Für viele Patienten sind Bewertungen von Arztpraxen durch andere Patienten auf den einschlägigen Portalen ein wichtiges Entscheidungskriterium. Laut einer Studie des Branchenverbands Bitkom von Anfang 2017, die von den Ergebnissen einer Umfrage unter jameda-Nutzern bestätigt wird, beachten mehr als 60 % der Verbraucher die Bewertungen anderer Nutzer für die Entscheidungsfindung. Grund genug für jeden Betroffenen, sich einmal Gedanken dazu zu machen, wie er im Internet bewertet wird. Und vor allem: Wie er Bewertungen wieder loswird, die aus seiner Sicht vollkommen ungerechtfertigt sind.
Grundsätzlich sind Bewertungsportale ja eine durchaus gute Sache. Nicht nur Patienten geben sie eine wichtige Orientierungshilfe. Auch der bewertete Arzt kann laufend prüfen, wie er mit den von ihm erbrachten Leistungen bei seinen Patienten ankommt.
Nur wer unzufrieden ist, bewertet
Das Problem besteht allerdings darin, dass regelmäßig nur unzufriedene Patienten Bewertungen abgeben. Die sind dann naturgemäß niederschmetternd, auch wenn der Arzt im Übrigen nahezu ausschließlich zufriedene Kunden hat. Hinzu kommt, dass Bewertungen hin und wieder auch durch Personen erfolgen, die gar nicht zum Patientenkreis gehören. Das kann unterschiedliche Gründe haben. Vielleicht handelt es sich ja nur um einen streitlustigen Nachbarn der Arztpraxis oder einen missgünstigen Kollegen. Überprüfbar ist das oft nicht, weil die meisten Bewertungen anonym erfolgen. Kaum ein Patient, der über seine Unzufriedenheit berichtet, möchte von dem behandelnden Arzt identifiziert werden.
Es gibt inzwischen Portale, die versuchen, diesen Missstand zu beheben und dafür Sorge zu tragen, dass Bewertungen nur von echten Patienten abgegeben werden können. Einen solchen Ansatz verfolgt etwa die Retaxo UG aus Düsseldorf.
Zulässige und unzulässige Bewertungen
Grundsätzlich gilt: Eine Bewertung muss ein Arzt auch dann dulden, wenn er sie im Einzelfall für völlig ungerechtfertigt und überzogen hält.
Das gilt vor allem für Werturteile. Deshalb kann ein Arzt gegen Darstellungen wie »Finger weg vom Arzt!«, »Einmal und nie wieder!« oder »Das soll ein Arzt sein???« regelmäßig nichts unternehmen. Ihm bleibt nur die Möglichkeit, die Bewertung zu kommentieren, falls die Plattform ihm hierzu Gelegenheit gibt. Unzulässig werden Werturteile erst dann, wenn sie Beleidigungen enthalten oder aus sonstigen Gründen unter die Gürtellinie gehen. Der Bundesgerichtshof nennt das »Schmähkritik«. Niemand muss es sich gefallen lassen, sich auf einer Bewertungsplattform als »Vollpfosten« bezeichnen zu lassen, der Inhaber einer Arztpraxis ist, in der alle Arzthelferinnen »hässliche Kröten« sind.
Unzulässig sind auch falsche Tatsachenbehauptungen. Das sind Darstellungen, die entweder objektiv entweder richtig oder falsch sind. Nötigenfalls kann also ein Zeuge oder ein Sachverständiger befragt werden, ob die Aussage richtig ist. Ein Bedürfnis, falsche Tatsachenbehauptungen zu verbreiten, wird von der Rechtsprechung nicht anerkannt. Auch hier besteht also ein Löschungsanspruch. Für die Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung ist immer der Bewertende darlegungs- und nötigenfalls beweispflichtig.
Dabei sollte nicht aus den Augen verloren werden, dass nahezu jede Bewertung natürlich ein Behandlungskontakt voraussetzt. Wenn der Bewertende gar nicht Patient war oder ist, kann er sich schlechterdings auch mit den Leistungen des Arztes nicht auseinandersetzen. Auch die inzidente Behauptung, dass ein Behandlungskontakt stattgefunden hat, ist eine Tatsachenbehauptung, die entweder richtig oder falsch ist.
Falsche Bewertungen: Wisch und weg?
Wenn ein Arzt gegenüber dem Betreiber des Bewertungsportals erfolgreich auf eine Löschung hinwirken möchte, muss er die von ihm beanstandete Aussage so konkret bezeichnen, dass der Portalbetreiber den Beitrag ohne weiteres auffinden kann. Bei falschen Tatsachenbehauptungen muss er außerdem darlegen, warum die Aussage aus seiner Sicht unrichtig ist. Üblicherweise halten Portalbetreiber für solche Rügen inzwischen Löschungsformulare bereit. Die Angaben sollten sehr sorgfältig gemacht werden, da in der Praxis hier häufig entscheidende Fehler unterlaufen, die später nicht mehr korrigiert werden können.
Unzulässige Werturteile muss der Portalbetreiber unverzüglich entfernen, sobald er hieraus hingewiesen wurde. Bei Tatsachenbehauptungen darf er nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zunächst einmal in einen Dialog mit dem Bewertenden treten, um zu klären, ob der Arzt mit seiner Darstellung Recht hat. Reagiert der Autor des Beitrags nicht, muss die Bewertung gelöscht werden. Bringt er dagegen aussagekräftige Belege für die Richtigkeit seiner Darstellung bei, liegt es am Arzt, diese Nachweise zu entwerten.
Die Erfahrung zeigt, dass die Portalbetreiber sehr unterschiedlich auf Löschungsverlangen reagieren. In manchen Fällen wird eine beanstandete Bewertung zumindest vorübergehend entfernt, bis die Frage nach der Richtigkeit einer Tatsachenbehauptung geklärt ist. Oft kommt es leider auch vor, dass die Löschung verweigert wird. In solchen Fällen kann ein Anwaltsschreiben Wunder wirken, auch wenn die endgültige Entfernung manchmal nur im Klageweg durchgesetzt werden kann.
Tobias H. Strömer, September 2017