Zum Tod von Rechtsanwalt Günter Freiherr von Gravenreuth

Tobias H. Strömer / Februar 2010

gravenreuthIn der Nacht auf den 22. Februar 2010 hat Kollege Günter Freiherr von Gravenreuth seinem Leben selbst ein Ende gesetzt. Ich bin persönlich erschüttert und trauere aufrichtig um einen Menschen, den ich persönlich leider nur flüchtig kennen gelernt habe. Als Urgestein des Computer- und Internetrechts wird er mir trotz oder gerade wegen zahlreicher beruflicher Reibereien in angenehmer und denkwürdiger Erinnerung bleiben.

Rechtsanwalt Freiherr von Gravenreuth war den Gegnern seiner Mandanten ein unangenehmer Zeitgenosse. Ich bin überzeugt, dass er sich selbst auch so eingeschätzt hat. Eines aber sollte bei allen Kritikern und Kennern der Szene unumstritten sein: Es gibt wohl kaum einen Anwalt, der sich der Kritik an seiner Person vor allem in Internetforen so umfangreich gestellt hat wie er. Immer wieder habe ich mich gefragt, woher der Mann Energie und Zeit nimmt, sich auch mit seinen größten Kritikern so intensiv auseinanderzusetzen. Übrigens nicht nur im Internet, sondern seit Lochkarten- und Mailbox-Zeiten auch ganz real auf Usertreffen bundesweit. Bei einem gemeinsamen Mittagessen in Düsseldorf hat der Kollege mir schon vor Jahren anvertraut, dass er solche persönlichen Treffen ganz besonders schätzt, weil er sich in der Szene geradezu zu Hause fühlt. Ich bin zutiefst überzeugt davon, dass er das so empfunden hat.

Viele Internetnutzer und Betroffene haben diesen Einsatz - bei aller Kritik und bei allem Unwohlsein - als sehr »sportlich« gewertet. Dieser Wertung schließe ich mich uneingeschränkt an. Und genau hierdurch unterschied sich Freiherr von Gravenreuth von anderen Zunftvertretern, die »heutzutage« auf ihrem Briefbogen blind Massenabmahnungen verschicken, ohne vom Gegner offenbar überhaupt richtig Notiz zu nehmen. Der Kollege hat zurückgebissen und dadurch zu erkennen gegeben, dass es ihm nicht nur um den schnöden Mammon ging, sondern auch um die Sache. Dass er dabei als Anwalt auch seinen Lebensunterhalt verdienen wollte, sei ihm - verflixt nochmal - wohl vergönnt! Wobei sich mir fast der sehr persönliche Eindruck aufdrängt, dass das »Geldverdienen« gar nicht im Vordergrund stand.

Den Jesuiten wird nachgesagt, »suaviter in modo, fortiter in re« gewesen zu sein: »Moderat in der Wahl der Mittel, hart in der Sache«. Gute Rechtsanwälte machen sich dieses Motto bei ihrem täglichen Einsatz für ihre Mandanten zu Eigen. Sie werden schließlich dafür engagiert und vergütet, ihren Auftraggebern zu helfen. Bei der Umsetzung des Auftrags muss dabei jeder Anwalt täglich selbst seine eigenen Grenzen ziehen. Manche Rechtsanwälte verhelfen ihren Mandanten mit unerlaubten oder jedenfalls standeswidrigen Mitteln zum Erfolg. Ob der Kollege von Gravenreuth zu dieser Spezies von Kollegen gehörte, weiß ich - auch das bekenne ich ganz freimütig - bis heute nicht. Trotz der mir angeborenen Skepsis habe ich den Kollegen von Gravenreuth aber nie eines standeswidrigen oder gar rechtswidrigen Verhaltens überführen können oder müssen. Und irgendwie bin ich bis heute froh darüber.

Vor allem aber: Ein süddeutscher Radiosender hat vor einigen Jahren mit dem Slogan: »Die größten Kritiker der Elche sind meist selber welche« geworben. Auch daran fühle ich mich erinnert, wenn ich heute im Internet hämische Kommentare zum Ableben des Kollegen lese. Nicht nur ein Mal habe ich - zunächst erstaunt, zunehmend verständiger - erlebt, dass gerade die größten Kritiker des Kollegen von Gravenreuth mit wehenden Fahnen seine Hilfe erheischten, wenn sie plötzlich selbst juristischen Beistand benötigten. Gute Arbeit spricht sich halt herum.

Und ich erinnere mich an eine mündliche Verhandlung beim Landgericht Düsseldorf, in der der Kollege von Gravenreuth mich vor Jahren durch einen taktischen Schachzug zu einem Remis gezwungen hat. Er hat mich auf einem Nebenschauplatz so lange geärgert, bis ich einen Teil des Hauptziels aus den Augen verloren habe. Damit hat er letztendlich für seine Mandantin das bestmögliche Ergebnis aus der Sache herausgeholt. Dafür gilt ihm heute noch mein Respekt und ich benutze das Beispiel immer noch respektvoll in Vorträgen und bei der Ausbildung junger Kollegen. Strategie gehört unbedingt zum Anwaltsberuf.

Ich würde mir wünschen, wenn wir alle bei aller Kritik, die vor allem der eine oder andere unmittelbar Betroffene an ihm auszusetzen hat, Freiherrn von Gravenreuth auch postum als das würdigten, was er tatsächlich war: Ein Pionier und Wegbereiter des Computer- und Internetrechts, der ganz sicher juristische Landmarken gesetzt hat.

Sollte sich ein guter Anwalt nicht auch daran messen lassen wollen, ob er für seine Mandanten das Beste heraus holt?

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