entscheidungen

Der Betreiber einer Bewertungsplattform (hier: jameda) verstößt gegen vertragliche Nebenpflichten, wenn er bei einer positiven Bewertung eines Kunden einen Warnhinweis auf eine mögliche Manipulation der Bewertung anbringt. Er kann die Möglichkeit, solche Warnungen auszusprechen, allerdings vertraglich vereinbaren.

Landgericht Kassel
Urteil vom 15. Juni 2020, 10/O 703/20

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren [...]

hat die 10. Zivilkammer des Landgerichts Kassel durchj die Vorsitzende Richterin am Landgericht Prof. Dr. Dreyer aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 25. Mai 2020

für Recht erkannt:

  1. Der Verfügungsbeklagten wird es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder  Ordnungshaft bis zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahre, zu vollstrecken an ihren Geschäftsführern,

    verboten

    auf der von der Antragsgegnerin betriebenen Internetseite www.jameda.de  das Profil der Unterlassungsgläubigerin mit einem Warnzeichen zu kennzeichnen und in diesem Zusammenhang den Hinweistext einzublenden:

    »Bei einzelnen Bewertungen auf diesem Profil haben wir Auffälligkeiten festgestellt, die uns veranlassen, an deren Authentizität zu zweifeln. Wir haben den Profilinhaber mit dem Sachverhalt konfrontiert. Hierdurch ließ sich die Angelegenheit bisher nicht aufklären. Der Profilinhaber bestreitet, für die Manipulation selbst verantwortlich zu sein.

    Damit sich die Nutzer ein Bild von der Glaubwürdigkeit der Bewertungen eines Profils machen können, kennzeichnen wir Profile, bei denen Verdachtsfälle auf Manipulation in Form von gekauften oder in unlauterer Weise beeinflussten Bewertungen aufgetreten sind. Ob die Manipulationen vom Profilinhaber veranlasst wurden, können wird trotz Kontaktaufnahme derzeit nicht endgültig beurteilen. 

    Wir entwickeln unsere Verfahren permanent weiter, um manipulierte Bewertungen zu identifizieren, entfernen diese und gehen entschieden gegen die Verantwortlichen vor. Es kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass dieses Profil weiterhin bzw. künftig manipulierte Bewertungen enthält.«

    wie in Anlage A1 dargestellt geschehen:

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2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Tatbestand

Verfügungsklägerin, eine (selbständige) Zahnärztin, beansprucht von der Verfügungsbeklagten, die unter www.jameda.de ein Bewertungsportal für Ärzte betreibt, im Wege der einstweiligen Verfügung Unterlassung, das Profil der Verfügungsklägerin mit einem Warnzeichen zu kennzeichnen und in diesem Zusammenhang den Warnhinweis einzublenden, wonach (zusammengefasst) Auffälligkeiten festgestellt  wurden, die jameda an der Authentizität der Bewertungen zweifeln lassen, eine Klärung nicht möglich war, und nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieses Profil auch künftig manipulierte Bewertungen enthält.

Die Verfügungsklägerin ist Betreiberin eines Bewertungsportals für Ärzte, das sie unter der Domain www.jameda.de betreibt. Kernelement von jameda ist ein Verzeichnis niedergelassener Ärzte (und Angehöriger sonstiger Heilberufe) in Deutschland Zu den einzelnen gelisteten Ärzten wird jeweils ein Profil vorgehalten, in dem Name und Fachrichtung des Arztes sowie Anschrift, Telefonnummer und Öffnungszeiten der Praxis aufgeführt werden. Die Profile der einzelnen Ärzte sind für alle Nutzer ohne vorherige Registrierung einsehbar und werden auch bei Suchmaschinen-Recherchen zu den jeweiligen Heilberuflern als Suchergebnis angezeigt. Die Plattform verzeichnet monatlich über 6 Millionen Nutzer.

Die auf dem Portal gelisteten Ärzte können von Nutzern bewertet werden. Zum Schreiben einer Bewertung auf jameda.de ist lediglich die Angabe einer validen E-Mail-Adresse erforderlich. Dem Nutzer wird daraufhin unter der von ihm angegebenen E-Mail-Adresse ein Freischaltungslink gesendet. Erst wenn dieser angeklickt wird, gilt die Bewertung als abgegeben. Gegen diese können sich Ärzte durch Anklicken einer Option »Problem melden« unterhalb der Bewertung wenden. Die Nutzer müssen zwingend Noten in fünf Bewertungskriterien (Behandlung, Aufklärung, Vertrauensverhältnis, genommene Zeit und Freundlichkeit) vergeben; aus diesen Einzelnoten wird die Gesamtnote (Profilnote) gebildet. Die Vergabe von Noten in weiteren Bewertungskriterien ist möglich, die entsprechenden Einzelnoten fließen jedoch in die Gesamtnote nicht ein. Die Gesamtnote (Profilnote) wird im Profil des einzelnen Arztes angegeben und in den Suchergebnissen angezeigt. Bei einer Suche nach einem Arzt in einem bestimmten Fachgebiet richtet sich das Ranking im Suchergebnis nach der Gesamtnote und der Anzahl der abgegebenen Bewertungen

Die Verfügungsklägerin, die in einer Gemeinschaftspraxis als angestellte Zahnärztin des Namensgebers der Praxis, Dr. […], beschäftigt ist, ist auf dem Portal unter ihrem Namen (Dr. […] als »Zahnärztin, Ästhetische Zahnmedizin, Implantologie, Oralchirurgie« gelistet (vgl. A1, BI. 12 — 13 d.A.). Sie wird auf dem Portal mit der Gesamtnote 1 bewertet. Es sind insgesamt über 30 Bewertungen hinterlegt.

Die Verfügungsklägerin ist Vertragspartnerin der Verfügungsbeklagten. Dem Vertrag, der zwischenzeitlich von der Verfügungsklägerin gekündigt wurde, liegen die Nutzungsbedingungen der Verfügungsbeklagten zugrunde. Darin heißt es u.a.: 

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Mit E-Mail vom 17.02.2020 (Anlage A2, BI. 14 — 17 d.A.) informierte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin, dass sie vor kurzem ein Netzwerk von Anbietern für Fake-Bewertungen aufgedeckt und dabei festgestellt habe, dass auf dem Profil der Verfügungsklägerin gefälschte positive Bewertungen veröffentlicht worden seien. »Diesbezüglich liegen uns unter anderem E-Mail- und IP-Adressen der Bewerter vor, welche für Bewertungs-Anbieter tätig sind und Sie auf jameda.de bewertet haben.« Die Verfügungsbeklagte stellte hierzu »exemplarisch« zwei der Bewertungen dar und setzte der Verfügungsklägerin Frist bis 02.03.2020 aufzuklären, wie es dazu kommen konnte.

Die Verfügungsklägerin reagierte mit E-Mail vom 25.02.2020 (Anlage A3, BI. 16 — 17 d.A.), in der sie mitteilt, dass sie absolut keine Erklärung für den Sachverhalt habe und versichert, dass sie niemals Kontakt zu »Anbietern von Fake-Bewertungen« gehabt habe. Sie bot an, bei der weiteren Aufklärung unterstützend mitzuwirken und bat um Übermittlung der E-Mail-Adressen der beiden Bewertungen.

Mit E-Mail vom 11.03.2020 (Anlage A4, BI. 19 d.A.) begründete die Verfügungsbeklagte die Einstufung als »Fake-Bewertung« damit, dass auf dem Profil Bewertungen veröffentlicht wurden, die von Autoren stammten, die insbesondere für die Firmen testerjob und Five Star Marketing Bewertungen schrieben. Da der Kauf solcher Bewertungen mit erheblichen Unkosten von mehreren hundert Euro verbunden sei, sei davon auszugehen, dass die Bewertungen gekauft worden seien. Die Erfahrungen mit solchen Fällen habe gezeigt, dass ein solcher Kauf entweder vom jeweiligen Arzt selbst veranlasst worden sei oder sein näheres Umfeld oder eingeschaltete Agenturen hierfür verantwortlich seien. Die E-Mail-Adressen dürfe sie aufgrund der Vorschriften der DSGVO nicht herausgeben. Weiter habe sie auf dem Profil der Verfügungsklägerin verdächtige Bewertungen in Prüfung gegeben. Sollte für diese kein Authentizitätsnachweis durch die Verfasser erfolgen, werde sie die Bewertungen löschen. Ferner wies die Verfügungsbeklagte darauf hin, dass sie ohne irgendeine Form von Aufklärung leider in Erwägung ziehen müsse, die Nutzer über die Manipulationsversuche mittels eines Warnhinweises aufzuklären, selbst wenn diese nicht von der Verfügungsklägerin veranlasst sein sollten.

Mit E-Mail vom 16.03.2020 (Anlage A4, BI. 18 d.A.) bot die Verfügungsklägerin an, an Eides Statt zu versichern, dass sie keine Bewertungen gekauft habe und auch keine Agentur damit beauftragt habe. Von den beiden angegebenen Firmen habe sie noch nie in ihrem Leben etwas gehört. Ferner bot sie erneut an, unterstützend bei Aufklärung mitzuwirken; da man ihr keine Mailadressen zur Verfügung stellen, wisse sie allerdings nicht, wie sie weiterhelfen könne.

Unter dem 01.04.2020 informierte die Verfügungsbeklagte die Verfügungsklägerin, sie werde nun einen Warnhinweis anbringen (vgl. Anlage A6, BI. 21 d.A.).

Dieser Warnhinweis befindet sich seit dem 01.04.2020 am Profil der Verfügungsklägerin. Der Warnhinweis ist für den Nutzer nur zu sehen, wenn er das Profil der Verfügungsklägerin aufruft; in der Ergebnisliste einer Arztsuche wird der Warnhinweis nicht eingeblendet (vgl. Screenshot Seite 28 der Antragserwiderung, BI. 83 d.A.). Im Profil der Verfügungsklägerin ist die Gesamtnote ist mit einem Ausrufezeichen versehen. Sobald man mit dem Mauszeiger über das Warnzeichen zeigt, wird der folgende Warnhinweis angezeigt: 

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Mit anwaltlichem Schreiben vom 08.04.2020 (Anlage A8, BI. 25 - 31 d.A.) mahnte die Verfügungsklägerin die Verfügungsbeklagte deswegen ab und forderte sie zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf.

Die Verfügungsbeklagte wies die Abmahnung mit anwaltlichem Schreiben vom 15.04.2020 zurück (Anlage A9, BI. 32 - 40 d.A.). Sie erläutert zudem exemplarisch anhand einer Bewertung vom 03.03.2020 und verschiedenen Screenshots, wie die Bewertungen zustande gekommen sein sollen: Interessant sei v.a. die verwendete E-Mail-Adresse »Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.. Gehe man auf die Internetseite sav-group, öffne sich die Internetseite des Diensteanbieters Testerjob. Die »Tester« verdienten bei Testerjob.net 1,00 EUR pro Bewertung. Sie erhielten vor einer Bewertung »Tipps«, etwa »unser freundlicher Kunde wünscht sich eine Bewertung der Bestnote 1,0…« Diese Bewertungen würden von Firmen wie Goldstar Marketing oder Fivestar bezahlt, welche wiederum pro Bewertung ca. 30,00 EUR von dem jeweiligen Arzt verlangten.

Der Antrag der Verfügungsklägerin auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist am 29.04.2020 bei Gericht eingegangen.

Die Verfügungsklägerin behauptet unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung vom 29.04.2020 (Anlage A5, Original BI. 169 d.A.), sie habe die über sie verfassten Bewertungen auf dem Ärzte-Bewertungsportal jameda.de nicht manipuliert. Sie habe keinen Kontakt zu Anbietern von Fake-Bewertungen und habe solchen auch nie gehabt. Sie habe keine Bewertungen »gekauft« und keinen Dritten beauftragt falsche Bewertungen über sie abzugeben oder abzugeben zu lassen. Sie habe keine Agentur mit einer solchen Tätigkeit beauftragt.

Die Firmen »testerjob« und »Five Star Marketing« kenne sie nicht und habe keinen Kontakt zu diesen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Verfügungsklägerin wird auf die von ihr einge reichten Schtiftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Die Verfügungsklägerin beantragt,

der Verfügungsbeklagten es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall   der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 Euro, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten oder Ordnungshaft bis  zu sechs Monaten, im Wiederholungsfall bis zu zwei Jahre, zu vollstrecken an  ihren Geschäftsführern, zu verbieten, auf der von der Verfügungsbeklagten betriebenen Internetseite www.jameda.de das Profil der Unterlassungsgläubigerin mit einem Warnzeichen zu kennzeichnen und in diesem Zusammenhang  den Hinweistext einzublenden:

»Bei einzelnen Bewertungen auf diesem Profil haben wir Auffälligkeiten   festgestellt, die uns veranlassen an deren Authentizität zu zweifeln. Wir haben den Profilinhaber mit dem Sachverhalt konfrontiert. Hierdurch ließ sich die Angelegenheit bisher nicht aufklären. Der Profilinhaber bestreitet   für die Manipulation selbst verantwortlich zu sein.

Damit sich die Nutzer ein Bild von der Glaubwürdigkeit der Bewertungen eines Profils machen können, kennzeichnen wir Profile, bei denen Verdachtsfälle auf Manipulation in Form von gekauften oder in unlauterer Wei se beeinflussten Bewertungen aufgetreten sind. Ob die Manipulationen vom Profilinhaber veranlasst wurden, können wird trotz Kontaktaufnahme derzeit nicht endgültig beurteilen. 

Wir entwickeln unsere Verfahren permanent weiter, um manipulierte Bewertungen zu identifizieren, entfernen diese und gehen entschieden gegen die Verantwortlichen vor. Es kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass dieses Profil weiterhin bzw. künftig manipulierte Bewertungen enthält.«

wie in Anlage A1 dargestellt geschehen.

Die Verfügungsbeklagte beantragt,

         den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Verfügungsbeklagte behauptet, Fake-Bewertungen auf aller Art Portalen hätten sich in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Da Ärzte lediglich negative Bewertungen meldeten, sei ein zielgerichtetes Vorgehen der Verfügungsbeklagten gegen Fake-Bewertungen im Interesse der Verbraucher, der Ärzteschaft und um die Wirtschaftlichkeit des Portals zu gewährleisten, essentiell. Insbesondere im Bereich von Arztbewertungen berge die Verzerrung des Meinungsspektrums durch Fake-Bewertungen ein immenses Risiko für den einzelnen Verbraucher, da eine falsche Arztwahl fatale gesundheitliche Folgen haben könne. Auch die ehrlichen Ärzte seien Opfer von Fake-Bewertungen, da Nutzer ihre Auswahl nach den Gesamtnoten. träfen, sodass ein ehrlicher Arzt, manipulierten nur genügend Ärzte ihre Bewertungen, durch manipulierte Bewertungen schlimmstenfalls in die Bedeutungslosigkeit abrutsche. Auch die Wirtschaftlichkeit der Portalbetreiber hänge zwingend an der Bekämpfung solcher Fake-Bewertungen. Verfestige sich der Ruf eines Portals, dort gebe es »nur Fake-Bewertungen«, führe dies zu einem Rückgang des Online-Verkehrs über dieses Portal, der zu einer Abwärtsspirale und schlimmstenfalls zum Ruin des Portalbetreibers führe.

Die Verfügungsbeklagte beschäftige zur Bekämpfung von nicht validen Bewertungen ein Qualitätsmanagementteam von 20 Mitarbeitern, die unterstützt durch einen Prüfalgorithmus laufend abgegebene Bewertungen überprüften im Hinblick auf bestimmte Kriterien, welche sich über die Jahre hinweg als Indizien für nicht valide Bewertungen herauskristallisiert hätten. Sie betreibe somit auch einen erheblichen finanziellen Aufwand, um Fake-Bewertungen zu bekämpfen.

In der Gemeinschaftspraxis des Arbeitgebers der Verfügungsbeklagten, Dr. […], seien bereits seit Ende 2018 gehäuft Bewertungen aufgetreten, welche vom Prüfalgorithmus der Verfügungsbeklagten wegen technischer Auffälligkeiten als verdächtig eingestuft worden seien. Bei einer daraufhin erfolgten Kontaktaufnahme der Verfügungsbeklagten zu diversen Bewertern im Mai 2019 habe unter anderem ein Nutzer per E-Mail geschildert, nach einer Behandlung habe ihn der Arzt, um dessen Bewertung es gehe, aufgefordert, noch zu warten, um etwas zu erledigen. Dann seien zwei weitere Frauen ins Behandlungszimmer gekommen, hätten routiniert die jameda Bewertungsseite geöffnet, seine E-Mail-Adresse erfragt und in seiner Anwesenheit für ihn die Bewertung ausgefüllt, wobei seine mündlich gemachten Angaben »verbessert« worden seien.

Im Profil des Namensgebers der Praxis, Dr. […], sei in einer Bewertung auch zu lesen gewesen, dass der Bewerter Dr. […] und die […] Praxis zwar durchaus weiterempfehlen könne, Nutzer sich aber dessen bewusst sein müssten, dass die perfekten Bewertungen daher stammten, dass die Arzthelferinnen sie nach  der Behandlung gemeinsam mit dem Patienten schreiben. Herr Dr. […] sei daraufhin kontaktiert worden und habe angegeben, dass in seiner Praxis ein Desktop-Rechner aufgestellt sei, auf dem die Patienten die Bewertung schreiben sollten. Dabei würde er selbst immer den Raum verlassen. Er könne aber nicht ausschließen, dass seine Mitarbeiter etwas über das Ziel hinausgeschossen seien.

Anschließend hätten bei den Bewertungen zwar die bisherigen technischen Auffälligkeiten abgenommen, in den letzten Monaten habe sich jedoch der Verdacht verfestigt, dass seit Mitte Juni 2019 versucht worden sei, im Profil der Verfügungsklägerin eingekaufte Bewertungen zu platzieren. So zeigten sich wiederkehrende »Bewertungskombinationen«, die absolut ungewöhnlich seien und sich bei unauffälligen Arztprofilen so nicht wiederfänden. Im Hinblick auf die Bewertungen der Verfügungsklägerin lasse sich feststellen, dass in der Bewertungsübersicht des Nutzers der Bewertung mit der Note 1,0 vom 03.03.2020 die verwendete E-Mail-adresse Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein. angezeigt werde, wobei sich auf der Internetseite sav-group.de die   Internetseite des Dienstleisters Testerjob öffne. Bei der Bewertung vom 15.10.2019 zeige die Bewertungsübersicht des Bewerters, dass neben der Verfügungsklägerin der Arzt […] aus Bad Nauheim bewertet worden sei, der gegenüber der Verfügungsbeklagten zugegeben habe, dass der Kauf über den Anbieter bewertungsdoc.com erfolgt sei. Hinsichtlich der Bewertung vom 03.08.2019 zeige die Bewertungsübersicht des Bewerters, dass wiederum auch der Arzt […] aus Bad Nauheim bewertet worden sei, darüber hinaus auch ein weiterer Arzt […] aus Frankfurt, der den Kauf von Bewertungen bislang zwar bestreite, aber auch in der Bewertungsübersicht der Bewertungen der Verfügungsbeklagten vom 14.11.2019 und 12.07.2019 auftauche.

Hinsichtlich der Bewertungen vom 10.01.2020, 17.01.2020, 14.11.2019 zeigten die Bewertungsübersichten, dass jeweils auch der Arzt […] aus Wetzlar bewertet worden sei. Der Nutzer […], der am 12.11.2019 den Arzt […] aus Frankfurt bewertet habe, der eingeräumt habe, Bewertungen gekauft zu haben, habe am 14.11.2019 auch eine Bewertung über die Verfügungsklägerin abgegeben. Wiederholt sei ausweislich der Bewertungsübersichten bei Bewertungen der Verfügungsklägerin zugleich auch eine Bewertung des Arztes […] aus Herne erfolgt, der zwischenzeitlich den Kauf von  Bewertungen eingeräumt habe, ebenso der Arzt […] aus München.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Verfügungsbeklagten und der von ihr aufgezeigten Indizien für Fake-Bewertungen wird auf die von der Verfügungsbeklagten eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen und das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Die Parteien haben nach Schluss der mündlichen Verhandlung mit nicht nachgelassenen Schriftsätzen vom 25.05.2020 und 12.06.2020 weiter vorgetragen.

Die Parteien haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch die Vorsitzende gemäß S 349 Abs. 3 ZPO erklärt. 

Entscheidungsgründe

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist gemäß §§ 935, 940 ZPO zulässig und begründet.

A.) Der Antrag ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt im Sinne des S 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Die Verfügungsklägerin beansprucht ein durch die konkrete Verletzungsform der Anlage A1 konkretisiertes Verbot.

B.) Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung ist auch begründet. 

l.) Die Verfügungsklägerin hat einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB auf Unterlassung der Kennzeichnung ihres Profils auf der von der Verfügungsbeklagten betriebenen Internetseite www.jameda.de schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht.

Durch die Anbringung des Warnhinweises hat die Verfügungsbeklagte ihre leistungsbezogenen Nebenpflichten verletzt. Die Verletzung leistungsbezogener Nebenpflichten, die kein eigenes Leistungsinteresse definieren, namentlich Pflichten zum Schutz des Leistungssubstrates bei der Vorbereitung und Durchführung der Leistung, kann sowohl unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Nebenpflichten einen Anspruch aus §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB auslösen als auch einen Mangel der eigentlichen Leistung veranlassen (vgl. OLG Hamm NJW 2011, 237, 238). Nach § 241 Abs. 2 BGB kann ein Schuldverhältnis seinem Teil nach jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten. Insbesondere hat sich jede Vertragspartei bei der Abwicklung des Schuldverhältnisses so zu verhalten, dass Person, Eigentum und sonstige Rechtsgüter - auch das Vermögen des anderen Teils nicht verletzt werden (BGHZ 136, 295, 299; 157, 256, 269; Urt. v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 88, juris-Rdn. 38 - Kirch). Die Schutz- und Loyalitätspflicht gebietet es auch, den Ruf und die Vermögensinteressen des anderen Vertragsteils nicht durch vermeidbare negative Kritik zu beeinträchtigen. So kann z.B. der Hersteller nach Belieferung des Händlers den Ruf seiner Produkte durch rufschädigende Äußerungen die sie aus dem Vertragsverhältnis treffenden leistungsbezogenen Nebenpflichten verletzen (Staudinger/Schwarze, BGB, Neubearbeitung 2019, S 281 Rdn. C.3). Insoweit folgt aus der nebenvertraglichen Schutz- und Loyalitätspflicht auch ein vertragsrechtliches Mäßigungsgebot der Vertragspartner (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 88, juris-Rdn. 38 - Kirch).

Die Grenzen zulässiger (öffentlicher) Kritik und negativer Bewertung der Vertragsparteien im Verhältnis zueinander sind daher durch Auslegung der zugrundeliegenden vertraglichen Beziehungen zu bestimmen, sodass die Bedeutung der deliktischen Regelungen (SS 823 Abs. 1, 824 BGB) durch vertragsrechtliche Pflichten mitgeprägt ist (vgl. jurisPK-BGB/Reich01d, 9. Aufl. 2020, Std. 01.02.2020, S 824 Rdn. 9). Insoweit ist in Interessenabwägung des S 823 Abs. 1 BGB entscheidend miteinzubeziehen, dass zwischen den Parteien Pflichten aus S 241 Abs. 2 BGB kraft Vertrags bestehen (vgl. BGH, Urt. v. 24.01.2006 - XI ZR 384/03, BGHZ 166, 88, juris-Rdn. 38 Kirch; OLG Oldenburg, Urt. v. 03.04.2006, jurisPK-BGB/Reichold, a.a.O., S 824 Rdn. 9 Fn. 17). Auch die Bedeutung des § 824 BGB bei der Frage der Grenze zulässiger Bewertungen des Vertragspartners ist aus dem gleichen Grund begrenzt (jurisPK-BGB/Reichoid, a.a.O., S 824 Rdn. 9; Dörre/Kochmann, ZUM 2007, 30, 37). 

Die Verfügungsklägerin hat schlüssig dargelegt und glaubhaft gemacht, dass die Verfügungsbeklagte die aus dem Vertragsverhältnis fließenden Schutz- und Loyalitätspflichten durch den Warnhinweis schuldhaft verletzt und dadurch gegen §§ 280 Abs. 1, 241 Abs. 2 BGB verstößt, weil der Warnhinweis unwahr ist.

Seinem klaren Wortlaut nach stellt der Warnhinweis in den Raum, dass die Verfügungsklägerin selbst - und nicht ihr Praxisumfeld oder Dritte - für die (vermeintlichen) Manipulationen verantwortlich ist: »kennzeichnen wir Profile, bei denen Verdachtsfälle auf Manipulationen in Form von gekauften oder in unlauterer Weise beeinflussten Bewertungen aufgetreten sind. Ob die Manipulationen vom Profilinhaber veranlasst wurden, können wir trotz Kontaktaufnahme derzeit nicht endgültig beurteilen. Wir gehen entschieden gegen die Verantwortlichen vor. Es kann dennoch nicht ausgeschlossen werden, dass dieses Profil weiterhin bzw. künftig manipulierte Bewertungen enthält.« [Hervorhebung durch das Gericht].

Der durch den Warnhinweis angesprochene Verkehr versteht dies im Sinne einer ernsthaft in Betracht kommenden Verantwortlichkeit des Profilinhabers und nicht lediglich seines Praxisumfelds, eines Gemeinschaftspraxisinhabers oder Dritter. Er geht davon aus, dass der Profilinhaber mit dem Vorwurf von Manipulationen konfrontiert wurde und diesen Vorwurf nicht ausräumen konnte, sodass es trotz eines Vorgehens gegen die Bewerter weiter zu Manipulationen des Profilinhabers kommen kann. Als Profilinhaberin ist (allein) die Verfügungsklägerin gelistet. Dass statt der Verfügungsklägerin auch ein von ihr personenverschiedener Inhaber einer Gemeinschaftspraxis als Verantwortlicher für die Manipulationen in Betracht kommen, ohne dass diese hiervon zumindest Kenntnis und die Möglichkeit, die Manipulation zu verhindern, hat, wird aus dem Warnhinweis auf dem hier streitbefangenen (eigenen) Profil der Verfügungsklägerin für den Verkehr nicht deutlich.  

Insoweit unterscheidet sich der hier streitgegenständliche Warnhinweis auch von dem von der Verfügungsbeklagten auf Seite 29 der Antragserwiderung zitierten.  Denn dort wird der Profilinhaber nicht als (möglicher) Veranlasser genannt. Der Verantwortliche bleibt offen. 

Den Aussagegehalt des beanstandeten Warnhinweises kann die Kammer selbst aus eigener Sachkunde beurteilen, da die Vorsitzende dem angesprochenen Verkehrskreis angehört. Ein Warnhinweis mit dem hier in Rede stehenden Wortlaut stigmatisierte die Verfügungsklägerin, die als »Lügnerin« in Betracht gezogen wird.

Die Verfügungsklägerin hat schlüssig dargelegt und durch Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung und ihre Angaben bei ihrer persönlichen Anhörung (§ 141 glaubhaft gemacht, dass der an ihrem Profil angebrachte Warnhinweis mit diesem Bedeutungsgehalt unrichtig ist, weil sie für die behaupteten Manipulationen nicht verantwortlich ist. Nach dem von der Verfügungsklägerin glaubhaft gemachten Sachverhalt hat sie die behaupteten Fake-Bewertungen weder selbst veranlasst noch hatte sie von Manipulationen oder Umständen, die darauf hätten schließen können, in ihrem Praxisumfeld oder persönlichen Umfeld Kenntnis. Für weitere Nachforschungen der Verfügungsklägerin bestand kein Anlass. Die von der Verfügungsbeklagten aufgezeigten Indizien für Fake-Bewertungen wie zeitgleich abgegebene Bewertungen für Zahnärzte, die Fake-Bewertungen eingeräumt haben, oder die Abgabe von Bewertungen unter Verwendung von E-Mail-Adressen, die auf eine entgeltliche Bewertung schließen lassen, sind für den Profilinhaber auch nicht ohne Weiteres erkennbar. Sie ergeben sich erst beim Öffnen der Bewertungsübersichten einzelner Bewerter und aus einem Abgleich der von diesen in zeitlichem Zusammenhang für unterschiedliche Ärzte abgegebenen Bewertungen und setzten daher bereits entsprechende Nachforschungen voraus. Diese mussten der Verfügungsklägerin daher nicht bekannt sein. Die von der Verfügungsbeklagten weiterhin aufgezeigten Unregelmäßigkeiten bei der Abgabe von Bewertungen für den Praxisinhaber Dr. […] im Jahr 2018/2019 betreffen nicht die Verfügungsklägerin, sondern Behandlungen von  Herrn Dr. […], Gleiches gilt für die im Profil des Herrn Dr. […] zu lesenden Bewertungen, namentlich betrifft die auf Seite 10 der Antragserwiderung zitierte Bewertung  Herrn Dr. […] und die […] Praxis und nicht die Verfügungsbeklagte. Da von musste diese ebenfalls keine Kenntnis haben.

Nach alledem besteht eine für den Erlass einer einstweiligen Verfügung hinreichende überwiegende Wahrscheinlichkeit, dass der Warnhinweis mit dem von der Verfügungsbeklagten verwandten Wortlaut unwahr ist.

Durch die Anbringung des Warnhinweises verletzt die Verfügungsbeklagte ihre nebenvertragliche Schutz- und Loyalitätspflicht. Der Warnhinweis beeinträchtigt die vertraglich geschützten Interessen der Verfügungsklägerin erheblich. Ein entsprechender Warnhinweis stellt die Verfügungsklägerin als »Lügnerin« dar und ist geeignet, ihre geschäftlichen Interessen erheblich zu beschädigen. Der Warnhinweis stellt sich insbesondere auch nicht als »Minus« zur Entfernung oder Löschung positiver Einzelbewertungen dar, zu denen die Verfügungsbeklagte vertraglich berechtigt ist. Von diesen unterscheidet er sich in seiner Zielrichtung und geht in Schlagkraft und negativen Auswirkungen über die Wirkungen einer Entfernung oder Löschung positiver Bewertungen erheblich hinaus. Der in Rede stehende Warnhinweis impliziert, dass die Verfügungsklägerin Manipulationen in Form von gekauften oder in unlauterer Weise beeinflussten Bewertungen selbst veranlasst haben könnte.

Die Unterlassung des Warnhinweises ist der Verfügungsbeklagten auch zumutbar. Im hier maßgeblichen vertraglichen Verhältnis zu Profilinhabern kann sie die Anbringung von Warnhinweisen vertraglich vereinbaren oder das Vertragsverhältnis gegebenenfalls kündigen, Warnhinweise sehen ihre Nutzungsbedingungen jedoch nicht vor. Eine gesetzliche Verpflichtung zur Anbringung eines Warnhinweises besteht für die Verfügungsbeklagte nicht. Nach § 7 Abs. 2 TMG ist die Verfügungsbeklagte nicht zur Überwachung verpflichtet und namentlich auch nicht verpflichtet, nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Bewertung hinweisen. Nach § 7 Abs. 3 T MG trifft die Verfügungsbeklagte lediglich (unter bestimmten Voraussetzungen) eine Verpflichtung zur Löschung von Einzelbewertungen. Somit geht die Verfügungsbeklagte mit der Anbringung eines Warnhinweises über ihre gesetzlichen Verpflichtungen hinaus und schwingt sich auf in eine »Wächterrolle«. Soweit an Warnhinweisen  zum Schutz der Verbraucher, der Ärzteschaft oder der wirtschaftlichen Interessen der Verfügungsbeklagten selbst bei Abwägung mit den Schutzinteressen der Vertragspartner der Verfügungsbeklagten ein überwiegendes Interesse besteht, wären Warnhinweise zumindest neutral zu formulieren.

2.) Die Verfügungsbeklagte ist passivlegitimiert. Allerdings sind Diensteanbieter gemäß S 8 Abs. 1 TMG für fremde Informationen, die sie in einem Kommunikationsnetz übermitteln oder zu denen sie den Zugang zur Nutzung vermitteln, nicht verantwortlich, sofern sie die Übermittlung nicht veranlasst, den Adressaten der übermittelten Informationen nicht ausgewählt und die übermittelten Informationen nicht ausgewählt oder verändert haben. Ein solcher Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Die Verfügungsbeklagte beschränkt sich nicht darauf, auf ihrem Portal fremde Informationen zu vermitteln, sondern stellt mit der - selbst vorgenommenen - Anbringung des Warnhinweises eine eigene Behauptung auf: dass nämlich Fake-Bewertungen von der Verfügungsklägerin veranlasst und (deshalb) künftige Vorfälle nicht auszuschließen sind. Die Verfügungsbeklagte haftet damit aufgrund einer Vertragsverletzung   unter dem Gesichtspunkt der Täterhaftung auf Unterlassung.

Il.) Ein Verfügungsgrund liegt vor. Die Dringlichkeit folgt aus dem fortdauernden ruf- und geschäftsschädigenden Eingriff in die Rechte der Verfügungsklägerin.

III.) Der Erlass einer einstweiligen Verfügung ist zur Sicherung der Rechte der Verfügungsklägerin geboten. 

D.)       Die nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingereichten, nicht nachgelassenen Schriftsätze der Verfügungsklägerin vom 12.06.2020 und der Verfügungsbeklagten vom 25.05.2020 und 12.06.2020 waren bei der Entscheidung gemäß SS 296a, 156 ZPO nicht mehr zu berücksichtigen. Sie geben auch keine Veranlassung zur Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung gemäß S 156 Abs. 1 oder Abs. 2 ZPO.

E.)        Die Kostentscheidung beruht auf S 91 ZPO. Eine Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ist nicht veranlasst, weil die einstweilige Verfügung per se vorläufig vollstreckbar ist. 

Prof. Dr. Dreyer, Vorsitzende Richterin am Landgericht.

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