Das Urheheberrecht einer Architektin, die einen öffentlichen Platz gestaltet hat, wird beeinträchtigt, wenn sein Konzept einer freien Zugänglichkeit durch Errichtung eines Zauns auf dem Platz geändert wird. Die in einem solchen Fall gebotene Abwägung zwischen den Interessen des Urhebers und des Eigentümers - hier einer Kommune -, der allgemeinen Öffentlichkeit einen Platz mit hoher Aufenthaltsqualität zur Verfügung zu stellen, fällt aber zugunsten des Eigentümers aus.
Oberlandesgericht Düsseldorf
Urt. v. 11.01.24, 20 U 36/23
Streitwert: 10.000,00 €
Tenor
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klägerin ist selbständige Architektin und Stadtplanerin und betreibt unter der Bezeichnung „X.“ ein Architekturbüro. Auf der Grundlage eines Architektenvertrages (Anlage PR6) entwarf sie im Auftrag der Stadt Y. im Jahre 2004 ein Konzept zur Umgestaltung des von Straßen umfassten und von Straßenbahnschienen durchschnittenen und mit einer Straßenbahnhaltestelle versehenen Z.-Platzes in Y., das in den Jahren 2004/2005 in Kooperation mit dem Landschaftsarchitekten N. und dem Lichtkünstler F. umgesetzt wurde. Das Konzept für die Umgestaltung des Platzes überschrieben die Planer mit dem Begriff „Grüne Insel“ und bezeichneten die Hauptelemente des in Dreiecksform angelegten Platzes wie folgt:
-
einem im Boden eingelassenen Raster grüner LED-Lichtpunkte,
-
einem die umgebende Bebauung überragenden „Grünen Strahl“,
-
Platanen in kreisrunden erhöhten Grasflächen sowie
-
„Stadtsofas“ aus Glasbausteinen.
Das Konzept lässt sich dem nachfolgend eingeblendeten Entwurf der Klägerin entnehmen:
Die Stadt Y. benannte in der Vorlage 66/74/2004 die später umgesetzten Umbaumaßnahmen wie folgt:
„Das Planungsbüro X. mit der Architektin und Stadtplanerin A., dem Landschaftsarchitekten Alexander N. sowie der Stadtplanerin M.)., dem Lichtkünstler F. und dem Lichtplanungsbüro H. wurde mit der
Planung beauftragt.
[…]
Gestalterische Elemente
- Ergänzende Baumpflanzungen zur Einfassung des Platzes
- „Leuchtende Stadtmöbel“: Drei aus grün-türkisfarbenen schlagsicheren Glasbausteinen gefertigte Begrenzungselemente markieren die Platzkanten. Die sogenannten „Stadtsofas“ sind von innen beleuchtet
und dienen als Schutz vor dem Verkehr. Als beleuchtete Sitzmöbel steigern sie das Sicherheitsempfinden.
- Platzoberfläche aus grünen versiegelten, schmutzabweisenden Betonsteinen mit einem Raster aus Leuchtpflaster (Betonsteine mit rutschfesten und schlagsicheren LEDLichtmodulen)
- „Grüner Strahl“: Die Mitte des Platzes wird durch einen beleuchteten grünen Pylon markiert, der als „grüner Strahl“ aus allen Straßenachsen sichtbar ist.“
Der Beklagte betreibt auf dem Z.-Platz seit der Umgestaltung des Platzes einen Gastronomiebetrieb mit der Bezeichnung „P.“, zunächst aus einem silbernen Verkaufswagen/Stand heraus, seit 2013 in einem in Absprache mit der Stadt Y. errichteten Glaspavillon und angrenzender möblierter Terrassenfläche. Im Jahr 2020 errichtete der Beklagte mit entsprechender Genehmigung der Stadt Y. einen Zaun aus eloxierten Stahlträgern mit rostfreien Drahtseilen um den Gastronomiebetrieb samt möbliertem Terrassenbereich, der auch mehrere der „Stadtsofas“ einschließt, herum. Der Zaun ist zudem mit Schrauben an den „Stadtsofas“ befestigt, wie dies auf dem nachfolgend eingeblendeten, von der Klägerin vorgelegten Foto erkennbar ist:
Die Klägerin ist der Ansicht, durch die Errichtung des Zauns ließen sich Teile des Z.-Platzes, unter anderem mehrere der „Stadtsofas“ nicht mehr für die Öffentlichkeit nutzen, sodass sie die von der Klägerin mit ihrer Gestaltung des Platzes angedachte Funktion nicht mehr erfüllten. Mit dem Zaun entziehe der Beklagte dem als Kommunikationsraum gestalteten Platz zum Teil seine durch die Klägerin ersonnene Zweckbestimmung und verletze deshalb das Urheberpersönlichkeitsrecht der Klägerin. Sie forderte den Beklagten deshalb mit anwaltlichem Abmahnschreiben vom 28. März 2022 (Anlage PR3) erfolglos zur Unterlassung auf.
Die daraufhin von der Klägerin erhobene, auf Unterlassung der Errichtung eines Zauns gerichtete und auf eine Verletzung ihres Miturheberrechts gestützte Klage hat das Landgericht mit am 22. Februar 2023 verkündeten Urteil, auf dessen tatsächliche Feststellungen hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes erster Instanz gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, abgewiesen.
Zur Begründung hat das Landgericht im Wesentlichen ausgeführt, der geltend gemachte Unterlassungsanspruch ergebe sich nicht aus § 97 Abs. 1 UrhG, weil eine Verletzung des Urheberrechts durch einen Verstoß gegen das in § 14 UrhG normierte Entstellungs- und Beeinträchtigungsverbot im Hinblick auf den im Einverständnis mit der Stadt vom Beklagten errichteten Zaun nicht festgestellt werden könne.
Zwar sei der Platz, der unter Berücksichtigung des dem Urteil beigefügten Entwurfs errichtet worden sei, aufgrund der insoweit zum Ausdruck gekommenen Planung als urheberrechtschutzfähiges Bauwerk im Sinne von § 2 UrhG anzusehen. Die Planung und deren Umsetzung weise die im Urheberrecht vorausgesetzte Individualität im Sinne von § 2 Abs. 2 UrhG auf. Die Klägerin habe anlässlich ihrer Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung die der Planung des Platzes zugrundeliegenden Erwägungen anschaulich geschildert. Betont werden sollte die Dreiecksform des Platzes, was umgesetzt worden sei durch ein sogenanntes Funktionsband um den Platz herum. Der Platz habe besonders nachts in seiner Gesamtheit zum Leuchten gebracht werden sollen, was durch die LED-Elemente in der Pflasterung auf dem ganzen Platz, auch zwischen den Gleisen, habe umgesetzt werden sollen. Im Zusammenhang mit dieser Intention sei die zwischen den Gleisen befindliche Laterne umgestaltet worden zu einer Lichtsäule, die nach oben in grün und nach unten hin weiß strahle. Hierdurch habe die Idee einer „Grünen Insel tags und nachts“ zum Ausdruck kommen sollen. Um die Klarheit des Platzes zu betonen, hätten lediglich die Straßenbahnhaltestellen verbleiben sollen, so wie sie in der Zeichnung als schwarze Baukörper gezeichnet seien. Es sollten keine Werbeträger auf dem Platz errichtet werden, um die Übersichtlichkeit besonders hervorzuheben. Vor dem Funktionsband sollten drei leuchtende Glasbänke errichtet werden, um den Platz vor dem Straßenverkehr und sonstigen Einflüssen abzuschirmen und gleichzeitig zum Aufenthalt einzuladen. Dies alles sei Ausdruck einer individuellen Gestaltung.
Die Klägerin sei auch als Miturheberin dieser individuellen Gestaltung anzusehen. Auf sie gehe jedenfalls die Umsetzung der sogenannten „Stadtsofas“ zurück. Dies sei ein Beitrag, der die Formgestaltung des gemeinsamen Werkes individuell mitgeprägt habe. Als Miturheberin sei die Klägerin hinsichtlich des geltend gemachten Unterlassungsanspruchs auch aktivlegitimiert, § 8 Abs. 2 Satz 3 UrhG.
Eine gegen § 14 UrhG verstoßende Beeinträchtigung oder Entstellung des von der Klägerin (mit) geschaffenen Werkes durch den von dem Beklagten errichteten Zaun scheide indessen aus, weil der Platz in dem Zeitpunkt, in dem der Zaun errichtet worden sei, bereits so maßgeblich umgestaltet worden sei, dass das tatsächliche Erscheinungsbild des Platzes nicht mehr dem der ursprünglichen Planung zugrunde liegenden Konzept entsprochen habe. Unabhängig von der Einflussnahme der Stadt im Rahmen der Umsetzung der Planung (die Platzoberfläche sei nicht aus grünen, versiegelten, schmutzabweisenden Betonsteinen gestaltet worden und die runden Leuchtelemente seien in größeren Abständen gesetzt worden) und der Veränderung durch den Rückbau einer Sitzbank, die mit Einverständnis der Klägerin erfolgt sei, sei der individuelle Charakter des Platzes durch die Errichtung des Glaspavillons, die der Beklagte im Einverständnis der Stadt vorgenommen habe, bereits vor Errichtung des Zauns maßgeblich verändert worden. Während die ursprüngliche Konzeption von der Übersichtlichkeit des Platzes geprägt gewesen sei, nur temporäre Nutzungen auf dem Platz stattgefunden hätten und die klare Dreiecksform durch die einheitliche Pflasterung und das Weglassen von Werbesäulen habe betont werden sollen, habe der Platz durch die Errichtung des Glaspavillons eine „Möblierung“ erfahren, die das optische Erscheinungsbild so maßgeblich verändert habe, dass das zu Grunde liegende Konzept nicht mehr erkennbar gewesen sei. Hinzu komme, dass durch die Errichtung der Pizzeria die Zweckbestimmung einer öffentlichen Nutzung durch die Allgemeinheit in der Weise entfallen sei, dass der verpachtete Bereich der Nutzung des Beklagten und seinen Gästen gewidmet worden sei.
Dabei könne offen bleiben, ob die Errichtung des Pavillons von dem vertraglich vorgesehenen Veränderungsrecht der Stadt gedeckt gewesen sei. Jedenfalls hätten die Klägerin und die Miturheber gegen den im Jahre 2013 errichteten Glaspavillon, der zu einer dauerhaften Einrichtung und ortsfesten „Möblierung“ auf dem Platz geführt habe, nichts unternommen.
Der Platz sei durch den Glaspavillon maßgeblich umgestaltet worden. Ein klar gegliederter Platz, geprägt von einzelnen Lichtelementen, sei seit der Errichtung des Pavillons im Jahre 2013 nicht mehr vorhanden gewesen. Die Pflasterung mit Leuchtelementen sei zwangsläufig im Bereich der überbauten Fläche entfallen. Durch den dauerhaft errichteten Glaspavillon sei die mit der Konzeption verfolgte Übersichtlichkeit nicht mehr gegeben. Die Dreiecksform sei im Hinblick auf den errichteten Baukörper nur noch bedingt erkennbar. Ein bestimmter Bereich sei von der Nutzung durch die Allgemeinheit ausgenommen worden. Gestattet worden sei die Errichtung des Glaspavillons sowie die Nutzung einer vertraglich definierten Fläche für Außengastronomie. Auf die genaue Größe der Fläche komme es insoweit nicht an. Die klare Dreiecksform des Platzes, die durch die Umbaumaßnahme habe betont werden sollen, habe damit eine kleinteilige Untergliederung erfahren, die der ursprünglichen Konzeption widersprochen habe. Soweit die Klägerin sich in diesem Zusammenhang darauf berufen habe, dass der Glaspavillon nachträglich erweitert worden sei, habe sie ihr Vorbringen weder in tatsächlicher noch in zeitlicher Hinsicht konkretisiert, so dass dieses Vorbringen keine Berücksichtigung finden könne.
Aber selbst wenn man davon ausginge, dass eine entsprechende maßgebliche Veränderung des Platzes durch den Glaspavillon nicht eingetreten sei und die Klägerin sich trotz der bereits erfolgten Veränderungen der Gestaltung des Platzes auf das Entstellungs- und Beeinträchtigungsverbot des § 14 UrhG berufen könne, sei eine unter diese Regelung fallende Änderung durch den streitgegenständlichen Zaun zu verneinen.
Bei der im Rahmen der beschränkten Änderungsbefugnis des § 39 Abs. 2 UrhG vorzunehmenden Abwägung sei vorliegend zu berücksichtigen, dass die Stadt durch die Verpachtung der Fläche und die Gestattung, einen Glaspavillon zu errichten, offenkundig entschieden habe, dass ein Teil des Platzes dauerhaft der Nutzung für eine Gastronomie zugänglich gemacht werden solle. Eine entsprechende Entscheidung sehe auch die Klägerin insoweit als interessengerecht an, als dass durch den Aufenthalt von Menschen innerhalb einer Pizzeria das Entstehen von „dunklen Ecken“ vermieden und so eine soziale Nutzung des Platzes ermöglicht werde. Um die insoweit beabsichtigte Nutzung zum Zwecke der Gastronomie störungsfrei zu gewährleisten, sei die Anbringung des Zauns aus Sicht der Kammer hinzunehmen. Die Interessen der Klägerin und der übrigen Miturheber müssten insoweit zurücktreten. Zu berücksichtigen sei, dass der Zaun sich der optischen Gestaltung des Platzes anpasse und in keiner Weise massiv wirke. Er erscheine nicht als weiterer Fremdkörper auf dem bereits durch den Glaspavillon modifizierten Platz und führe deshalb nicht zu einer Entstellung des Bauwerks. Auch soweit die Stadtsofas durch den Zaun nicht mehr für die Allgemeinheit zugänglich seien, ergebe sich hieraus keine Beeinträchtigung der Interessen der Klägerin bzw. der beauftragten Arbeitsgemeinschaft, die maßgeblich über die Beeinträchtigung hinausgehe, die schon durch den von der Stadt durch den Pachtvertrag veranlassten veränderten Nutzungszweck entstanden sei. Im Interesse der Werksnutzung sei die Anbringung des Zauns gerechtfertigt.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründeten Berufung, mit der sie ihren erstinstanzlichen Klageantrag weiterverfolgt.
Sie macht geltend, ihr stehe der begehrte Unterlassungsanspruch aus § 97 Abs. 1 UrhG zu. Die angegriffene Gestaltung erfülle den Tatbestand der Entstellung bzw. anderen Beeinträchtigung gemäß § 14 UrhG. Der Beurteilung des Landgerichts, dass der Platz im Zeitpunkt der Errichtung des Zaunes bereits so maßgeblich umgestaltet gewesen sei, dass das tatsächliche Erscheinungsbild des Platzes nicht mehr dem der ursprünglichen Planung zugrundeliegende Konzept entsprochen habe, sei nicht zu folgen. Das Konzept der Klägerin habe gerade vorgesehen, dass durch die leuchtenden „Stadtsofas“ zum einen die identitätsstiftende Dreiecksform betont werde, zum anderen ein Schutz der Aufenthaltsqualität geschaffen werden solle. Vor der Umgestaltung des Z.-Platzes sei der Z.-Platz gerade nicht zum Aufenthalt genutzt worden, sondern als Parkplatz, sodass die von der Klägerin vorgenommene Trennung des sozialen Raums von funktionalen Elementen nach wie vor augenfällig sei. Die(se) prägenden Elemente der Planung der Klägerin seien nach dem heutigen Zustand des Platzes weiterhin erkennbar.
Die Pizzeria des Beklagten sei durch die Klägerin und die Stadt Y. dabei zunächst als gut designter mobiler Stehimbiss und später in Form einer transparenten Einrichtung mit Sitzplätzen und als soziale Ergänzung des Künstlerpavillons, der bereits vor der Platzneugestaltung von der Stadt Y. installiert worden sei und für Ausstellungen, Performances und Rauminstallationen für einen städtischen Platz im Durchgangsverkehr gestanden habe und der auf dem nachfolgend eingeblendeten Fotos zu sehen sei, gebilligt worden.
Die von der Klägerin ersonnene Gestaltung des Platzes sei durch die Errichtung der Pizzeria gerade nicht aufgehoben, sondern durch diese ergänzt worden. Sie habe dem Aufenthalt gedient und habe damit im Grundsatz der klägerischen Konzeption nicht entgegengestanden. Dies auch deshalb, weil eine Pizzeria auch in größerer Dimension den Aufenthalt auf einem Platz noch fördere und zur sozialen Durchmischung der Aufenthaltsbevölkerung beitragen könne. Die Pflasterung möge im Bereich des Pavillons entfallen sein, diese Fläche sei allerdings im Vergleich zum gesamten Platz unbedeutend.
Der Platz sei bis zur Errichtung des Zauns auch insgesamt noch für die Allgemeinheit nutzbar gewesen. Die Außengastronomie sei eher überschaubar gewesen, Passanten hätten den Bereich frei passieren können, was erst durch die geschaffene Barriere, die fast das gesamte Teilstück ausfülle, nicht mehr möglich sei. Wie massiv der errichtete Zaun auf die Platzgestaltung wirke, lasse sich anhand der nachfolgend eingeblendeten Fotos erkennen: Während das erste Foto den Platz in seinem ursprünglichen Zustand zeige mit einer Nutzung entsprechend dem Nutzungskonzept der Klägerin, zeige das zweite Foto den Zustand nach der von dem Beklagten vorgenommenen Veränderung:
Die Auffassung des Landgerichts, die Dreiecksform sei auch vor dem Eingriff der Beklagten „nur noch bedingt erkennbar“ gewesen, treffe nicht zu. Durch den Zaun sei eine Untergliederung des Platzes erfolgt, während das Konzept der Klägerin vorher noch weitgehend intakt gewesen sei.
Schließlich habe das Landgericht die Interessen der Klägerin nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Die von dem Beklagten vorgenommene Veränderung stelle eine erhebliche optische Beeinträchtigung des Werks der Klägerin dar. Sie wirke, anders als das Landgericht meine, schon wegen der Größe der Fläche nicht „in keinster Weise massiv“. Vielmehr hätten Passanten kaum Platz, den sie nutzen könnten, um den Platz zu passieren, wie insbesondere das Bild 2 des Klageantrages zeige. Die auf dem Funktionsband parkenden Fahrzeuge würden nicht mehr nur durch die vormals von der anderen Seite frei zugänglichen Bank abgeschirmt. Ein Überqueren des Platzes durch Passanten werde vollständig verhindert. Die Sockel der Zaunpfosten seien uneinheitlich teilweise in den Boden eingelassen, teilweise ruhten sie auf viereckigen Betonplatten, was einem Betrachter den Eindruck einer „stümperhaften“ Ausführung vermittele. Bei den eingelassenen Pfosten werde dies noch dadurch verschärft, dass das Fundament „angehäufelt“ sei. Die Querstreben bestünden aus einem dünnen Draht, was gestalterisch bei dem Glaspavillon keine Entsprechung finde. Ästhetisch sei der Zaun insgesamt somit – sehe man von der Farbe schwarz ab – nicht an den errichteten Glaspavillon angeglichen. Der Zaun wirke vielmehr wie ein Fremdkörper. Hinzu komme, dass die „Stadtsofas“, die zentrales Element der Konzeption seien, ihre Funktion vollständig verlören, weil sie nicht mehr frei zugänglich seien. Sie seien nur noch eine Barriere und dienten als Ergänzung des errichteten Zauns.
Weiter habe die mit der Umzäunung verbundene „Privatisierung“ des Platzes zur Folge, dass auch die von der Klägerin erdachte Trennung von Sozial-/Funktionsraum aufgehoben werde. Mit den Veränderungen werde gerade die Nutzung eingeschränkt, die ausdrücklich von der Stadt Y. gewünscht und beauftragt worden und auch in das klägerische Konzept der Platzgestaltung eingeflossen sei.
Die Annahme des Landgerichts, die fehlende allgemeine Zugänglichkeit bewirke keine Beeinträchtigung, die maßgeblich über die Beeinträchtigung hinausgehe, die schon durch den von der Stadt durch den Pachtvertrag veranlassten veränderten Nutzungszweck hinausgehe, treffe ersichtlich nicht zu. Es sei nun mal etwas anderes, bei gutem Wetter ein paar Tische an einem Stehimbiss zur Belebung des Platzes und der Steigerung der Aufenthaltsqualität aufzustellen als einen Platz fast vollständig zu umzäunen. Und es sei auch etwas anderes, ob man einen Glaspavillon mit überschaubarem Freisitz errichte oder große Teile des Platzes der öffentlichen Nutzung entziehe.
Der Pachtvertrag der Stadt mit dem Beklagten sehe gerade nicht vor, dass der Beklagte die Bänke alleinig für seinen Betrieb nutzen könne. Es sei insoweit unverständlich, dass das Landgericht darauf abgestellt habe, aus der fehlenden Zugänglichkeit der Stadtsofas ergebe sich keine maßgebliche Beeinträchtigung der Klägerin. Das Landgericht habe das Vorhaben der Klägerin, den Platz als sozialen Raum auszugestalten, in zu geringem Maße gewichtet. Dass der Zaun überhaupt erforderlich sei, um das Werk nutzen zu können, sei ferner unzutreffend. Denn die Nutzungsmöglichkeit werde gerade durch den Zaun erheblich und im Widerspruch zum eigentlichen Planungsziel und –zweck vermindert. Zudem sei der Zaun optisch nicht ansprechend aufgebracht worden. Die Stadt Y. habe lediglich die Errichtung des Zauns auf den Antrag des Beklagten hin genehmigt und verfolge damit keine eigenen Zwecke. Zudem sei die Errichtung von Zäunen zum Schutze des Restaurants vor Störungen – auch angesichts der Größe des abgetrennten Raums – unverhältnismäßig.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des angefochtenen Urteils den Beklagten zu verurteilen, es unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu unterlassen, auf dem Z.-Platz in Y. einen Zaun um den Gastronomiebetrieb „P.“ zu errichten, wie nachfolgend wiedergegeben geschehen:
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil als zutreffend.
Er zweifelt weiter an, ob die Klägerin tatsächlich Miturheberin der von ihr reklamierten Planung für die Neugestaltung des Z.-Platzes gewesen sei, und verweist insoweit auf seinen erstinstanzlichen Vortrag.
Außerdem zweifelt er seine Passivlegitimation an und wendet insofern ein, die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche müssten eher gegen die Stadt Y. als die damalige Auftraggeberin der Klägerin und aktuelle Eigentümerin des Z.-Platzes gerichtet werden, weil die Stadt durch die Vermietung eines Teils der Platzfläche an ihn und die Genehmigung der Errichtung des jetzt bestehenden Restaurant-Pavillons die von der Klägerin beanstandete Umgestaltung befördert habe.
Die Klägerin spiele die Bedeutung der Errichtung des jetzigen Glaspavillons im Jahre 2013 dadurch hinunter, wenn sie vortrage, zuvor habe dort ein „gut designter Stehimbiss“ bestanden. Dies sei so nicht richtig, der Beklagte habe dort zuvor ausweislich der ihm von der Stadt Y. erteilten Genehmigung einen Marktstand betrieben.
Soweit die Klägerin geltend mache, durch den errichteten Zaun werde die Freiheit von Passanten beschränkt, sich auf und über den Platz zu bewegen, ebenso wie die Freiheit von Personen, sich auf den vom Zaun eingegrenzten Stadtsofas niederzulassen, übersehe sie hierbei, dass diese Beschränkungen in exakt dem gleichen Maße auch ohne den Zaun bestehen würden. Die durch den Zaun eingegrenzte Fläche und die an diese angrenzenden Stadtsofas seien Teil und Gegenstand des Pachtvertrages zwischen dem Beklagten und der Stadt Y., der dem Beklagten das alleinige Nutzungsrecht an der Pachtfläche einräume und ihn damit auch berechtige, allen Passanten das Betreten und Überqueren dieser Fläche und die Nutzung des entsprechenden Teils der Stadtsofas zu untersagen, soweit sie nicht seine Gäste seien.
Soweit die Klägerin meine, dass die Nutzung der Stadtsofas jetzt nicht mehr möglich sei, verkenne sie, dass diese Nutzung auch weiterhin möglich sei, nämlich durch Besucher und Gäste des vom Beklagten betriebenen Restaurants; die von der Klägerin bei ihrer Planung beabsichtigte Nutzungsmöglichkeit sei also weiterhin gegeben.
Die Klägerin übersehe zudem die tatsächliche Nutzung, wenn sie wiederholt auf die von ihr gewünschte Nutzung abstelle. Die Errichtung des Zauns sei gerade deshalb erforderlich gewesen, weil die umzäunte Fläche bis hin zu den Außenwänden des Pavillons und auf den mit zur Pachtfläche gehörenden Stadtsofas von einem beträchtlichen Teil der Nutzer des Z.-Platzes genutzt worden seien zur Verrichtung der Notdurft, zum Erbrechen, zur Verabreichung von Drogen und zum Handel mit diesen. Dies ergebe sich auch aus einem Artikel aus dem G., Nr. 29 vom 15. Juli 2023, der die Zustände am Z.-Platz schildere (Bl. 94 f. e-GA).
Hinsichtlich aller weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat den Z.-Platz besichtigt. Er hat sodann mit den Parteien erörtert, aus welchem Grunde die Stadt Y. die Genehmigung zur Errichtung des Zauns erteilt habe und ob die von ihr angeführten Gründe zur Rechtfertigung eines Eingriffs in das Werk ausreichten. In diesem Zusammenhang ist die Frage erörtert worden, welche Bedeutung der Tatsache zukommt, dass es sich beim Z.-Platz – wie aus dem genannten G.-Artikel hervorgeht - um einen der zentralen Aufenthaltsorte für Drogenabhängige in Y. handelt.
II.
Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Ihr steht der geltend gemachte Anspruch nicht zu.
Allerdings ist die Klägerin als (Mit-)Urheberin (dazu 2.) eines Werkes (dazu 1.) anzusehen, in das – zumindest auch - der Beklagte eingegriffen hat (dazu 3.). Jedoch ist dieser Eingriff durch die gegenläufigen Interessen der Stadt Y. als Eigentümerin des Platzes gerichtfertigt (dazu 4.).
1.
Zutreffend hat das Landgericht die Werkseigenschaft der von der Klägerin in Zusammenarbeit mit einem Lichtkünstler und einem Landschaftsarchitekten erstellten Pläne bejaht, § 2 UrhG.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (GRUR 2019, 73 – Levola Hengelo, Rn. 36, 37; GRUR 2019, 1185 – Cofemel, Rn. 29; GRUR 2020, 736 – Brompton Bicycle, Rn. 22) und des Bundesgerichtshofs (GRUR 2012, 1290 – Zugangsrecht des Architekten, Rn. 58; GRUR 2022, 899 – Porsche 911, Rn. 29) zum unionsrechtlichen Begriff des urheberrechtlich geschützten Werks im Sinne der Richtlinie 2001/29/EG zur Harmonisierung bestimmter Aspekte des Urheberrechts und der verwandten Schutzrechte in der Informationsgesellschaft müssen für die Einstufung eines Objekts als Werk zwei Voraussetzungen erfüllt sein:
Zum einen muss es sich bei dem betreffenden Objekt um ein Original in dem Sinne handeln, dass es sich als eigene geistige Schöpfung seines Urhebers darstellt, zum anderen ist die Einstufung als Werk Elementen vorbehalten, die eine solche geistige Schöpfung zum Ausdruck bringen.
Auch ein öffentlicher Platz kann grundsätzlich als Werk der Baukunst im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 4 UrhG angesehen werden, soweit er die im Urheberrecht vorausgesetzte Individualität aufweist (Schulze in: Dreier/Schulze, UrhG, 7. Auflage 2022, § 2 Rz. 181). Die für eine persönliche geistige Schöpfung notwendige Individualität erfordert, dass sich das Bauwerk nicht nur als Ergebnis rein handwerklichen oder routinemäßigen Schaffens darstellt, sondern dass es aus der Masse alltäglichen Bauschaffens herausragt (BGH GRUR 1982, 107 – Kirchen-Innenraumgestaltung). Dies beurteilt sich nach der Rechtsprechung des BGH nach dem ästhetischen Eindruck, den das Bauwerk nach dem Durchschnittsurteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunst einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt (BGH GRUR 2008, 984 – St. Gottfried; BGH GRUR 1982, 107 – Kircheninnenraumgestaltung).
Vorliegend haben die Stadtplaner ein besonderes Konzept geschaffen, dass sich von der üblichen Gestaltung eines Platzes durch besondere Merkmale unterscheidet, insbesondere durch das Vorsehen einer zentralen Lichtskulptur und die Anordnung beleuchteter „Stadtsofas“ sowie einem Licht/Farbkonzept im Sinne einer allgemein zugänglichen und durch Bodenstrahler gestalteten „grünen Insel“. Diese – nicht allein technisch oder aus ihrem Gebrauchszweck bedingten - Merkmale reichen aus, um eine besondere eigenschöpferische Wirkung und Gestaltung zu bejahen. Der insoweit darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat auch nicht durch Vorlage konkreter Entgegenhaltungen dargelegt, dass die Klägerin bei der Gestaltung des Platzes auf Vorbekanntes zurückgegriffen hat, was einer Anerkennung als eigenschöpferischer Leistung hätte entgegenstehen können (vgl. BGH GRUR 2008, 984 – St. Gottfried).
2.
Zudem hat das Landgericht die Klägerin zu Recht (zumindest) als Miturheberin angesehen. Soweit der Beklagte die Aktivlegitimation weiterhin in Zweifel zieht, ist sein Vortrag unsubstantiiert. Die Klägerin hat, insbesondere im Rahmen ihrer informatorischen Anhörung vor dem Landgericht, geschildert, welche Leistungen sie im Rahmen der Neugestaltung des Z.-Platzes erbracht hat und welche Maßnahmen zur Umgestaltung auf ihre Ideen zurückgehen. Diese – vor dem Hintergrund des vorgelegten Vertrages nachvollziehbare - Darstellung durfte das Landgericht seiner Entscheidung zugrunde legen.
3.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist er auch passivlegitimiert. Soweit er der Auffassung ist, die Klägerin müsse sich (ausschließlich) an die Stadt Y. halten, weil diese Teile des Platzes an ihn vermietet und die angegriffenen Maßnahmen genehmigt habe, ist dies nicht zutreffend. Die Ansprüche des Urhebers gem. § 97 UrhG richten sich gegen alle diejenigen, die ein fremdes Urheberrecht oder verwandtes Schutzrecht verletzen, also gegen Täter, Teilnehmer und – nachrangig – Störer. Der Beklagte ist (unmittelbar handelnder) Täter, weil er den Zaun auf dem Z.-Platz errichtet hat. Ob die Klägerin auch die Stadt Y. in Anspruch nehmen könnte, ist unerheblich, da mehrere Störer/Verletzer unabhängig voneinander haften (vgl. allgemein Herrler, in Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, 83. Aufl., § 1004 Rn. 26).
4.
Der Klägerin steht jedoch der geltend gemachte Anspruch aus § 97 Abs. 1 in Verbindung mit § 14 UrhG nicht zu.
Nach § 14 UrhG hat der Urheber das Recht, eine Entstellung oder eine andere Beeinträchtigung zu verbieten, die geeignet ist, seine berechtigten geistigen oder persönlichen Interessen am Werk zu gefährden. In diesem Zusammenhang sieht § 39 UrhG vor, dass der Inhaber eines Nutzungsrechts das Werk nicht ändern kann, soweit nichts anderes vereinbart ist oder der Urheber seine Einwilligung nach Treu und Glauben nicht versagen kann (zum Verhältnis der beiden Vorschriften s. Schulze, in Dreier/Schulze, UrhG, 7. Aufl., § 39 Rn. 1 – 3; BGH GRUR 1982, 369 – Allwetterbad; BGH GRUR 1982, 107 – Kircheninnenraumgestaltung; LG Berlin GRUR 2007, 964).
Zwar liegt eine Entstellung, jedenfalls eine Beeinträchtigung des Werkes der Klägerin vor, die entgegen der Auffassung des Landgerichts auch erheblich ist (dazu a)). Dies muss die Klägerin infolge der erheblichen gegenläufigen Interessen der Stadt Y. jedoch hinnehmen (dazu b)).
a) Eine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG ist anzunehmen, wenn durch die Handlung des potentiellen Verletzers von dem geistig-ästhetischen Gesamteindruck des Werkes abgewichen wird. Das kann nicht nur der Fall sein, wenn durch Änderungen in die körperliche Substanz des Werks selbst eingegriffen wird, sondern auch dann, wenn das Werk in einen anderen Sachzusammenhang gestellt und damit in seine geistige Substanz eingegriffen wird (BGH GRUR 2002, 532 – Unikatrahmen) oder wenn dem Werk eine Zweckbestimmung zugeordnet wird, die ihm ursprünglich nicht innewohnte, oder das Werk zerstört wird (vgl. BGH GRUR 2019, 619 – Minigolf-anlage; GRUR 2019, 609 – HHole (for Mannheim)). Die Entstellung ist ein besonders schwerwiegender Fall der Beeinträchtigung, die das Werk in gravierender Weise verzerrt oder verfälscht (OLG Hamm ZUM-RD 2011, 343; OLG München ZUM 1996, 165). Ob eine Entstellung (oder eine Beeinträchtigung) vorliegt, kann im Allgemeinen ohne das Urteil bzw. Gutachten von Fachleuten beurteilt werden, weil es auf den ästhetischen Eindruck ankommt, den das Werk nach dem Durchschnittsurteil des für Kunst empfänglichen und mit Kunstdingen einigermaßen vertrauten Menschen vermittelt (BGH GRUR 1974, 675 – Schulerweiterung; BGH GRUR 1982, 107 – Kircheninnenraumgestaltung).
Auch bei Gebäuden können Kontextveränderungen eine Beeinträchtigung im Sinne des § 14 UrhG darstellen. Spiegelbildlich zur Versetzung standortbezogener Kunstwerke an einen anderen Aufstellungsort ist das etwa angenommen worden für den Einbau einer den Gesamteindruck einer schutzfähigen Treppenhausgestaltung verändernden Skulptur (BGH GRUR 1999, 230 – Treppenhausgestaltung) und die Aufstellung einer großen Stahlplastik in eine geschützte Gartengestaltung (KG Berlin NJW-RR 2001, 1201 – Detlev-Rohwedder-Haus). Das gilt unabhängig davon, ob der Urheber lediglich den Entwurf für ein Bauwerk gefertigt oder auch die Errichtung des danach geschaffenen Werks geleitet hat (vgl. Loewenheim, in Schricker/Loewenheim, Urheberrecht, § 2 UrhG, Rn. 49, 156).
Unter Anwendung dieser Grundsätze hat durch die Errichtung des Zauns eine erhebliche Beeinträchtigung des geschützten Werkes stattgefunden. Zwar sind weite Teile der von der Klägerin vorgesehenen Elemente weiterhin vorhanden. Das gilt z.B. für die Beleuchtungselemente und die „Stadtsofas“. Bereits die Auffassung des Landgerichts, der Zaun sei – insbesondere vor dem Hintergrund des in einem Glaspavillon betriebenen Restaurantbetriebes - optisch eher „unscheinbar“, trifft jedoch nicht zu. Wie schon aus den Fotos ersichtlich ist, ist dieser jedenfalls im Bereich der „Stadtsofas“, an die der Zaun in Teilen angebracht worden ist und die vom Restaurantpavillon mehrere Meter entfernt sind, gut sichtbar. Das gilt angesichts der Länge des Zauns sowie der Größe des von ihm umfassten Bereichs auch im Übrigen. Dieser Eindruck hat sich bei der Ortsbesichtigung bestätigt. Hinzu kommt, dass die Beeinträchtigung des Werks nicht nur in optischer Hinsicht zu beurteilen ist. Der Gestaltung des Platzes lag auch das Konzept zugrunde, dass dieser – abgesehen von der für den Kraftfahrzeugverkehr vorgesehenen Fläche - frei zugänglich oder zu überqueren sein soll. Über den bereits vorhandenen Kunstpavillon und die Straßenbahnhaltestelle hinaus waren keine Bauwerke vorgesehen, sondern es sollte ein „frei zugänglicher“ Platz mit hoher Aufenthaltsqualität geschaffen werden. Durch die Errichtung des Zauns ist diese freie Zugänglichkeit nicht mehr gegeben. Soweit der Beklagte argumentiert, dass schon vorher, nämlich durch die im Zuge des mit der Stadt Y. geschlossenen Pachtvertrages erfolgte Errichtung des Restaurant-Pavillons mit einer Außenterrasse war keine freie Zugänglichkeit mehr gegeben gewesen sei, sondern dieser Bereich eben nur noch Restaurant-Gästen vorbehalten gewesen sei, mag dies zwar rechtlich zutreffen. Faktisch fand aber zunächst keine „Privatisierung“ dieser verpachteten Fläche statt. Erst seit der Errichtung des Zauns ist ein Teil des Z.-Platzes für die Allgemeinheit nicht mehr frei zugänglich und insbesondere ist auch ein Teil der Stadtsofas nicht mehr vollumfänglich nutzbar. Dies betrifft nicht nur eine kleine Fläche, sondern - sieht man von der verhältnismäßig kleinen Fläche um den Kunstpavillon und den Streifen längs der Straßenbahnschienen ab - praktisch den gesamten westlichen (größeren) Teil des Platzes. Die Großräumigkeit der Abtrennung ist bereits auf den vorgelegten Plänen (Anlage OLG B 2 = Bl. 148 e-Akte II. Instanz) zu erkennen, was sich bei der Ortsbesichtigung eindrucksvoll bestätigt hat. Für die Öffentlichkeit bleibt neben der Straßenbahnhaltestelle nur der kleinere östliche Teil zugänglich.
b) Dieser Eingriff ist jedoch durch die entgegenstehenden Belange der Stadt Y. als Eigentümerin des Platzes gerechtfertigt.
aa) Liegt eine relevante Beeinträchtigung der Werksintegrität vor, ist die indizierte Gefährdung der geistigen oder persönlichen Interessen des Urhebers mit den kollidierenden Eigentümerinteressen im Wege der Abwägung der jeweils betroffenen Interessen in Ausgleich zu bringen (BGH GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage Rn. 20, 23 ff.; BGH GRUR 2019, 609 – HHole (for Mannheim) Rn. 39 ff; BGH ZUM 1999, 146 – Treppenhausgestaltung). Dabei ist zu beachten, dass der potenzielle Interessenkonflikt zwischen dem Eigentümer des Werkes und seinem Urheber grundrechtlichen Wertungen unterliegt; erster kann sich auf sein Grundrecht nach Art. 14 Abs. 1 GG berufen, wenn er mit seinem Eigentum nach Belieben verfahren möchte, während für den Urheber die in Art. 5 Abs. 3 S. 1 GG verbürgte Kunstfreiheit streitet, die nicht nur den Schaffensprozess („Werkbereich“), sondern auch die für die Begegnung mit der Kunst erforderliche Darbietung und Verbreitung des Kunstwerks („Wirkbereich“) umfasst (vgl. BGH GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage – Rn. 20). Im Zusammenhang mit Bauwerken kommt zwei Aspekten besondere Bedeutung zu: Zum einen ist festzustellen, welchen Einfluss die Veränderungen auf den künstlerischen Gesamteindruck des Werkes haben. Beziehen sich die Änderungen nur auf ganz untergeordnete Werkelemente oder sind sie sonst von nicht nennenswerter Relevanz für das gesamte Werk, kommt ihnen in der Interessenabwägung auch weniger Gewicht zu. Umgekehrt führen erhebliche Änderungen im Gesamteindruck zu einer entsprechend schwerwiegenden Beeinträchtigung der Urheberinteressen (LG Berlin GRUR 2007, 964 – Hauptbahnhof Berlin). Zum anderen ist auch im Falle betont künstlerischer Gestaltung der intendierte Gebrauchszweck maßgeblich zu berücksichtigten (BGH GRUR 1982, 107 – Kirchen-Innenausbau). Der Urheber eines Bauwerks weiß, dass der Eigentümer das Bauwerk für einen bestimmten Zweck verwenden möchte. Er muss daher damit rechnen, dass sich aus wechselnden Bedürfnissen des Eigentümers ein Bedarf nach Veränderung des Bauwerks ergeben kann (BGH GRUR 1974, 675 – Schulerweiterung; BGH GRUR 2012, 172 – Stuttgart 21; BGH GRUR 2008, 984 – St. Gottfried). Danach sind öffentliche Interessen an der Veränderung eines öffentlich Zwecken dienenden Bauwerks in die Interessenabwägung miteinzubeziehen, wenn diese öffentlichen Interessen zugleich eigene Interessen des Eigentümers sind (BGH GRUR 2012, 172 – Stuttgart 21; s. auch BGH GRUR 2019, 609 – HHole (for Mannheim) Rn. 43 ff. für bauliche Änderungen eines Museums). Potentiell rechtfertigende Gebrauchsinteressen des Eigentümers sind etwa die Vergrößerung oder Umstellung des Produktionsbetriebs (bei Fabrikbauten), die Modernisierung und Vergrößerung im Bereich des Wohnungsbaus sowie generell die Änderung des Gebrauchszwecks des Gebäudes, ferner Änderungen aufgrund von Anforderungen der Baubehörden, bauliche Sicherheitsinteressen in einem Krankenhaus, geänderte Liturgieauffassungen, die im Altarraum einer Kirche umgesetzt werden sollen, sowie sonstige erhebliche wirtschaftliche Gegeninteressen (BGH GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage; Dietz/Peukert, aaO, § 14 Rz. 40 mit weiteren Nachweisen).
bb) Danach fällt die Interessenabwägung zugunsten der Stadt Y. – und damit des Beklagten, auf deren Rechtsstellung sich dieser berufen kann – aus.
Dafür sind die vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und der Stadt Y. letztlich nicht streitentscheidend, denn sie sind, was ein Änderungsrecht des Eigentümers betrifft, wenig aussagekräftig. Das – ersichtlich von der Stadt Y. vorgegebene und ständig verwendete – Auftragsformular (Anlage PR 5) sah unter „14 Urheberrecht“ zwar ein Abweichungsrecht der Stadt, und zwar auch für das bereits ausgeführte Werk, vor; allerdings sollte § 14 UrhG unberührt bleiben. Daraus ergibt sich letztlich nur, dass die allgemeine gesetzliche Regelung des § 14 UrhG gelten sollte.
Maßgebend für die Entscheidung des Senats sind vielmehr folgende Gesichtspunkte:
Bei dem Werk der Klägerin handelt es sich nicht um „reine Kunst“, vielmehr dient der Platz einem bestimmten Zweck. Die Klägerin war damit beauftragt worden, eine Planung vorzulegen, mit der die Aufenthaltsqualität des stark vom Straßenverkehr in Anspruch genommenen und zudem durch Straßenbahnschienen und eine Haltestelle zerschnittenen Platzes für die gesamte Bevölkerung erhöht werden sollte (vgl. die Vorlage der Stadt zur damaligen Umgestaltung, Anlage PR4 = Anlagenband KV e-Akte 1. Instanz Bl. 11 ff.). Ob bereits damals die unstreitig bereits zu diesem Zeitpunkt vorhandene Problematik, dass sich auf dem Platz eine offene Drogenszene entwickelt hatte, bewusst ins Auge gefasst worden war, ist unklar; in der genannten Vorlage wird sie jedenfalls nicht ausdrücklich angesprochen. Damit ist nicht nur das Interesse der Stadt Y., mit ihrem Grundstück nach Belieben verfahren zu können, sondern zuvörderst das Interesse der Allgemeinheit an einer sinnvollen Nutzung des Platzes angesprochen. Es ist von vornherein einsehbar, dass die Nutzungswünsche der Allgemeinheit und die Gewichtung der bei der Gestaltung und Nutzung einfließenden, möglicherweise konträren Gesichtspunkte nicht statisch sind, sondern im Verlaufe der Zeit starken Veränderungen unterliegen können. Der Planer eines öffentlichen Platzes muss daher damit rechnen, dass an den Widmungsträger immer wieder Änderungswünsche herangetragen werden, und zwar ohne dass diese im strengen Sinne des Wortes „zwingend notwendig“ sind. Eine Gemeinde, die darauf angewiesen ist, dass ein Platz auch von der Öffentlichkeit angenommen wird, muss darauf reagieren können.
Das Interesse der Stadt Y., der allgemeinen Öffentlichkeit einen Platz mit hoher Aufenthaltsqualität zur Verfügung zu stellen (so wie es auch in den damaligen Unterlagen und dem Auftrag an die Klägerin zugrunde lag), konnte zu einem erheblichen Teil nicht verwirklicht werden. Es ist unstreitig, dass es sich bei dem Z.-Platz um einen „Drogenhotspot“ handelt, auf dem in aller Öffentlichkeit Drogen gehandelt und konsumiert werden und auf dem sich eine Vielzahl von Drogenabhängigen aufhalten. Die tatsächlichen Feststellungen, die in dem von der Beklagten vorgelegten G.-Artikel vom 15.07.2023 (Bl. 94-96 e-Akte II. Instanz) geschildert werden, sind unstreitig. Über die Auswirkungen auf das nicht zu diesem Personenkreis zählende Publikum (zukünftig: sonstige Personen) sowie über die dabei an dem Stadtmobiliar angerichteten Schäden mag in den Einzelheiten Streit bestehen, es ist aber ohne Weiteres nachvollziehbar und daher von dem Senat zugrunde zu legen (§ 286 ZPO), dass dies vor allem abends zu erheblichen Belästigungen der sonstigen Personen und generell zu einem Verlust des Sicherheitsgefühls führt. Der Senat hält es für legitim, wenn die Stadt Y. darauf reagiert, und zwar unabhängig davon, ob sie die Problematik bereits bei Vergabe des Planungsauftrages an die Klägerin bewusst als Belang im Blick hatte und ob sich, was der genannte Artikel nahelegt, die Situation durch zunehmenden Crack-Konsum und damit einhergehende Verelendungserscheinungen seit 2004 erheblich verschlechtert hat oder nicht.
Im Hinblick auf während der Ortsbesichtigung getätigte Äußerungen („keine Zäune gegen Drogenabhängige“ und Ähnliches) sei auf Folgendes hingewiesen:
Der Senat tritt nicht in eine nähere Prüfung der Politik der Stadt Y. im Zusammenhang mit Drogenabhängigen ein. Er ist sich bewusst, dass ein (teilweises) Abdrängen der Drogenabhängigen die Probleme letztlich nicht löst, sondern nur verlagert. Es ist aber eine zutiefst politische Entscheidung, die alleine die Stadt Y. zu treffen hat, wie sie damit umgeht, ob sie etwa eine Konzentration der Probleme auf einen Ort (mit dem Vorteil, dass sie die betroffenen Leute gut ansprechen kann, jedoch mit dem Nachteil, dass dieser Ort für sonstige Personen unzugänglich wird) oder eine „Verteilung“ des Problems oder eine Kombination von beidem bevorzugt, auch, ob sie eher ordnungsrechtliche oder eher sozialrechtliche Mittel einsetzen will. Der Senat überprüft nur, welche Entscheidung die Stadt Y. im Zusammenhang mit dem Z.- Platz getroffen hat und ob die dafür herangezogenen Gründe gegenüber den Belangen der Klägerin hinreichendes Gewicht aufweisen.
Der Senat muss aufgrund der vorgelegten Unterlagen davon ausgehen, dass die Stadt Y. bewusst die Errichtung des Zauns auch zum Zwecke der teilweisen Verdrängung der Drogenabhängigen vom Z.- Platz genehmigt hat. Sie hat sich bei der Genehmigung nicht darauf beschränkt, lediglich die Einhaltung öffentlich-rechtlicher Vorschriften gemäß § 74 LBauO NRW zu prüfen, sondern auch weitergehende Erwägungen getroffen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dabei unerheblich, dass die Anregung für die Errichtung des Zauns von dem Beklagten ausging. Maßgeblich ist allein, welche Gründe die Stadt Y. zur Genehmigung des Zauns bewogen haben und ob sie sich diese Gründe zu eigen gemacht hat. Der Stadt Y. war dabei bewusst, wie bereits aus dem Vermerk vom 23.09.2020 (Bl. 151 e-Akte II. Instanz) hervorgeht, dass sich auf der gesamten eingezäunten Fläche nur Gäste des Restaurants – und das auch nur während der Öffnungszeiten – aufhalten durften und dass die Fläche für andere Personen gesperrt war; dabei sind ausdrücklich Drogendealer und –konsumenten angesprochen. Aus der E-Mail der Dezernentin K. (Bl. 152 e-Akte II. Instanz) geht eindeutig hervor, dass mit dem Zaun eine bessere „soziale Kontrolle“, eine Verbesserung der Sauberkeit und der „Situation auf dem Z.-Platz“, die nach den im vorgenannten Vermerk und dem allgemeinen Kenntnisstand nur in der Drogenproblematik liegen konnte, erreicht werden sollte.
Der Senat muss demnach mangels jeglicher gegenteiligen Anhaltspunkte davon ausgehen, dass die Stadt Y. den Betrieb des Beklagten bewusst – auch – zu dem Zweck dort angesiedelt hat, das Sicherheitsgefühl anzuheben, indem ein Aufenthaltsort für sonstige Personen geschaffen wird. Sie hat den Zaun genehmigt, um einen weiten Schutzraum vor dem Restaurant zu schaffen (der umzäunte Platz ist ersichtlich für den eigentlichen Restaurantbetrieb erheblich zu groß) und um den Bereich frei von Drogenabhängigen zu halten, um auch sonstigen Personen den halbwegs ungestörten Aufenthalt auf dem Z.-Platz zu ermöglichen. Nach nachvollziehbarer Auffassung der Stadt Y. war der Zweck des Platzes, Aufenthaltsraum auch für sonstige Personen zu schaffen, nur damit erreichbar. Dieses Interesse geht vor (vgl. auch die Bemerkung des Bundesgerichtshofs, wonach die Interessen des Eigentümers an einer anderweitigen Nutzung in der Regel vorgehen, GRUR 2019, 619 – Minigolfanlage Rn. 25)
Die Stadt Y. – und damit auch der Beklagte – kann nicht auf mildere Mittel verwiesen werden. Soweit die Klägerin während der Ortsbesichtigung auf die Veranstaltung von Events verweist, hilft dies nur temporär. Der Verweis auf mobile Trennelemente hätte nichts an der Abtrennung eines erheblichen Teils des Platzes geändert und zudem zu Problemen mit der Aufbewahrung der Elemente geführt. Auf die Tatsache, dass nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (GRUR 2019, 609 – HHole (for Mannheim) Rn.46) eine Prüfung, ob durch milderen Maßnahmen weniger weit in das Urheberrecht eingegriffen würde, nicht stattfindet, kommt es danach nicht an.
Die Klägerin meint schließlich, die Pfosten des Zauns seien teilweise nicht sauber eingebracht worden, was zu einer optischen Beeinträchtigung führe. Es trifft zwar zu, dass – wie sich aus den Fotos ergibt und bei der Ortsbesichtigung bestätigt hat – der Zement bei den Pfosten teilweise nicht plan eingebracht worden ist. Diese optischen Beeinträchtigungen fallen aber angesichts des übrigen Zustandes des Platzes (u.a. der schlechte Zustand der Stadtbänke) nicht derart ins Gewicht, als dass eine Beseitigung allein dieser Unsauberkeiten verlangt werden kann.
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf § 91 Abs. 1 S. 1, § 708 Nr. 10, § 713 ZPO.
Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich, § 543 Abs. 2 ZPO. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung im Rahmen einer Abwägung der Belange des Urhebers einerseits und des Eigentümers andererseits.
Streitwert: 10.000 €