LG Frankfurt/Main, Urt. v. 24.08.11, 3-08 O 65/11

eigenesache Werden Aufwendungsersatz- und Schadensersatzansprüche nach einer Kennzeichenrechtsverletzung sowohl vom Markeninhaber, als auch von zwei Gesellschaften, die das streitgegenständliche Zeichen in ihrer Firma verwenden, geltend gemacht, ist eine solche Rechtsverfolgung auch dann nicht als rechtsmissbräuchlich anzusehen, wenn der Markeninhaber zugleich Alleingesellschafter und Geschäftsführer der Firmeninhaber ist. Der Beweis dafür, dass tatsächlich Anwaltshonorare gezahlt wurden, kann auch durch eine anwaltliche Versicherung erbracht werden.

hessen

LANDGERICHT FRANKFURT AM MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 3-08 O 65/11
Entscheidung vom 24. August 2011

 

 

 

In dem Rechtsstreit

 

[…]

 

hat das Landgericht Frankfurt am Main - 8. Kammer für Handelssachen -

 

 

durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Nickel

Handelsrichterin Bachler

Handelsrichter Meier-Preschany

aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 24. August 2011 für Recht erkannt:

 

 

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger zu 1.) 1.641,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 12.05.2011 und an die Klägerin zu 2.) 1.379,80 € nebst Zinsen in Höhe von 5

Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB seit 12.05.2011 zu zahlen.

 

 

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

 

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Beklagten haben der Kläger zu 1.) zu 9,7 %, die Klägerin zu 2.) zu 66,6 % und der Beklagte zu 23,7 % zu tragen.

 

 

Die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1.) haben der Beklagte zu 57,5 % und der Kläger zu 1.) selbst zu 42,5 % zu tragen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu 2.) haben der Beklagte zu 14 % und die Klägerin zu 2.) selbst zu 86 % zu tragen.

 

 

Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von jeweils 130 % des beizutreibenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

 

Der Streitwert wird für die Gerichtskosten und das Prozessrechtsverhältnis des Beklagten zu den Klägern auf 12.750,53 €, der für das Prozessrechtsverhältnis des Klägers zu 1.) zum Beklagten auf 2.853,03 € und der für das Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zu 2.) zum Beklagten auf 9.897,50 € festgesetzt.

 

 

Tatbestand

 

 

Der Kläger zu 1), zugleich Geschäftsführer der Klägerin zu 2), ist Inhaber der am 10.07.2009 für die Klassen 35 (Personal-/Stellenvermittlung; Verbraucherberatung) und 41 (Veranstaltung und Durchführung von Seminaren) eingetragenen Wort-/Bildmarke

[…] (B1. 16/17 d. A.). Die Klägerin zu 2) vermittelt unter der Marke ihres Geschäftsführers seit 7 Jahren bundesweit u. a. »Rund-um-die-Uhr«- Betreuungkräfte für die häusliche Versorgung von betreuungs- und pflegebedürftigen Menschen. Mit ihren Kooperationspartnern ist die Klägerin zu 2) auch im europäischen Ausland tätig.
Durch Beiträge im Fernsehen (ZDF Länderspiegel, ARD Plus-Minus, WDR Cosmo tv und WDR markt XL) wurde die Klägerin zu 2) auch Fernsehzuschauern bekannt.

 

 

Der Beklagte ist seit August 2010 Inhaber des Domain-Namens […] und betrieb seit September/Oktober 2010 unter diesem Namen eine Internetseite, auf der er für die Vermittlung von Pflegekräften aus Bulgarien warb. Insoweit wird auf die Einzelheiten auf Bl. 19-22 d. A. verwiesen.

 

 

 

Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom 27.12.2010 mahnten die Kläger den Beklagten wegen Verletzung der Wort-/Bildmarke (Kläger zu 2)) und der Geschäftsbezeichnung (Beklagte zu 2) […] bzw. […] ab (BI. 23-32 d. A.). Der Beklagte stellte darauf hin die Werbung auf seiner Internetseite ein, lehnte jedoch im Schreiben vom 07.01.2011 (B1. 35-37 d. A.) die Abgabe der von den Klägern geforderten Unterlassungs- und Verpflichtungserklärung unter Hinweis auf die von ihm am 07.01.2011 gegenüber der […] in München abgegebenen Unterlassungserklärung (Bl. 38/39 d. A.) ab.

 

 

 

Der Kläger zu 1) macht Erstattung der ihn für die Abmahnung vom 27.12.2010 entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.853,03 Euro (1,5 Gebühr aus 150.000,- Euro nebst Auslagenpauschale und MWSt) geltend. Er stützt seinen markenrechtlichen Unterlassungsanspruch auf § 14 Abs. 2 MarkenG und trägt hierzu vor, dass das vom Beklagten verwendete Zeichen […] dem Wortbestandteil seiner Wort-/Bildmarke […] sehr ähnlich sei.

 

Der Wortbestandteil der Marke komme infolge ständiger medialer Präsens seiner Marke und der jahrelangen Benutzung durch die Klägerin zu 2) innerhalb des Gesamtzeichens prägende Kennzeichnungskraft zu.

Das Zeichen […] besitze auch Kennzeichnungskraft. Das Zeichen lasse zwar einen gewissen inhaltlichen Bezug zu den von der Klägerin zu 2) angebotenen Dienstleistungen erkennen. Gleichwohl sei für den angesprochenen Verkehr allein aufgrund des Zeichens […] nicht eindeutig zu erkennen, welchen Charakter die Dienstleistungen konkret hätten. Unter […] sei eine Vielzahl von Dienstleistungen im, am und um das Haus denkbar, z. B. auch Gartenpflege, Gebäudereinigung und Winterdienst. Der Begriff […] lasse nicht nur mehrere Dienstleistungen zu, sondern auch der Sinngehalt sowie die Art der darunter erbrachten Dienstleistungen würden sich nicht sofort erschließen lassen. Der Begriff sei nicht rein beschreibend.

 

 

Das vom Beklagten benutzte Gesamtzeichen […] werde durch den Wortbestandteil […] geprägt, weil dem Zusatz […] kein eigener Bedeutungs­/Aussagewert zukomme.

 

Die von seiner Marke erfassten Dienstleistung und die vom Beklagten angebotenen Dienstleistungen »Rund-um-die-Uhr« — Betreuung seien identisch. Deshalb bestehe zwischen seiner Marke und dem vorn Beklagten benutzten Zeichen Verwechselungsgefahr.

 

Aufgrund der Markenverletzung des Beklagten stünden ihm auch Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu, die einen Streitwert von 150.000,- Euro rechtfertigen (Seite 5 und 6 des Schriftsatzes vom 12.072011).

Der Ansatz einer Mittelgebühr von 1,5 sei angemessen, weil die Angelegenheit als Markensache objektiv schwierig sei. Beim Markenrecht handele es sich generell um eine komplexe Spezialmaterie. Die mit der Klage geltend gemachten vorgerichtlichen Anwaltskosten seien den Klägern auch jeweils in voller Höhe in Rechnung gestellt und von ihnen beglichen worden.

 

 

Die Klägerin zu 2) macht zum einen auch Erstattung der ihr durch die Abmahnung vom 27.12.2010 entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 2.397,50 Euro (1,5 Gebühr aus 150.000,- Euro nebst Auslagenpauschale) sowie zum anderen darüber hinaus Schadensersatz in Höhe von 7.500,- Euro geltend.

 

Die Klägerin zu 2) trägt vor, dass sie die Bezeichnungen […] und […] schlagwortartig zur Kennzeichnung ihrer geschäftlichen Bezeichnung, z. B. in Internet-Domains […] und […] (Seite 4 der Klageschrift in Bl. 4 d. A.), verwende. Der Beklagte benutze unbefugt diese geschützten geschäftlichen Bezeichnungen für sein Dienstleistungsunternehmen. Beide Parteien vermitteln »Rund­um-die-Uhr« — Betreuungskräfte, sodass eine Verwechselungsgefahr offenkundig sei.

Danach stünden der Klägerin zu 2) nicht nur ein Unterlassungsanspruch, sondern auch Auskunfts- und Schadensersatzansprüche zu, die einen Streitwert von 150.000,- Euro rechtfertigen würden.

 

 

Die getrennte Geltendmachung von Abmahnkosten für den Kläger zu 1) und die Klägerin zu 2) sei nicht rechtsmissbräuchlich. Denn es handele sich um unterschiedliche Angelegenheiten. Zum einen gehe es um den Anspruch einer natürlichen Person aus einer eingetragenen Marke und zum anderen um den Anspruch einer juristischen Person wegen Verletzung ihres Unternehmenskennzeichens.

 

Die Höhe des von der Klägerin zu 2) geltend gemachten Schadensersatzes errechne sich nach der Lizenzanalogiemethode. Insoweit lege sie als Bemessungsgrundlage ihren Jahresumsatz von lediglich 1 Millionen Euro zugrunde, obwohl dieser im Jahr 2010 3.340.694,29 Euro betragen habe (B1.90 d. A.). Den Lizenzansatz beziffere sie mit 3 % (-30.000,- Euro im Jahr), sodass sich für den Zeitraum Oktober bis Dezember 2010 ein Betrag von 7.500,- Euro errechne.

 

 

 

Die Kläger beantragen,

 

 

 

den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger zu 1) Schadensersatz in Höhe vorgerichtliche Anwaltskosten von 2.853,03 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 12.05.2011 und an die Klägerin zu 2) Schadensersatz in Höhe vorgerichtlicher Anwaltskosten von 2.397,50 Euro sowie in Höhe von 7.500,- Euro jeweils nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkte über den Basiszinssatz seit 12.05.2011 zu zahlen.

 

 

 

Der Beklagte beantragt,

 

 

 

die Klage abzuweisen.

 

 

 

Der Beklagte trägt vor, dass der Wortbestandteil […] innerhalb der Wort-/Bildmarke nicht hinreichend kennzeichnungskräftig und deshalb ein absolutes Schutz­hindernis gegeben sei. Der durchschnittlich informierte und situationsadäquat aufinerksame Durchschnittsverbraucher verstehe […] als Synonym für

[…]. Zumindest werde er entsprechende Pflegedienstleistungen assoziieren.
Außerdem genieße die Pflegemarke nur Schutz für Personal- und Stellenvermittlung. Der Beklagte habe dagegen häusliche Pflegedienstleistungen beworben, sodass es bereits an eine  Verwechselungsgefahr zwischen den geschützten und angebotenen

Dienstleistungen fehle.

 

 

Den Klägern stehe auch deshalb kein Vergütungsanspruch zu, weil davon auszugehen sei, dass die Kläger mit ihrem Prozessbevollmächtigten eine von den Vorgaben des RVG abweichende Regelung getroffen hätten. Deshalb hätten die Kläger niemals die geltend gemachten Honorare ihrem Prozessbevollmächtigten geschuldet. Außerdem hätten die Kläger viel zu hohe Streitwerte veranschlagt.

 

 

Der Beklagte macht Rechtsmissbrauch geltend und trägt hierzu vor, dass er gleichzeitig von 3 Anspruchsstellern wegen des gleichen Verstoßes abgemahnt worden sei. Die Anspruchsteller seien wirtschaftlich eng miteinander verflochten und die Abmahnungen seien von ein- und derselben Anwaltskanzlei ausgesprochen worden. Dies deute darauf hin, dass mit den Abmahnungen sachfremde Ziele — etwa das Interesse, den Gegner mit möglichst hohen Kosten zu belasten — maßgeblich gewesen seien. Es hätte vollkommen ausgereicht, ihn einmal abzumahnen, weil sowohl die Klägerin zu 2) und die hier nicht beteiligte […] Pflegedienste GmbH etwaige Kennzeichenrechte vom Kläger zu 1) ableiten würden. Außerdem sei zu berücksichtigen, dass der Kläger zu 1) sowohl Geschäftsführer der Klägerin zu 2) als auch der […] sei.

Danach gehe es den Klägern nicht um die Wahrnehmung ihrer Rechte aus einem Kennzeichen, sondern allein darum, einen unliebsamen Mitbewerber durch Generieren von angeblichen Endgeltansprüchen aus dem Feld zu schlagen. Dies sei nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich.

 

Soweit es um den Schadenersatzanspruch der Klägerin zu 2) gehe, komme es für die Bewertung der fiktiven Lizenzgebühr nicht auf den Jahresumsatz der Klägerin zu 2) an, sondern allenfalls auf den des Beklagten. Tatsächlich habe er bis heute nicht einen einzigen Euro-Cent Umsatz erzielt.

 

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die zwischen ihnen gewechselten Schriftsätzen nebst Anlagen verwiesen.

 

 

Entscheidungsgründe:

 

 

Die Klage ist lediglich wegen der Abmahnkosten und insoweit auch nur in Höhe einer 1,3 Gebühr aus 50.000,- Euro begründet.

 

Die Geltendmachung der Abmahnkosten und des Schadensersatzes ist nicht nach § 242 BGB rechtsmissbräuchlich.

Insoweit gilt die Einschränkung der Verfolgbarkeit wettbewerbsrechtlicher Unterlassungs- und Beseitigungsansprüche nach § 8 Abs. 4 UWG nicht für die hier erhobenen Ansprüche auf Aufwendungsersatz (Abmahnkosten) und Schadensersatz. Dies folgt schon daraus, dass § 8 Abs. 4 UWG weder auf den Aufwendungsersatzanspruch nach § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG (BGH GRUR 2007, 164 Tz. 11 — Telefax-Werbung) noch auf den Schadensersatzanspruch nach § 9 UWG anwendbar ist.

 

Im Übrigen findet § 8 Abs. 4 UWG weder unmittelbar noch analog auf markenrechtliche Ansprüche Anwendung. Vielmehr unterliegt die Klageerhebung wegen marken­rechtlicher Rechtsverletzungen nur dem allgemeinen prozessrechtlichen Verbot des Rechtsmissbrauchs, wobei die zu § 8 Abs. 4 UWG aufgestellten Grundsätze unter angemessener Berücksichtigung der Interessen des Rechtsinhabers durchaus zu beachten sind. Angesichts der Besonderheiten des wettbewerbsrechtlichen Rechtsschutzes sind allerdings in anderen Rechtsbereichen, wie vorliegend im Bereich des Markenrechts, die Anforderung an die Annahme rechtsmissbräuchlicher Prozessführung höher anzusetzen.

 

Überdies handelt es sich bei der in der Rechtsprechung und Literatur zu § 8 Abs. 4 UWG aufgeführten Konstellation lediglich um einen in die Gesamtwürdigung des Einzelfalls einzubeziehenden Hinweis auf einen Missbrauch, der nicht etwa durchwegs für sich bereits die Beurteilung als rechtsmissbräuchlich rechtfertigt (OLG Frankfurt GRUR- RR 2008, 96).

Im Markenrecht gilt das allgemeine Rechtsmissbrauchsverbot neben den kodifizierten Ausprägungen des Rechtsmissbrauchs (§ 21 MarkenG) als Schranke jeglicher Rechtsausübung (BGH GRUR 2001, 242, 244 — Classe E) in der Ausprägung zweier Grundformen, und zwar zum einen als schutzrechtsimmanentes Verbot des Missbrauchs einer nur formalen, d. h. in sachlich nicht gerechtfertigter Weise, oder mangelbehaftet erworbenen Rechtsposition, und zweites als Verbot einer im Sinne von § 3 UWG unlauteren oder im Sinne von § 826 BGB sittenwidrigen und daher rechtsmiss­bräuchlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus einem zunächst an sich mangelfrei erworbenen Kennzeichenrecht (Ingerl/Rohnke vor §§ 14-19 d MarkenG, 3. Auflage R. 321). Darum geht es jedoch nach dem eigenen Vorbringen des Beklagten nicht. Vielmehr macht er geltend, dass die Kläger und die […] im parallelen Rechtsstreit letztlich ihre Rechte nur aus der eingetragenen Wort-/ Bildmarke

[…] ableiten würden. Dies trifft jedoch nicht zu.

 

Denn die Klägerin zu 2) macht keinen markenrechtlichen Anspruch aus §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 und 5 MarkenG geltend, sondern sie stützt ihren Unterlassungsanspruch auf §§ 5, 15 Abs. 2 und 4 MarkenG. Letzteres ist jedoch ein anderer Streitgegenstand als der vom Kläger zu 1) geltend gemachte Unterlassungsanspruch. Nur letzterer ist auf die eingetragene Wort-/Bildmarke […] gestützt. Deshalb gehen die Kläger aus unterschiedlichen kennzeichenrechtlichen Ansprüchen vor mit der Folge, dass es zwar um ein- und denselben Verstoß geht (die Internetseite des Beklagten), der aber unterschiedliche Rechte der Kläger verletzt. Deshalb sind auch beide Kläger berechtigt, ihre unterschiedlichen Rechtspositionen getrennt geltend zu machen, was einen Rechtsmissbrauch ausschließt.

 

Nicht anderes gilt im Verhältnis zur separat klagenden Firma […], die nach dem unwidersprochenen Vortrag der Kläger auch eine eigenständige Verletzung ihres Geschäftszeichens geltend macht. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass dieser Anspruch in einer separaten Klage verfolgt wird, auch wenn der Kläger zu 1) Geschäftsführer und Alleingesellschafter der Fa. […] ist.

Dem Kläger zu 1) steht ein Anspruch auf Erstattung der ihm durch die Abmahnung vom 27.12.2010 entstandenen Rechtsanwaltskosten nach §§ 677, 683, 670 BGB zu, soweit diese Kosten der Höhe nach erforderlich sind.

Ein auf die Grundsätze der Geschäftsführung ohne Auftrag gestützter Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten setzt voraus, dass dem Abmahnenden gegenüber dein Abgemahnten zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch zustand und die Abmahnung dem Abgemahnten die Möglichkeit bot, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstigerer Weise durch Abgabe einer strafbewerten Unterlassungserklärung abzuwenden (BGH GRUR 2011, 617 Tz. 16 — Sedo).

 

Dem Kläger zu 1) stand zum Zeitpunkt der Abmahnung ein Unterlassungsanspruch wegen Verletzung seiner Klagemarke nach §§ 4 Nr. 1, 14 Abs. 2 Nr. 2 und Abs. 5 MarkenG zu, soweit es um die Werbung auf der Internetseite des Beklagten, […], geht. Denn der Beklagte benutzte die Bezeichnung […], mit der er seine Internetseite überschrieb, markenmäßig, weil damit auf die Herkunft der auf der Internetseite beworbenen Dienstleistungen, Vermittlung von aus Bulgarien stammenden Pflegekräften zur »Rund-um-die-Uhr« — Betreuung, aus einem bestimmten Unternehmen stammend, dessen Inhaber der Beklagte war, hingewiesen wurde.

Es besteht auch eine Verwechselungsgefahr zwischen der Wort-/Bildmarke […] und dem vom Beklagten benutzten Gesamtzeichen […].

 

Die Beurteilung der Verwechselungsgefahr im Sinne von § 14 Abs. 2 Nr. 2 MarkenG ist unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmen. Dabei besteht eine Wechselwirkung zwischen den in Betracht zu ziehenden Faktoren, insbesondere der Ähnlichkeit der Zeichen und der Ähnlichkeit der mit ihnen gekennzeichneten Waren oder Dienstleistungen sowie der Kennzeichnungskraft der älteren Marke, sodass ein geringerer Grad der Ähnlichkeit der Waren oder Dienstleistungen durch einen höheren Grad der Ähnlichkeit der Zeichen oder durch eine erhöhte Kennzeichnungskraft der älteren Marke ausgeglichen werden kann und umgekehrt (BGH GRUR 2009, 484 Tz. 23 — Metrobus; GRUR 2010, 729 Tz. 22 — MIXI).

Für die Beurteilung der Zeichenähnlichkeit ist der jeweilige Gesamteindruck der sich gegenüberstehenden Zeichen zu berücksichtigen. Das schließt nicht aus, dass unter Umständen ein oder mehrere Bestandteile einer komplexen Marke für den durch die Marke im Gedächtnis der angesprochenen Verkehrkreise hervorgerufenen Gesamteindruck prägend sein können (BGH GRUR 2009, 484 Tz. 23 — Metrobus).

 

Die Frage der Ähnlichkeit einander gegenüberstehender Zeichen ist nach deren Ähnlichkeit im (Schrift-)Bild, im Klang oder in der Bedeutung zu beurteilen, weil Marken auf die mit ihnen angesprochenen Verkehrskreise in bildlicher, klanglicher und begrifflicher Hinsicht wirken können. Um die Zeichenähnlichkeit zu bejahen, reicht in der Regel bereits eine Ähnlichkeit in einem der genannten Wahrnehmungsbereiche aus (BGH GRUR 2009, 1055 Tz. 26 — airdsl).

Bei einer Wort-/Bildmarke prägt hinsichtlich der klanglichen Ähnlichkeit der Wortbestandteil grundsätzlich den Gesamteindruck, weil er die einfachste Möglichkeit bietet, die Marke zu benennen (BGH GRUR 2004, 778, 779 — Urlaub Direkt). Dies setzt allerdings die Feststellung voraus, dass dem Wortbestandteil für sich genommen nicht wegen des Bestehens absoluter Schutzhinternisse (§ 8 Abs. 2 Nr. 1 und 2 MarkenG) jeglicher Markenschutz zu versagen wäre (BGH GRUR 2004, 778, 779 — Urlaub Direkt).

 

Dem Wortbestandteil […] in der Klagemarke kommt für die Dienstleistung Vermittlung von Personal und Stellen, die der Verwechselungsprüfung zugrunde zu legen ist, Unterscheidungskraft zu. Dies gilt auch, soweit es um die Vermittlung, von Pflegekräften zur »Rund-um-die-Uhr«-Betreuung geht. Zwar kann dem Wortbestandteil insoweit ein beschreibender Charakter nicht abgesprochen werden. Aber der Wortbestandteil ist nicht glatt beschreibend. Vielmehr hat ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher, auf den vorliegend abzustellen ist, noch keine konkrete Vorstellung, welche Dienstleistung im Einzelnen unter der Bezeichnung […] angeboten und erbracht werden, auch wenn er bei dem Begriff an Hauspflege denkt. Insbesondere weist die Bezeichnung […] nicht zwingend auf die Vermittlung von Pflegekräften zur »Rund-um-die-Uhr«-Betreuung hin. Vielmehr kann unter […] auch verstanden werden, dass Personal für die Hausreinigung oder Gartenpflege abgestellt wird.

Danach hat die Bezeichnung […] zwar einen beschreibenden Anklang. Aber darin erschöpft sich der Begriff […] nicht. Vielmehr lässt er offen, welche Dienstleistung rund um das Haus konkret erbracht wird. Deshalb ist der Wortbestandteil unterscheidungskräftig.

 

Der Beurteilung der klanglichen Ähnlichkeit nach dem Wortbestand der Klagemarke steht nicht entgegen, dass es sich bei dem Bildbestandteil der Wort-/Bildmarke nicht nur um Verzierungen und einfache grafische Gestaltungen handelt. Zwar wird der schriftbildliche Eindruck der Wort-/Bildmarke nicht allein durch den Wortbestandteil geprägt, weil der Bildbestandteil nicht nur aus einfachen grafischen Gestaltungen und Verzierungen besteht, sondern darüber hinaus aus einer bildlichen Darstellung. Dies wirkt sich aber nur im Rahmen der Prüfung des schriftbildlichen Eindrucks der sich gegenüberstehenden Zeichen aus, gilt aber nicht auch für die Beurteilung des klanglichen Eindrucks. Für diesen bleibt der Wortbestandteil auch dann prägend, wenn der Bildbestandteil über Verzierungen und einfache grafische Gestaltungen hinausgeht.

 

Danach stehen sich im Rahmen der Prüfung der klanglichen Ähnlichkeit […] auf Seiten des Klägers zu 1) und […] auf Seiten des Beklagten gegenüber, weil das Gesamtzeichen des Beklagten, […], durch den Wortbestandteil […] geprägt wird, weil der Bestandteil […] hinsichtlich der vom Beklagten erbrachten Dienstleistung, Vermittlung von Pflegekräften zur »Rund-um­die-Uhr«-Betreuung (24 Stunden), rein beschreibend ist.

Danach ist von einer starken klanglichen Ähnlichkeit auszugehen, weil sich die gegenüberstehenden Zeichen nur in dem bestimmten Artikel […] unterscheiden.

Soweit es um die Kennzeichnungskraft der Klagemarke geht, ist von einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft auszugehen.

Schließlich ist Identität der sich gegenüberstehenden Dienstleistungen gegeben. Insoweit ist auf Seiten des Klägers zu 1) auf die eingetragene Dienstleistung Klasse 35 (Personal-und Stellenvermittlung) abzustellen. Hierunter ist nicht nur die Vermittlung von Arbeitnehmer, sondern auch die von Selbständigen und Unternehmen zu verstehen.

Auf Seiten des Beklagten kommt es auf die von ihm unter der Bezeichnung […] erbrachte Dienstleistung an. Hierbei handelt es sich um die Vermittlung von selbständigen Pflegekräften aus Bulgarien. Dies entspricht der Dienstleistung der Vermittlung von Selbständigen.

 

Danach ist im Rahmen der Wechselwirkung von einer starken klanglichen Ähnlichkeit der sich gegenüberstehenden Zeichen, einer durchschnittlichen Kennzeichnungskraft der Wort-/Bildmarke und einer Identität der Dienstleistungen auszugehen. Dies reicht aus, um eine unmittelbare Verwechselungsgefahr anzunehmen. Denn ein durchschnittlich informierter und verständiger Verbraucher wird die Werbung auf der Internetseite des Beklagten dahingehend verstehen, dass die angebotene Dienstleistung aus dem Unternehmen des Klägers stammt.

 

Danach kann der Kläger zu 1) die ihm durch die Beauftragung seines Prozessbevollmächtigten für die Abfassung des Abmahnschreibens vom 27.12.2010 entstandenen Rechtsanwaltskosten ersetzt verlangen, soweit diese auch der Höhe nach erforderlich sind. Letzteres beurteilt sich nach der RVG.

Wenn ein Anwalt mit der Abmahnung beauftragt ist, steht diesem nach Nr. 2300 RVG VV eine Geschäftsgebühr mit einem Rahmen von 0,5 — 2,5 zu. Die Mittelgebühr von 1,5 wird allerdings für Tätigkeiten, die nicht umfangreich oder schwierig sind, auf 1,3 begrenzt. Deshalb kann der Kläger zu 1) nur eine 1,3 Geschäftsgebühr ersetzt verlangen, weil die Abmahnung vom 27.12.2010 weder umfangreich noch schwierig war. Es geht lediglich um eine Klagemarke und eine offensichtliche Verletzung dieser Marke durch Werbung auf einer Internetseite. Allein der Umstand, dass ein markenrechtlicher Verstoß abgemahnt wurde, rechtfertigt noch keine Überschreitung der 1,3-Gebühr.

Allerdings beträgt der Gegenstandswert nur 50.000,- Euro.

Der Gegenstandswert einer Abmahnung richtet sich nach der Höhe des für die Gerichtskosten maßgeblichen Wertes. Danach kommt es darauf an, welcher Wert im Fall einer gerichtlichen Geltendmachung des Unterlassungsanspruchs festgesetzt worden wäre. Dieser Wert wäre nach §§ 40, 48 Abs. 1 GKG, § 3 ZPO nach billigem Ermessen zu schätzen gewesen. Grundlagen für die Schätzung sind bei Kennzeichenrechts­verletzungen zum einen der Wert des Kennzeichens und zum anderen der so genannte Angriffsfaktor, d. h. die Frage, in welcher Weise das Schutzrecht durch die beanstandete Verletzungshandlung beeinträchtigt wird. Im Falle eines Kennzeichenrechtsstreits wird der Wert des verletzten Kennzeichens in der Regel durch deren Bekanntheit und Ruf bestimmt. Soweit das Gericht diese Faktoren nicht bereits aus eigener Kenntnis einzuschätzen weiß, kann den Umsätzen, die in der Vergangenheit unter der Marke erzielt worden sind, insoweit Indizwirkung zukommen.

     Der Angriffsfaktor wird grundsätzlich durch den Charakter und den Umfang der ohne das angestrebte Verbot drohenden weiteren Verletzungshandlungen und damit auch durch die Größe und Bedeutung des Unternehmens des Verletzers bestimmt. Auf den Umfang der bereits begangenen Verletzungshandlungen kommt es dagegen — abgesehen von deren mögliche indizieller Bedeutung für den Umfang künftig drohender Verletzungen — nicht maßgeblich an.

Davon ausgehend schätzt die Kammer den Gegenstandswert im Hinblick darauf, dass die von der Internetseite des Beklagten für die Klagemarke ausgehende Gefahr als sehr gering zu veranschlagen ist, auf 50.000,- Euro. Denn die Internetseite war nur 3 Monate lang geschaltet und konnte deshalb nur eine geringe Gefahr entfalten.

Dieser Streitwert erhöht sich nicht um die Streitwerte für die in der Abmahnung gleichzeitig geltend gemachten Auskunfts- und Schadensersatzansprüche. Denn der Erstattungsanspruch aus §§ 677, 683, 670 BGB bezieht sich nur auf den Unterlassungsanspruch.

 

Soweit es um Auskunft und Schadensersatz geht, steht dem Kläger auch kein Schadensersatzanspruch auf Erstattung aus § 14 Abs. 6 MarkenG zu, sondern allenfalls aus § 280 Abs. 2 BGB. Insoweit fehlt es an dessen Voraussetzungen, insbesondere einer vorangegangenen Mahnung nach § 286 Abs. 1 BGB.

 

Da der Kläger zu 1) nicht vorsteuerabzugsberechtigt ist, errechnet sich sein Kostenerstattungsanspruch auf 1.641,96 Euro.

In dieser Höhe sind dem Kläger auch Aufwendungen entstanden, weil sein Prozessbevollmächtigter in der mündlichen Verhandlung versichert hat, dass der Kläger zu 1) ihm ein Honorar in Höhe von 2.853,03 Euro zahlte. Die Kammer hat keine Zweifel an der Richtigkeit der Versicherung des Prozessbevollmächtigten der Kläger.

 

     Der Klägerin zu 2) steht ein Anspruch auf Erstattung der ihr für die Abmahnung vom 27.12.2010 entstandenen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.379,80 Euro aus §§ 677, 683, 670 BGB zu.

Denn zum Zeitpunkt der Abmahnung hatte sie einen Unterlassungsanspruch aus §§ 5 Abs. 2 Satz 1, 15 Abs. 2 und 4 MarkenG gegen den Beklagten.

Dem Firmenbestandteil […] in der Firma der Klägerin zu 2) _[…] Büroservice, Beratungs- und Vermittlungs-GmbH  kommt nach den vorstehenden Ausführungen von Haus aus hinreichende Unterscheidungskraft zu, sodass es dem Beklagten untersagt war, die beanstandete Bezeichnung […] in der geschäftlichen Bezeichnung […] zu benutzen. Letztere verwendete der Beklagte nämlich nicht nur markenmäßig, sondern auch firmenmäßig, indem es im Impressum hieß […]

Einem Bestandteil einer Firmenbezeichnung — hier: […] Büroservice Beratungs­und Vermittlungs-GmbH — ist der Schutz als Unternehmenskennzeichen im Sinne von § 5 Abs. 2 MarkenG zuzubilligen, sofern es sich um einen unterscheidungskräftigen Teil der Firma handelt, der seiner Art nach im Vergleich zu den übrigen Firmenbestandteilen geeignet erscheint, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen durchzusetzen (BGH GRUR 1997, 845, 846). Insoweit kommt es nicht darauf an, ob der Bestandteil auch tatsächlich in Alleinstellung benutzt wird (BGH NJW 2005, 1198 — soco. de).

Der Firmenbestandteil […] ist insbesondere deshalb geeignet, sich im Verkehr als schlagwortartiger Hinweis auf das Unternehmen der Klägerin zu 2) durchzusetzen, weil die übrigen Bestandteile rein beschreibend sind.

 

Soweit es um die Unterscheidungskraft des Finnenschlagworts […] und die Verwechselungsgefahr geht, ist auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Insoweit besteht sogar klangliche Identität, weil dem Finnenschlagwort […] dem die geschäftliche Bezeichnung des Beklagten, […], prägenden Bestandteil […] gegenüber steht. Ebenso ist Identität der Branchen gegeben. Denn beide Parteien vermitteln Pflegekräfte zur »Rund-um-die-Uhr«-Betreuung. Deshalb ist insoweit erst Recht eine Verwechselungszefahr gegeben.

 

Soweit es um die Höhe der Erstattung geht, ist ebenfalls auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen, was bedeutet, dass die Klägerin zu 2) nur Erstattung in Höhe einer 1,3-Gebühr aus 50.000,- Euro nebst Auslagenpauschale verlangen kann. Denn der Streitwert ist im Hinblick auf den geringen Angriffsfaktor auch unter Berücksichtigung des von der Klägerin zu 2) erzielten Umsatzes von fast 3,5 Millionen Euro im Jahr 2010 nicht höher als 50.000,- Euro zu schätzen.

 

Soweit die Klägerin zu 2) Schadensersatz in Höhe von 7.500,- Euro geltend macht, ist die Klage unbegründet. Dies gilt selbst dann, wenn von einem Schadensersatzanspruch der Klägerin nach § 15 Abs. 5 MarkenG dem Grunde nach ausgegangen wird.

Die Klägerin zu 2) verlangt nämlich Schadensersatz berechnet nach der Lizenzanalogie. Diese soll die Klägerin zu 2) so stellen, als hätte sie dem Beklagten die Benutzung ihres Firmenschlagworts […] gegen Zahlung einer marktüblichen Lizenz gestattet. Die Höhe der Lizenz richtet sich nach einem prozentualen Lizenzsatz auf den vom Beklagten tatsächlich erzielten Bruttoerlös (Ingerl/Rohnke von §§ 14- 19 d MarkenG R.268). Dem gegenüber legt die Klägerin zu 2) unzulässigerweise den von ihr erzielten Umsatz zugrunde. Da der Beklagte vorgetragen hat, dass er gar keinen Umsatz über seine Internetseite erzielt habe, kann auch kein Mindestschaden nach § 287 ZPO geschätzt werden.

 

 

Zinsen stehen den Klägern nach §§ 291, 288 BGB zu.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt nach § 709 ZPO

 

Nickel                                                                              Bachler                                    Meier-Preschany

 

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