragsgegnerin jedenfalls oblegen, die rechtlichen Gründe, die einem weiteren Vertrieb entgegenstehen, bei der [...] GmbH zu hinterfragen.

Da die Antragsgegnerin ihr Sortiment lediglich auf die EAN und ISBN überprüft hat, unter der der Titel »[...]2010« von der [...] GmbH in ihr Internetangebot eingestellt worden war, hat sie nicht ausreichend sichergestellt, dass der Titel nicht unter einer anderen ISBN durch einen anderen Großhändler in ihr Internetangebot eingestellt wird. Damit hat es die Antragsgegnerin zurechenbar versäumt, ihr Sortiment auf den Titel hin zu überprüfen, so dass ihr das weiterhin vorhandene Angebot des Titels entgangen ist. Damit haftet die Antragsgegnerin für das nach dem Zugang der E-Mail vom 28.10.2009 weiterhin vorhandene Angebot des Kalenders »[...]2010« in ihrem Sortiment, so dass zum Zeitpunkt der Abmahnung vom 10.11.2009 der Antragstellerin der mit der Abmahnung geltend gemachte Unterlassungsanspruch zugestanden hat.

Die für den Erlass der einstweiligen Verfügung erforderliche Wiederholungsgefahr ist nicht entfallen. Die durch eine begangene Verletzungshandlung begründete Wiederholungsgefahr entfällt in der Regel nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung und nicht schon durch die Beachtung der von der Antragstellerin geltend gemachten Unterlassungsverpflichtung ab dem Zugang der Abmahnung. Weiterhin ist die Wiederholungsgefahr nicht durch die Unterlassungserklärung des [...] Verlags entfallen, da die Wiederholungsgefahr nur durch eine eigene strafbewehrte Unterlassungserklärung beseitigt werden kann.

Damit war die einstweilige Verfügung vom 24.11.2009 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin kann auch nicht einwenden, dass der Tenor der einstweiligen Verfügung zu weit gefasst ist. Die konkrete Verletzungshandlung, vorliegend der Vertrieb des Kalenders »[...]2010«, bestimmt zwar Inhalt und Umfang des Unterlassungsanspruchs. Der geltend gemachte Unterlassungsanspruch erfasst jedoch nicht nur die konkrete Verletzungshandlung, sondern auch den »Kern« der Verletzungshandlung betreffende Erweiterungen, so dass sich der Unterlassungsantrag nicht auf die konkrete Verletzungshandlung zu beschränken hat, sondern zulässige Verallgemeinerungen umfassen darf. Der vorliegende Antrag geht über die zulässige Verallgemeinerung nicht hinaus, da sich aus der zur Auslegung des Antrags heranzuziehenden Begründung ergibt, dass der Antrag nur den markenmäßigen Vertrieb von Kalendern unter Verwendung von Abbildungen der in dem Eilantrag aufgeführten Marke »VW-Bus« erfasst.

Der Tenor war daher nicht auf die konkrete Verletzungshandlung zu beschränken.

Die Antragsgegnerin hat als unterlegene Partei die weiteren Kosten des Verfahrens zu tragen, § 91 ZPO.

Götz-Tallner                  Eigenbrodt                         Dietrich

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