OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.10.02, I-20 U 93/02 - Sachfremde Keywords.

eigenesache Im Internet gibt es keine »Rubrikenreinheit«. Die Verwendung sachfremder Begriffe im Metatag keywords ohne Bezug zum Inhalt der Website ist deshalb wettbewerbsrechtlich zulässig.

Instanzen: LG Düsseldorf, Urt. v. 27.03.02, 12 O 48/02, OLG Düsseldorf, Urt. v. 01.10.02, 20 U 93/02

Streitwert: 25.000 Euro

 

nrw

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: I-20 U 93/02
Entscheidung vom 1. Oktober 2002

 

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

[...]

gegen

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgericht Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 17. September 2002 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Berneke, den Richter am Oberlandesgericht Schüttpelz und den Richter am Landgericht Fricke

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf vom 27. März 2002 teilweise abgeändert.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

Die Parteien vertreiben jeweils Roben für Rechtsanwälte, Richter, Staatsanwälte und Protokollführer.

Nach Angaben des Antragstellers benutzt die Antragsgegnerin auf ihrer Web-Site http://www.[...]/roben.html u. a. folgende Meta-Tags, über deren wettbewerbsrechtliche Zulässigkeit die Parteien in der Berufungsinstanz noch streiten:

- Repetitorium
- StVO
- ZPO
- NJW
- Uni
- Urteil
- Entscheidungen
- BRAGO
- Leitsatzkartei
- Universitaet
- Urteile

Das Landgericht hat die Benutzung dieser Meta-Tags untersagt, wenn auf der Seite keine Informationen oder Inhalte zu den Begriffen bereitgehalten werden.

Die dagegen gerichtete Berufung der Antragsgegnerin hatte Erfolg.

I.

Der Antrag ist allerdings hinreichend bestimmt. Bedenken könnten allenfalls aus der Einschränkung »wenn auf der entsprechenden Seite [...] keine Informationen oder Inhalte zu den Begriffen bereitgehalten werden« hergeleitet werden. Denn die Parteien streiten gerade u. a. darüber, ob die Antragsgegnerin auf der Seite Informationen oder Inhalte zu den Begriffen bereithält. Dies ist allerdings unschädlich, weil der Antragsteller über die Bezugnahme auf die entsprechenden Internetseiten die Benutzung der Meta-Tags in der konkreten Gestaltung angreift und die Seiten als Beispiele den Umfang der begehrten Untersagung verdeutlichen.

II.

Markenrechtliche Ansprüche, vor deren Hintergrund die Zulässigkeit von Meta-Tags vor allem diskutiert wird (vgl. Kotthoff, K&R 1999, 157; Varadinek, GRUR 2000, 279), sind nicht Gegenstand des Verfahrens. In Bezug auf "NJW" steht im Übrigen eine Gestattung in Rede.

III.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sind die Meta-Tags auch nicht unter wettbewerbsrechtlichen Gesichtspunkten zu beanstanden. Dabei kann zu Gunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden, dass die genannten Meta-Tags tatsächlich auf der Web-Site der Antragsgegnerin zu finden sind bzw. waren.

1. Die Benutzung der Meta-Tags ist nicht unter dem Gesichtspunkt des sittenwidrigen »Abfangens von Kunden« wettbewerbswidrig.

a) Allerdings kann das Landgericht auf eine Diskussion dieser in Anlehnung an die Entscheidungen des Bundesgerichtshofs (GRUR 1986, 547 = WRP 1986, 379 - Handzettelwerbung; BGHZ 110" 156 [1701 = NJW 1991, 287 = GRUR 1990, 522 [527] HBV-Familien- und Wohnungsrechtsschutz) entwickelten Fallgruppe in Rechtsprechung und Literatur (vgl. Kotthoff, K&R 1999, 157; Varadinek, GRUR 2000, 279, jeweils m. w. N. auch aus der Rechtsprechung) verweisen. Die tatsächlichen Voraussetzungen dafür liegen in diesem Verfahren jedoch nicht vor. Denn die Antragsgegnerin versucht durch die - unterstellte Benutzung der Meta-Tags nicht, sich "zwischen die (potenziellen) Kunden und den Antragsteller zu stellen".

b) Zum einen sind die fraglichen Meta-Tags nach der eigenen Auffassung des Antragstellers für potenzielle Erwerber von Roben bei einer Suche im Internet ungeeignet. Die oben zitierte Rechtsprechung und Literatur betrifft Meta-Tags, die aus »fremden« Begriffen (Marken oder Unternehmenskennzeichen) bestehen, wobei aber der Unternehmer Waren bzw. Dienstleistungen der fraglichen Art vertreibt. In einem derartigen Fall kann darüber diskutiert werden, dass möglicherweise potenzielle Kunden diesen »fremden« Begriff eingeben, um zur Website des hinter diesem Begriff vermuteten Unternehmens zu gelangen, und stattdessen auf eine andere Website eines Konkurrenten »umgelenkt« werden. Derartiges ist hier jedoch nicht der Fall. Internet-Benutzer, die die angegriffenen Meta-Tags als Suchbegriff eingeben, sind sich bewusst, dass auf der »Trefferliste« Website auch Domains aufgeführt werden, deren Inhalt mit dem Suchbegriff nichts oder nur am Rande »zu tun hat«. Eine »Rubrikenreinheit« existiert - wie im Termin vom 17. 9. 2002 erörtert - im Internet jedenfalls bei diesen allgemein gehaltenen Begriffen nicht. Dies mag bei üblichen, ständig gebrauchten Anzeigenrubriken in Zeitungen anders sein, wo im Allgemeinen eine klare Einordnung von Anzeigen möglich ist (vgl. BGH, NJW 1991, 3029 = GRUR 1991, 772 Anzeigenrubrik I; BGH, NJW 1991, 3030 = GRUR 1991, 774 - Anzeigenrubrik II). Anders ist dies aber bei Suchbegriffen sowie bei Meta-Tags, die in einer unendlichen Vielzahl existieren, individuell eingegeben worden und bei denen keine Standardeinteilungen existieren. Dass auch der Antragsteller nach dem unwidersprochen gebliebenen Vortrag der Antragsgegnerin auf seiner Website »keywords« wie »tinte«, »toner«, »inkjet«, »inkjetdrucker«, »laser«, »kopierer«, »leergutankauf«, »tintenpatronen«, »cartridges«, »carts« benutzt, mag zwar wie das Landgericht ausführt - unter dem Gesichtspunkt der »unclean hands« unerheblich sein, wirft aber ein bezeichnendes Licht auf die tatsächlichen Verhältnisse im Internet, von denen der Internet-Benutzer ausgeht. Wie im Termin vom 17. 9. 2002 erörtert, gehen Suchmaschinenbetreiber deswegen zumindestens teilweise zu geeigneteren Anknüpfungspunkten über, bei denen »key-words« keine Rolle mehr spielen.

Hinzu kommt, dass eine Abgrenzung derjenigen Meta-Tags, die noch eine hinreichende Beziehung zum Inhalt der betreffenden Website haben, von denjenigen, bei denen das nicht mehr der Fall ist, in verlässlicher Weise kaum möglich ist. Aus welchen Gründen die vom LG als unbedenklich angenommenen Meta-Tags wie »Bestattungsunternehmen«, »Recht«, »BGH», »OLG«, »Rechtsprechung« eine engere Beziehung zu Roben aufweisen als die von ihm untersagten Bezeichnungen wie »Entscheidungen«, ist schwer nachvollziehbar.

c) Auf die Frage, ob sich die Kunden bereits vergleichbar »im engsten örtlichen Bereich des Konkurrenzbetriebs« befinden - was der Bundesgerichtshof als Voraussetzung für ein sittenwidriges Abfangen angesehen hat - (Bedenken insoweit bei Varadinek, GRUR 2000, 279 [284]), kommt es danach nicht mehr an. Hinzuweisen ist lediglich darauf, dass die Meta-Tags sehr allgemein gehalten sind und auch nicht dem Antragsteller zugeordnet sind. Personen, die den Meta-Tags entsprechende Suchbegriffe eingegeben haben, erwarten nicht, damit gerade die Website des Antragstellers aufzufinden, und zwar unabhängig davon, ob die Begriffe etwas mit Roben »zu tun haben« oder nicht. Dadurch, dass die Antragsgegnerin - unterstellt - allgemein gehaltene Meta-Tags benutzt, handelt sie allein nicht sittenwidrig. Eine Monopolisierung des Begriffs - wie bei Domains teilweise der Fall (vgl. dazu BGH, NJW 2001, 3262 = GRUR 2001, 1061 - mitwohnzentrale.de) tritt bei Meta-Tags nicht einmal ein.

Darüber hinaus ist, wie aus der von dem Antragsteller vorgelegten Liste hervorgeht, bei dem Erscheinen der Suchliste sofort ersichtlich, dass sich die Domain [...].de auf einen Vertrieb von Roben als Berufskleidung bezieht. Diese Domain kann der Internet-Benutzer ohne Mühewaltung dadurch übergehen, indem er sie nicht anklickt.

2. Die Benutzung der Meta-Tags ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt des unlauteren Anlockens wettbewerbswidrig.

a) Wie aus den obigen Ausführungen hervorgeht, erwartet der Verkehr bei Eingabe der beanstandeten Suchbegriffe nicht, dass nur Domains mit einem Inhalt, der sich unmittelbar oder hauptsächlich mit dem Suchbegriff befasst, auf der »Trefferliste« erscheinen.

b) Hinzu kommt, dass Internet-Nutzer, die die angegriffenen Suchbegriffe eingegeben haben, kaum dazu bewogen werden können, »bei Gelegenheit« bei der Antragsgegnerin Roben zu erwerben, etwa weil sie die aufgewandte Zeit und Kosten rechtfertigen wollen. Zeit und Mühe, die Domain nach Erscheinen der »Trefferliste« - in der der Gegenstand des Unternehmens der Antragsgegnerin zutreffend angegeben wird - nicht anzuklicken, sind, genauso wie beim Übergehen nicht in .eine Anzeigenrubrik passender Anzeigen - minimal. In dieser Situation Waren zu kaufen, wäre weitaus aufwendiger; der Internet-Benutzer müsste erst die betreffende Website aufrufen und sich dann bis zur endgültigen Kaufbestätigung »durchklicken« (vgl. § 312e I BGB, §§ 1, 3 BGB-InfoV). Roben sind des Weiteren nicht Gegenstand von »Gelegenheitskäufen«, die man deswegen kauft, weil man das Unternehmen »nun mal gefunden hat« und »irgendetwas kaufen will«. Derartige Überlegungen passen weder zur Art der Ware noch zur Kundenstruktur. Es ist kaum vorstellbar, dass Internet-Benutzer, die nur nach juristischen Informationen oder Beiträgen zu Universitäten suchen, dabei aber die Domain der Antragsgegnerin finden, »aus Verlegenheit« Roben kaufen.

3. Die Verwendung von Meta-Tags ist schließlich nicht unter dem Gesichtspunkt der Belästigung der Internet-Benutzer mit Unnötigem wettbewerbswidrig. Die »Trefferlisten« sind - auch infolge der Expansion des Internets - bei allgemein gehaltenen Suchbegriffen selbst ohne das beanstandete Verhalten sehr groß. Gibt der Internet-Benutzer derartige Begriffe ein, rechnet er damit, eine Vielzahl von Domains aufgezeigt zu bekommen, die ihn nicht interessieren. Personen, die sich nicht für Roben interessieren, werden die Website der Antragsgegnerin auf Grund der Meta-Tags von vornherein nicht aufsuchen, weil der Inhalt der Website in den »Trefferlisten« ausweislich der vorgelegten Auszüge korrekt beschrieben wird. Entgegen der Darstellung des Landgerichts im angegriffenen Urteil muss sich der Internetbenutzer durch die angezeigten Domains nicht »hindurcharbeiten«, weil er sie nicht anklicken und aufrufen muss, um ihren Inhalt festzustellen. Insofern ist die Situation entgegen der Auffassung des Landgerichts nicht mit der unverlangten Zusendung von Werbefaxen etc. vergleichbar.

Eine anderweitige Beurteilung könnte allenfalls dann Platz greifen, wenn durch das Verhalten der Antragsgegnerin oder ein Nachahmungsverhalten ein derzeit bestehendes, im Interesse der Internet-Nutzer schützenswertes System gefährdet würde, das mit Hilfe klar definierter Suchbegriffe den schnellen Zugriff nur zu den gewünschten Websites gewährleisten würde, es also gegenwärtig keine Aufblähung des Systems mit unpassenden Schlüsselwörtern gäbe. Die Erörterung im Termin vom 17. September 2002 hat allerdings keine Anhaltspunkte dafür aufgezeigt, dass es jemals eine Art "Rubrikenreinheit" im Internet gegeben hätte.

4. Des Weiteren besteht kein Anspruch des Antragstellers gem. § 3 UWG auf Unterlassung der Benutzung der Meta-Tags.

a) An einer Täuschung fehlt es von vornherein, wenn die Suchmaschine nicht an die beanstandeten Meta-Tags anknüpft. Aber auch in anderem Falle fehlt es an den Voraussetzungen des § 3 UWG. Wie bereits ausgeführt, macht sich der Verkehr bei sehr allgemein gehaltenen Suchbegriffen keine konkreteren Vorstellungen über den Inhalt der »Trefferliste«. Dem Internet-Benutzer ist bekannt, dass - knüpft die Suchmaschine an in einer Website enthaltene »Key-words« - sämtliche Websites angezeigt werden, in denen diese Suchbegriffe in einem auch nur irgendwie gearteten Zusammenhang, und sei es auch nur am Rande, auftauchen.

b) Hinzu kommt im Streitfall, dass der Internet-Benutzer bereits auf der »Trefferliste« über den Inhalt der Website informiert wird und diese unproblematisch »überspringen« kann (vgl. auch Kotthoff, K&R 1999, 157 [161]; Varadinek, GRUR 2000, 279 [284]; BGH, NJW 2001, 3262 [unter II 5] = GRUR 2001, 1061 mitwohnzentrale.de, zur Täuschungseignung einer Domain).

5. Die Bezeichnung von Unterseiten der Website, die der Antragsteller i seiner Berufungserwiderung anspricht, sind nicht Gegenstand des Antarges.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Ans. 1 S. 1 ZPO.

Die Entscheidung ist kraft Gesetzes nicht revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.

Berufungsstreitwert: 25.000,00 Euro

Berneke          Schüttpelz        Fricke

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