OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.04.10, I-20 U 193/09 - Maximum Speed

eigenesache Der Begriff »Maximum Speed« wird bei Software von einem beachtlichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise als Alleinstellungsbehauptung und nicht als bloße werbliche Anpreisung verstanden, auch wenn andere Mitbewerber ihre Produkte mit ähnlichen Superlativen bewerben.

Instanzen: LG Düsseldorf, Urt. v. 11.11.09, 34 O 82/09; OLG Düsseldorf, Urt. v. 13.04.10, I-20 U 193/09.

Streitwert: 250.000 €

nrw

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: I-20 U 193/09
Entscheidung vom 13. April 2010

 

In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

[...]

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 22. März 2010 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Professor Berneke, den Richter am Oberlandesgericht Neugebauer und den Richter am Oberlandesgericht Gmelin

für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf vom 11. November 2009 abgeändert:

Der Antragsgegnerin wird bei Meldung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren - verboten,

die Programme»[...]«, »[...]« und »[...]« mit den Angaben »Maximum Security« und/oder »Maximum Speed« wie nachfolgend wiedergegeben zu bewerben:

[...]

Die Kosten des Verfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.

Gründe

I.

Die Parteien sind Wettbewerber auf dem Gebiet von PC-Sicherheitsprogrammen. Die Antragstellerin beanstandet die Aufmachung von drei Programmen, die die Antragsgegnerin in der im Tenor wiedergegebenen Form anbietet, unter dem Gesichtspunkt der Irreführung.

Im einzelnen rügt sie die der Bezeichnung der Produkte beigefügten Zusätze »Maximum Security« und »Maximum Speed«, die die Antragsgegnerin an erster Stelle mit dem höchsten Prozentsatz an proaktivem Antivirenschutz darstellenden Balkendiagramme und die Werbung mit guten bzw. sehr guten Testergebnissen bei verschiedenen Computerzeitschriften und der Stiftung Warentest.

Das Landgericht hat die im Wege der einstweiligen Verfügung geltend gemachten Unterlassungsansprüche der Antragstellerin verneint und den Antrag zurückgewiesen. Die Aussagen »Maximum Seurity« und »Maximum Speed« seien Anpreisungen, die der Verkehr als reklamehafte Übertreibungen werte. Auch die Werbung mit den Testergebnissen sei nicht unlauter. Die konkret beworbenen Produkte seien zwar nicht getestet worden, sie seien jedoch hinsichtlich des 2008 getesteten proaktiven Virenschutzes mit den früheren Versionen identisch. Wegen der weiteren Begründung wird auf das angegriffene Urteil Bezug genommen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist ordnungsgemäß begründeten Berufung.

Die Antragstellerin hat ursprünglich beantragt,

unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Düsseldorf vom 11. November 2009, 34 0 82/09, der Antragsgegnerin bei Meldung eines Ordnungsgeldes in Höhe von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten - im Falle mehrfacher Zuwiderhandlung bis zu zwei Jahren - zu verbieten,

1. das Programm »[...]« wie nachfolgend wiedergegeben zu bewerben:

[...]

wobei der unter Teil der Vorderseite der Verkaufsbox wir folgt gestaltet ist:

[...]

und

[...]

und die Rückseite der Verkaufsbox wie folgt:

[...]

2. das Programm »[...]« wie nachfolgend wiedergegeben zu bewerben:

[...]

wobei der unter Teil der Vorderseite der Verkaufsbox wir folgt gestaltet ist:

[...]

und

[...]

und die Rückseite der Verkaufsbox wie folgt:

[...]

3. das Programm »[...]« wie nachfolgend wiedergegeben zu bewerben:

[...]

wobei der untere Teil der Vorderseite der Verkaufsbox wie folgt gestaltet ist:

[...]

und

[...]

und die Rückseite der Verkaufsbox wie folgt:

[...]

Die Antragsgegnerin hat in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie verpflichte sich bei Meldung einer von der Antragstellerin zu bestimmenden Vertragsstrafe, deren Angemessenheit durch das Gericht zu überprüfen ist, Handlungen gemäß dem vorstehenden Antrag zu unterlassen. Sie behalte sich allerdings die weitere Verwendung der Angaben »Maximum Security« und »Maximum Speed« vor. Die Antragstellerin hat die Unterlassungserklärung angenommen und den Rechtsstreit im Bereich ihrer Reichweite in der Hauptsache ab dem 22. März 2010 für erledigt erklärt. Die Antragsgegnerin hat sich der Erledigungserklärung angeschlossen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

wegen des weitergehenden Antrags der Antragstellerin die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze ergänzend Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat, soweit über sie nach der übereinstimmenden Teilerledigungserklärung noch zu entscheiden ist, auch in der Sache Erfolg.

Die Antragstellerin hat gegenüber der Antragsgegnerin einen Anspruch darauf, dass diese es unterlässt, ihre Programme »[...]«, »[...]« und »[...]« mit den Angaben »Maximum Security« und/oder »Maximum Speed« zu bewerben, § 8 Abs. 1 i.V. mit §§ 3, 5 Abs. 1 Nr. 1 UWG.

Die Bewerbung der Programme mit den Aussagen »Maximum Security« und »Maximum Speed« ist irreführend. Diese werden entgegen der Auffassung des Landgerichtes von einem erheblichen Teil des angesprochenen Verkehrs dahin verstanden, dass die Antragsgegnerin für ihre Ware eine Spitzenstellung in Anspruch nimmt, die sie unstreitig nicht innehat.

Es ist zunächst der Wortsinn des Zusatzes »Maximum« zu bestimmen, da eine für die breite Öffentlichkeit bestimmte Werbung, die nach ihrem Wortsinn eine Alleinstellung bekundet, gewöhnlich auch von einem erheblichen Teil der angesprochenen Verkehrskreise entsprechend diesem Wortsinn verstanden wird (Köhler/Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rn. 2.138). »Maximum« bedeutet im deutschen Sprachgebrauch, dass das Produkt der Antragsgegnerin höchst- oder größtmögliche Sicherheit und Geschwindigkeit biete und beinhaltet damit auch die Aussage, dass es in dem betreffenden Bereich kein anderes Produkt gibt, das die Leistung der Antragsgegnerin übertreffen könnte.

Der hier verwendete Superlativ, der eine typische Ausdrucksform für eine Alleinstellung ist (vgl. Bornkamm a.a.O., Rn. 2.140) wird entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht zumindest von einem beachtlichen Teil der im vorliegenden Fall angesprochenen Verkehrskreise auch so verstanden. Es ist nämlich zu berücksichtigen, dass zu den angesprochenen Verkehrskreisen nicht nur diejenigen an PC-Sicherheitsprogrammen Interessierten zählen, die mit den einschlägigen Produkten und deren Eigenschaften vertraut sind, sondern auch die Nutzer gehören, die sich mit dem Warenangebot weniger auskennen und auch keinen Überblick über die Art und Weise der Präsentation der konkurrierenden Produkte haben. Es kann nicht unterstellt werden, dass - bis auf einen unbeachtlichen Teil- alle Nutzer die Bewerbung von PC-Programmen mit übertriebenen Anpreisungen kennen und wissen, dass solche nicht wörtlich bzw. ernst zu nehmen seien, wie das Landgericht gemeint hat. Vielmehr legt hier die auf wesentliche Eigenschaften - die Geschwindigkeit und Sicherheit - bezogene Werbeaussage »Maximum« zumindest den Verkehrskreisen, die weniger fachkundig sind, nahe, sie ernst zu nehmen, so dass sie, da die Werbung unstreitig nicht den tatsächlichen Verhältnissen entspricht, irregeführt werden. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Antragstellerin selbst in einer auch an Endkunden vertriebenen Werbung mit Superlativen wie schnellste Reaktionszeit, gründlichste Überprüfung von verdächtigen Objekten, einzigartige Technologie geworben haben soll, wie der Verfahrensbevollmächtigte der Antragsgegnerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 9. Februar 2010 vorgetragen hat. Es ist weder glaubhaft gemacht, dass die Antragstellerin damit am Markt gegenüber Verbrauchern aufgetreten ist, was sie bestritten hat, noch ist glaubhaft gemacht, dass die Angaben sachlich unzutreffend sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Soweit die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt haben, ist gemäß § 91 a Abs. 1 ZPO unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dies führt zur Auferlegung der Kosten auf die Antragsgegnerin. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung war ursprünglich insgesamt begründet, ohne die Abgabe der strafbewehrten Unterlassungserklärung wäre Antragsgegnerin hinsichtlich des von ihr abgedeckten Bereichs unterlegen.

Die Antragstellerin hatte gemäß §§ 3, 5 UWG auch einen Anspruch auf Unterlassung der Bewerbung der Programme mit den auf der Verpackungsrückseite wiedergegebenen Balkendiagrammen.

Abgesehen davon, dass der Anti-Malware Test Lab 2008 inzwischen überholt ist, ist die Werbung mit den angegriffenen Balkendiagrammen irreführend, weil sie den unzutreffenden Anschein erweckt, dass die Antragsgegnerin mit deutlichem Abstand vor allen Konkurrenten, insbesondere vor der Antragstellerin, am besten abgeschnitten hätte.

Die Antragsgegnerin stellt sich an der Spitze mit einem Prozentsatz von über 60 Prozent dar, gefolgt von der Antragstellerin mit einem Prozentsatz von etwa 45 Prozent und den weiteren Mitbewerbern, die darunter liegen. Wie sich aus den von der Antragsgegnerin selbst zur Akte gereichten Original-Testergebnissen der Firma [...] (BI. 55 d.A.) ergibt, sind die von der Antragsgegnerin benutzten Balkendiagramme nicht vollständig, sondern nur ein Ausschnitt des gesamten Testes. Es wurden nicht nur sieben, sondern 15 Produkte verglichen, und die Firma [...] hat als Beste mit einem Prozentsatz von über 70 Prozent abgeschnitten. Indem die Antragsgegnerin die Firma [...] als Testsiegerin in den von ihr benutzten Balkendiagrammen nicht erwähnt, täuscht sie den angesprochenen Verkehrskreisen eine eigene Spitzenstellung vor, die sie in Wirklichkeit nicht hat. Entgegen der vom Landgericht vertretenen Ansicht ist das Weglassen eines besser beurteilten Erzeugnisses hier irreführend, weil sich die Antragsgegnerin in einem Kreis von Mitbewerbern vergleichend darstellt, dabei nur die schlechteren Mitbewerber erwähnt und so vortäuscht, dass sie selbst die Beste sei. Insoweit ist der vorliegende Fall auch anders gelagert als die vom Landgericht für seine Auffassung zitierte Entscheidung des Bundesgerichtshofes GRUR 1982, 437-439 - Test gut. Dort ist ausgeführt, dass eine Werbung mit der isolierten Testnote »gut« noch nicht als irreführend angesehen werden kann, wenn das Erzeugnis über dem Notendurchschnitt geblieben ist. Das Landgericht hat daraus den unzutreffenden Schluss gezogen, dass im vorliegenden Fall die Antragsgegnerin das Produkt der Firma [...] nicht erwähnen musste, weil sie mit ihrem eigenen Produkt und einem Prozentsatz von 63 Prozent weit über dem Durchschnitt gelegen habe. Dabei hat das Landgericht jedoch verkannt, dass es im vorliegenden Fall nicht um die isolierte Werbung mit einer Testnote geht, sondern darum, dass die Antragsgegnerin sich an der Spitze unter mehreren Mitbewerbern darstellt, obwohl ein weiterer - nicht erwähnter - Mitbewerber Testsieger und damit Spitzenreiter gewesen ist.

Auch die Werbung mit den zehn Testergebnissen, die sie im unteren Bereich auf der Vorderseite der drei Verpackungen aufgebracht hat, wäre der Antragsgegnerin gemäß §§ 3, 5 UWG zu untersagen gewesen.

Unstreitig beziehen sich die guten bzw. sehr guten Testergebnisse nicht auf die Produkte, auf denen die Werbung angebracht ist, sondern auf andere, ältere Versionen, die auch anders bezeichnet sind. Dies erschließt sich den angesprochenen Verkehrskreisen aber nur äußerst schwierig, weil die Angabe, auf welches Produkt und welchen Zeitpunkt sich das Testergebnis bezieht, so klein gedruckt ist, dass es kaum erkennbar ist. Es ist damit unklar, welche Bewertung für welches Produkt in Anspruch genommen wird. Da gerade bei der Werbung mit Testergebnissen eine Irreführung immer schon dann anzunehmen ist, wenn sich der Test nicht auf die beworbene, sondern eine andere Ware, auch wenn sie äußerlich ähnlich und technisch baugleich ist, bezieht (Köhler/ Bornkamm, UWG, 28. Aufl., § 5 Rn. 4.240) kann die Antragsgegnerin auch nicht geltend machen, dass die angebotenen Produkte mit den Testprodukten insoweit übereinstimmten, als sie über die gleiche »Engine«, die für den pro-aktiven Virenschutz verantwortlich sei, verfügten.

Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, da die Sache kraft Gesetzes nicht revisibel ist, § 542 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird in Übereinstimmung mit der unbeanstandet gebliebenen erstinstanzlichen Festsetzung auf 250.000 Euro festgesetzt.

Professor Berneke                Neugebauer                    Gmelin

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