Unzulässige Online-Durchsuchung

einleitungsbild datenschutzAnfang 2008 entschied das Bundesverfassungsgericht, dass die Regelungen zur Online-Durchsuchung in Nordrhein-Westfalen verfassungswidrig und Online-Durchsuchungen prinzipiell nur unter strengen Auflagen zulässig sind. § 5 Abs. 2 Ziff. 11 VSG NW wurde für nichtig erklärt.

 

Als Online-Durchsuchung wird der verdeckte staatliche Zugriff auf fremde informationstechnische Systeme über Kommunikationsnetze bezeichnet. Der Begriff umfasst dabei sowohl den einmaligen Zugriff (Online-Durchsicht), als auch eine sich über einen längeren Zeitraum erstreckende Überwachung (Online-Überwachung). Die nordrhein-westfälische Landesregierung spricht bei solchen Maßnahmen von einer »serverorientierten Internetaufklärung«. Beide Methoden der Informationsgewinnung sollen im Rahmen der Strafverfolgung, zur polizeilichen Gefahrenabwehr oder zur nachrichtendienstlichen Informationsbeschaffung eingesetzt werden. Sie sollen den Ermittlungsschwierigkeiten Rechnung tragen, die sich ergeben, wenn Straftäter, insbesondere solche aus extremistischen und terroristischen Kreisen, zur Kommunikation sowie zur Planung und Durchführung von Straftaten informationstechnische Mittel und insbesondere das Internet nutzen. Gegenwärtig wird diskutiert, eine Ermächtigung zur Online-Durchsuchung für das Bundeskriminalamt im Zuge seiner Aufgabe zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus (Art. 73 Nr. 9a GG) zu schaffen.

 

Bislang existierte nur in Nordrhein-Westfalen im Gesetz über den Verfassungsschutz (VSG NW) eine gesetzliche Regelung. § 5 Abs. 2 Nr. 11 VSG NW ermächtigte die Verfassungsschutzbehörde zu zwei Arten von Ermittlungsmaßnahmen: Zum einen zum heimlichen Beobachten und sonstigen Aufklären des Internet (Alt. 1), zum anderen zum heimlichen Zugriff auf informationstechnische Systeme (Alt. 2).

Soweit die Vorschrift das heimliche Aufklären des Internets unter bestimmten Voraussetzungen erlaubte, regelte sie zunächst die Kenntnisnahme allgemein zugänglicher Kommunikationsinhalte durch die Verfassungsschutzbehörde. Beispiel wäre der Aufruf einer nicht zugangsgesicherten Webseite durch einen Web-Browser. Nach der Gesetzesbegründung soll die Verfassungsschutzbehörde daneben in die Lage versetzt werden, unter einer Legende an Chats, Auktionen oder Tauschbörsen teilzunehmen oder verborgene Webseiten aufzufinden. Denkbar wäre zudem etwa, dass die Verfassungsschutzbehörde ein anderweitig - etwa von einem Informanten oder durch sogenanntes Keylogging - aufgespürtes Passwort einsetzt, um auf ein E-Mail-Postfach oder auf eine zugangsgeschützte Webseite zuzugreifen. Auch in einem derartigen Fall würde die Verfassungsschutzbehörde Inhalte der Internetkommunikation äußerlich auf dem dafür vorgesehenen Weg zur Kenntnis nehmen. Unter einem heimlichen Zugriff auf ein informationstechnisches System ist demgegenüber eine technische Infiltration zu verstehen, die etwa Sicherheitslücken des Zielsystems ausnutzt oder über die Installation eines Spähprogramms erfolgt. Der in § 5 Abs. 2 Ziff. 11 S. 1 Alt. 2 VSG NW geregelte heimliche Zugriff auf informationstechnische Systeme mittels technischer Infiltration wird unter den Schlagworten »Online-Durchsuchung« und »Bundestrojaner« intensiv diskutiert.

Vereinzelt wurden heimliche Überwachungsmaßnahmen durch Bundesbehörden wohl auch ohne besondere gesetzliche Ermächtigung durchgeführt. Über die Art der praktischen Durchführung der bisherigen Online-Durchsuchungen und deren Erfolge ist wenig bekannt. Die Präsidenten des Bundeskriminalamts und des Bundesamts für Verfassungsschutz haben vor dem Bundesverfassungsgericht mangels einer entsprechenden Aussagegenehmigung keine Ausführungen dazu gemacht. Die Durchführung solcher Maßnahmen wurde im Übrigen einstweilen eingestellt, als der Bundesgerichtshof entschied, dass die Strafprozessordnung für derartige Maßnahmen derzeit keine Rechtsgrundlage enthält.

Das Bundesverfassungsgericht entschied jetzt, dass das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 GG auch das Grundrecht auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme umfasst. Die heimliche Infiltration eines Internetrechners, mit der die Nutzung des Systems überwacht und seine Speichermedien ausgelesen werden können, sei verfassungsrechtlich nur zulässig, wenn tatsächliche Anhaltspunkte einer konkreten Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut - Leib, Leben und Freiheit der Person oder solche Güter der Allgemeinheit, deren Bedrohung die Grundlagen oder den Bestand des Staats oder die Grundlagen der Existenz der Menschen berührt - bestehen. Außerdem müsse die Online-Durchsuchung unter den Vorbehalt richterlicher Anordnung gestellt werden. Diesen Anforderungen genüge die gesetzliche Vorgabe nicht. Nicht zu beanstanden ist es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts allerdings, wenn der Staat sich Informationen auf dem dafür technisch vorgesehenen Weg verschafft, also etwa in Internetforen und auf Websites einfach mitliest.

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