OLG Düsseldorf, Urt. v. 07.06.11, I-20 U 25/11

eigenesache Die Dringlichkeit für ein markenrechtliches Verfügungsverfahren entfällt nicht schon dann, wenn der Antragssteller seit längerer Zeit von Vertrieb ähnlicher Waren weiß, wenn der Verfügungsantrag auf die Benutzung der Marke auf identische Waren gestützt ist.

Streitwert: 25.000,00 €.

nrw

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Entscheidung vom 7. Juni 2011
Aktenzeichen: I-20 U 25/11

In dem Rechtsstreit

[...]

hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 10. Mai 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Professor Berneke, den Richter am Oberlandesgericht Neugebauer und den Richter am Oberlandesgericht Gmelin
für Recht erkannt:

Auf die Berufung der Antragstellerin wird das am 30. Dezember 2010 verkündete Urteil der 4. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf abgeändert und die einstweiligeVerfügung des Landgerichts Düsseldorf vom 27. September 2010 bestätigt.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Antragsgegner auferlegt.sr

Gründe

 I.

Die Antragstellerin handelt mit Badezimmereinrichtungen wie Waschbecken, Duschen und Armaturen. Sie ist ausschließliche Lizenznehmerin an der am 23. November 2005 angemeldeten und am 26. Januar 2006 eingetragenen, nachstehend wiedergegebenen deutschen Wort-/Bildmarke [...], Registernummer [...], die unter anderem für Badeanlagen, Duschkabinen, Waschbecken und wasserführende Armaturen (Klasse 11) eingetragen ist:

[...]

Der Antragsgegner ist Kaufmann. Unter der Firma [...] handelt er mit Waren aus dem Wellnessbereich, darunter mit Saunaanlagen und Zubehör für den Schwimmbadbereich, aber auch mit Duschkabinen, Waschbecken und Armaturen. Zuvor war er Gesellschafter der 2001 gegründeten [...], die inzwischen liquidiert worden ist. Der Antragsgegner ist Inhaber der am 29. April 1996 angemeldeten und am 7. Oktober 1996 eingetragenen deutschen Wortmarke [...], Registernummer [...], die für Saunaanlagen, Saunaöfen (Klasse 11); Gymnastik- und Turngeräte (Klasse 28) sowie Schwimmbecken (vorgefertigte Metallkonstruktionen) (Klasse 6) eingetragen ist.

Im Frühjahr 2008 kam es zu einem Schriftwechsel der Parteien mit dem Ziel einer Abgrenzungsvereinbarung, die jedoch nicht zustande gekommen ist.

Die Antragstellerin, die in dem Vertrieb von Badezimmereinrichtungen, insbesondere von Waschbecken, Duschwannen, Armaturen, Push-Open Dampfduschen, Armaturen und Paneelen, unter dem Zeichen [...] eine Verletzung ihrer Marke [...] sieht, hat den Antragsgegner auf Unterlassung in Anspruch genommen. Durch Beschluss vom 27. September 2010 ist der Antragsgegner zur Unterlassung der Verwendung des Zeichens [...] für die vorgenannten Waren verpflichtet worden. Auf seinen Widerspruch hin hat das Landgericht die Beschlussverfügung durch Urteil wieder aufgehoben und zu Begründung ausgeführt, es fehle sowohl an einem Verfügungsgrund als auch an einem Verfügungsanspruch. Vor dem Hintergrund des Kontakts der Parteien im Jahr 2008 sei die eidesstattliche Versicherung des Geschäftsführers der Antragstellerin, erst am 8. September 2010 vom Vertrieb von Duschen und Armaturen erfahren zu haben, nicht ausreichend. Zudem könne sich der Antragsgegner auf das ältere Zeichen berufen. Es sei für Saunaanlagen und Schwimmbecken eingetragen und erfasse daher auch Armaturen, Waschbecken und Duschen.

Hiergegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten und zugleich ordnungsgemäß begründeten Berufung.

Die Antragstellerin trägt vor, ihr Geschäftsführer habe erst am 8. September 2010 vom Vertrieb der streitgegenständlichen Waren erfahren. Beim Kontakt der Parteien im Jahr 2008 habe er nur vom Handel mit Saunen, Schwimmbädern und Whirlpools gewusst, Hinweise für einen Vertrieb der Duschen, Armaturen und Waschtischen habe er auf der Internetseite des Antragsgegners nicht entdecken können. Seine Marke [...] könne ihm der Antragsgegner nicht entgegenhalten, zwischen Saunen und Schwimmbädern einerseits und Badezimmereinrichtungen anderseits bestehe keine Verwechslungsgefahr. Im Übrigen habe der Antragsgegner eine rechtserhaltende markenmäßige Verwendung seines Zeichens nicht dargelegt, eine Verwendung zur Kennzeichnung eines auf den Handel mit Produkten anderer Hersteller gerichteten Geschäftsbetriebs sei hierfür nicht ausreichend.

Die Antragstellerin beantragt,

das Urteil des Landgerichts Düsseldorf vom 30. Dezember 2010, 34 0 178/10, aufzuheben und die einstweilige Verfügung vom 27. September 2010 zu bestätigen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Antragsgegner verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Zu Recht habe das Landgericht bereits einen Verfügungsgrund verneint. Die Antragstellerin wisse bereits seit 2008 vom Vertrieb der Duschen, Armaturen und ähnlichen Badezimmerartikel; die eidesstattliche Versicherung ihres Geschäftsführers sei falsch. Es treffe aber auch nicht zu, dass er eine markenmäßige Verwendung von [...] nicht dargelegt habe. Alle Prospektunterlagen trügen die Marke [...]. Dabei erfasse der Begriff „Saunaanlagen" auch Duschen und Armaturen als Zubehör. So biete der führende Saunaanlagenhersteller Klafs auch Duschanlagen nebst Armaturen an.

Der Senat hat mit den Parteien in der mündlichen Verhandlung erörtert, dass er die Marke der Antragstellerin für älter als das Unternehmenskennzeichen des Antragsgegners erachte, zu einer Rechtsnachfolge der [...] Schwimmbad & Saunaworld GmbH sei nichts vorgetragen. Der Antragsgegner sei zwar Inhaber einer älteren Marke, diese sei jedoch für andere Waren eingetragen, als die, die Gegenstand des Verfügungsantrags seien. Er könne sein Zeichen der Verfügungsmarke folglich nur entgegenhalten, wenn seit der Anmeldung der Verfügungsmarke zu keinen Zeitpunkt Löschungsreife bestanden habe. Hierfür müsse er eine markenmäßige Benutzung von [...] für Saunaanlagen glaubhaft machen. Andernfalls bestehe zumindest eine Koexistenzlage, die ihm eine Ausdehnung seiner Zeichennutzung auf das für die Antragstellerin geschützte Warensortiment nicht gestatte. Der Antragsgegner ist dem nicht entgegengetreten, zur Glaubhaftmachung einer Nutzung von [...] für Saunaanlagen war er nicht in der Lage.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands erster Instanz wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, Bl. 53 ff. d. GA., wegen des Parteivorbringens im Übrigen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

II.

Die zulässige Berufung der Antragstellerin hat auch in der Sache Erfolg. Sie führt zur Wiederherstellung der landgerichtlichen Beschlussverfügung, die in rechtlicher Hinsicht einen Neuerlass darstellt.

Der gemäß §§ 935, 940 ZPO erforderliche Verfügungsgrund ist gegeben. Die Antragstellerin ist auf den Erlass der einstweiligen Verfügung angewiesen, bei einer Verweisung auf das Hauptsacheverfahren drohen ihr wesentliche Nachteile. Die Nutzung eines Zeichens durch Dritte ist geeignet, seine Kennzeichnungskraft nachhaltig zu schwächen. Die Antragstellerin hat nicht durch ihr eigenes Verhalten gezeigt, dass die Sache ihr selbst gar nicht so dringlich ist. Der Geschäftsführer der Antragstellerin [...] hat eidesstattlich versichert, erst am 8. September 2010 vom Vertrieb der Duschen, Armaturen, Waschtische und Badmöbel erfahren zu haben, beim Kontakt der Parteien im Jahr 2008 habe er auf der Internetseite des Antragsgegners einen Hinweis auf den Vertrieb dieser Waren nicht entdecken können. Dies deckt sich mit dem als Anlage AS 6 vorgelegten Ausdruck der Startseite des Internetauftritts des Antragsgegners vom 29. Mai 2009, die lediglich die Rubriken Schwimmbad, Sauna, Whirlpool und Dampfbad ausweist. Anderes ist auch dem im Jahr 2008 geführten Schriftwechsel der Parteien nicht zu entnehmen; eine Kenntnis von der deutschen Wortmarke [...], Registernummer [...] gab für eingehendere Nachforschungen ebenfalls keine Veranlassung, da diese gerade nicht für Duschen, Armaturen, Waschtische und Badmöbel eingetragen ist. Soweit der Geschäftsführer der Antragstellerin in einem Telefongespräch mit dem Antragsgegner erklärt haben soll, er kenne dessen Produkte, kann sich dies auf die im Internetauftritt genannten bezogen haben. Eine Kenntnis des Vertriebs von Schwimmbädern, Saunen, Whirlpools und Dampfbädern nimmt dem Antrag nicht die Dringlichkeit. Es macht einen großen Unterschied, ob identische Waren oder nur solche aus dem Ähnlichkeitsbereich vertrieben werden.

Die Antragstellerin hat gegenüber dem Antragsgegner einen Anspruch auf Unterlassung der Benutzung des Zeichen [...] für die in der Beschlussverfügung näher umschriebenen Badezimmereinrichtungen aus § 14 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 5 i. V. mit § 30 Abs. 3 MarkenG. Die Verwendung des Zeichens für die vorgenannten Waren verletzt die Rechte des Inhabers der deutschen Marke [...], Registernummer [...]. Der Inhaber der Marke, der Geschäftsführer der Antragstellerin [...], ist selbst in das Verfahren involviert und hat dem Antrag daher zumindest konkludent zugestimmt.

Gemäß § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist es Dritten untersagt, ohne Zustimmung des Inhabers der Marke im geschäftlichen Verkehr ein Zeichen zu benutzen, wenn wegen der Identität oder Ähnlichkeit des Zeichens mit der Marke und der Identität oder Ähnlichkeit der durch die Marke und das Zeichen erfassten Waren für das Publikum die Gefahr der Verwechslung besteht.

Zwischen dem schutzbeanspruchenden und dem angegriffenen Zeichen besteht Verwechslungsgefahr. Ob eine Verwechslungsgefahr besteht, beurteilt sich zum einen nach der Kennzeichnungskraft der. Schutz beanspruchenden Marke und der Ähnlichkeit der einander gegenüberstehenden Zeichen und zum anderen nach dem Abstand der Waren, für die die Marke registriert ist, und für die das angegriffene Zeichen benutzt wird. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren, so dass ein höherer Grad an Ähnlichkeit der Waren einen geringen Grad an Ähnlichkeit der Zeichen ausgleichen kann und umgekehrt (BGH, GRUR 2006, 859, 860 - Malteserkreuz; GRUR 2002, 542, 543 - BIG).

Die Wort-/Bildmarke [...] wird durch ihren Wortbestandteil [...] geprägt. Aus Wort- und Bildelementen bestehende Marken werden in aller Regel durch ihr Wortelement geprägt, weil dieses die einfachste Möglichkeit bietet, die Waren zu bezeichnen (BGH, GRUR 1998, 930, 931 - Fläminger; GRUR 2004, 778, 779 -URLAUB DIREKT). Auch vorliegend kommt den Bildelementen der Marke keine besondere Bedeutung zu. Sie erschöpfen sich in einer weißen Schrift vor einem blauen Hintergrund, der eine Erhebung aufweist, die vermutlich eine Welle andeuten soll. Dem Wortbestandteil kommt Unterscheidungskraft zu. Hierfür reicht aus, dass sich der gewählte Begriff nicht in der beschreibenden Angabe des Gegenstandes des Unternehmens erschöpft (vgl. BGH, GRUR 1997, 468, 469 - NetCom; GRUR 1997, 845 Immo-Data). Eine besondere Originalität, etwa durch eigenartige Wortbildung, ist nicht erforderlich (BGH, GRUR 1999, 492 - Altberliner). Ein Wort [...] existiert in der deutschen Sprache nicht, die Anlehnung an das lateinische Wort „Aqua" macht das Zeichen nicht zu einer beschreibenden Angabe. Dergleichen behauptet der Antragsgegner selbst nicht, für den [...] ja auch als Wortmarke eingetragen ist.

Zwischen dem prägenden Wortbestandteil der Verfügungsmarke [...] und dem Zeichen des Antragsgegners besteht Identität und damit insgesamt eine hochgradige Zeichenähnlichkeit. Der Antragsgegner nutzt das Zeichen für den Vertrieb von Duschen, Armaturen, Waschtischen und Badmöbeln und damit für Waren, für die die Marke registriert ist, so dass Warenidentität gegeben ist. Der Antragsgegner nutzt das Zeichen [...] markenmäßig. Nur der rein firmenmäßige Gebrauch stellt keine Benutzungshandlung i.S. von § 14 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG dar. In der tatsächlichen Benutzung gehen firmen- und markenmäßiger Gebrauch in aller Regel ineinander übergehen (Ströbele/Hacker, Markengesetz, 9. Aufl., § 14 Rn. 141), weil die angesprochenen Verkehrskreise von Ausnahmen abgesehen eine Verbindung zwischen dem Unternehmenskennzeichen des Dritten und den von ihm vertriebenen Waren oder erbrachten Dienstleistungen herstellen werden (Büscher, MarkenR 2007, 453, 454; vgl. a. BGH, GRUR 2008, 1002 Tz. 22 - Schuhpark).

Die auf die deutsche Wortmarke [...], Registernummer [...] gestützte Verteidigung des Antragsgegners greift nicht durch. Zwar ist nach § 6 Abs. 1 MarkenG im Falle des Zusammentreffens von Rechten im Sinne der §§ 4 und 5 MarkenG für die Bestimmung des Vorrangs der Rechte ihr Zeitrang maßgeblich. Dabei kann der Inhaber des älteren Rechts dieses im Verletzungsprozess auch einredeweise geltend machen (BGH, GRUR 2002, 967, 969 - Hotel Adlon). Die Marke des Antragsgegners ist jedoch nicht für die streitgegenständlichen Waren, sondern für Schwimmbecken, Saunaanlagen und Saunaöfen eingetragen. „Saunaanlagen" ist kein Oberbegriff für Duschen, Waschbecken und Armaturen. Diese Waren flankieren eine Saunaanlage zwar in der Regel, sie sind sie jedoch nicht selbst. Gleiches gilt für „Schwimmbecken". Der Begriff darf nicht mit dem Schwimmbad oder dem Swimmingpool gleichgesetzt werden, das beziehungsweise der zumindest aus einem Schwimmbecken und Armaturen zum Befüllen besteht.

Eine Ähnlichkeit der Waren genügt nur, wenn ein Anspruch auf Löschung des jüngeren Zeichens besteht. Diese Löschungsreife des Klagezeichens kann der Inhaber des älteren Rechts im Verletzungsprozess dann ebenfalls einredeweise geltend machen (Ingerl/Rohnke, Markengesetz 3. Aufl., § 14 Rn. 32). Eine Marke kann jedoch nach § 51 Abs. 4 Nr. 2 MarkenG nicht aufgrund der Eintragung einer Marke mit älterem Zeitrang gelöscht werden, wenn die ältere Marke im Zeitpunkt der Veröffentlichung der Marke mit jüngerem Zeitrang wegen Verfalls hätte gelöscht werden können. Die Marke [...], Registernummer [...], des Antragsgegners ist am 29. April 1996 angemeldet und am 7. Oktober 1996 eingetragen worden, die fünfjährige Benutzungsschonfrist nach § 25 Abs. 1 MarkenG war folglich 2006 schon lange abgelaufen. Zu einer rechtserhaltenden Benutzung für Saunaanlagen und Schwimmbecken hat der Antragsgegner nichts vorgetragen. Eine Löschungsreife der Verfügungsmarke ist folglich nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO. Einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht, die Sache ist kraft Gesetzes nicht revisibel, § 542 Abs. 2 ZPO.

Der Streitwert wird auf 25.000,00 Euro festgesetzt.

Professor Berneke                    Neugebauer                    Gmelin

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