BGH, Urt. v. 30.04.97, I ZR 154/95 - Die Besten II

Wer in einer Publikation im Rahmen einer Rangliste »Die 500 besten Anwälte« in einer redaktionellen Berichterstattung aufführt, handelt nach den Grundsätzen der »getarnten Werbung« wettbewerbswidrig im Sinne des § 1 UWG, wenn der Erhebung keine aussagekräftigen Beurteilungskriterien zugrunde liegen,

Instanzen: OLG München, Urt. v. 09.03.95, 29 U 4177/94; LG München I, Urt. v. 27.04.94, 1 HKO 23785/93

Fundstellen: NJW 1997, 2681; GRUR 1997, 914; WRP 1997, 1051; CR 1997, 691

bundesadler

BUNDESGERICHTSHOF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: I ZR 154/95
Entscheidung vom 30. April 1997

In dem Rechtsstreit

[...]

Der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofes hat auf die mündliche Verhandlung vom 30. April 1997 durch den Vorsitzenden Richter Prof. Dr. Erdmann und die Richter Prof. Dr. Mees, Prof. Dr. Ullmann, Starck und Pokrant

für Recht erkannt:

Die Revision gegen das Urteil des 29. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. März 1995 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte zu 1 (im folgenden: die Beklagte) verlegt wöchentlich das Nachrichtenmagazin FOCUS. Der Beklagte zu 2 ist der Geschäftsführer der Beklagten zu 1 und Chefredakteur dieser Zeitschrift.

Die klagende Rechtsanwaltskammer wendet sich mit ihrer Unterlassungsklage gegen die Veröffentlichung der Artikelserie »Die 500 besten Anwälte«, die in den Ausgaben der Zeitschrift FOCUS Nr. 44/93 bis Nr. 49/93 erschienen ist.

In den Artikeln werden - gegliedert nach Rechtsgebieten und Regionen - Rechtsanwälte mit Namen, Kanzleisitz und Telefonnummer genannt. Die Rechtsgebiete, auf welchen die Rechtsanwälte tätig sind, werden näher beschrieben. Zugleich wird dem Leser mitgeteilt, nach welchen Kriterien die genannten Rechtsanwälte ermittelt wurden, nämlich aufgrund ihrer »Reputation unter Kollegen« und ihrer »Präsenz in Fachkreisen«.

Die Klägerin hat vorgetragen, die Beklagte handele wettbewerbswidrig, indem sie einzelne namentlich genannte Anwälte als »beste Anwälte« bezeichne. Sie fördere damit in unzulässiger Weise deren Wettbewerb. Die Berichterstattung gehe über eine notwendige informative Äußerung der Presse hinaus. Die für die Auswahl genannten Kriterien beruhten auf einem subjektiven Urteil der Redaktion; nach außen werde aber der Anschein objektiver Beurteilung erweckt. Die herangezogenen Bewertungskriterien seien völlig unzureichend; sie ließen die Erarbeitung einer zuverlässigen »Rangliste« nicht zu.

Die Beklagten sind dem entgegengetreten. Die Beklagte habe sich nicht wettbewerbswidrig verhalten. Die Artikelserie sei objektiv nicht geeignet, den Wettbewerb der genannten Rechtsanwälte zu fördern. Es habe ihr auch die Absicht gefehlt, fremden Wettbewerb zu fördern. Es sei ihr nur um eine informative Darstellung gegangen. Auch die befragten Rechtsanwälte hätten sich mit ihrer Auskunft nicht wettbewerbswidrig verhalten. Sie hätten den Zweck der erbetenen Namensnennung weder gekannt noch erkennen müssen. Kein Rechtsanwalt habe sich im Rahmen seiner Antwort selbst als Spezialist genannt, woraus sich entnehmen lasse, dass sie mit der Erstellung einer »Besten-Liste« nicht gerechnet hätten. Sie habe mit der Wahl des Titels auch keine unzulässige Superlativwerbung betrieben. Sie habe nämlich ausdrücklich darauf hingewiesen, dass jeder in Deutschland zugelassene Rechtsanwalt im Mietrecht beraten und verhandeln könne. Damit sei hinreichend zum Ausdruck gekommen, dass sie ihre persönliche subjektive Auswahl getroffen habe, auch wenn die Kriterien, nach denen sie vorgegangen sei, wissenschaftlich zuverlässig seien.

Das Landgericht hat der Klage im wesentlichen stattgegeben und den Beklagten verboten,

den Titel »Die 500 besten Anwälte« oder den Kurztitel »Die besten Anwälte« im Zusammenhang mit der Veröffentlichung einer Artikelserie oder einer sonstigen Druckschrift zu verwenden oder verwenden zu lassen, die durch folgende Elemente gekennzeichnet sind:

Abhandlung abgegrenzter Rechtsgebiete unter wörtlicher oder sinngemäßer Bezeichnung der in diesem Zusammenhang genannten Rechtsanwälte als »Spezialisten«;

Namensnennung einer beschränkten Anzahl von Rechtsanwälten unter Beifügung von deren Kanzleisitz und/oder Telefonnummer;
Bewerbung der beruflichen Qualifikation der genannten Anwälte nach Anzahl von Benennungen durch andere befragte Anwälte allein oder zusätzlich nach der Anzahl der Fachveröffentlichungen;

Wiedergabe von Abbildungen und wörtlichen Zitaten von Äußerungen einzelner Anwälte und/oder graphischen Schaubildern mit Darstellung der Entstehungsgeschichte überörtlicher Anwaltssozietäten.

Die Berufung der Beklagten ist erfolglos geblieben (OLG München WRP 1995, 866).

Mit der Revision verfolgen die Beklagten ihren Antrag weiter, die Klage abzuweisen. Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

I.

Das Berufungsgericht hat einen Verstoß gegen § 1 UWG bejaht und dazu ausgeführt, die Beklagte habe mit der Veröffentlichung der Artikelserie unter dem Titel »Die 500 besten Anwälte« zur Förderung des eigenen Wettbewerbs gehandelt. Die Veröffentlichung dieser Artikelserie sei objektiv geeignet, die Nachfrage nach der betreffenden Zeitschrift beachtlich zu steigern. Auch habe die Beklagte mit einer dahingehenden Wettbewerbsabsicht gehandelt. Dies ergebe sich aus der Art und Weise, wie die Artikelserie recherchiert und den Lesern dargeboten worden sei. Die »Reputation unter Kollegen« sei kein objektives Kriterium für besondere Fachkenntnisse. Die Empfehlung durch andere Rechtsanwälte könne auf vielfältigen Gründen beruhen, die nicht notwendig fachbezogen seien. Dem weiteren Qualitätskriterium der »Präsenz in Fachkreisen« komme kaum Bedeutung zu, was sich schon daraus ergebe, dass die empfohlenen Rechtsanwälte in der überwiegenden Zahl keine Fachpublikationen nachweisen könnten und dennoch - also ausschließlich aufgrund der Empfehlung ihrer Kollegen - zu den Besten ihres Fachs gezählt würden. Die unsachgemäße Auswahl der benannten Rechtsanwälte zeige, dass es der Beklagten vorwiegend darauf angekommen sei, ihren eigenen Wettbewerb zu fördern. Die Auflistung der »besten Anwälte« sei für die Leserschaft besonders attraktiv. Es werde damit auch der unrichtige Eindruck erweckt, die namentlich genannten Rechtsanwälte seien aus der Gesamtheit der Rechtsanwaltschaft nach einem bestimmten, zuverlässigen Verfahren als die Besten ihres Fachs ermittelt worden. Es werde damit eine nach Qualitätsmerkmalen erstellte Rangfolge behauptet, die willkürlich sei und den Leser täusche. Es verstoße gegen das allgemeine sittliche Empfinden, Lesern aufgrund unzureichender Recherchen ausgewählte Rechtsanwälte als die Besten ihres Fachs zu benennen und damit andere Anwälte, die nicht genannt würden, zu benachteiligen, obwohl sie unter Umständen sogar leistungsstärker als ihre empfohlenen Kollegen seien.

Es könne dahingestellt bleiben, ob die Beklagte auch in der Absicht gehandelt habe, den Wettbewerb der empfohlenen Anwälte zu fördern. Keinem Zweifel könne jedoch unterliegen, dass das Verhalten der Beklagten objektiv geeignet sei, die empfohlenen Rechtsanwälte im Wettbewerb zu fördern.

Die angegriffenen Veröffentlichungen seien auch nicht durch das Grundrecht der Meinungs- und Pressefreiheit nach Art. 5 Abs. 1 GG gedeckt. Die gebotene Abwägung führe zum Vorrang wettbewerbsgerechten Verhaltens vor dem Recht aus Art. 5 Abs. 1 GG.

II.

Die Revision hat keinen Erfolg. Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, dass die Beklagte mit der Verwendung des Titels »Die 500 besten Anwälte« oder des Kurztitels «Die besten Anwälte« im Zusammenhang mit der Veröffentlichung der näher bezeichneten Serie mit namentlich benannten Rechtsanwälten gegen § 1 UWG verstößt. Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich im Ergebnis deshalb als richtig, weil in der Darstellung der mit Namen, Adresse und Telefonnummer benannten Rechtsanwälte als »die 500 besten Anwälte« oder als »Die besten Anwälte« eine unzulässige Handlung zur Förderung von deren Wettbewerb zu sehen ist, die von einer entsprechenden Absicht der Beklagten getragen ist. Auf das Grundrecht der Meinungsäußerungs- und Pressefreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) vermögen sich die Beklagten nicht mit Erfolg zu berufen. Gegenstand des Verbots ist nicht die in der Artikelserie gegebene Information über einzelne Rechtsanwälte. Es geht allein um die Bezeichnung der dargestellten Anwälte als die besten Rechtsanwälte. Diese den Wettbewerb der genannten Rechtsanwälte im besonderen Maße fördernde Aussage ist sachlich unrichtig. Sie wird vom Presseprivileg des Art. 5 Abs. 1 GG nicht gedeckt. Der Wettbewerbsschutz genießt insoweit Vorrang (Art. 5 Abs. 2 GG).

1. Der klagenden Rechtsanwaltskammer steht gemäß § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG die Befugnis zu, gegen den beklagten Verlag und dessen Chefredakteur den auf unzulässige Förderung des Wettbewerbs von Rechtsanwälten gestützten Unterlassungsanspruch aus § 1 UWG geltend zu machen.

Der wettbewerbsrechtliche Anspruch auf Unterlassung kann außer von dem unmittelbar betroffenen Mitbewerber (§ 1 UWG) von den in § 13 Abs. 2 UWG genannten Gewerbetreibenden und Organisationen geltend gemacht werden. Der klagenden Rechtsanwaltskammer kommt die Klagebefugnis eines rechtsfähigen Verbandes zur Förderung gewerblicher Interessen im Sinne des 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu (BGH, Urt. v. 21.1.1993 I ZR 43/91, GRUR 1993, 675, 676 = WRP 1993, 703 - Kooperationspartner). Der Umfang ihres Prozessführungsrechts wird allerdings bestimmt durch die von ihren Mitgliedern zu erbringende Dienstleistung der Rechtsberatung.

Ein Wettbewerbsverhalten der Beklagten, das allein danach beurteilt wird, ob es die wettbewerbliche Stellung der Beklagten zu 1 als Presseunternehmen fördert, unterfällt nicht der Klagebefugnis der Rechtsanwaltskammer. Die Klägerin kann deshalb das begehrte Unterlassungsgebot nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung erwirken, die Beklagte zu 1 habe mit den beanstandeten Artikeln in unzulässiger Weise ihren eigenen Wettbewerb gefördert.

Von der Neufassung des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG ist dagegen die Befugnis der klagenden Rechtsanwaltskammer unberührt geblieben, Wettbewerbsverstöße ihrer Mitglieder oder von Wettbewerbern ihrer Mitglieder zu verfolgen. Hierzu zählt auch die Inanspruchnahme von Dritten, die in Wettbewerbsförderungsabsicht oder auch als Störer ohne eine dahingehende Absicht zu einer Förderung des Wettbewerbs von Rechtsanwälten beitragen (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.1996 - I ZR 129/94, GRUR 1997, 313, 314 f. = WRP 1997, 325, 326 Architektenwettbewerb).

2. Die Revision wendet sich ohne Erfolg gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Beklagten hätten mit der beanstandeten Presseveröffentlichung zu Zwecken des Wettbewerbs gehandelt. Ein Handeln zu Zwecken des Wettbewerbs i.S. des § 1 UWG liegt vor, wenn das Verhalten objektiv geeignet ist, den Wettbewerb einer Person zum Nachteil einer anderen zu begünstigen, und der Handelnde zusätzlich in der Absicht vorgegangen ist, den (eigenen oder) fremden Wettbewerb zu fördern.

a) Die Annahme des Berufungsgerichts, die veröffentlichte Artikelserie sei objektiv geeignet, den Wettbewerb der darin genannten Rechtsanwälte zu fördern, ist aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Das Berufungsgericht ist zu Recht nicht dem Standpunkt der Beklagten beigetreten, die Förderung fremden Wettbewerbs scheide schon deshalb aus, weil die empfohlenen Rechtsanwälte durchweg bereits vor Erscheinen der Artikelserie voll ausgelastet gewesen seien. Ein Mandant, der besten Rechtsrat sucht, wird den Rat des Besten seines Fachs dem Rat des weniger guten Rechtsanwalts vorziehen. Hierfür nimmt er auch eine zeitliche Verzögerung wegen einer Überlastung des Rechtsberaters in Kauf.

b) Entgegen der Ansicht der Revision wird das beanstandete Verhalten der Beklagten auch von der Absicht der Förderung des Wettbewerbs der genannten »besten Anwälte« getragen.

Das Berufungsgericht hat bei seiner Beurteilung nicht verkannt, dass eine wettbewerbsrechtliche Haftung der Beklagten zu 1 als Presseorgan nicht allein daraus abgeleitet werden kann, dass die Berichterstattung, für welche der Beklagte zu 2 als Chefredakteur verantwortlich ist, auf eine Verbesserung der eigenen oder fremden Wettbewerbslage hinwirkt. Denn ungeachtet der objektiven Eignung zur Wettbewerbsförderung liegt in der Regel der Grund für die gewählte Berichtsform in der durch Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG geschützten Aufgabe der Presse, die Öffentlichkeit über eine Angelegenheit von allgemeiner Bedeutung zu unterrichten (BGH, Urt. v. 20.3.1986 - I ZR 13/84, GRUR 1986, 812, 813 = WRP 1986, 547 - Gastrokritiker; Urt. v. 12.10.1989 - I ZR 29/88, GRUR 1990, 373, 374 - Schönheits-Chirurgie; Urt. v. 10.11.1994 - I ZR 216/92, GRUR 1995, 270, 272 = WRP 1995, 186 - Dubioses Geschäftsgebaren). Deshalb bedarf es bei Fallgestaltungen solcher Art, bei denen keine Vermutung für das Vorliegen einer Wettbewerbsförderungsabsicht besteht, der Feststellung konkreter Umstände, wonach neben der Wahrnehmung der publizistischen Aufgabe die Absicht des Presseorgans, (den eigenen oder) fremden Wettbewerb zu fördern, eine größere als nur eine notwendigerweise begleitende Rolle gespielt hat (BGH GRUR 1995, 270, 272 - Dubioses Geschäftsgebaren; Urt. v. 28.11.1996 - I ZR 184/94, WRP 1997, 434, 436 - Versierter Ansprechpartner). Solche Umstände sind hier gegeben. Sie folgen aus der vom Berufungsgericht verfahrensfehlerfrei festgestellten übermäßig werbenden Darstellung der empfohlenen Rechtsanwälte als die besten der Bundesrepublik Deutschland. Eine solche Anpreisung verlässt den Rahmen einer sachlich veranlassten Information über die Spezialisierung und die Qualifikation der rechtsberatenden Berufsstände. Die dabei auftretende Absicht, den Wettbewerb der genannten Rechtsanwälte zum Nachteil der nicht genannten zu fördern, ist mehr als eine mit der journalistischen Berichterstattung einhergehende Begleiterscheinung; sie fällt wettbewerbsrechtlich ins Gewicht.

3. Des weiteren ohne Erfolg wendet sich die Revision gegen die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Veröffentlichung der Artikelserie unter dem Titel »Die 500 besten Anwälte« oder »Die besten Anwälte« verstoße gegen § 1 UWG. Die Darstellung der genannten Rechtsanwälte als die 500 besten des Landes enthält einen werblichen Überschuss ohne sachliche Rechtfertigung. Es fehlt nämlich an sachlichen und überprüfbaren Kriterien, welche die Beurteilung zuließen, es handele sich bei den benannten Rechtsanwälten wirklich um die besten der Bundesrepublik Deutschland. Vielmehr belegen die von der Beklagten angeführten Beurteilungskriterien, die Rechtsanwälte entsprechend ihrer »Reputation« und »Präsenz in Fachkreisen« ausgewählt und subjektiv eingeschätzt zu haben, dass die Angabe »die Besten« objektiv unrichtig ist.

Die streitige werbemäßige Darstellung der Dienstleistung der benannten Rechtsanwälte ist im Ergebnis nicht anders zu behandeln als die in der Rechtsprechung des Senats unter den Begriff der getarnten Werbung fallende wettbewerbsrechtliche Beurteilung redaktioneller Beiträge, die übermäßig anpreisende Werbeaussagen enthalten (BGH, Urt. v. 18.2.1993 - I ZR 219/91, GRUR 1993, 565, 566 = WRP 1993, 478 - Faltenglätter; Urt. v. 18.2.1993 - I ZR 14/91, GRUR 1993, 561, 562 = WRP 1993, 476 - Produktinformation I; Urt. v. 10.3.1994 - I ZR 51/92, GRUR 1994, 445, 446 = WRP 1994, 400 - Beipackzettel; Urt. v. 23.1.1997 - I ZR 238/93, Umdr. S. 9 f. - Produkt-Interview). Wer unter der redaktionellen Tarnkappe Wirtschaftswerbung betreibt, handelt wettbewerbswidrig (Kohl, AfP 1984, 201, 203; Piper, Festschrift Vieregge [1995], S. 715, 724). Die wettbewerbsrechtliche Verantwortlichkeit der Presse liegt in diesen Fällen darin begründet, dass sie das Publikum darüber täuscht, journalistisch recherchiert zu haben, obschon sie beispielsweise lediglich die anpreisende Information des Werbenden oder positive Äußerungen eines Dritten ohne kritische Distanz in das Gewand eines redaktionellen Beitrags gekleidet hat. Entsprechend verhält es sich im Streitfall. Die Bezeichnung der von der Beklagten benannten Rechtsanwälte als die besten Anwälte der Bundesrepublik Deutschland enthält eine werbende Darstellung, die den Bereich einer redaktionellen, sachlichen Information über die Qualität der Rechtsberatung in der Bundesrepublik Deutschland verlässt. Die Qualifizierung beruht nicht auf aussagekräftigen, objektiven Bewertungskriterien. In der superlativen Bewertung der genannten Rechtsanwälte als die »Besten« liegt zugleich eine Herabsetzung nicht genannter, in gleicher Weise oder besser qualifizierter Rechtsberater.

Es ist entgegen der Ansicht der Revision nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die von der Beklagten gewählten Kriterien der »Reputation unter Kollegen« und der »Präsenz in Fachkreisen« nicht als Maßstab einer objektiven Beurteilung hat genügen lassen.

Die von Kollegen ausgesprochenen Empfehlungen sind unkontrollierbare Anpreisungen. Zutreffend hat das Berufungsgericht darauf hingewiesen, dass die Reputation unter Kollegen nicht nur auf einer positiven Einschätzung des fachlichen Könnens des (konkurrierenden) Kollegen beruhen muss. Der Revision kann zwar darin beigetreten werden, dass ohne eine Reputation des benannten Anwalts dessen Qualifikation als zu den Besten gehörend wohl kaum angenommen werden könnte und insoweit die verwendete »Reputationsmethode« auch als wissenschaftlich anerkanntes Auswahlverfahren zu betrachten ist. Indessen handelt es sich hierbei nur um ein Kriterium, dessen Verlässlichkeit, will man es für das bewertende Endergebnis zugrunde legen, eine Recherche bei einer Vielzahl der beteiligten Verkehrskreise, z.B. bei Behörden, Unternehmensjuristen oder Gerichten erforderte. Das weitere Auswahlkriterium der »Präsenz in Fachkreisen« ist auch nicht im Zusammenhang mit dem Merkmal der »Reputation« geeignet, die von der Beklagten ausgesprochene Qualifikation zu tragen. Weder das Fehlen wissenschaftlicher Veröffentlichungen noch die Vielzahl solcher Beiträge vermögen eine herausragende Qualifikation in der Rechtsberatung zu widerlegen oder zu belegen.
4. Auch soweit das wettbewerbsrechtlich begründete Unterlassungsgebot im Licht des Grundrechtsschutzes der Presse (Art. 5 Abs. 1 GG) auf seine Verhältnismäßigkeit zu gewichten ist, hält die Entscheidung des Berufungsgerichts den Angriffen der Revision stand. Mit dem Verbotsausspruch wird der Beklagten nämlich nicht die Information als solche verboten, sondern lediglich die Darstellung unter dem Titel »Die 500 besten Anwälte« oder »Die besten Anwälte«. Die Allgemeinheit ist an einer solchen unrichtigen Information nicht interessiert, weshalb auch von einem grundrechtlich schützenswerten Recht der Beklagten zu einer dahingehenden Darstellung nicht gesprochen werden kann (Art. 5 Abs. 2 GG i.V. mit § 1 UWG).

5. Der gerügte Verstoß ist geeignet, den Dienstleistungswettbewerb unter Rechtsanwälten wesentlich im Sinne des § 13 Abs. 2 Nr. 2 UWG zu beeinträchtigen. Die Eignung zur wesentlichen Wettbewerbsbeeinträchtigung folgt schon aus der Gegenläufigkeit der Interessen der - wie die Revisionserwiderung unbestritten vorträgt - etwa 100 in den Artikeln der Beklagten zu den 500 besten Anwälten Deutschlands gerechneten Rechtsanwälte aus dem Bezirk der Rechtsanwaltskammer M. und der übrigen über 8.000 Mitglieder der Kammer.

III.

Nach alledem ist die Revision mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.

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