Streitwert: 200.000 DM
OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: I-20 U 114/01
Entscheidung vom 13. November 2001
Im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
[...]
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 23.Oktober 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht [...] und die Richter am Oberlandesgericht [...] und [...]
für Recht erkannt
Auf die Berufung der Antragsgegnerin wird das am 29. Juni 2001 verkündete Urteil der 8. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert.
Die Beschlussverfügung vom 4. April 2001 wird aufgehoben und der Antrag der Antragstellerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen zu tragen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin ist begründet.
Nicht zu Recht hat das Landgericht hat seine Beschlussverfügung vom 4.4.2001 bestätigt, mit der es der Antragsgegnerin unter Androhung bestimmter Ordnungsmittel untersagt hatte,
im Bereich der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsverkehr ohne Zustimmung der Antragstellerin unter Verletzung des zugunsten der Antragstellerin beim Deutschen Patentamt unter Nr. 3966684 eingetragenen Zeichens »Top Ticket« im Zusammenhang mit der Reservierung und Vermittlung von Eintrittskarten für Kultur, Sport und sonstige Veranstaltungen die Zeichen »TopTicketLine« oder »TopTicketline« zu benutzen, insbesondere diese Zeichen auf Waren anzubringen, unter den Zeichen ihre Dienstleistungen anzubieten und die Zeichen in Geschäftspapieren oder in der Werbung zu benutzen.
Im Berufungsrechtszug hat die Antragstellerin hilfsweise beantragt, die Berufung der Antragsgegnerln zurückzuweisen mit der Maßgabe, ihr zu untersagen,
im Bereich der Bundesrepublik Deutschland im Geschäftsverkehr ohne ihre Zustimmung die Zeichen »TopTicketLine« und/oder »Topticketline« und/oder »Top Ticket Line« zur Kennzeichnung von Dienstleistungen im Zusammenhang mit der Reservierung und der Vermittlung von Eintrittskarten für Kultur- und sonstige Veranstaltungen zu benutzen und/oder durch Dritte benutzen zu lassen.
Auch dieses Verfügungsbegehren bleibt jedoch ohne Erfolg. Hinsichtlich beidem fehlt es am Verfügungsgrund.
Die Antragstellerin geht allein aus ihrer Marke »TopTicket« vor. Ob für Ansprüche aus dem Markenrecht die Bestimmung des § 25 UWG analog gilt, die nach allgemeiner Ansicht eine Vermutung der Eilbedürftigkeit enthält, ist umstritten. Überwiegend wird die Anwendbarkeit bejaht (vgl. OLG Hamburg, WRP 1997, 106, 112 - Gucci und GRUR 1999, 739 - Eastpak; OLG Stuttgart, WRP 1997, 118, 121; OLG Frankfurt, OLGR 2000, 82; OLG Köln GRUR 2000, 1073, 1074 - Blitzgerichte; Fezer, Markenrecht, 3. Aufl., § 14 Rdn. 550; Jestaedt in Pastor/Ahrens, Der Wettbewerbsprozess, 4. Aufl., Kapitel 47 Rdn. 4; Spätgens in Handbuch des Wettbewerbsrechts, 2. Aufl., § 81 Rdn. 31; Althammer/Ströbele/Klaka, Markengesetz, 6. Aufl., § 14 Rdn. 140; lngerl/Rohnke, Markengesetz, vor §§ 14 - 19 MarkenG, Rdn. 49; Köhler/Piper, UWG, 2. Aufl., § 25 Rdn. 14; mit Bedenken: Teplitzky, Wettbewerbsrechtliche Ansprüche, 7. Aufl., Kap. 54 Rdn. 20 b; einschränkend: Baumbach/Hefermehl, Wettbewerbs-recht, 22. Aufl., § 25 UWG Rdn. 5; offen gelassen von KG Berlin, KGR 1999, 308; OLG Braunschweig, OLOR 2000, 330; OLG Dresden, OLGR 1999, 35; a.A. Mellulis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 158; Berneke, Die einstweilige Verfügung in Wettbewerbssachen, Rdn. 62 m.w.N.; vgl. auch Traub, WRP 2000, 1046, 1048). Für die Analogie wird vorgebracht, dass bei einem markenrechtlichen Unterlassungsanspruch eine vergleichbare Dringlichkeit wie bei einem wettbewerblichen Unterlassungsanspruch bestehe und letztlich keine sachlichen Gründe gegen eine Übertragbarkeit sprächen (vgl. Fezer a.a.O. m.w.N. zum Streitstand). Demgegenüber bleibt jedoch festzuhalten, dass der Gesetzgeber die Dringlichkeitsvermutung anlässlich der Übernahme des § 16 UWG a.F. in das Markengesetz nicht auf das Markenrecht ausgedehnt hat, obwohl der Streit, in welchem Umfang eine Analogie zu § 25 UWG möglich ist, schon lange bestand (so zutreffend Traub a.a.O). Zur Vermeidung einer weiteren Aufsplitterung der Rechtsprechung hätte eine Regelung im Markengesetz daher sehr nahe gelegen. Dennoch hat der Gesetzgeber diesbezüglich gleich mehrere Gesetzesänderungen ungenutzt verstreichen lassen. Das von Peters angeführte Argument (Mitt. 1999, 48), das Markengesetz sei nur die Umsetzung der EGRichtlinie 89/104/EWG und dort finde sich kein Hinweis auf umzusetzende Verfahrensfragen, vermag nicht zu überzeugen, eben weil das Verfahren von vornherein national zu vergeben war. Bei den gewerblichen Schutzrechten besteht - anders als beim Schutz der Lauterkeit des Wettbewerbs - auch keine Typik des Inhalts, dass eine vorläufige Maßnahme generell sachgerecht erschiene (vgl. Mellulis, Handbuch des Wettbewerbsprozesses, 3. Aufl., Rdn. 158). Hier ist auf die Richtigkeitsgewähr des normalen Klageverfahrens nicht regelmäßig zu verzichten; der Verzicht rechtfertigt sich hier nicht durchweg durch die Dringlichkeit des Verfügungsbegehrens. Die Prüfung der Dringlichkeit im Einzelfall soll den Antragsgegner gegen vorschnelle Entscheidungen im summarischen Verfahren schützen, was der ausdehnenden Auslegung einer Norm entgegensteht, die - wie § 25 UWG - diesen Schutz einschränkt (Teplitzky a.a.O. Rdn. 20). Zutreffend weist Teplitzky (a.a.O. Rdn 20 a) ferner darauf hin, dass es bei den reinen UWG-Fällen regelmäßig nur um die Beurteilung von Handlungsunrecht in einer konkreten Wettbewerbslage gehe, wohingegen bei Schutzrechtsverletzungen ganz andere Interessen aufeinandertreffen und aufseiten des Verletzers oftmals eigene Schutzrechte in Rede stehen, weshalb ihn eine Verbotsverfügung besonders hart treffen kann. Deshalb ist dem Schutzrechtsberechtigten eher anzusinnen, seine Eilbehandlung im einzelnen zu begründen und glaubhaft zu machen. Der Senat hat daher schon mit Urteil vom 27.5.1997 (20 U 38/97, auszugsweise wiedergegeben bei Peters a.a.O.) eine analoge Anwendung auf das Markenrecht verneint und hält daran nach erneuter Prüfung fest.
Über den Verfügungsgrund ist nach einer Abwägung der sich gegenüberstehenden Parteiinteressen zu entscheiden. Auszugehen ist zunächst vom Interesse des Antragstellers, den Verfügungsanspruch nicht dadurch gefährdet zu sehen, dass bis zu einer Hauptsacheentscheidung zuviel Zeit vergeht. Dagegen stehen die Nachteile, die dem Antragsgegner aus der Anordnung drohen. Im Streitfall fällt die Abwägung zu Gunsten der Antragsgegnerin aus. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Dringlichkeit ist der Schluss der mündlichen Verhandlung in der jeweiligen Instanz (vgl. BGHZ 117, 1, 5; MeIlulis, a.a.O. Rdn. 155). Zu berücksichtigen ist daher, dass die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 26.3.2001 die Löschung der Klagemarke »TopTicket« beim Deutschen Patent- und Markenamt beantragt hat (§ 54 Abs. 1 MarkenG). Zwar besteht für den Verletzungsprozess grundsätzlich eine Bindungswirkung durch die Eintragung der schutzbeanspruchenden Marke. Dies hindert das Gericht jedoch nicht, die Erfolgsaussicht eines anhängigen Löschungsantrages in die Prüfung der Dringlichkeit einer Rechtsverfolgung einzubeziehen. Nach Auffassung des Senats hat der Löschungsantrag der Antragsgegnerin eine hohe Erfolgsausicht, so dass der Erlass der begehrten Untersagungsverfügung nicht gerechtfertigt ist. Zwar führt die »Indorektal« Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 1984, 815; 1993, 969), die im neuen Markenrecht nach der Entscheidung »Tour de culture« (GRUR 1999, 238) fortgilt, weithin zur Eintragungsfähigkeit von Bezeichnungen, die beschreibenden bzw. freihaltebedürftigen Begriffen angenähert sind, im Konfliktsfall dann aber auch zu strengen Anforderungen an einen zeichenmäßigen Gebrauch bzw. zu einer großzügigen Anwendung von § 23 MarkenG und zu strengen Anforderungen an die Verwechslungsgefahr. Im Streitfall bleibt für eine derartige Betrachtung indes kein Raum. Zu Recht argumentiert die Antragsgegnerin in ihrem Löschungsantrag, dass die Bezeichnung »TopTicket« für die »Vermittlung von Eintrittskarten für Kultur-, Sport- und sonstige Veranstaltungen« nicht unterscheidungskräftig und ihre Eintragung daher nichtig sei (§ 50 Abs. 1 Nr. 3 in Verbindung mit § 8 MarkenG). Unterscheidungskraft im Sinne des § 8 Abs. 2 Nr. 1 MarkenG ist die einer Marke innewohnende konkrete Eignung, vom Verkehr als Unterscheidungsmittel für die der Anmeldung zu Grunde liegenden Waren oder Dienstleistungen eines Unternehmens gegenüber solchen anderer Unternehmen aufgefasst zu werden. Hierbei ist grundsätzlich von einem großzügigen Maßstab auszugehen, das heißt, eine noch so geringe Unterscheidungskraft reicht aus, um das Schutzhindernis zu überwinden (vgl. BGH GRUR 2001, 1080, 1081 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2001, 161 - Buchstabe »K«). Dies gilt auch für Werbeslogans, Anpreisungen und anderen Werbeaussagen allgemeiner Art; auch bei ihnen kann es genügen, wenn der Bedeutungsinhalt unscharf ist und ohne ergänzende weitere Angaben sich ein eindeutig beschreibender Inhalt nicht ergibt (vgl. BGH WRP 2001,1080 - LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER; GRUR 2000, 323 - »Partner with the Best«). Bei fremdsprachigen Begriffen kommt es ferner darauf an, ob sie im Inland als beschreibend verstanden werden (vgl. BGH GRUR 1996, 68, 69 - cotton-line). Vorliegend ist auch unter Anlegung dieses weiten Maßstabs die Kennzeichnungskraft von »TopTicket« zu verneinen. Die Bezeichnung ist aus den englischsprachigen Worten »Top« und »Ticket« zusammengesetzt. Schon das Wort »Ticket« ist für die inländischen Verkehrskreise sehr leicht als »Eintrittkarte« verständlich, in manchen Lebensbereichen (»Flug-Ticket«) sogar in den Sprachgebrauch übernommen. Der Bestandteil »Top« ist im Sinne von »Spitze«, »Super« oder dergleichen noch bekannter als »ticket«. Die maßgebende Gesamtschau des zu beurteilenden Zeichens (vgl. hierzu BGH GRUR 2001, 163, 164 - RATIONAL SOFTWARE CORPRATION; GRUR 1995, 408, 409 - PROTECH; GRUR 1999, 1093, 1094 - FOR YOU; 1999, 1089, 1090 - YES) bestätigt dies nur noch. Das Wort »Top« wird sprachüblich häufig mit anderen Worten kombiniert, um eine besonders gute Qualität anzuzeigen; zu diesem Zweck läßt es sich fast jedem Sachbegriff voranstellen. Daraus ergibt sich zwanglos das Verständnis von »TopTicket« als »Spitzeneintrittskarte«. Die sprachübliche Durchsetzung der Verwendung von »Top« plus Hauptwort macht zudem unschädlich, dass es das Wort »topticket« als lexikalischen Begriff nicht geben mag. Das Gesamtzeichen »TopTicket« bringt ferner keine interpretationsbedürftige Mehrdeutigkeit hervor, so dass der Verkehr ihm auch unter diesem Gesichtpunkt keine individualisierende Eigenart beimessen kann. »TopTicket« lässt hinsichtlich seines Sinngehalts allenfalls offen, ob sich die Bezeichnung auf die Qualität der Eintrittskarten oder auf die Qualität der Vermittlungsleistungen bezieht. Der hierdurch eröffnete Phantasiespielraum ist indes zu klein, um für den Verkehr Unterscheidungskraft zu begründen (vgl. hierzu auch BGH GRUR 2001, 735, 736 - Test it: mangelnde Unterscheidungskraft der Wortmarke »Test it« für Genussmittel; WRP 2001, 1080, 1082: mangelnde Unterscheidungskraft von LOCAL PRESENCE, GLOBAL POWER für die Organisation von Reisen, Leistungen eines Tourismusbüros sowie Hotelreservierungen; BPatG GRUR 2001, 509, 510 - EUROTAX, mangelnde Unterscheidungskraft für Steuerberatungsleistungen; Gericht Erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften GRUR Int. 2001, 239 -»Investorworld«; GRUR Int. 2001, 241- Trustedlink). Dass »TopTicket« zusammen und das »T« innerhalb der Buchstabenfolge ohne Leerschritt groß geschrieben werden, begründet für den Verkehr ebenfalls kein Unterscheidungsmittel. Zwar können originär schutzunfähige Buchstabenfolgen aufgrund ihrer grafischen Gestaltung eine Bildmarke ergeben. Vorliegend fehlt es jedoch an der notwendigen Eigenart, die das Zeichen gegenüber dem aktuellen Stand der gebrauchsüblichen Werbegrafik hervorheben könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Eines Ausspruchs zur vorläufigen Vollstreckbarkeit bedarf es wegen § 545 Abs. 2, § 704 ZPO in Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung nicht.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren beträgt 200.000,00 DM festgesetzt.