OVG Rheinland-Pfalz, Urt. von 08.09.98, 6 C 10168/98.OVG - E-Mail-Doktor II

Die Berufsordnung für Zahnärzte in Rheinland-Pfalz, die u.a. eine Werbung für die eigene Praxis mit der Besprechung von Heilmitteln oder Heilverfahren, Veröffentlichungen und Vorträgen auf einer Website verbietet, ist verfassungsrechtlich unbedenklich.

Streitwert: 4.000 €

 

rheinpfalz 

OBERVERWALTUNGSGERICHT RHEINLAND-PFALZ
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 6 C 10168/98.OVG
Entscheidung vom 8. September 1998

 

In dem Normenkontrollverfahren

[...]

wegen Normenkontrolle (Berufsordnung für Zahnärzte)

hat der 6. Senat des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz in Koblenz aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 08. September 1998, an der teilgenommen haben Vorsitzender Richter am Oberverwaltungsgericht Hehner, Richterin am Oberverwaltungsgericht Rive, Richter am Oberverwaltungsgericht Stamm

für Recht erkannt:

I. Der Antrag wird abgelehnt

II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen

Tatbestand

Der Antragsteller ist Zahnarzt und übt seinen Beruf in Gemeinschaft mit anderen Zahnärzten in eigener Praxis in T aus. Seit Juli 1996 stellt er seine Zahnarztpraxis einschließlich der von ihm angebotenen Dienstleistungen und Zahnpflegeartikel in dem Internet-Dienst »World Wide Web« dar. Wegen dieser Veröffentlichung schwebt in der Zivilgerichtsbarkeit zwischen dem Antragsteller und der Antragsgegnerin, deren Pflichtmitglied der Antragsteller ist, ein wettbewerbsrechtliches Verfahren.

Vor diesem Hintergrund wendet sich der Antragsteller gegen die Bestimmung des § 13 Abs. 1 der Berufsordnung für Zahnärzte in Rheinland-Pfalz - BO -, die folgenden Wortlaut hat:

»§ 13 Öffentliche Anpreisung

(1) Jede Werbung und Anpreisung sind dem Zahnarzt untersagt, insbesondere:

1. eine Werbung für die eigene Praxis mit der Besprechung von Heilmitteln oder Heilverfahren, Veröffentlichungen und Vorträgen zu verbinden,

2. öffentliche Danksagungen oder anpreisende Veröffentlichungen zu veranlassen oder zuzulassen,

3. Krankengeschichten, Operationen und Behandlungsmethoden in anderen als fachwissenschaftlichen Schriften bekanntzugeben,

4. unentgeltliche oder briefliche Behandlungen anzubieten oder durchzuführen,

5. Anzeigen zu veranlassen oder Vereinbarungen zu treffen, die einen bestimmten Erfolg in Aussicht stellen (sog. Garantieversprechen)«

Der Antragsteller macht geltend, der Wortlaut dieser Bestimmung sei so eindeutig, daß er entgegen der vom Landgericht Koblenz und von der Antragsgegnerin vertretenen Ansicht keiner verfassungskonformen Auslegung zugänglich sei, und daher gegen Art. 12 Abs. 1 GG verstoße.

Aber selbst wenn man die Bestimmung dahingehend auslege, daß sie nur die berufswidrige Werbung untersage, belaste sie ihn unverhältnismäßig; denn es bliebe völlig unklar, welche Werbung inhaltlicher Art und welche zur Werbung eingesetzten Mittel erlaubt seien. Da für ihn insoweit eine völlige Ungewißheit bestehe, sei er de facto daran gehindert, eine wie auch immer geartete Außendarstellung zu praktizieren, wenn er nicht ein gegen ihn gerichtetes Standesverfahren der Antragsgegnerin oder gar zivilrechtliche Maßnahmen wegen angeblichen Wettbewerbsverstoßes riskieren wolle.

Der Antragsteller beantragt,

§ 13 Abs. 1 der Berufsordnung der Antragsgegnerin in der Fassung vom 1. Januar 1981 für nichtig zu erklären.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Sie vertritt die Auffassung, die angegriffene Bestimmung des § 13 Abs. 1 BO finde in § 14 Abs. 4 Nr. 4 i.V.m. § 23 Nr. 11 HeilBG ihre Ermächtigung und halte auch einer verfassungsrechtlichen Überprüfung stand.

Die Vorschrift untersage unter der Überschrift »Öffentliche Anpreisung« zunächst »jede Werbung und Anpreisung«. Der Kontext der Berufsordnung belege indessen, daß der Begriff der Werbung so zu verstehen sei, daß es sich um eine anpreisende, über eine informative und sachliche Außendarstellung hinausgehende, kurz berufswidrige Werbung handeln müsse. Es dürfe kein reklamehaftes Sich-Hinausstellen im Sinne einer anpreisenden Werbung stattfinden. Dies belege ein Blick auf § 12 BO, der unter der Überschrift »Öffentliche Ankündigung« sehr wohl eine informative und sachliche Außendarstellung in gewissen Fällen ermögliche. Somit sei schon aus dem Kontext des § 13 BO davon auszugehen, daß dieser nicht jegliche Werbung unterbinden wolle. Zumindest sei § 13 Abs. 1 BO verfassungskonform dahin auszulegen, daß er nur die berufswidrige Werbung umfasse. Unter diesem Gesichtspunkt bestünden zunächst gegen einen so verstandenen § 13 Abs. 1 Satz 1 BO weder Bedenken aus dem Bestimmtheitsgesichtspunkt des Art. 103 Abs. 3 GG noch verfassungsmäßige Bedenken unter dem Gesichtspunkt einer verfassungswidrigen Beschränkung der Berufsfreiheit. Soweit in diesem Sinne § 13 Abs. 1 BO jede berufswidrige Werbung und Anpreisung untersage, bestünden unter dem Gesichtspunkt der Einschränkung der Berufsfreiheit keine verfassungsmäßigen Bedenken. Es sei dann jeweils eine Frage des Einzelfalles, zu entscheiden, ob und inwieweit eine berufswidrige Werbung in diesem Sinne vorliege. Daraus könnten aber keine Bedenken gegen die Norm selbst abgeleitet werden.

Schließlich seien auch gegen die aus dem Obersatz des § 13 Abs. 1 Satz 1 BO abgeleiteten weiteren konkretisierten berufswidrigen Werbungs- und Anpreisungsmaßnahmen der Nr. 1 bis 5 - was die Antragsgegnerin im einzelnen näher ausführt - keine verfassungsrechtlichen Bedenken ersichtlich.

Wegen des Sach- und Streitstandes im einzelnen wird auf die Schriftsätze der Beteiligten, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Der gemäß § 47 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. Art. 10 Abs. 4 des 6. VwGo-Änderungsgesetzes vom 01. November 1996 (BGBl. I S. 1626) zulässige Antrag ist unbegründet.

Die vom Antragsteller angegriffene Bestimmung des § 13 Abs. 1 der Berufsordnung für Zahnärzte in Rheinland-Pfalz - BO - findet ihre Ermächtigungsgrundlage in §§ 14 Abs. 4 Nr. 4, 23 Nr. 11 HeilBG und steht entgegen der Auffassung des Antragstellers auch mit Art. 12 Abs. 1 GG in Einklang.

Allerdings gehört zu der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Freiheit der Berufsausübung nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. BVerfGE 85, 248, 256 m.w.N.) nicht nur die berufliche Praxis selbst, sondern jede Tätigkeit, die mit der Berufsausübung zusammenhängt und dieser dient. Hierunter fällt auch die berufliche Außendarstellung der Grundrechtsberechtigten einschließlich der Werbung für die Inanspruchnahme ihrer Dienste. Demzufolge sind Werbeverbote mit Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG nur vereinbar, wenn sie durch ausreichende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen, wenn also das gewählte Mittel zur Erreichung des verfolgten Zwecks geeignet und auch erforderlich ist und wenn bei einer Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist (Bundesverfassungsgericht in ständiger Rechtsprechung, vgl. z.B. BVerfGE 94, 372, 390 m.w.N.).

An diesen Grundsätzen gemessen sind Werbeverbote für freie Berufe nicht von vornherein zu beanstanden; denn sie sollen dazu beitragen, daß der Berufsstand seine Aufgaben ordnungsgemäß erfüllt. Zudem sollen sie das Vertrauen der Öffentlichkeit in den Berufsstand stärken (vgl. BVerfGE 94, 372, 391).

Die Aufgabe eines Zahnarztes besteht gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 des Gesetzes über die Zahnheilkunde in der Fassung der Bekanntmachung vom 16. April 1987 (BGBl. I S. 1225) in der auf zahnärztlich wissenschaftliche Erkenntnis gegründeten Feststellung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten. Diese Aufgabe erfordert indessen, daß die zahnärztliche Berufsausübung sich nicht an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten orientiert. Dementsprechend beugt das Werbeverbot einer gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung des Zahnarztberufs vor und stärkt zugleich auch das Vertrauen der Bevölkerung auf die Integrität des Zahnarztes, d.h. darauf, daß der Zahnarzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte Untersuchungen und Behandlungen vornehmen werde (vgl. für den Arztberuf: BVerfGE 71, 162, 174 sowie 85, 248, 260)

Ist hiernach ein Werbeverbot auch für Zahnärzte vom Grundsatz her verfassungsgemäß, so bleibt allerdings zu prüfen, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt ist. Dieser ist indessen im vorliegenden Fall durch die Norm des § 13 Abs. 1 BO als solche nicht verletzt.

Zwar könnten sich Bedenken daraus ergeben, daß § 13 Abs. 1 BO dem Wortlaut nach "jede Werbung" (und Anpreisung) untersagt. Jedoch darf diese Vorschrift nicht allein vom Wortlaut her ausgelegt werden, sondern muß im Zusammenhang mit den übrigen Bestimmungen, insbesondere mit § 12 BO, gesehen werden. Hiernach sind dem Zahnarzt neben der auf seiner Leistung und seinem Ruf beruhenden Werbewirkung eine Reihe Ankündigungen mit werbendem Charakter unbenommen: Er darf rechtmäßig erworbene Titel und Gebietsbezeichnungen führen, seine Tätigkeit durch ein Praxisschild und durch bestimmte Presseanzeigen sowie durch Aufnahme in Adressbücher und sonstige amtliche Verzeichnisse nach außen kundtun. Auch darf er selbstverständlich wissenschaftliche Beiträge in Fachzeitschriften unter seinem Namen veröffentlichen (vgl. § 13 Abs. 1 Nr. 3 sowie Abs. 3 BO) und eine Vortrags- und Lehrtätigkeit ausüben. Alle diese Gesichtspunkte haben die höchstrichterliche Rechtsprechung seit langer Zeit veranlaßt, § 13 Abs. 1 1. HS BO entsprechende Bestimmungen in Berufsordnungen - zugleich verfassungskonform - dahingehend auszulegen, daß nur b e r u f s w i d r i g e Werbung verboten ist (vgl. z.B. BVerfGE 71, 162, 174; LBGH Rh-Pf Urteil vom 27. April 1994, NJW 1995, 1633). Nicht die Vorschrift als solche, sondern allenfalls ihre - hier nicht streitgegenständliche - Anwendung im Einzelfall könnte einen Zahnarzt daher unzumutbar belasten (vgl. BVerfGE 71, 162, 174).

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, daß der Begriff der »berufswidrigen Werbung« sich nicht allgemeingültig definieren läßt, denn der oben dargestellte Zweck des Werbeverbots ist ein durchaus geeigneter Maßstab, zulässige von der berufswidrigen Werbung zu trennen (vgl. als Beispiel die Argumentation des Bundesverfassungsgerichts in BVerfGE 94, §372 ff.). Zudem enthält § 13 Abs. 1 BO in Nr. 1 - 5 Beispiele berufswidriger Werbung, die die meisten Konflikte regeln und im übrigen als Orientierung dienen können. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen diese Bestimmungen sind weder vom Antragsteller geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

Nr. 1 enthält im Grunde genommen kein eigenständiges Werbeverbot, sondern dient dazu, zu verhindern, daß das Werbeverbot umgangen wird, indem unter dem Deckmantel der sachlichen Information in Wirklichkeit kommerzielle Reklame für den einzelnen Zahnarzt getrieben wird. Auch Nr. 2 dient in verfassungsgemäßer Weise der Sicherung des Werbeverbots; denn damit soll verhindert werden, daß der Zahnarzt die ihm selbst verbotene Werbung durch andere, namentlich durch Patienten oder Journalisten, besorgen läßt (vgl. BVerfGE 85, 248, 259). § 13 Abs. 1 Nr. 3 BO ist schon deswegen nicht zu beanstanden, weil diese Bestimmung, die die vom Zahnarzt ausgehende Bekanntgabe von Krankengeschichten, Operationen und Behandlungsmethoden zu Werbezwecken erfaßt, im Kern § 11 des Gesetzes über die Werbung auf dem Gebiete des Heilwesens in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3068) entspricht und eine Mitwirkung an sachlich informativen Veröffentlichungen (vgl. dazu LBGH Rh-Pf, U.v. 27. April 1994, a.a.O.) keineswegs ausschließt. Daß eine Werbung mit unentgeltlicher oder brieflicher Behandlung (Nr. 4) sowie Garantieversprechen (Nr. 5) mit den Pflichten eines Zahnarztes nicht zu vereinbaren sind, bedarf schließlich keiner Erläuterung. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.

Die Anordnung der vorläufigen Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Gründe vorliegt.

Beschluss

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 8.000,- DM festgesetzt (§ 13 Abs. 1 GKG).

gez. Hehner     gez. Rive     gez. Stamm

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