Wackelt Heidelberg?

Tobias H. Strömer  / Januar 2001

Seit der Entscheidung des Landgerichts Mannheim vom 8. März 1996 (LG Mannheim CR 1996, 353 - heidelberg.de) schien die Welt für deutsche Gemeinden in Ordnung. Der Glaubenssatz, dass Internet-Nutzer unter einer Domain nach dem Muster »staedtename.de« immer ausschließlich die Gemeinde mit gleichem Namen suchen, schien sich geradezu zu einem Axiom des deutschen Internet-Rechts entwickelt zu haben. Daran mochte auch das vorübergehende Aufflackern des Ansatzes einer Gegenansicht, wie sie die Richter bei der 3. Zivilkammer des Landgerichts Köln vorübergehend vertraten, nichts zu ändern (LG Köln CR 1997, 291 - kerpen.de).

Ins Wanken geriet die heile Welt der Kommunen, als das OLG Celle (Beschl. V. 21.03.97, 13 U 202/96 - celle.com) in einer Zwischenmitteilung vorsichtig in Frage stellte, ob der Grundsatz auch dann gilt, wenn es sich um eine Domain unterhalb der Top-Level-Domain »com« handelt. Wegen des Suffixes »com« sei es, so die Richter beim Senat in Celle, nämlich eher zweifelhaft, ob der Gemeinde ausschließliche Rechte zustehen. Deutlicher wurde zuvor noch das Landgericht Braunschweig in seiner Entscheidung zur Domain »braunschweig.de« (LG Braunschweig NJW 1997, 2687 - braunschweig.de). Am Ende der - im übrigen zu Gunsten der Gemeinde ergangenen - Entscheidung, teilt das Landgericht mit, dass es sich bei »com«-Domains (wohl) anders verhalten werde, weil der Verkehr die Top-Level-Domain »com« kommerziellen Unternehmen, nicht aber zwingend Gemeinden zuordnet. Davon unbeeindruckt und wohl auch in Unkenntnis der Vorentscheidungen urteilte das OLG Karlsruhe, dass auch die Domain »badwildbach.com« allein der bekannten Gemeinde Bad Wildbach zukommt. Es fragt sich, wie die Richter am Oberrhein wohl entschieden hätten, wenn es um die Domain »berlin.us« im Streit zwischen der Bundeshauptstadt und einer der zahlreichen Gemeinden mit dem Namen Berlin in den Staaten gegangen wäre. Wer hätte wohl die besseren Aussichten bei einer Auseinandersetzung zwischen dem Zoodirektor in Krefeld und dem Magistrat der Stadt Berlin um die Domain »tiergarten.de«? Erwarten Internet-Nutzer unter »sanktmartin.de« die Gemeinde Sankt Martin in der Pfalz oder eine Kirchengemeinde gleichen Namens in Hamburg?

Dankenswerterweise stellte das Landgericht Augsburg - insoweit erkennbar erstmalig - wenigstens klar, dass das durchaus nachvollziehbare Interesse einer Stadt, unter ihrem eigenen Namen im Internet auftreten zu dürfen, dasjenige des Inhabers eines gleichen Familiennamens nicht überwiegt. Damit liegen die Richter auf einer Linie mit ihren Kollegen beim Landgericht Düsseldorf (LG Düsseldorf 4 O 732/00 - schauenburg.de) und beim Landgericht Stuttgart (Landgericht Stuttgart 17 O 92/00 - weingarten.de). Auch in diesen Verfahren wurde in der mündlichen Verhandlung mehr als deutlich, dass es keinen Grundsatz »Städtename vor Familienname« gibt und zwar völlig unabhängig davon, ob der Inhaber des Familiennamens »seine« Domain geschäftlich oder privat nutzt. Unter dem Eindruck dieser klaren Stellungnahme schlossen die Parteien jeweils einen für den Domain-Inhaber recht günstigen Vergleich.

Der Entscheidung des Landgerichts Augsburg ist zu entnehmen, dass das Gericht möglicherweise anders entschieden hätte, wäre es um den Namen einer bedeutenden, weitaus bekannteren Gemeinde gegangen. Auch diese Überlegung deckt sich mit dem, was sonst in der Welt des Domain-Rechts gilt: Bekannte Marken, Titel oder Namen, also Kennzeichen mit überragender Verkehrsgeltung, setzen sich hier problemlos gegen völlig unbekannte Domain-Inhaber durch. Diese Konsequenz aus der Anwendung markenrechtlicher Regeln ist für den durchschnittlich bedarften Domain-Inhaber nachvollziehbar. Kleinere Gemeinden sollten sich dagegen damit abfinden, dass das Urteil des Landgerichts Mannheim zu „heidelberg.de" kein Allheilmittel ist.

LG Augsburg, Urt. v. 15.11.00, 6 O 3536 - boos.de

Kontakt

Rechtsanwaltskanzlei Strömer
Duisburger Straße 9
40477 Düsseldorf

Telefon:   +49 211 164581-00
Telefax:   +49 211 164581-01
E-Mail:    anwalt@stroemer.de