OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Entscheidung vom 30. Dezember 2011
Aktenzeichen: I-20 U 171/11
In dem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Verfügung
[...]
hat der 20. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 6. Dezember 2011 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Prof. Berneke sowie die Richter am Oberlandesgericht Dr. Maifeld und Gmelin
für Recht erkannt:
Die Berufung der Antragsgegnerin gegen das am 24. August 2011 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass in der Formel des angefochtenen Urteils die Worte „mit dem Hinweis ‚Anzeige' oder ,Werbung`" entfallen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens werden der Antragsgegnerin auferlegt.
Gründe
Die zulässige Berufung der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Das Landgericht hat die beantragte einstweilige Verfügung mit Beschluss vom 11. Juli 2011 zu Recht erlassen und mit dem angefochtenen Urteil bestätigt.
Hiergegen wendet die Antragsgegnerin sich ohne Erfolg zunächst mit der Rüge, das Landgericht habe zu Unrecht einen Verfügungsgrund angenommen, weil der Antragsteller zum genauen Zeitpunkt ihrer Kenntnisnahme von dem Verletzungsfall nicht näher vorgetragen habe. Abgesehen davon, dass der Antragsteller den Zeitpunkt der Kenntniserlangung jedenfalls jetzt mit dem 15. Juni 2011 angegeben hat, wird die Dringlichkeit gemäß § 12 Abs. 2 UWG vermutet. Darlegungen des Antragstellers sind deshalb zunächst nicht erforderlich. Es obliegt vielmehr der Antragsgegnerin, Tatsachen vorzutragen und ggf. glaubhaft zu machen, aus denen sich die Widerlegung der Dringlichkeitsvermutung ergibt. Dem ist sie nicht nachgekommen, sondern trägt lediglich ohne weitere Substantiierung vor, sie »gehe davon aus«, dass der Antragsteller - entgegen seinem Vortrag - bereits »vor Monaten« Kenntnis erlangt habe. Der einzige von der Antragsgegnerin angeführte Umstand, dass es nämlich die angegriffene Präsentation schon einige Monate gibt, besagt indes für sich genommen nichts über die Kenntnis des Antragstellers hiervon.
Entgegen der Auffassung der Berufung geht die Verurteilung durch das Landgericht nicht »weit über das mit dem Antrag verfolgte Ziel« hinaus. Der Antragsgegnerin ist nichts »grundsätzlich« aufgegeben worden, sondern nur das angegriffene Verhalten in der konkreten Verletzungsform verboten. Allein letztere ist angegriffen und Gegenstand des angefochtenen Urteils.
Es besteht ein auf Unterlassung gerichteter Verfügungsanspruch aus § 8 Abs. 1, §§ 3, 4 Nr. 3 UWG. Danach handelt unlauter, wer den Werbecharakter von geschäftlichen Handlungen verschleiert. Diese Voraussetzungen hat das Landgericht zu Recht bejaht. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen in der angefochtenen Entscheidung Bezug. Ergänzend und mit Blick auf die Argumentation im Berufungsverfahren kann das Folgende ausgeführt werden.
Es ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass ein Link, der aus einem redaktionellen Zusammenhang auf eine Werbeseite führt, so gestaltet sein muss, dass dem Nutzer erkennbar ist, dass auf eine Werbeseite verwiesen wird (etwa KG GRUR 2007, 254; OLG München WRP 2010, 671). Das entspricht der Wertung, die § 6 Abs. 1 Nr. 1 TMG trifft. Danach müssen in Telemedien kommerzielle Kommunikationen klar als solche zu erkennen sein. Hieraus folgt das Gebot der Trennung von Werbung und sonstigem Inhalt bei Internetpräsentationen. Das unterscheidet den vorliegenden Fall auch von Sachverhalten, wie sie der von der Antragsgegnerin angeführten Entscheidung »Faltenglätter« des Bundesgerichtshofs (GRUR 1993, 565) zugrunde lagen. Dort wurde in einen redaktionell gestalteten Zeitschriftenbeitrag, der über ein Faltenglättungsmittel berichtete, die Presseinformation eines Kosmetikunternehmens als Textblock übernommen. lm vorliegenden Fall dagegen geht es um die Gestaltung von Links und die Frage, inwieweit der Werbecharakter der Seiten, auf die solcherart verwiesen wird, kenntlich zu machen ist. Hierfür ist das o. g. Trennungsgebot zu beachten. Aber auch wenn man den vorliegenden Fall anhand der Kriterien beurteilen wollte, die die Rechtsprechung bislang für die Übernahme von Werbetexten in redaktionell gestaltete Texte aufgestellt hat (vgl. Köhler, in: Köhler/Bornkamrn, UWG, 29. Aufl. 2011, § 4 Rn. 3.27a ff. m. Nachw.), so wäre ein Verstoß gegen § 4 Nr. 3 UWG anzunehmen. Der werbliche Überschuss ohne sachliche Rechtfertigung, auf den die Rechtsprechung abstellt, folgt im vorliegenden Fall daraus, dass die verlinkten Texte reine werbende Produktpräsentationen der jeweiligen Hersteller enthalten. Daran ändert auch nichts der Umstand, dass es sich nach der Darstellung der Antragsgegnerin um Presseinformationen der Hersteller handelt. Sie sind ihrem Inhalt nach auf eine Anpreisung des jeweils beschriebenen Produkts und seiner Vorzüge gerichtet, ersichtlich mit dem Ziel, einen Kaufanreiz zu erwecken. Dass die Internetseite der Antragsgegnerin beim Verbraucher nicht von vornherein den Eindruck eines reinen Anzeigenportals ohne jegliche redaktionelle Berichterstattung erweckt, scheint die Berufung nicht in Frage stellen zu wollen. Das träfe auch nicht zu. Vielmehr lesen sich die Beiträge, mit denen der Leser zu den streitgegenständlichen Links geführt wird, so, als ob über verschiedene Themen aus dem Bereich der Körperpflege redaktionell unabhängig von bestimmten Herstellern berichtet werden soll.
Dabei spielt es für § 4 Nr. 3 UWG keine Rolle, dass die Einbindung der Pressemitteilungen auf der Seite der Antragsgegnerin nicht bezahlt wurde. Vielmehr besteht deren Geschäftsmodell nach der Erörterung in der mündlichen Verhandlung darin, mit der Verwendung derartiger Pressemitteilungen von dritter Seite möglichst häufig als Treffer bei der Suche mit Suchmaschinen zu erscheinen und so Kunden auf die Internetseite zu locken. Wirtschaftliche Vorteile der Antragsgegnerin entstehen ihr dadurch, dass diese Kunden sich dann auch für die zusätzlich noch vorhandenen bezahlten Anzeigen auf der Seite der Antragsgegnerin interessieren. Dieser Hintergrund mag zu der Annahme führen, dass die Antragsgegnerin selbst die Pressemitteilungen der Drittunternehmen nicht unmittelbar als (bezahlte) Werbung einsetzt, sondern gleichsam als »Lockmittel« verwendet. Sie dienen auf diese Weise indes in ganz ähnlicher Weise wie gezielt platzierte Drittwerbung mittelbar den wirtschaftlichen Interessen der Antragsgegnerin. Vor allem aber ändert dieser Hintergrund für die Verwendung der Links nichts an dem Erscheinungsbild der mit Links versehenen Internetseite, wie sie sich dem angesprochenen Verbraucher präsentiert. Die verlinkten Seiten erwecken nämlich inhaltlich völlig unabhängig von den wirtschaftlich ihrer Verwendung zugrunde liegenden Erwägungen aus der Sicht des mit ihnen angesprochenen Verbrauchers den Eindruck einer Werbung für die vorgestellten Produkte. Das ist bereits an der Stelle, an der der Link angebracht ist, kenntlich zu machen. Nur so kann vermieden werden, dass Verbraucher in der Erwartung unabhängiger Information unbedacht auf den Link klicken und auf diese Weise unbewusst zu einem Werbetext geleitet werden.
Dagegen ergibt sich der geltend gemachte Anspruch nicht auch zusätzlich aus Nummer 11 des Anhangs zu § 3 Abs. 3 UWG. Dort geht es um den »vom Unternehmer finanzierten Einsatz redaktioneller Inhalte«. Die Antragsgegnerin stellt indes in Abrede, dass die angegriffenen Hinweise von dem werbenden Unternehmer auch bezahlt waren. Der Antragsteller hat hierzu keine Anhaltspunkte vorgetragen und glaubhaft gemacht.
Die Formel des angefochtenen Urteils war lediglich insoweit abzuändern, als die Verwendung der Worte »Werbung« oder »Anzeige« der Antragsgegnerin nicht aufzugeben ist. Die Prozessbevollmächtigte des Antragstellers hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat klargestellt, dass sie ein derart weitgehendes Verbot nicht erstrebe und dass der Antragsgegnerin nicht vorgegeben werden solle, wie sie die beanstandete Irreführung künftig vermeiden könne. Dieser Einschränkung des Verfügungsantrags ist mit der teilweisen Änderung des angefochtenen Urteils zu entsprechen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die im Berufungsverfahren vorgenommene Einschränkung des Verfügungsantrags ist ohne Gewicht, zumal kaum erkennbar ist, wie - bei gleichbleibender Gestaltung der Internetseite - der erforderliche Hinweis ohne Verwendung zumindest des Wortes »Werbung« lauten könnte. Ein Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit unterbleibt, § 704 Abs. 1, § 542 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Streitwert für das Berufungsverfahren: 15.000 € nach der Festsetzung des Landgerichts.
Prof. Berneke Dr. Maifeld Gmelin