LG Frankfurt/Main, Urt. v. 16.02.07, 3/12 O 243/06 - Untergehende Widerrufsbelehrung

Es reicht aus, wenn der Verbraucher über einen Link zu der Widerrufsbelehrung gelangt, sofern der Link ausdrücklich das Widerrufsrecht thematisch zum Gegenstand hat mit der Folge, dass der dem Produktangebot räumlich zugeordnete Link mit entsprechender thematischer Vorgabe den Verbraucher unmittelbar und direkt zu den Informationen über das Widerrufsrecht führt. Nur dann ist die Voraussetzung gegeben, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Information (aktiv) »zur Verfügung stellt«; leichte Erkennbarkeit, deutliche Lesbarkeit oder sonst gute Wahrnehmbarkeit allein sind nicht ausreichend. Der bloße Hinweis auf die Belehrung auf der mich-Seite sowie der an einer anderen Stelle der Artikelseite befindliche Link auf die mich-Seite ist nicht ausreichend, weil die Widerrufsbelehrung für den Verbraucher damit zwar leicht auffindbar ist, sie ihm aber nicht »zur Verfügung gestellt« wird im Sinne von § 312 c Abs. 1 BGB.

Streitwert: 5.000 €

 

hessen

LANDGERICHT FRANKFURT/MAIN
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 3/12 O 243/06
Entscheidung vom 16. Februar 2007

 

In dem Rechtsstreit

[...]

hat das Landgericht Frankfurt am Main, 12. Kammer für Handelssachen, im schriftlichen Verfahren auf Grund des Aktenstands vom 26.1.2007 durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht [...] am 16.2.2007 für Recht erkannt:

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin € 476,45 nebst 5 Prozentpunkte Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 6.12.2006 zu zahlen.

Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages leistet.

Vom Tatbestand wird abgesehen, § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO

Entscheidungsgründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Den nicht anrechenbaren Teil der Abmahnkosten aus einem Gegenstandswert von € 5.000,- (€ 195,65 + € 20,--) kann die Klägerin von der Beklagten erstattet verlangen, § 12 Abs. 1 Satz 2 UWG, Teil 3 Vorbemerkung 3 Abs. 4 Satz 1 der Anlage 1 zum RVG.
Nach § 312 c Abs. 1 BGB hat der Unternehmer bei Fernabsatzverträgen den Verbraucher rechtzeitig vor Abgabe von dessen Vertragserklärungen einer dem eingesetzten Fernkommunikationsmittel entsprechenden Weise klar und verständlich die Informationen zur Verfügung zu stellen, für die dies gemäß Art. 240 EGBGB i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB InfoV bestimmt ist, also über das Bestehen eines Widerrufsrechts sowie über die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs.

Das Erfordernis, dass dem Verbraucher die Informationen über das Widerrufsrecht »klar und verständlich zur Verfügung zu stellen sind«, bedeutet, dass sich die Informationen entweder in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dem angebotenen Produkt befinden müssen (also auf der Artikelseite selbst), weil es um eine produktbezogene bzw. käuferbezogene Information geht, oder der Nutzer jedenfalls in unmittelbarer räumlicher Nähe zu dem Angebot unzweideutig zu den Informationen über das Bestehen eines Widerrufsrechts sowie die Bedingungen, Einzelheiten der Ausübung und die Rechtsfolgen des Widerrufs hingeführt wird.

Im Hinblick auf die Besonderheiten des Mediums Internet ist es dabei ausreichend, wenn der Verbraucher über einen Link zu der Widerrufsbelehrung gelangt, sofern der Link ausdrücklich das Widerrufsrecht thematisch zum Gegenstand hat und so darauf hinweist, dass die verlinkte Seite Informationen gerade zu dieser Thematik zur Verfügung stellt, mit der weiteren Folge, dass der dem Produktangebot räumlich zugeordnete Link mit entsprechender thematischer Vorgabe den Verbraucher unmittelbar und direkt zu den Informationen über das Widerrufsrecht führt, die ihm der Unternehmer nach § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV zur Verfügung zu stellen hat.

Nur dann ist die Voraussetzung gegeben, dass der Unternehmer dem Verbraucher die Information (aktiv) »zur Verfügung stellt«; leichte Erkennbarkeit, deutliche Lesbarkeit oder sonst gute Wahrnehmbarkeit allein sind nicht ausreichend (Urteil der Kammer vom 21.7.2006 - 3/12 0 92/06 -).

Der bloße Hinweis auf die Belehrung auf der mich-Seite sowie der an einer anderen Stelle der Artikelseite befindliche Link auf die mich-Seite ist nicht ausreichend, weil die Widerrufsbelehrung für den Verbraucher damit zwar leicht auffindbar ist, sie ihm aber nicht »zur Verfügung gestellt« wird im Sinne von § 312 c Abs. 1 BGB.

Die Beklagte gab auf der Artikelseite den Hinweis

»Angaben des Verkäufers zur Rücknahme:
Der Käufer hat das Recht, den Artikel zurückzugeben.
Rücknahme-weitere Angaben: Firma [...]
Es handelt sich um ein gewerbliches Angebot.
Widerrufsbelehrung gemäß Fernabsatzgesetz
Weitere Informationen findet ihr auf meiner Mich-Seite«.

Der Hinweis war nicht als Link ausgestaltet, der beim Anklicken unmittelbar und direkt zur Widerrufsbelehrung auf der mich-Seite geführt hätte.

Vielmehr musste der Verbraucher von sich aus den an anderer Stelle befindlichen Link »mich« aufsuchen und diesen dann anklicken, um so auf die Widerrufsbelehrung auf der mich-Seite der Beklagten zu stoßen.

Dies ist nach der Rechtsprechung der Kammer (so auch 8. Kammer für Handelssachen, Urteil vom 24.5.2006 - 3/8 0 36/06 -) nicht ausreichend.

Insoweit erfolgte die Abmahnung durch die Klägerin mithin mit Recht (§ 3, 4 Nr. 11, 312 c Abs. 1 BGB, § 1 Abs. 1 Nr. 10 BGB-InfoV, Ziffer a des Beschlusses - einstweilige Verfügung - der Kammer vom 22.6.2006 - 3/12 0 136/06).

Dies gilt auch in Bezug auf Ziffer b des Beschlusses - einstweilige Verfügung der Kammer vom 22.6.2006. Zwar ist grundsätzlich nichts dagegen einzuwenden, dass - bei ausreichender Verlinkung - die Widerrufsbelehrung in die AGBs des Verkäufers aufgenommen wird (Urteil der Kammer vom 22.12.2006 - 3/12 0 134/06 -). Voraussetzung ist jedoch, dass die Widerrufsbelehrung in den AGBs nicht »untergeht«. So liegt der Fall hier. Der Text mit der Widerrufsbelehrung ist überschrieben mit »Allgemeine Geschäftsbedingungen«, es folgen dann Angaben zur Anbieterkennzeichnung, dann der Text zur »Widerrufsbelehrung gem. Fernabsatzgesetz« und schließlich Angaben zur »Versandkostenpauschale«. Der Text zur Widerrufsbelehrung ist drucktechnisch nicht hervorgehoben und auch ansonsten nicht auffällig gestaltet. Dies genügt nicht den Anforderungen der Rechtsprechung der Kammer. Auch die Kosten für das Abschlußschreiben sind der Klägerin aus dem Gegenstandswert von € 5.000,-- (€ 240,80 + € 20,--) zu erstatten (Geschäftsführung ohne Auftrag, § 677, 683 BGB). Dies führt zu dem Gesamterstattungsbetrag von € 476,45. Der Zinsanspruch ergibt sich aus den § 286 Abs. 1 Satz 2, 288 Abs. 1 BGB. Die Zahlungsbegehren der Klägerin sind nicht rechtsmißbräuchlich nach § 8 Abs. 4 UWG (Urteil der Kammer vom 21.7.2006 - 3/12 0 92/06 -‚ bestätigt durch Urteil des OLG Frankfurt am Main vom 14.12.2006 -6 U129/06 -). Der jetzt von der Klägerin in Ansatz gebrachte Gegenstandswert von € 5.000,-- ist nicht zu beanstanden. Da die Beklagte unterliegt, hat sie die Kosten des Rechtsstreits zu tragen, § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den § § 708 Nr. 11, 711 Satz 1 und 2 ZPO. Mit der Entscheidung im schriftlichen Verfahren sind die Parteien einverstanden, § 128 Abs. 2 ZPO der Kammervorsitzende kann allein entscheiden, § 349 Abs. 3 ZPO.

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