AG Köln, Urt. v. 20.06.23, 125 C 23/22 - Trachtenmode

entscheidungen

Bei der Bemessung einer angemessenen Lizenz im Wege der Lizenzanalogie kommt der vorhandenen eigenen Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers erhebliche Bedeutung zu.  Er muss deshalb belegen, dass er die verlangten Preise - außerhalb von gerichtlich zwangsweise durchgesetzten Fällen - am Markt erzielen konnte. Andernfalls hätte es der Rechteinhaber in der Hand, durch die Erstellung von Preislisten beliebige Schadensersatzforderungen durchzusetzen.

Streitwert: 5.000,00 €

Amtsgericht Köln
Urteil vom 20. Juni 2023, 125 C 23/22

Tenor

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 159,40 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 11.10.2019 sowie vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 36,00 € zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Beide Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn die jeweils andere Partei nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Nutzung von drei Lichtbildern.

Der Kläger ist Berufsfotograf und fertigte für einen Hersteller von Trachtenmode (im Folgenden nur "P.") über mehrere Jahre diverse Mode-Fotografien. Diese wurden unter anderem im Katalog von P. verwendet.

Es kam zu Unstimmigkeiten, da auch Vertriebspartner von P. die Aufnahmen für eigene Werbezwecke nutzten. Daraufhin schlossen der Kläger und P. zunächst am 28.07.2011 eine Vereinbarung, wonach sämtliche "Urheberrechte und Nutzungsbefugnisse" "abgegolten sind", wobei sich diese Regelung bezog auf die Nutzung durch P. "als auch auf die Nutzung durch Dritte, die das Material von der Auftraggeberin ausgehändigt bekommen haben" (vgl. Anlage B 1 zum Schriftsatz vom 05.09.2022, Bl. 355 d.A.).

Im August 2011 schlossen der Kläger und P. einen "Werklieferungsvertrag". Anlagen zu diesem Vertrag waren Hinweise, wie Dritte (Vertriebspartner u.a.) Lichtbilder bestellen können sowie eine Übersicht "Verwendungen und Preise je Bild 2011 S." (vgl. Anlage K 12, Bl. 172 d.A.).

Im Februar 2012 gab eine weitere Vereinbarung zwischen dem Kläger und P. zur Nutzung von Lichtbildern durch Dritte. Dabei erhielt P. die Option, für 1.000,00 € pro Lichtbild, maximal für 10 Lichtbilder, für einen Zeitraum von 24 Monaten das Recht zu erwerben, das jeweilige Lichtbild zur umfassenden Nutzung an Vertriebs- und Werbepartner weiterzugeben (Anlage K 13, Bl. 191 d.A.).

Die Beklagte betreibt ein Ladengeschäft mit Jagd- und Trachtenkleidung und war jedenfalls im Jahr 2012 ein Vertriebspartner von P.. Sie nutze die drei streitgegenständlichen Lichtbilder im Internet, wobei sie die eigentlich aufgebrachten ©-Vermerke des Klägers entfernte bzw. die Bilder derart beschnitt, dass sie nicht mehr sichtbar waren. Nach entsprechender Aufforderung durch den Kläger erteilte die Beklagte folgende Auskunft zu Nutzungsart und -dauer der drei Lichtbilder (vgl. Anlage K 17, dort Seite 2, Bl. 205 d.A.; Anlage K 16, dort Seite 1 als Zitat des Klägers aus einem Schreiben des Beklagten, Bl. 200 d.A.:

[Bild]

Das Foto wurde auf der Startseite eingefügt.

Zu dem Foto wurden lediglich zwei, drei Sätze mit einem allgemeinen Hinweis auf unser Sortiment Trachtenmode beigefügt.

Nutzungszeitraum ab ca. 2012 bis ca. 31.12.2018 (gelöscht nach Eingang der Klage)

[Bild]

Das Foto wurde in einer Kollage als Motiv eingefügt.

Diese Kollage war das Motiv für die Startseite. Meist wurde das Motiv nur zum Frühling/Sommer genutzt - da das Bild sehr sommerlich erscheint.

Zeitraum ca. 2012 bis 01.06.2017 (nachdem ein neues Layout der Homepage gestaltet wurde, wurde das Bild nicht mehr eingesetzt).

[Bild]

[...] von Mai 2011 bis Januar 2018 auf Facebook [...]

Für das "Bild ... (Textpassage wurde entfernt)" (auch "Gruppe H.") nutzte P. die Möglichkeit, gemäß der Vereinbarung aus Februar 2012 die Nutzungsrechte für die Vertriebs- und Werbepartner für 24 Monate zu erwerben.

Der Kläger erwirkte gegen die Beklagte beim LG Hamburg (Az. 308 O 3/18, Anlage K 1, Bl. 51 d.A.) zunächst ein (Teil-) Anerkenntnisurteil vom 26.11.2018 und ein Schlussurteil vom 06.09.2019. Im Tatbestand des Schlussurteils heißt es (Anlage K 1, dort Seite 8, Bl. 58 d.A.):

Am 13.04.2012 lud die Beklagte die streitgegenständlichen Fotografien bei P. herunter. P. hatte einen Downloadbereich für ihre Kunden eröffnet, in dem die Abnehmer Fotos herunterladen konnten, um sie dann auf ihren Webseiten zu nutzen. Die Beklagte musste beim Download die Nutzungsbedingungen akzeptieren, die u.a. eine Pflicht zur Nennung des "Copyright" vorsahen.

Im Verfahren vor dem LG Hamburg wurden die entsprechenden Nutzungsbedingungen vom Kläger vollständig zitiert. Insoweit wird auf das Anlagenkonvolut K 21, dort Seite 9, Bl. 485 d.A. verwiesen.

Der Kläger sieht in seinen AGB Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins vor (vgl. Anspruchsbegründung, dort Seite 14, Bl. 49 d.A.).

Der Kläger erklärt die Aufrechnung der streitgegenständlichen Ansprüche gegen einen aus dem Verfahren vor dem LG Hamburg für die Beklagte resultierenden Kostenerstattungsanspruch in Höhe von 1.240,93 € (vgl. Anspruchsbegründung, dort Seite 8, Bl. 43 d.A. und Kostenfestsetzungsbeschluss vom 10.10.2019, LG Hamburg, 308 O 3/18, Anlage K 15, Bl. 197 d.A.).

Der Kläger ist der Ansicht, er habe einen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung einer fiktiven Lizenz, die sich nach der Preisliste bemisst, welche Anlage zum "Werklieferungsvertrag" aus August 2011 war. Der Beklagte könne nicht besser stehen als ein Dritter, der Nutzungsrechte beim Kläger erworben hätte. Zudem sei seine fehlende Nennung als Urheber durch einen Aufschlag zu kompensieren.

Nach mehreren Klageänderungen (vgl. Bl. 37, 257, 342 d.A.) hat der Kläger zuletzt beantragt (vgl. Bl. 397 d.A.), die Beklagte zu verurteilen,

an den Kläger zu bezahlen

für die widerrechtliche Nutzung der nachstehend abgebildeten Fotografie bei Facebook EUR 1.209,09 zzgl. Zinsen auf den Betrag von 2.695,-EUR iHv. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 14.04.2012 bis zum 10.10.2019 und zzgl. Zinsen auf den Betrag von 1.454,07 EUR iHv. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 11.10.2019

[Bild]

für die widerrechtliche Nutzung der nachstehend Fotografien "[...]" EUR 675,-EUR zzgl. Zinsen iHv. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 14.04.2012

[Bild]

18,- EUR für die Auskunftsaufforderung v. 13.11.2019,

[Bild]

für die widerrechtliche Nutzung der nachstehend Fotografien "[...]" EUR 675,-EUR zzgl. Zinsen iHv. 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszins seit dem 14.04.2012

[Bild]

54,-EUR für die Zahlungsaufforderung v. 17.12.2019,

hilfsweise die Zinsen seit Rechtshängigkeit; hilfsweise die Zinsansprüche in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz ab den genannten Daten.

Ein entsprechendes Versäumnisurteil ist am 06.09.2022 ergangen (Bl. 399 d.A.).

Der Kläger beantragt nunmehr,

das Versäumnisurteil aufrechtzuerhalten.

Die Beklagte beantragt,

das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Beklagte behauptet, sie habe die streitgegenständlichen Fotografien "[...]") und "[...]" jedenfalls vor dem 28.07.2011 "bezogen". Daher sei die diesbezügliche Nutzung von der Vereinbarung zwischen dem Kläger und P. vom 28.07.2011 erfasst und abgegolten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Auf den zulässigen, insbesondere fristgerecht eingelegten Einspruch hin war das Versäumnisurteil aufzuheben und die Klage teilweise abzuweisen. Der Einspruch erfolgte innerhalb der gesetzlichen Frist. Das Versäumnisurteil wurde der Beklagten am 14.09.2022 zugestellt (Bl. 409 d.A.). Der Einspruch ging am 28.09.2022 bei Gericht ein (Bl. 416 d.A.).

I.

Der Kläger hat gegen die Beklagte nach Berücksichtigung der Aufrechnung einen Anspruch auf Zahlung von 159,40 € gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG.

1.

Die Aktivlegitimation des Klägers ist unstreitig. Die streitgegenständlichen Fotografien sind jedenfalls als Lichtbilder im Sinne des § 72 Abs. 1 UrhG von § 97 UrhG erfasst. Die Verwendung der Lichtbilder auf der Internetseite bzw. der unternehmenseigenen Facebook-Seite stellt ein öffentliches Zugänglichmachen im Sinne des § 19a UrhG dar. Soweit die Lichtbilder von der Beklagten teilweise am Rand beschnitten und erneut gespeichert wurden, liegt in dieser unwesentlichen Veränderung jedenfalls auch eine Vervielfältigung im Sinne des § 16 UrhG vor (vgl. BGH, Urteil vom 07.04.2022, Porsche 911 - I ZR 222/20 Rn. 56).

2.

Die Beklagte handelte zumindest leicht fahrlässig und widerrechtlich als sie die streitgegenständlichen Lichtbilder nutzte. Es gilt insoweit im Urheberrecht ein strenger Sorgfaltsmaßstab. Wer fremde urheberrechtlich geschützte Inhalte nutzt, muss sich vorher vergewissern, dass er über die entsprechenden Rechte verfügt.
Die Beklagte ist hinsichtlich der beiden Lichtbilder "[...]" und "[...]" insbesondere nicht dadurch vom Vorwurf des fahrlässigen Handelns bzw. der Widerrechtlichkeit befreit, weil sie diese vor dem 28.07.2011 "bezogen" haben will. Diesem neuen Vortrag im Schriftsatz vom 31.12.2023 (dort Seite 2, Bl. 458 d.A.) war nicht weiter nachzugehen. Als Sachverhalt ist der im Verfahren vor dem LG Hamburg im Tatbestand festgestellte Download am 13.04.2012 zugrunde zu legen. Denn die materielle Rechtskraft des zwischen den Parteien ergangenen Urteils des LG Hamburg vom 06.09.2019 (Anlage K 1, Bl. 55 d.A.) erstreckt sich auch auf die dort entscheidungserheblichen Tatsachen, bei denen sich der dortige und der vorliegende Streitgegenstand decken (vgl. BGH, Urteil vom 24.06.1993 - III ZR 43/92, juris Rn. 10; Vollkommer, in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. (2022) Vorbemerkungen zu § 322, Rn. 24). Im Verfahren vor dem LG Hamburg war der Aspekt des Downloads nach dem 28.07.2011 entscheidungserheblich, da die Kammer andernfalls von einer Abgeltung durch die Vereinbarung zwischen dem Kläger und P. vom 28.07.2011 ausgegangen wäre (vgl. Anlage K 1, dort Seite 7, Bl. 61 d.A.). Vorliegend ergibt sich die Entscheidungserheblichkeit aus demselben Grund.

Wie schon das LG Hamburg zutreffend ausgeführt hat, entfaltet die Vereinbarung vom 28.07.2011 nur Wirkung für Lichtbilder, deren Nutzung bereits zuvor begonnen hatte (vgl. Anlage K 1, dort Seite 7, Bl. 61 d.A. unter Verweis auf den Wortlaut der Vereinbarung). Davon geht offenbar die Beklagte mittlerweile ebenfalls aus, da andernfalls der neue Vortrag zum Download vor dem 28.07.2011 nicht erforderlich wäre.

3.

Der Kläger hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf lizenzanalogen Schadensersatz in nachfolgend dargestellter Höhe gemäß § 97 Abs. 2 Satz 3 UrhG.

a)

Der Kläger stützt seine Forderung ausdrücklich auf einen lizenzanalogen Schadensersatz. Nur ein solcher ist vorliegend auch begründet.

Zwar hatte das Gericht zwischenzeitlich erwogen, einen vertraglichen Anspruch zwischen den Parteien anzunehmen (vgl. Hinweis vom 22.12.2022, Bl. 444 d.A.). Das beruhte indes auf dem - mittlerweile überholten - Vortrag des Klägers, die beim Download von der Beklagten akzeptierten Nutzungsbedingungen seien die Anlagen zum "Werklieferungsvertrag" aus August 2011 gewesen (vgl. Schriftsatz vom 20.04.2022, dort Seite 5, Bl. 261 d.A.). Die dortigen Anlagen hätten als Angebot nebst AGB möglicherweise - das Gericht hatte sich insoweit ausdrücklich eine vertiefte Prüfung vorbehalten - ein unmittelbares Vertragsverhältnis zwischen den Parteien begründet. Jedoch hat der Kläger durch Schriftsatz vom 27.03.2023 (Bl. 469 d.A.) die Nutzungsbedingungen, welche nach dem Tatbestand der Entscheidung des LG Hamburg von der Beklagten akzeptiert wurden, vorgelegt (vgl. Anlage K 21, dort Seite 9, Bl. 485 d.A.). Aufgrund der dortigen Formulierung mit einer klaren Abgrenzung zwischen P., dem Urheber und dem Adressaten der Nutzungsbedingungen scheidet eine vertragliche Vereinbarung aus.

b)

Die akzeptierten Nutzungsbedingungen (a.a.O.) enthalten keine Regelung zur Höhe des Schadensersatzes, sondern in Ziffer 8 lediglich den allgemeinen Verweis auf "marktübliche Honorare bzw. Lizenzgebühren" - mithin das, was das Urheberrecht ohnehin vorsieht.

c)

Ein Rückgriff auf die Preisliste des Klägers als Basis für den lizenzanalogen Schadensersatzanspruch ist vorliegend nicht vorzunehmen. Abzustellen ist auf den Betrag, den der Verletzer als angemessene Vergütung hätte entrichten müssen, wenn er die Erlaubnis zur Nutzung des verletzten Rechts eingeholt hätte. Maßgeblich ist hierbei, was vernünftige Vertragsparteien als Vergütung für die vorgenommenen Benutzungshandlungen vereinbart hätten.

Dabei kommt einer vorhandenen eigenen Lizenzierungspraxis des Rechteinhabers erhebliche Bedeutung zu (vgl. nur BGH, Nachlizenzierung, Urteil vom 18.06.2020 - I ZR 93/19 Rn. 15). Der dem Gericht zur Entscheidung gestellte Sachverhalt zeigt indes, dass die Preisliste aus dem Jahr 2011 nicht der Lizenzierungspraxis des Klägers für die streitgegenständlichen Lichtbilder entsprach. Es ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass der Kläger die dort genannten Preise - außerhalb von gerichtlich zwangsweise durchgesetzten Fällen - am Markt erzielen konnte. Das tatsächliche Erhalten der behaupteten Preise am Markt ist indes zwingende Voraussetzung für die Berücksichtigung bei der Lizenzanalogie (vgl. BGH, a.a.O.). Andernfalls hätte es der Rechteinhaber in der Hand, durch die Erstellung von Preislisten beliebige Schadensersatzforderungen durchzusetzen.

In vier Entscheidungen haben sich bereits das OLG Köln (Urteil vom 28.10.2016, 6 U 206/15, juris), das Hanseatische OLG (Urteil vom 03.03.2016, 5 U 48/13, BeckRS 2016, 7416), das OLG München (Urteil vom 17.12.2015, 29 U 2324/15, juris) und das OLG Hamm (Urteil vom 17.11.2015, 4 U 34/15, juris) mit der Frage von angemessenen Preisen für die Modefotografie des Klägers (dort jeweils zu Bademoden) beschäftigt. Übereinstimmend gehen die genannten Gerichte davon aus, dass der Kläger im fraglichen Zeitraum keine Lizenzierungspraxis am Markt durchsetzen konnte, welche seiner Preisliste entsprach (vgl. nur Hanseatisches OLG, a.a.O. Rn. 43). Vielmehr wird von den Gerichten als Schätzgrundlage auf die mit den jeweiligen Modeherstellern vereinbarten Konditionen und Preise pro Lichtbild abgestellt. Dies führt in den dortigen Fällen, bei denen vom Modehersteller pro Foto ca. 10,00 € gezahlt wurden, zu einer Schätzung in dieser Größenordnung.

Dies wird von folgender überzeugender Erwägung des OLG Köln gestützt, die im Grundsatz ebenfalls auf den vorliegenden Sachverhalt übertragbar ist (OLG Köln, Urteil vom 28.10.2016, 6 U 206/15, juris Rn. 57):

Der Betrag von 8,52 EUR pro Bild ist im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO auf 10,00 EUR zu runden. Ein solcher Betrag ist vor dem Hintergrund des zwischen dem Kläger und einem seiner weiteren Auftraggeber, der T., im Februar 2012 - also unmittelbar vor der ersten Abmahnung der Beklagten - vereinbarten Betrages für die nachträgliche Einräumung von Zweitnutzungsrechten als angemessen zu bewerten, auch wenn die Zusatzvereinbarung als solche als Schätzgrundlage ungeeignet ist, weil sie das Verhältnis Kläger / Hersteller und nicht Kläger / Einzelhändler betraf, zudem auf eine Zeit nach dem Beginn der streitgegenständlichen Verletzungshandlungen im Jahr 2011 datiert und sich aus ihr schließlich auch kein konkreter Preis für die einzelne Fotografie ermitteln lässt (vgl. OLG Hamm, GRUR-RR 2016, 188 - Beachfashion, Juris-Tz. 128; OLG München, Urteil vom 17.12.2915, 29 U 2324/15; OLG Hamburg, Urteil vom 03.03.2016, 5 U 48/13, jeweils zu Parallelverfahren betreffend ein Fotoshooting des Klägers für die Nebenintervenientin im Mai 2011). Gleichwohl ergibt sich aus der Vereinbarung eine eigene Vorstellung des Klägers bezüglich des Wertes für eine Unterlizenz: Der Kläger hatte im Februar 2012 seiner Auftraggeberin, der T., gegen Zahlung eines Betrages von 1.000,00 EUR je Lichtbild umfangreiche Rechte zur Eigennutzung eingeräumt sowie das Recht, pro Saison 10 ausgewählte Lichtbilder für die Dauer von zwei Jahren ihren Vertriebspartnern zur Nutzung zur Verfügung zu stellen. Ihm war zum Zeitpunkt der Vereinbarung unstreitig bekannt, dass mindestens 100 Kunden für das Download-Portal der T. registriert gewesen waren. Danach ging der Kläger selbst nicht davon aus, bei direkten Vereinbarungen über eine Zweitnutzung von den einzelnen Händlern mehr als 10,00 EUR je Bild erzielen zu können.

Wie im Fall des OLG Köln hat der Kläger vorliegend mit P. eine Vereinbarung getroffen, wonach Unterlizenzen für sämtliche Vertriebs- und Werbepartner für die Dauer von zwei Jahren zum Preis von 1.000,00 € pro Lichtbild erworben werden können (vgl. Anlage K 13, Bl. 191 d.A.).

Wendet man die aufgezeigten, überzeugenden Erwägungen der genannten Oberlandesgerichte auf den vorliegenden Sachverhalt an, kommt man zu folgenden Zahlen:

Die einzig zur Akte gelangte Rechnung (Schriftsatz vom 27.03.2023, dort Seite 6, Bl. 474 d.A.) weist für 29 Digitalbilder einen Gesamtpreis von 7.361,36 € aus (die Rechnung erwähnt zwar Umsatzsteuer, setzt sie aber dem Endbetrag nicht hinzu). Das entspricht 253,84 € pro Lichtbild. Die Rechnung basiert auf den Tageshonoraren, welche im "Werklieferungsvertrag" (vgl. Anlage K 12, Bl. 172 d.A.) vereinbart wurden und umfasst damit ohne zeitliche Begrenzung die Nutzung auf der "Internethomepage", "Messeposter" (mit Einschränkungen), Modefachzeitschriften, Tagespresse, PR-/Öffentlichkeitsarbeit. Ausgenommen ist allerdings die Nutzung auf "socialnetworks wie facebook" (a.a.O., dort Seite 6, Bl. 177 d.A.).

Das vom Kläger angebotene Lizenzierungsmodell für die Unterlizenzen umfasste für 1.000,00 € pro Lichtbild (Anlage K 13) vorliegend ca. 200 potentielle Lizenznehmer (vgl. Kundenliste des Downloadbereichs, Anlage K 19, Bl. 263 d.A.). Dies führt mithin zu einem Preis von ca. 5,00 € pro Lichtbild pro Lizenznehmer für eine Nutzungsdauer von zwei Jahren.

aa)

Für die beiden nur auf der Internetseite der Beklagten genutzten Lichtbilder "[...]" und "[...]" ergibt sich mithin eine Spannbreite von 5,00 € für eine Nutzungsdauer von zwei Jahren und 253,84 € für eine unbegrenzte Nutzungsdauer mit sehr weitreichenden Nutzungsmöglichkeiten, welche für einen Einzelhändler nur bedingt erforderlich sind (vgl. oben).

Genutzt wurden die beiden Lichtbilder für 5,5 bzw. 7 Jahre jeweils auf der Startseite. Das eine wurde dabei in eine Kollage eingebunden.

Zu berücksichtigen ist, dass die Modefotografien für die Vertriebspartner an wirtschaftlicher Bedeutung verlieren, je länger die entsprechende Kollektion schon nicht mehr aktuell ist. Denn sie wird dann nicht mehr hergestellt und nur Restbestände können verkauft werden. Das Gericht schätzt unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls den angemessenen lizenzanalogen Schadensersatz auf 100,00 € je Lichtbild für die ersten zwei Jahre, auf 50,00 € für die nächsten zwei Jahre und auf 10,00 € je Lichtbild für alle folgenden Zwei-Jahres-Zeiträume, in Summe mithin einmal 160,00 € und einmal 170,00 €.

bb)

Das Lichtbild "[...]" wurde von der Beklagten bei Facebook genutzt. Eine derartige Nutzung war im "Werklieferungsvertrag" explizit ausgenommen und sollte gesondert vergütet werden.

Das Lichtbild ist von P. gemäß der Vereinbarung aus Februar 2012 (1.000,00 € pro Lichtbild zur Weitergabe an Vertriebspartner für eine Nutzungsdauer von zwei Jahren) ausgewählt wurden (vgl. Anlage K 14, Bl. 193 d.A.). Die Vereinbarung aus Februar 2012 selbst enthält keine explizite Ausnahme für die Nutzung auf Facebook und gewährt "ein umfassendes Nutzungsrecht". Sie knüpft in ihrer Präambel allerdings ausdrücklich an den "Werklieferungsvertrag" an, so dass die dortigen Ausnahmen als übernommen gelten und eine Facebook-Nutzung weiterhin nicht ohne weitere Zahlung gestattet ist (vgl. auch das dazu ergangene Urteil des LG Hamburg vom 20.05.2020, 310 O 30/19, dort Seite 18, Bl. 310 d.A.).

Die Nutzungsdauer wurde von der Beklagten eingeräumt von Mai 2011 bis Januar 2018, wobei - wie oben unter Verweis auf das LG Hamburg ausgeführt - für das Verfahren von einem Download erst am 13.04.2012 auszugehen ist. Mithin dauerte die Nutzung ca. 5,5 Jahre.

Die für P. im "Werklieferungsvertrag" vorgesehene Sondervergütung für die Nutzung auf Facebook verweist auf die Preisliste des Klägers. Die Werte können für einen einzelnen Vertriebspartner nicht unverändert übernommen werden. Weder ist eine solche Lizenzierungspraxis dargetan (vgl. schon oben) noch ist für diesen der wirtschaftliche Nutzen eines Facebook-Auftritts vergleichbar mit dem für den Hersteller P.. Die geringere Bedeutung wäre den Parteien auch bewusst gewesen und in den Preis eingeflossen. Gleichwohl ist ein etwas höherer Betrag anzunehmen als bei der Nutzung nur auf eine Unternehmens-Homepage. Facebook erreicht potentiell mehr Nutzer als die Seite eines lokalen Einzelhändlers. Die Reichweite von Facebook als Plattform ist dennoch nicht mit der Reichweite jeder einzelnen Seite innerhalb von Facebook gleichzusetzen. Bei Facebook gilt zudem der Umstand, dass mit dem Zeitablauf das Lichtbild an wirtschaftlichem Wert verliert, umso mehr. Denn es rutscht immer weiter nach unten und wird seltener wahrgenommen. Insoweit schätzt das Gericht den angemessenen lizenzanalogen Schadensersatz auf 150,00 € für das erste Jahr, 50,00 € für das nächste Jahr und 10,00 € für jedes weitere Jahr, in Summe mithin 240,00 €.

d).

Ein weitergehender materieller Schadensersatzanspruch für die fehlende Nennung des Klägers bei Veröffentlichung der Lichtbilder ist vorliegend ebenfalls zu gewähren. Dieser kompensiert etwaig verloren gegangene Folgeaufträge (vgl. BGH, Urteil vom 15.01.2015, I ZR 148/13 - Motorradteile). Zunächst ist zu sehen, dass der Kläger in allen zur Akte gelangten Vereinbarungen darauf geachtet hat, dass er mit einem Copyright-Vermerk genannt wird. Insoweit kann also tatsächlich eine Lizenzierungspraxis beobachtet werden. Hinzu kommt, dass auch in den Nutzungsbedingungen beim Download auf diesen Aspekt explizit hingewiesen wurde (dort Ziffer 4). Bei einem Berufsfotografen ist insoweit ein Zuschlag von 100% auf die Lizenzgebühr üblicherweise als angemessen anzusehen (vgl. LG Köln, Urteil vom 01.07.2021 - 14 O 15/20, GRUR-RS 2021, 20665 Rn. 38; LG Köln Urteil vom 30.04.2020 - 14 O 169/19, GRUR-RS 2020, 24060 Rn. 41).

4.

Ein Anspruch auf Verzugszinsen besteht vorliegend lediglich in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz. Der Kläger trägt selbst vor, Verzugszinsen regelmäßig nur in dieser Höhe zu beanspruchen. Aus der vom Kläger herangezogenen Entscheidung Kunststoffhohlprofil II (BGH, Urteil vom 24.11.1981 - X ZR 7/80, GRUR 1982, 301) ergibt sich nichts anderes. Der BGH geht lediglich davon aus, dass unter vernünftigen Vertragspartnern eine Zinspflicht vereinbart worden wäre (a.a.O., 304). Die Höhe hängt indes vom Einzelfall ab und kann vorliegend auf Basis der unstreitig vom Kläger zur damaligen Zeit verwendeten AGB konkret bestimmt werden.

Verzugsbeginn tritt mit dem Download ein, da von der Vereinbarung einer Vorauszahlungspflicht auszugehen ist.

5.

Insgesamt ergibt sich folgender Anspruch des Klägers, wobei die Rückwirkung der Aufrechnung gemäß § 389 BGB zu berücksichtigen war:

[Bild]

170,00 €

[Bild]

160,00 €

[...]

240,00 €

Zwischensumme

570,00 €

Aufschlag 100% wegen fehlender Urhebernennung

570,00 €

Hauptforderung

1.140,00 €

Zinsforderung (Basiszins plus 5 Prozentpunkte):

Zeitraum 14.04.2012 bis 10.10.2019

260,33 €

Somit Forderung am 10.10.2019:

1.140,00 € + 260,33 € =

1.400,33 €

abzgl. Aufrechnung (Betrag der Höhe nach unstreitig)

- 1.240,93 €

Anspruch des Klägers ab 11.10.2019:

159,40 €

II.

Der Kläger hat zudem einen Anspruch auf Ersatz der Rechtsanwaltskosten für die Auskunft in Höhe von 18,00 € (vgl. Anspruchsbegründung, dort Seite 8, Bl. 43 d.A.) als Kosten der erforderlichen Rechtsverfolgung. Dasselbe gilt im Grundsatz für die Kosten für das Aufforderungsschreiben vom 17.12.2019, wobei der dortige Betrag jedoch aus einem Gegenstandswert von 1.860,00 € berechnet wurde. Allerdings hatte der Kläger bereits mit Schreiben vom 13.11.2019 die Aufrechnung erklärt (vgl. Bl. 202 d.A.). Somit lag der Gegenstandswert am 17.12.2019 nur noch bei "bis 500,00 €". Daraus ergibt sich abermals eine Gebühr von weiteren 18,00 € auf Basis der vom Klägervertreter angesetzten 0,3-Gebühr nach dem RVG.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Der Kläger obsiegt mit deutlich weniger als 10% der Klageforderung. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit ergibt sich wegen der Möglichkeit der Anschlussberufung für beide Seiten aus den §§ 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und Satz 2, 709 Satz 2 ZPO.

Streitwert:

bis zum 05.09.2022: bis 5.000,00 €

danach: bis 4.000,00 €

Nach dem 05.09.2022 (anzunehmender Zugang des Schriftsatzes vom 29.08.2022 mit reduzierten Klageanträgen bei der Beklagten; angefordertes eEB ist nicht zur Akte gelangt, vgl. Bl. 342 d.A.) ergibt sich der Anspruch aus der Summe der Hauptforderung zzgl. der Zinsen, die auf den Betrag fallen, der selbst nicht mehr Hauptforderung ist.

Hauptforderung: 3.004,07 € (= 1.454,07 € + 675,00 € + 875,00 € )

Zinsen für überschießenden Betrag: 893,96 € (= 1.240,93 € verzinst mit Basiszins plus 9 Prozentpunkte vom 01.05.2011 bis zum 13.11.2019).

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