KG Berlin, Urt. v. 09.12.11, 5 U 166/10 - Virtueller Terminkalender

eigenesache Der Anbieter eines virtuellen Terminkalenders, in dem Dritte eintragungen vornehmen können, ist nicht verpflichtet den Kalender ohne konkreten Anlass auf unzulässige Einträge hin zu überprüfen.

 

 

 

berlin

KAMMERGERICHT BERLIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 5 U 166/10
Entscheidung vom 9. Dezember 2011

 

In dem Rechtsstreit

[...]

hat der 5. Zivilsenat des Kammergerichts, Elßholzstraße 30 - 33, 10781 Berlin, auf die mündliche Verhandlung am 9. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Kammergericht Schmelz, den Richter am Kammergericht Dr. Hess und die Richterin am Kammergericht Johansson

für Recht erkannt:

1. Auf die Berufung des Klägers wird das am 7. September 2010 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin - 103 0 80/10 - geändert:

Es wird festgestellt, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, es zu unterlassen, kostenlose Hautkrebs-Screenings in Informationsveranstaltungen anzubieten und/oder zu bewerben, wie geschehen für die Veranstaltung am 5. Mai 2010 bei Herrn Dr. med. [...] in der Zeit von 15.00 Uhr bis 18.30 Uhr auf der Internetseite www.[...].de.

2. Die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen haben die Beklagten zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers wegen der Kosten durch Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Be­trages abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.sr

Gründe

A.

Der Kläger ist ein Berufsverband [...]. Die Beklagten sind als [...]ärzte in Berlin tätig.

Im Hinblick auf die in Deutschland im Zeitraum [...] 2010 stattfindende »[...]«, einer europaweiten Aufklärungskampagne zu [...], dessen Risiken und Be­handlungsmöglichkeiten, eröffnete der Kläger unter seiner Dornain »[...]« Ärzten, die an der Kampagne teilnehmen wollten, mit einem interaktiven Veranstaltungskalender die Möglich­keit, eigenständig und ohne Zutun des Klägers die von ihnen angebotenen Veranstaltungen ein­zutragen und im Internet zu veröffentlichen.

Der in Berlin ansässige [...]arzt [...] bot dort für den [...] 2010, 15.00 bis 18.30 Uhr, eine Veranstaltung »[...]-Info-Nachmittag incl. Screening; [...]« an. In der Kurzbeschreibung dieser Veranstaltung hieß es: »... Dabei wird nicht nur auf [...] unter­sucht. Es erfolgt auch eine Beratung zur Vorbeugung sowie eine an diesem Tag kostenlose Computerdokumentation auffälliger Befunde.[...]«

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 30. April 2010 mahnten die Beklagten sowohl den Kläger als auch [...] ab. Noch am 30. April 2010 wurde das Wort »kostenlos« in der Kurzbeschreibung der Veranstaltung gelöscht.

Der Kläger hat beantragt,

festzustellen, dass er nicht verpflichtet war (statt wie ursprünglich in der Klageschrift ange­kündigt: ist), es zu unterlassen,

die Veranstaltung am [...] 2010 bei Herrn [...] in der Zeit von 15.00 Uhr bis 18.30 Uhr auf der Internetseite [...] oder anderen Internetseiten zu bewerben und es auch zukünftig zu unterlassen, kostenlose [...]-Screenings in Informationsveranstaltungen anzubieten.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Mit dem am 7. September 2010 verkündeten Urteil hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Es wird insoweit auf das erstinstanzliche Urteil verwiesen, und zwar auch hinsichtlich des weitergehenden erstinstanzlichen Vortrags der Parteien.

Der Kläger wendet sich mit der Berufung gegen dieses Urteil. Der Kläger wiederholt und vertieft seinen erstinstanzlichen Vortrag.

Der Kläger beantragt,

das am 7. September 2010 verkündete Urteil der Kammer für Handelssachen 103 des Landgerichts Berlin - 103 0 80/10 - zu ändern und festzustellen, dass der Kläger nicht verpflichtet ist, es zu unterlassen, kostenlose [...]-Screenings in Informationsveranstaltungen anzubieten und/oder zu bewerben, wie geschehen für die Veranstaltung am [...] 2010 bei Herrn [...]  in der Zeit von 15.00 Uhr bis 18.30 Uhr auf der Internetseite [...].

Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

B.

Die Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig, insbesondere auch form- und fristgerecht eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet.

1.

Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 256 Abs. 1 ZPO).

Nach einer Abmahnung wegen einer Wettbewerbsverletzung besteht grundsätzlich das nach § 256 Abs. 1 ZPO erforderliche Interesse an der Feststellung, dass die Abmahnung zu Unrecht erfolgt ist und die darin erhobenen Ansprüche nicht bestehen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn - wie hier - die Rechtsberühmung des Abmahnenden die wirtschaftlichen und rechtlichen Interessen des Abgemahnten berührt und an der Ernsthaftigkeit des Verlangens des Abmahnenden keine Zweifel bestehen können. (vgl. BGH GRUR 1995, 697 - FUNNY PAPER)

2.

Die Feststellungsklage ist begründet, da der Unterlassungsanspruch, dessen die Beklagten sich, in dem Abmahnschreiben ihrer Bevollmächtigten vom 30. April 2010 gegen den Kläger berühmt haben, nicht besteht.

a)

Die Frage, ob in der beanstandeten Ankündigung eines kostenlosen [...]-Screenings einschließlich Computerdokumentation auffälliger Befunde ein Verstoß gegen § 12 BO und die Preis­bestimmungen der GOÄ zu sehen ist, bei denen es sich jeweils um Marktverhaltensvorschriften im Sinne des § 4 Nr. 11 UWG handelt, kann dahingestellt bleiben. Bereits aus anderen Gründen hat für eine durch Wiederholungsgefahr begründete Unterlassungsverpflichtung des Klägers keine Grundlage bestanden. Die Beklagten haben sich zu Unrecht eines Unterlassungsanspruchs gegen den Kläger berühmt.

Jedenfalls in zweiter Instanz ist unstreitig, dass der Kläger auf der Seite [...] lediglich einen interaktiven Terminkalender vorgehalten hat, in den Ärzte, die an der Kampagne teilnehmen wollten, eigenständig und ohne Zutun des Klägers die von ihnen angebotenen Veran­staltungen eintragen und veröffentlichen konnten.

Auf dieser Tatsachengrundlage ist entgegen der Auffassung des Klägers nicht die Frage seiner Haftung als Störer zu erörtern. Eine Störerhaftung kommt in Fällen, die - wie der vorliegende -allein dem Verhaltensunrecht zuzuordnen sind, nicht in Betracht (vgl. BGH GRUR 2011, 152 - Kinderhochstühle im Internet, Rn 48).

Auf dieser Grundlage hängt die Haftung des Klägers als Täter oder Teilnehmer eines Wettbewerbsverstoßes davon ab, ob der Kläger zuvor auf klare Rechtsverletzungen hingewiesen worden ist. Erst dieser Hinweis, der dem Kläger die Kenntnis von einer Rechtsverletzung in einer Veranstaltungsankündigung verschafft, begründet die Verantwortlichkeit des den interaktiven Veranstaltungskalender vorhaltenden Klägers und die durch einen Unterlassungsanspruch durchsetzbare Verpflichtung, künftig derartige Verletzungen zu verhindern. (vgl. BGH GRUR 2011, 152 - Kinderhochstühle im Internet, Rn 48; BGH GRUR 2011, 1038, Rn 26 - Stiftparfum).

Der Standpunkt der Beklagten, der Kläger habe Sorgfaltspflichten verletzt, weil er für den Inhalt seiner Internetpräsenz verantwortlich sei und ihm zuzumuten sei, Einträge in den Dritten zur Ver­fügung gestellten interaktiven Terminkalender regelmäßig in rechtlicher Hinsicht zu überprüfen, ist mit § 7 Abs. 2 TMG nicht zu vereinbaren. Der Kläger ist danach als Diensteanbieter grundsätzlich nicht verpflichtet ist, die von ihm übermittelten oder gespeicherten Informationen zu überwachen oder nach Umständen zu forschen, die auf eine rechtswidrige Tätigkeit hinweisen. (vgl. auch BGH GRUR 2011, 152 - Kinderhochstühle im Internet, Rn 38; BGH GRUR 2011, 1038, Rn 22 - Stiftparfum)

Das vorab per Fax und E-Mail versandte Abmahnschreiben der Beklagten an den Kläger stammt vom 30. April 2010. Nachdem das Wort »kostenlos« noch am 30. April 2010 in der Veranstaltungsankündigung gelöscht worden ist, die von den Beklagten als Wettbewerbsverstoß gerügte Werbung also eingestellt worden ist, ist für eine auf Wiederholungsgefahr gestützte Haftung des Klägers als Täter oder Teilnehmer eines Wettbewerbsverstoßes mithin kein Raum.

b)

Für die Entscheidung dieses Rechtsstreits ohne Belang ist, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung am 9. Dezember 2011 erklärt hat, er habe die Absicht, auch im Rahmen einer Informationsveranstaltung im nächsten Jahr kostenlose [...]-Screening-Angebote wie das des [...] zu unterstützen.

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein derartiges Verhalten die Gefahr der Erstbegehung eines Wettbewerbsverstoßes begründet.

Gegenstand der vorliegenden Feststellungsklage ist ausschließlich der auf Wiederholungsgefahr gestützte Unterlassungsanspruch, dessen die Beklagten sich in ihrer Abmahnung vom 30. April 2010 berühmt haben.

aa)

Dieses Verständnis des Feststellungsbegehrens wird durch das gesamte prozessuale Verhalten des Klägers gestützt.

Der Kläger hat seinen Antrag in der mündlichen Verhandlung so gefasst, dass er durch die Be­zugnahme auf die konkrete Verletzungsform (»wie geschehen für die Veranstaltung am [...]...«) eindeutig auf die Feststellung des Nichtbestehens eines durch Wiederholungsgefahr begründeten Wettbewerbsverstoßes gerichtet ist. In dieser Weise hat der Kläger seinen Antrag zudem formuliert, nachdem in der Verhandlung die Frage angesprochen worden ist, ob mit dem Teil des erstinstanzlich gestellten Antrages »und es auch zukünftig zu unterlassen, kostenlose [...]-Screenings in Informationsveranstaltungen anzubieten« ein selbständigen Rechts­schutzbegehren verbunden ist.

Überdies hat der Kläger in seinem Schriftsatz vom 11. März 2011 ausgeführt, er wehre sich mit der Klage vorrangig dagegen, die nicht bestehende Wiederholungsgefahr ausräumen zu müssen.

bb)

Bei einem auf Erstbegehungsgefahr und einem auf Wiederholungsgefahr gestützten Unterlassungsbegehren handelt es sich trotz gleichen Wortlauts um unterschiedliche Streitgegenstände (vgl. BGH GRUR 2006, 421 - Markenparfümverkäufe, Rn 25; Köhler in: Köhler/Bomkamm, UWG, 29. Aufl., § 12, Rn 2.23).

Da die Abmahnung der Beklagten vom 30. April 2010 keinen Anhaltspunkt für die Annahme enthält, dass die Beklagten sich (auch) eines auf Erstbegehungsgefahr gestützten Unterlassungsanspruchs gegen den Kläger berühmen, wäre eine auf die Feststellung des Nichtbestehens eines durch Erstbegehungsgefahr begründeten Unterlassungsanspruchs gerichtete Klage ohnehin mangels Feststellungsinteresses nach § 256 Abs. 1 ZPO ohnehin unzulässig gewesen.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen (§ 543 Abs. 2 S. 1 ZPO). Die Entscheidung folgt der höchstrichterlichen Rechtsprechung, und sie beruht auf den besonderen Umständen des vorliegenden Falles.

Schmelz               Dr. Hess               Johansson

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