entscheidungen

Der Betreiber einer Bewertungsplattform (hier: jameda) verstößt nicht gegen vertragliche Nebenpflichten, wenn er bei einer positiven Bewertung eines Kunden einen Warnhinweis auf eine mögliche Manipulation der Bewertung anbringt. Im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse des Plattformbetreibers auf Bereitstellung von authentischen Ärzte-Bewertungen (Art. 5 Abs. 1 1 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG).

Streitwert: 20.000,00 €

Landgericht Frankfurt am Main
Beschluss vom 9. Juni 2020, 2-03 O 167/20

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren [...]

hat die 3. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr. Kurth, Richter am Landgericht Dr. Mantz und Richter am Landgericht Heiser

am 09.06.20 beschlossen:

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung vom 23.04.2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Eilverfahrens werden dem Antragsteller auferlegt.

Der Streitwert wird auf 20.000,- EUR festgesetzt.

Gründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, der darauf gerichtet ist, es der Antragsgegnerin bei Meidung der gesetzlichen Ordnungsmittel zu untersagen,

auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Internetseite www.jameda.de das Profil des Antragstellers mit einem Warnzeichen zu kennzeichnen und in diesem Zusammenhang den nachfolgend dargestellten Hinweistext einzublenden:

»Bei einzelnen Bewertungen auf diesem Profi/ haben wir Auffälligkeiten festgestellt, die uns veranlassen an deren Authentizität zu zweifeln. Wir haben den Profilinhaber mit dem Sachverhalt konfrontiert Hierdurch ließ sich die Angelegenheit bisher nicht aufklären Der Profilinhaber bestreitet für die Manipulation selbst verantwortlich zu sein.

Damit sich die Nutzer ein Bild von der Glaubwürdigkeit der Bewertungen eines Profi/s machen können, kennzeichnen wir Profile, bei denen Verdachtsfälle auf Manipulation in Form von gekauften oder in unlauterer Weise beeinflussten Bewertungen aufgetreten sind Ob die Manipulationen vom Profilinhaber veranlasst wurden, können wir trotz Kontaktaufnahme derzeit nicht endgültig beurteilen.

Wir entwickeln unsere Verfahren permanent weiter, um manipulierte Bewertungen zu identifizieren, entfernen diese und gehen entschieden gegen die Verantwortlichen vor. Es kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass dieses Profi weiterhin bzw. künftig manipulierte Bewertungen enthält.«

wenn dies geschieht wie auf dem Profil des Antragstellers auf www.jameda.de unter der URL https.s//www.jameda.de/frankfurt/zahnaerzte[…] und wie auf nachfolgendem Screenshot ersichtlich:

2020 06 09 lg frankfurt

(Anlage MK 6),

ist unbegründet.

Ein Unterlassungsanspruch folgt nicht aus den §§ 823, 1004 BGB i.V.rn. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG.

1. Durch die beanstandeten Äußerungen sind zwar die Interessen des Antragstellers betroffen, die durch sein Persönlichkeitsrecht, seine Berufsfreiheit und seine Eigentumsgarantie geschützt sind. Die Äußerungen beeinträchtigen den Antragsteller jedoch nicht rechtswidrig in seinen grundrechtlich geschützten Interessen. Denn im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das Interesse der Antragsgegnerin als Betreiberin des Bewertungsportals auf Bereitstellung von authentischen Ärzte-Bewertungen (Art. 5 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG). Bei den angegriffenen Äußerungen handelt es sich um Tatsachenbehauptungen.

3. Äußern Betreiber von Bewertungsplattformen wie vorliegend die Antragsgegnerin — die Vermutung dass es sich bei einzelnen Bewertungen auf dem betreffenden Profil um gekaufte handele, können die Grundsätze der Verdachtsberichterstattung Anwendung finden, auch wenn der Plattformbetreiber keinen strafrechtlichen Vorwurf erhebt

Die Kammer ist der Auffassung, dass der in Streit stehende Hinweis der Antragsgegnerin nach den Grundsätzen der Verdachtsberichterstattung mit Blick auf die Umstände des vorliegenden Einzelfalls zulässig ist.

a. Es liegt ein Mindestbestand an Beweistatsachen für den Verdacht vor, dass der Antragsteller Bewertungen käuflich erworben hat bzw. ihm ein Kauf zurechenbar wäre. Die Antragsgegnerin hat anhand von E-Mail- und IP-Adressen herausgefunden, dass Bewerter für Bewertungs-Anbieter tätig waren und diese Bewerter ebenfalls das Arzte-Profil des Antragstellers bewertet haben sollen. Dass diese Nutzer gekaufte Bewertungen abgaben, haben andere, von diesen Nutzern bewertete Ärzte eingeräumt. Es liegen dementsprechend hinreichende Indizien dafür vor, dass gekaufte Bewertungen auf dem Profil des Antragstellers vorhanden sind und dass diese dem Antragsteller zuzurechnen sind. Hinzu kommt, dass es im vorliegenden Fall um eine relativ große Anzahl von mehr als 10 Bewertungen geht, die nach den Ermittlungen der Antragsgegnerin gekauft worden sein sollen. Die Indizien sind der Art und dem Umfang nach hinreichend, um den in Rede stehenden Hinweis zu veröffentlichen.

b. Demgegenüber hat der Antragsteller die Vorwürfe weder vorgerichtlich noch auf gerichtlichen Hinweis hin genügend ausgeräumt. Er hat insbesondere weder offengelegt, welche Recherchen er zur Aufklärung des Sachverhalts unternommen hat, noch hat er seine Verantwortlichkeit für die offenbar gekauften Bewertungen hinreichend bestritten. Er hat solche Umstände auch nicht glaubhaft gemacht. Er hat lediglich bestritten, Personen oder Firmen dafür bezahlt zu haben, gefälschte Bewertungen zu veröffentlichen und hat dies an Eides statt versichert (Anlage MK 7, BI. 39 d.A). Er kenne die [mit dem Vertrieb von gekauften Bewertungen befassten] Firmen »Goldstar Marketing« und »Fivestar Marketing« nicht.

Soweit der Antragsteller die These vertritt, dass es sich bei sämtlichen Bewertungen um diejenigen von Erpressern handeln müsse, die ihm in der Vergangenheit Schreiben übermittelt hätten, genügen diese Ausführungen nicht, um den in den streitgegenständlichen Hinweisen formulierten Verdacht nachhaltig zu entkräften. Denn die Antragsgegnerin hat glaubhaft gemacht, dass ihr keine Beschwerden von Nutzern vorliegen mit dem Inhalt, sie würden dadurch erpresst, dass für sie positive Bewertungen geschrieben und diese Manipulationen der Antragsgegnerin gemeldet würden, falls die Nutzer keine Zahlung leisteten (vgl. Anlage AG 1, BI. 116 d.A.). Es ist anzunehmen, dass Erpressungsversuche, wie sie der Antragsteller beschreibt, in größerer Anzahl auftreten würden und die Antragsgegnerin — auch zeitnah nach Auftreten eines solchen Phänomens — Kenntnis davon erlangt hätte. Dies gilt, zumal die ersten Verdachtsfälle bereits Mitte des letzten Jahres auf dem Profil des Antragstellers aufgetreten sind.

Mit Blick auf die zahlreichen Bewertungen, die nach den Recherchen der Antragsgegnerin manipuliert worden sein sollen, kann dahinstehen, ob der Bewertung vom 23.052019 (Antragserwiderung unter Ziffer 3.k«, BI. 102 d.A. i.V.m. dem Schriftsatz des Antragstellers vom 28.05.2020, dort S. 21 BI. 161 d.A.) tatsächlich ein Behandlungskontakt zwischen dem Antragsteller und einem japanischen Patienten zugrunde liegt, wie der Antragsteller behauptet oder ob es sich auch hierbei um eine gekaufte Bewertung handelt, was die Antragsgegnerin vorträgt.

c. Es liegt auch im öffentlichen Interesse, dass die Antragsgegnerin den Warnhinweis im Bewertungsprofil des Antragstellers zeigt. Denn gekaufte Bewertungen  beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit der Ärztebewertungsplattform der Antragsgegnerin. Es besteht ein öffentliches Interesse an einer funktionierenden und glaubwürdigen Bewertungsplattform, Denn diese spielt in der öffentlichen Wahrnehmung eine wichtige Rolle, indem sie in gewissem Umfang Transparenz auf dem Markt für ärztliche Leistungen erzeugt und eine mögliche Entscheidungsgrundlage für Patienten bei der Wahl eines Arztes schafft. Zugleich liegt es auch im Interesse eines funktionierenden Wettbewerbs zwischen den Ärzten, dass dieser nicht durch gekaufte Bewertungen verzerrt wird. Mit diesem öffentlichen Interesse korreliert auch das legitime Interesse der Antragsgegnerin, ihr Geschäftsmodell zu schützen, das im Wesentlichen auf authentischen Bewertungen basiert.

d. Der Warnhinweis der Antragsgegnerin ist auch nicht vorverurteilend. Er beschreibt vielmehr adäquat den Stand der Ermittlungen [»Bei einzelnen Bewertungen ( . . . ) Auffälligkeiten festgestellt«; »Angelegenheit ließ sich bisher nicht aufklären.«; »Profilinhaber bestreitet dafür verantwortlich zu sein.«] und bringt hinreichend zum Ausdruck, dass es sich hier nicht um eine feststehende Tatsache, sondern um einen bloßen Verdacht handelt. Sie hebt an mehreren Stellen ihres Warnhinweises hervor, dass der Sachverhalt letztlich bislang nicht aufgeklärt ist. So beschreibt sie in Absatz 1 des Warnhinweises, dass sich die Angelegenheit bislang nicht habe aufklären lassen und in Absatz 2, dass sie nicht endgültig beurteilen könne, ob die Manipulation vom Profilinhaber veranlasst worden sei, Der durchschnittliche Leser wird der Äußerung den Inhalt entnehmen, dass es Auffälligkeiten in

Form von Manipulationen bei einzelnen Bewertungen gegeben hat, für die der Antragsteller bestreitet, verantwortlich zu sein und dass auch die Antragsgegnerin die Verantwortlichkeit des Profilinhabers nicht aufklären konnte. Der 3. Absatz des Hinweises enthält vor diesem Hintergrund lediglich die Aussage, dass die Antragsgegnerin nicht ausschließen könne, dass das Profil des Antragstellers weiterhin/künftig manipulierte Bewertungen enthalte.

Da die Antragsgegnerin zuvor deutlich hervorgehoben hat, dass die Verantwortlichkeit für die Manipulationen ungeklärt ist, versteht der durchschnittliche Rezipient die Aussage nur dahingehend, dass es Manipulationen gegeben habe. Einen überschießenden feststehenden Inhalt dahingehend, dass der Antragsteller dafür verantwortlich ist, wird dem Hinweis nicht beigemessen.

e. Schließlich hat die Antragsgegnerin den Antragsteller vor Veröffentlichung des Warnhinweises ausreichend angehört. Sie hat dem Antragsteller mit E-Mail vom 17.02.2020 (Anlage MK 2, BI, 30) und mit anwaltlichem Schreiben vom 24.02.2020 (Anlage AG 4, BI. 146 f. d.A.) den in Rede stehenden Sachverhalt ausreichend konkret beschrieben und dem Antragsteller dadurch die Möglichkeit verschafft, erklärende Umstände vorzutragen. Es mag sein, dass die Antragsgegnerin nicht alle unter Manipulationsverdacht stehenden Bewertungen im Einzelnen aufgezeigt hat. Es war insofern aber ausreichend, dass sie sich zum Zwecke der Anhörung auf zwei für beispielhaft erachtete Bewertungen bezieht (BI. 30 d.A.) und das Phänomen der gekauften Bewertungen und die Indizien bezogen auf das Profil des Antragstellers im Übrigen zusammenfassend beschreibt (BI. 30, 146 ff. d.A.). Da der Antragsteller bereits nach der ersten Anhörung zu zwei manipulierten Bewertungen, generell pauschal und »entschieden« zurückgewiesen hat, Bewertungen gekauft oder manipuliert zu haben, musste die Antragsgegnerin den Antragsteller nicht auch bezogen auf alle anderen Verdachtsfälle anhören. Denn von einer weiteren Stellungnahme war hiernach keine weitere Aufklärung zu erwarten, weshalb auf eine vertiefte Anhörung bezogen auf die anderen Verdachtsfälle verzichtet werden durfte (vgl. Wenzel/Burkhardt, Das Recht der Wort- und Bildberichterstattung, 6. Aufl, 20181 Kap, 10 Rn. 159b).

f. Die Kammer hat im Rahmen der Interessenabwägung auch berücksichtigt, dass es sich bei dem Profil des Antragstellers um ein kostenpflichtiges Profil mit den Zusatzoptionen »Platin« und »Topplatzierung« im Zeitraum der hier streitgegenständlichen Bewertungen handelte. Gewisse Marketingeffekte werden sich sicherlich positiv auswirken für den Antragsteller. Andererseits indiziert dies im Rahmen der Bewertung aller Umstände nicht hinreichend, dass der Antragsteller nicht (trotzdem) für manipulierte Bewertungen verantwortlich ist. Gekaufte Bewertungen beeinträchtigen die Glaubwürdigkeit der Ärztebewertungsplatfform der Antragsgegnerin unabhängig davon, ob es sich um ein kostenpflichtiges »Platin«- oder um ein kostenloses »Basis«-Profil handelt.

4. Nach alledem überwiegen im Rahmen der Interessenabwägung die Interessen der Antragsgegnerin als Betreiberin des Bewertungsportals auf die Bereitstellung von authentischen Ärzte-Bewertungen (Art. 5 Abs. 1, Art. 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG) das beeinträchtigte Interessen des Antragstellers aus den Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1, 12 Abs. 1, 14 Abs. 1 GG.

Die Kostenentscheidung beruht auf S 91 ZPO.

Die Entscheidung über den Streitwert ergibt sich aus den SS 3 ZPO, 53 Abs. 1 GKG.

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