OLG Karlsruhe, Urt. v. 11.03.98, 6 U 141/97 - Nettopreisangaben

Wer bei Preisangaben deutlich zwischen Privat- und Geschäftskunden trennt, kann in den Geschäftskundentarifen Nettopreise angeben. Aus einer Unterlassungserklärung, die auf der Grundlage einer falsch wiedergegebenen Rechtsprechung abgegeben wurde, können keine Rechte hergeleitet werden.

Streitwert: 70.000 DM

baden-wuerttemberg

OBERLANDESGERICHT KARLSRUHE
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 6 U 141/97
Entscheidung vom 11. März 1998

 

In Sachen

[...]

wegen unlauteren Wettbewerbs

hat der 6. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Karlsruhe für Recht erkannt:

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 11. Juni 1997 - O 7/97 KfH II - im Kostenauspruch aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert und neu gefaßt:

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Auf die Widerklage wird festgestellt, daß die Klägerin aus dem mit Schreiben vom 28. Juni 1996 und 11. Juli 1996 geschlossenen Unterlassungsvertrag keine Rechte herleiten kann, soweit sich die Beklagte zur Unterlassung der Werbung mit Preisen zzgl. 15 % MwSt. verpflichtet hat.

II. Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.

III. Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung eines Betrages von 7.500,00 DM abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in entsprechender Höhe leistet. Als Sicherheit genügt die Bürgschaft eine Kreditinstituts.

V. Der Wert der Beschwer der Klägerin beträgt 70.000,00 DM.

Tatbestand

Die Parteien sind Wettbewerber. Sie bieten als sogenannte »Webspace-Provider« ihren Kunden gegen monatliche Gebühr Speicherplatz auf ihren Servern im Internet an und entwerfen hierzu die erforderlichen Homepages. Im Juni 1996 bewarb die Beklagte ihr Dienstleistungsangebot im Internet mit Preisen, wobei sie durch einen Stern hinter der Preisangabe und einem kleingedruckten Hinweis am Seitenende kenntlich machte, daß diesen Preisen die gesetzlich Mehrwertsteuer hinzuzurechnen sei. Nach einer Abmahnung durch die Klägerin wegen Verstoßes gegen die Preisangabenverordnung gab die Beklagte unter dem 11. Juli 1996 folgende schriftliche Erklärung ab:

1. Die Firma [...] verpflichtet sich künftig jegliche Werbung mit cirka-Preisen und Preisen zzgl. 15 % MwSt. zu unterlassen.

2. Die Firma [...] verpflichtet sich weiterhin, für jeden Verstoß gegen die unter Ziffer 1 genannte Verpflichtung zur Zahlung einer Vertragsstrafe von 5.000,00 DM.

Im Oktober 1996 warb die Beklagte erneut mit Preisen, in welche die Mehrwertsteuer nicht eingerechnet war.

Die Klägerin hat hierin einen Verstoß gegen §§ 1, 3 UWG sowie gegen Ziff.1 der Unterlassungserklärung vom 11. Juli 1996 erblickt. Sie hat gegen die Beklagte einen auf § 13 Abs. 2 UWG i.V.m. §§ 1, 3 UWG gestützten Unterlassungsanspruch sowie auf der Grundlage der Unterlassungsvereinbarung die Zahlung einer Vertragsstrafe geltend gemacht und folgende Anträge gestellt:

1. Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung fälligen Ordnungsgeldes bis zu 500.000,00 DM ersatzweise Ordnungshaft oder Ordnungshaft bis zu 6 Monaten - zu vollstrecken an ihrem Geschäftsführer - untersagt, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs mit Preisen zu werben, die keine Endpreise sind, insbesondere neben den angebotenen bzw. beworbenen Nettopreisen weitere Preisbestandteile an anderer Stelle, versteckt oder kleingedruckt, zu nennen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin DM 10.000,00 nebst 11,25 % Zinsen aus DM 5.000,00 seit dem 29. November 1996 und aus weiteren DM 5.000,00 seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt,

Sie hat ferner Widerklage erhoben und beantragt,

festzustellen, daß die Widerbeklagte aus dem mit Schreiben vom 28. Juni 1996 und 11. Juli 1996 geschlossenen Unterlassungsvertrag keine Rechte herleiten kann, soweit sich die Widerklägerin zur Unterlassung der Werbung mit Preisen zzgl. 15 % MwSt. verpflichtet hat.

Hilfsweise:

Die Widerbeklagte wird verurteilt, gegenüber der Widerklägerin zu erklären, auf die Rechte aus dem mit Schreiben vom 28. Juni 1996 und 11. Juli 1996 geschlossenen Unterlassungsvertrag zu verzichten, soweit sich die Widerklägerin zur Unterlassung der Werbung mit Preisen zzgl. 15 % MwSt. verpflichtet hat.

Die Beklagte hat vorgetragen, bei ihr seien lediglich solche Internet-Präsenzen gebührenpflichtig, die von Personen in Ansehung ihrer selbständigen beruflichen, gewerblichen, behördlichen oder dienstlichen Tätigkeit geschaltet würden. Für Privatpersonen seien Homepages kostenlos. Zur Unterzeichnung der Unterlassungserklärung sei sie nur durch eine unrichtige Darstellung der Rechtslage im Abmahnschreiben veranlaßt worden. An dieser Erklärung könne sie nicht festgehalten werden, da diese wirksam angefochten, jedenfalls aber wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage und Unzumutbarkeit gekündigt worden sei.

Die Klägerin hat Abweisung der Widerklage beantragt.

Das Landgerichte hat dem Zahlungsbegehren der Klägerin in vollem Umfang, dem geltend gemachten Unterlassungsanspruch sowie der Widerklage mit einer inhaltlichen Einschränkung stattgegeben.

Hiergegen wenden sich beide Parteien mit ihren Berufungen.

Die Beklagte verfolgt mit ihrer Berufung ihr Begehren auf Klageabweisung einerseits und uneingeschränkte Stattgabe der Widerklage andererseits weiter. Zur Begründung trägt sie insbesondere vor, sie habe gegen den Unterlassungsvertrag nicht verstoßen und schulde der Klägerin daher keine Vertragsstrafe. Eine Werbung mit Nettopreisen sei ihr nicht untersagt gewesen, vielmehr lediglich die konkrete Werbung in der beanstandeten Anzeige. Keinesfalls könnten ihr zwei Verstöße angelastet werden, da zwischen den von der Klägerin neuerlich beanstandeten Werbemaßnahmen ein Fortsetzungszusammenhang bestehe. Ein Verstoß gegen die Preisangabenverordnung und damit gegen die Regeln des lauteren Wettbewerbs liege deshalb nicht vor, weil die Beklagte sich mit ihrem Angebot und ihrer Werbung ausschließlich, zumindest weit überwiegend an den in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PrAngVO umschriebenen Personenkreis wende. Privatpersonen könnten sich auf ihren Internet-Servern kostenfrei präsentieren. An der Unterlassungserklärung vom 11. Juli 1996 könne die Beklagte nicht festgehalten werden. Diese Erklärung sei wegen arglistiger Täuschung wirksam angefochten worden. In jedem Fall habe die Beklagte einen Anspruch auf Anpassung der Erklärung dahin, daß der Klägerin kein Anspruch auf Unterlassung der Werbung mit Preisen zzgl. MwSt. zustehe. Insoweit sei der Unterlassungsvertrag auch wirksam gekündigt worden, da der Beklagten ein Festhalten an diesem Vertrag nicht zumutbar sei.

Die Klägerin tritt der Berufung der Beklagten unter Wiederholung und Vertiefung ihres erstinstanzlichen Vorbringens entgegen. Ergänzend führt sie aus, die von ihr neuerlich beanstandeten Werbemaßnahmen der Beklagten unterfielen der Unterlassungserklärung vom 11. Juli 1996. Die Werbung der Beklagten verstoße auch gegen die Preisangabenverordnung und sei wettbewerbswidrig. Soweit dort zwischen Homepages für Unternehmen und für Privatpersonen unterschieden werde, könne es auf die Kostenpflichtigkeit der Angebote für die Berufung des angesprochenen Adressatenkreises nicht ankommen.

Die Klägerin hat ihrerseits Berufung eingelegt, mit der sie die vollständige Abweisung der Widerklage erstrebt.

Die Beklagte tritt der Berufung der Klägerin entgegen.

Wegen des Parteivorbringens im einzelnen wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung der Klägerin bleibt erfolglos, die ebenfalls zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Der Klägerin steht gegen die Beklagte aus der Unterlassungsverpflichtungserklärung vom 11. Juli 1996 ein Anspruch auf Zahlung einer Vertragsstrafe nicht zu, da die Beklagte von der Klägerin durch eine zumindest fahrlässig begangene falsche Darstellung der Rechtslage zur Abgabe dieser Erklärung veranlaßt worden ist und deshalb nach den Grundsätzen über die culpa in contrahendo deren Aufhebung verlangen kann. Auch der geltend gemachte, ausschließlich auf § 13 Abs. 2 UWG i.V.m. §§ 1, 3 UWG gestützte Unterlassungsanspruch steht der Klägerin nicht zu, da der Beklagten ein Verstoß gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung und damit ein wettbewerbswidriges Verhalten nach Abschluß der Unterlassungsvereinbarung nicht vorgeworfen werden kann. Auf die Widerklage der Beklagten war die begehrte Feststellung zu treffen da der Klägerin aus der Unterlassungsvereinbarung vom 11.Juli 1996 keine Rechte mehr zustehen, soweit sich die Beklagte zur Unterlassung der Werbung mit Preisen zzgl. 15 % MwSt. verpflichtet hat.

1. Die Beklagte kann von der Klägerin verlangen, daß diese nach den Grundsätzen über die culpa in contrahendo in die Aufhebung der Unterlassungsvereinbarung vom 11. Juli 1996 insoweit eingewilligt, als die Beklagte sich zur Unterlassung der Werbung mit Preisen zzgl. 15 % MwSt. verpflichtet hat. In dem Abmahnschreiben der Klägerin vom 28. Juni 1996 wird der Beklagten zu Unrecht ein Verstoß gegen die PreisAngVO und damit ein unlauteres Verhalten angelastet. Die von der Klägerin beanstandete Werbemaßnahme der Beklagten wandte sich eindeutig und unübersehbar ausschließlich an Unternehmen und war damit gem. § 7 Abs. 1 Nr. 1 PreisAngVO zulässig.

Zwar kann, wie das Landgericht zutreffend ausgeführt hat, nicht davon ausgegangen werden, daß die Klägerin in ihrem Abmahnschreiben die Rechtslage vorsätzlich unrichtig dargestellt und damit arglistig gehandelt hätte. Ihr ist jedoch in jedem Falle ein fahrlässiges Verhalten anzulasten, da sie bei der vor Absendung des Abmahnschreibens vorzunehmenden Prüfung der Rechtslage ohne weiteres auf die Vorschrift des § 7 Abs. 1 Nr. 1 PreisAngVO hätte stoßen und erkennen müssen, daß der Beklagten ein Wettbewerbsverstoß nicht vorgeworfen werden konnte. Hat ein Gläubiger vor Abschluß eine wettbewerbsrechtlichen Unterlassungsvertrages beim Schuldner fahrlässig einen Irrtum über die Rechtslage hervorgerufen, kommt eine Haftung noch den Grundsätzen der culpa in contrahendo in Betracht mit der Folge, daß der Schuldner Aufhebung bzw. Anpassung des Vertrages verlangen kann (Großkomm/Köhler, vor § 13 UWG, B Rn. 106; Köhler/Piper, UWG, vor § 13 Rd. 169). Im Streitfall hat die Beklagte gegen die Klägerin einen Anspruch darauf, rechtlich so gestellt zu werden, als wäre sie nicht durch eine unrichtige Darstellung der Rechtslage bewogen worden, sich zur Unterlassung jeglicher Werbung mit Preisen zzgl. 15 % MwSt. zu verpflichten (§ 249 BGB). Dies führt zu einem rückwirkenden Wegfall ihrer dahingehenden Verpflichtung aus der Unterlassungsvereinbarung vom 11. Juli 1996. Der Klägerin steht nach alldem gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung von Vertragsstrafe wegen der behaupteten Verstöße gegen diese Verpflichtung nicht zu.

2. Der Klägerin steht gegen die Beklagte auch nicht der weiter geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu. Ausweislich der Klageschrift stützt die Klägerin diesen Anspruch ausschließlich auf § 13 Abs. 2 UWG i.V.m. §§ 1, 3 UWG. Der Anspruch ist nicht begründet, da die neuerlich beanstandeten Werbemaßnahmen der Beklagten nicht gegen die Preisangabenverordnung verstoßen und ihr deshalb auch ein wettbewerbswidriges Verhalten nicht angelastet werden kann. Unstreitig wendet sich die Beklagte mit ihrer Werbung in erster Linie an den in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PrAngVO umschriebenen Personenkreis, dem gegenüber die gesonderte Ausweisung der Mehrwertsteuer bei Preisangaben zulässig ist. Soweit die Beklagte an private Endverbraucher wendet, enthält ihre beanstandete Internet-Werbung den deutlich lesbaren und auch für den flüchtigen Leser wahrnehmbaren Hinweise »Für Privatpersonen kostenlos!« sowie die weitere Werbeangabe »die kostenlosen privaten Homepages der Freunde von .......«. Damit ist für jeden Leser ohne weiteres ersichtlich, daß er die in der Werbung genannten Preise nicht entrichten muß, wenn er als Privatperson eine Homepage bei der Beklagten bestellt. Er geht ohne weiteres davon aus, daß diese Preise zwar für Unternehmer, Gewerbetreibende etc. gelten, nicht aber für ihn. Damit ist der private Endverbraucher nicht mehr Adressat der Preiswerbung der Klägerin. Er wird durch die Preisangaben nicht angesprochen und stellt über die Zusammensetzung der Preise irgendwelche Überlegungen nicht an. Er wird deshalb auch nicht getäuscht, wenn er bei näherer Lektüre der Werbeunterlagen in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten feststellt, daß zu den - ihn nicht betreffenden - Preisen die Mehrwertsteuer hinzukommt. Damit ist ein Verstoß der beanstandeten Werbemaßnahmen der Beklagten gegen die Vorschriften der Preisangabenverordnung nicht gegeben. Durch die beworbenen Preise angesprochen werden lediglich die in § 7 Abs. 1 Nr. 1 PreisAngVO genannten Personen. Der Klägerin steht nach alldem gegen die Beklagte ein Unterlassungsanspruch aus §§ 1, 3 UWG nicht zu. Die Klage war deshalb auch insoweit abzuweisen.

Auf die Widerklage der Beklagten war festzustellen, daß die Klägerin aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Unterlassungsvertrag keine Rechte herleiten kann, soweit sich die Beklagte zur Unterlassung der Werbung mit Preisen zzgl. 15 % MwSt verpflichtet hat. Wie ausgeführt, kann die Beklagte von der Klägerin nach den Grundsätzen der culpa in contrahendo verlangen, von dieser Verpflichtung freigestellt zu werden. Das erforderliche Feststellungsinteresse der Beklagten ergibt sich daraus, daß die Klägerin ausweislich ihres Prozeßverhaltens von einem Fortbestand dieser Verpflichtung ausgeht.

Nach alldem war auf die Berufung der Beklagten das angefochtene Urteil unter Zurückweisung der Berufung der Klägerin wie geschehen abzuändern.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 97, 708 Nr. 10, 713, 546 Abs. 2 ZPO.

Beschluss

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 70.000,00 DM festgesetzt.

Seidel         Schmukle        Naegelsbach

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