Streitwert: 75.000 €
LANDGERICHT HAMBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 312 O 512/05
Entscheidung vom 9. August 2005
In der Sache
[...]
erkennt das Landgericht Hamburg, Zivilkammer 12 auf die mündliche Verhandlung vom 9.8.2005 [...] für Recht:
1. Im Wege der einstweiligen Verfügung wird der Antragsgegnerin unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im Einzelfall höchstens EUR 250.000,00; Ordnungshaft insgesamt höchstens 2 Jahre) verboten, die Bezeichnung »MOST« im geschäftlichen Verkehr in der Weise zu verwenden, dass diese Bezeichnung auf den Websites der Antragsgegnerin unter www.w[...].de, www.k[...].de, www.[...].de, www.[...].de und www.[...].de eingesetzt wird, so dass bei Eingabe des Begriffs als Suchwort bei Google oder anderen Suchmaschinen die jeweilig vorbezeichnete Website angezeigt wird, ohne dass eine sachliche Verbindung zwischen dem Angebot der Antragsgegnerin und der Marke »MOST« besteht.
2. Die Kosten des Verfahrens fallen der Antragsgegnerin nach einem Streitwert von EUR 75.000,- zur Last.
Sachverhalt
Die Antragstellerin nimmt die Antragsgegnerin darauf in Anspruch, es zu unterlassen, die markengeschützte Bezeichnung »MOST« auf bestimmten von der Antragsgegnerin betriebenen Websites zu verwenden, wenn keine sachliche Verbindung zwischen dem Angebot der Antragsgegnerin und der Marke »MOST« besteht.
Die Antragstellerin betreibt unter der Domain www.most-shop.com einen Online-Shop im Internet, wo sie insbesondere Pralinen und Kaffee unter der Bezeichnung »MOST« anbietet (vgl. Anlage Ast. 3). Diese Bezeichnung ist als Wort-/Bildmarke Nr. 30437723.6 beim Deutschen Patent- und Markenamt u.a. für Süßwaren, Pralinen, Schokolade und Kaffee geschützt (vgl. Anlage Ast. 2).
Inhaberin dieser Marke ist die Firma Direct Investment Partners Ltd. mit Sitz in der Schweiz. Diese Gesellschaft hat der Antragstellerin nach deren eigenem Vortrag seit dem 1.12.2004 eine exklusive Lizenz für Deutschland, Österreich und die Schweiz eingeräumt.
Die Antragsgegnerin betreibt unter den in der Beschlussformel aufgeführten Internetadressen Websites, die sich als Suchmaschinen bezeichnen. Innerhalb dieser Webauftritte wurden in Fußzeilen unter der Rubrik »weitere Themen« zahlreiche Stichworte angegeben, so u.a. auch »pralinen most« oder »firma most pralinen« (vgl. Anlagen Ast. 8). Darüber hinaus tauchte z.B. in der auf einigen dieser Websites angebotenen Rubrik »Livesuche« dar Eintrag auf: »Sehr beliebt: most pralinen.«
Die bei Eingabe dieses Suchbegriffs als Suchergebnisse angezeigten Links führten nicht zum Angebot der Antragstellerin oder anderer Shops, die »MOST Pralinen« anbieten (vgl. Anlage Ast. 8).
Die Antragstellerin ließ die Antragsgegnerin unter dem 17.6.2005 abmahnen. Die Antragsgegnerin gab jedoch keine Unterwerfungserklärung ab.
Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass der von ihr verfolgte Unterlassungsanspruch aus §§ 14, 15 MarkenG gerechtfertigt sei. Die Antragsgegnerin benutzte die Marke »MOST« auf ihren Seiten, um bei der Eingabe dieses Zeichens als Suchbegriff bei einer Suchmaschine wie Google oder MSN.de mit ihren Websites in der Liste der Suchergebnisse zu erscheinen. Auch führe die Nennung von »most pralinen« dazu, dass die gedankliche Verbindung zu der für Süßwaren geschützten Marke »MOST« hergestellt werde. Ferner handele es sich bei dem Zeichen »MOST« um einen im Inland bekannte geschäftliche Bezeichnung, deren besondere Wertschätzung die Antragsgegnerin außerdem beeinträchtige. Darüber hinaus sei die Antragsgegnerin auch aus § 3 UWG zur Unterlassung verpflichtet, weil sie durch die unzulässige Verwendung des Zeichens »MOST« Kunden abfange, die gezielt nach dem Angebot der Antragstellern suchten, und sie ihren eigenen Werbekunden zuführe.
Die Antragstellerin beantragt,
wie erkannt.
Die Antragsgegnerin beantragt,
den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin bestreitet die Aktivlegitimation der Antragstellerin. Es bestünden Zweifel, dass die Antragstellerin exklusive Lizenznehmerin sei, auch habe die Antragstellerin nicht nachgewiesen, dass sie ermächtigt sei, Markenverletzungen gerichtlich zu verfolgen. Die Antragsgegnerin ist ferner der Auffassung, dass der Antrag zu unbestimmt sei.
Markenrechtliche Unterlassungsansprüche bestünden darüber hinaus bereits deshalb nicht, weil sie das Zeichen »MOST« nicht kennzeichenmäßig gebraucht habe. Sie betreibe lediglich eine Suchmaschine und setze das Zeichen nicht etwa zum Vertrieb ihrer Suchmaschine ein. Auch eine Wettbewerbsverletzung liege nicht vor. Bei einer Suche nach »most pralinen« bei MSN.de und Google seien die beanstandeten Websites der Antragsgegnerin erst an 44. bzw. 21. Stelle angezeigt worden. Daraus werde deutlich, dass sie keine Rufausbeutung betrieben habe. Außerdem sei zu beachten, dass sie als Betreiberin einer Suchmaschine erst ab Kenntnis von der Verletzung hafte. Ab Kenntnis habe sie unverzüglich reagiert und die entsprechenden Inhalte vom Netz genommen.
Auch die Nennung von »most pralinen« in der Livesuche begründe keine Rechtsverletzung. Mit der Livesuche würde automatisch - ohne einen Eingriff der Antragsgegnerin - die meisten gesuchten Begriffe angezeigt. Darin liege weder eine kennzeichenmäßige Verwendung von etwaigen Marken noch eine Wettbewerbsverletzung.
Für die weiteren Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf die eingereichten Schriftsätze und deren Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die einstweilige Verfügung ist antragsgemäß zu erlassen, weil die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, dass ihr ein entsprechender Unterlassungsanspruch zusteht und die Sache eilbedürftig ist.
1. Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist der Antrag nicht zu unbestimmt.
Zwar enthalten der Antrag und der dementsprechende Verbotstenor mit dem Kriterium »ohne dass eine sachliche Verbindung zwischen dem Angebot der Antragsgegnerin und der Marke »MOST« besteht« eine Wendung, die im Einzelfall der Wertung bedarf. Das macht den Antrag und das Verbot jedoch nicht unbestimmt, denn es ist klar, was der Antragsgegnerin damit verboten werden soll: Sie soll sich der Verwendung der Bezeichnung »MOST« enthalten, wenn sie sie für Angebote einsetzt, die nichts mit dieser Marke zu tun haben.
Damit wird nicht mehr ausgedrückt als die Selbstverständlichkeit, dass der Antragsgegnerin die Nennung dieser Bezeichnung erlaubt bleibt, soweit damit auf Angebote hingewiesen wird, die »MOST«-Artikel zum Gegenstand haben. Und selbstverständlich bleibt der Antragsgegnerin auch die Verwendung der Buchstabenfolge »MOST« erlaubt, wenn sie nicht als Bezeichnung, sondern in ihrer beschreibenden Bedeutung für Säfte oder als fremdsprachiger Begriff eingesetzt wird.
2. Der Unterlassungsanspruch der Antragstellern ergibt sich aus § 14 Abs. 5, Abs. 2 Nr. 2 MarkenG.
a) Die Antragstellerin ist aktiv legitimiert. Denn sie hat glaubhaft gemacht, die Rechte aus der beim DPMA zum Aktenzeichen 30437723.6 eingetragenen Wort-Bildmarke »MOST« wahrnehmen zu dürften und etwaige Rechtsverletzungen gerichtlich zu verfolgen.
Aufgrund der Vorlage der aus der Anlage Ast. 1 ersichtlichen Erklärung der Markeninhaberin ist überwiegend wahrscheinlich, dass die Antragstellerin seit dem 1.12.2004 exklusive Lizenznehmerin für Deutschland ist. Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung ergeben sich nicht daraus, dass - wie die Antragsgegnerin geltend macht - auch nach dem 1.12.2004 Markenverletzungen durch die Markeninhaberin verfolgt worden sein sollen.
Denn der Markeninhaber bleibt auch bei der Vergabe einer exklusiven Lizenz berechtigt, selbst gegen Markenverletzungen vorzugehen.
Ferner ist überwiegend wahrscheinlich, dass die nach § 30 Abs. 3 MarkenG erforderliche Zustimmung des Markeninhabers vorliegt, damit auch die Antragstellerin - wie dies hier geschieht - als Lizenznehmerin Markenverletzungen gerichtlich verfolgen kann. Bei der Vergabe einer exklusiven Lizenz durch einen ausländischen Markeninhaber liegt nämlich eine stillschweigende Zustimmung nahe (vgl. Ingerl/Rohnke, MarkenG, 2. Aufl., § 30 Rnr. 73). Überdies hat die Antragstellerin im Termin sogar eine ausdrückliche Zustimmungserklärung vorgelegt (vgl. Anlage Ast. 23).
b) Die Antragsgegnerin verwendet das Zeichen »MOST« in einer Weise, die eine Verwechslungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG begründet. Nach dieser Vorschrift ist es Dritten u.a. untersagt, ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Ähnlichkeit dieses Zeichens mit einer Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der Waren, für die die Marke geschützt ist, für das Publikum die Gefahr von Verwechslungen besteht. Dies ist anhand der Kriterien der Zeichenähnlichkeit, der Kennzeichnungskraft der Marke und der Waren- bzw. Dienstleistungsähnlichkeit zu prüfen, die zueinander in Wechselwirkung stehen. Danach ist eine Verwechslungsgefahr zu bejahen.
Die aus der Anlage Ast. 2 ersichtliche Wort-/Bildmarke »MOST« besteht aus der bildlichen Darstellung eines eine Kakaobohne greifenden Affen und der Wiedergabe der Buchstaben »MOST« in Versalien. Für die Prüfung der klanglichen Verwechslungsgefahr, die zur Begründung eines Unterlassungsanspruchs genügt, ist zugrunde zu legen, dass diese Wort-/Bildmarke durch den Wortbestandteil »MOST« geprägt wird.
Denn für den Verkehr ist bei solchen Wort-/Bildzeichen der Wortbestandteil regelmäßig die einfachste Benennungsmöglichkeit (vgl. Ingerl/Rohnke, § 14 Rnr. 592 m.w.N.). So liegt es auch hier.
Zwischen dem die Marke prägenden Wortbestandteil und dem von der Antragsgegnerin auf ihren Websites verwendeten Bezeichnung »MOST« besteht Identität.
Ferner ist die Marke »MOST« für die Produkte, für die sie Schutz genießt, nämlich insbesondere Süßwaren und Kaffee, von mindestens durchschnittlicher Kennzeichnungskraft.
Schließlich besteht auch Warenidentität. Denn die Antragsgegnerin setzt das Zeichen »MOST« als Herkunftshinweis für Süßwaren ein, wenn sie - wie geschehen - auf ihren Websites die Wortfolgen »pralinen most«, »most pralinen« oder »firma most pralinen« verwendet.
c) Entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin ist auch das ungeschriebene Tatbestandsmerkmal der rechtsverletzenden Benutzung gegeben. Die Antragsgegnerin verwendet die Bezeichnung »MOST« markenmäßig. Denn sie wird - wie erwähnt - herkunftshinweisend eingesetzt, in dem diese Bezeichnung von der Antragsgegnerin mit »Pralinen« verknüpft wird.
Der Internetnutzer, der z.B. über Suchmaschinen wie Google darauf aufmerksam gemacht wird, dass auf Websites der Antragsgegnerin etwas über »most pralinen« oder »pralinen most« steht, wird dahinter etwas über das Angebot der Antragstellerin vermuten und deshalb von einer herkunftshinweisenden Funktion ausgehen.
Dass sich der Nutzer anschließend in dieser Erwartung getäuscht sieht, weil er auf den Websites der Antragsgegnerin tatsächlich nichts zum Angebot von »MOST«-Pralinen finden wird, ändert nichts an der zuvor erfolgten markenmäßigen Nutzung, mit der die Antragsgegnerin Nutzer auf ihre Seiten locken will.
Dies gilt im Übrigen auch, soweit »most pralinen« in der sog. Livesuche aufgeführt werden. Dabei muss hier nicht entschieden werden, wie diese Nutzungsvariante zu beurteilen wäre, wenn es sich dabei tatsächlich um eine Liste handelte, die über die zuvor von anderen Nutzern gesuchten Begriffe Auskunft gibt.
Denn mit der für das einstweilige Verfügungsverfahren ausreichenden überwiegenden Wahrscheinlichkeit trifft dies auf die auf den Websites der Antragsgegnerin angebotene Livesuche nicht zu. Wie die Antragstellerin glaubhaft gemacht hat, bleiben nämlich die Einträge in der Livesuche über längere Zeiträume weitgehend statisch, was unwahrscheinlich erscheint, wenn sie an die notwendig wechselnde Häufigkeit der von Nutzern der jeweiligen Website der Antragsgegnerin eingegebenen Suchbegriffe gekoppelt wären.
Es ist daher davon auszugehen, dass die Einträge in der Livesuche nicht maßgeblich von den Nutzern beeinflusst werden, sondern dass es sich um Inhalte handelt, die die Antragstellerin bestimmt und für die sie daher verantwortlich ist. Aus diesem Grunde kann sich die Antragsgegnerin auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass es sich um fremde Inhalte im Sinne von § 11 TDG handele.
Nach den hier vorliegenden Gesamtumständen ist vielmehr davon auszugehen, dass die Verwendung der Wortfolgen »pralinen most«, »most pralinen« usw. in Fußzeilen oder in der Livesuche auf eine Willensentschließung der Antragsgegnerin zurückgeht, die sich davon eine höhere Nutzung ihrer Websites erhofft.
3. Da der Unterlassungsanspruch nach alledem aus den spezielleren Vorschriften des Markengesetzes begründet ist, muss nicht vertieft werden, dass er sich anderenfalls aus §§ 3, 4 Nr. 10 UWG ergeben würde, weil die Antragsgegnerin den Wettbewerb der Antragstellerin gezielt behindert, indem sie Nutzer, die nach deren Angeboten suchen, auf Websites Dritter Anbieter umzulenken sucht. Es geht damit um die Förderung fremden Wettbewerbs, bei dem es zur Begründung wettbewerblicher Ansprüche genügt, dass ein konkretes Wettbewerbsverhältnis zu dem geförderten Unternehmen besteht (vgl. dazu Köhler in: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbsrecht, 23. Aufl., § 2 Rnr. 73).
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist wegen der Rechtsnatur der einstweiligen Verfügung entbehrlich.
Unterschriften