Der Softwareherstellerverband BSA │The Software Alliance und die Microsoft Corporation schreiben über Herrn Rechtsanwalt Dr. Christoph Süßenberger aus der Kanzlei FPS Fritze Wicke Seelig Partnerschaftsgesellschaft von Rechtsanwälten mbB Unternehmen an und fordern sie auf, Auskunft über die von ihnen benutzten Computer und die auf ihnen installierten Programme zu erteilen.
Bei dem Schreiben handelt es sich zunächst nicht um eine Abmahnung sondern eher um eine bloße Schutzrechtsanfrage. Gerichtliche Schritte werden nämlich nicht angedroht, auch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung wird nicht verlangt. Ziel der Schreiben, in denen behauptet wird, es gebe einen Hinweis auf die Verwendung unlizenzierter Programme, ist es offenbar, den Adressaten zu einer Art »Selbstanzeige« zu verleiten. Es kann durchaus sein, dass ein konkreter Hinweis auf Urheberrechtsverletzungen in den wenigstens Fällen vorliegt.
Das könnte auch der Grund dafür sein, dass auf den Versand einer echten Abmahnung verzichtet wird. Stellt sich hier nämlich heraus, dass der Vorwurf unberechtigt ist, ist der Abmahnende unter Umständen zum Ersatz etwa entstehender Schäden verpflichtet ist. Bei vorsichtig formulierten Schutzrechtsanfragen ist das anders.
Behauptet wird, es bestehe ein Anspruch des Softwareherstellers, von einem Benutzer seiner Programme Auskunft über den Umfang der benutzten Programme und zum Bestand der vorhandenen Lizenzen zu verlangen. Das ist falsch. Ein solcher Auskunftsanspruch besteht nach § 101 Abs. 1 UrhG nur dann, wenn ein Nutzer »in gewerblichem Ausmaß das Urheberrecht [...] widerrechtlich verletzt«. Der Rechteinhaber muss also mindestens zunächst einmal nachweisen, dass Software ohne die hierzu erforderliche Lizenz überhaupt eingesetzt wird. Niemand ist verpflichtet, ohne konkreten Anlass Auskunft zu erteilen oder gar von sich aus eine Urheberrechtsverletzung einzugestehen. Schon gar nicht hat er irgendwem von sich aus mitzuteilen, wie viele Rechner er in seinem Unternehmen einsetzt.
Richtig ist, dass eine Besichtigung zur Beweissicherung ausnahmsweise auch per einstweiliger Verfügung durchgesetzt werden kann, § 101a Abs. 3 UrhG. Auch das setzt aber die »hinreichende Wahrscheinlichkeit« einer Verletzungshandlung voraus, die dem Gericht gegenüber nachgewiesen werden muss. Vor allem aber: Bestünden tatsächlich hinreichende Verdachtsmomente, würde ein vernünftiger Rechteinhaber den mutmaßlichen Verletzer zuvor wohl kaum auf eine drohende Verfügung aufmerksam machen und ihm dadurch die Möglichkeit verschaffen, Beweise zu vernichten. Es geht offenbar eher darum, einem womöglich zufällig ertappten »Raubkopierer« die Gelegenheit zu geben, rasch ordentliche Lizenzen zu erwerben. Schadensersatzansprüche bestehen im Übrigen nur dann, wenn das angeschriebene Unternehmen bewusst Raubkopien verwendet.
Das Schreiben leidet auch an anderen Schönheitsfehlern. Beim Softwareherstellerverband BSA │The Software Alliance (früher: Business Software Alliance) hat – anders als dargestellt überhaupt keine Software entwickelt. Er vertritt lediglich die politischen Interessen seiner Mitglieder, zu denen auch die Microsoft Corporation gehört. Eine Vollmacht wird nicht vorgelegt, eine Bevollmächtigung nicht einmal anwaltlich versichert. Was der Hinweis am Ende des Schreibens, die Angelegenheit werde einstweilen vertraulich behandelt, bedeuten soll, vermögen wir nicht recht nachzuvollziehen. Er liest sich fast so, als solle der Vorwurf einer Urheberrechtsverletzung nach Ablauf der im Schreiben gesetzten zweiwöchigen Frist zur Selbstoffenbarung öffentlich gemacht werden. Das kann ja wohl hoffentlich so nicht gemeint sein und nur der Einschüchterung dienen.
Sollte der BSA tatsächlich ein Hinweis darüber vorliegen, dass Software im Unternehmen illegal eingesetzt wurde, dürfte dieser Hinweis von einem Mitarbeiter stammen. Falls der Mitarbeiter noch im Unternehmen beschäftigt ist, hat er sich wegen der Verletzung eines Geschäftsgeheimnisses nach § 17 UWG oder wegen Verleumdung gemäß § 187 StGB strafbar gemacht. Ein ehemaliger Mitarbeiter oder ein Dritter macht sich zwar nicht strafbar, unter Umständen aber immerhin zivilrechtlich schadensersatzpflichtig. Er ist daher auch zur Erstattung der dem angeschwärzten (ehemaligen) Arbeitgeber entstandenen Anwaltshonorare verpflichtet. Seine Identität könnte im Rahmen eines Ermittlungsverfahren durch Akteneinsicht aufgedeckt werden.
Wir haben betroffenen Mandanten geraten, auf keinen Fall selbst auf das Schreiben zu reagieren. Schon die bloße Auskunft, dass überhaupt Software irgendeines der Mitglieder des Softwareherstellerverband BSA │The Software Alliance, insbesondere der Microsoft Corporation, eingesetzt wird, geht den Rechteinhaber gar nichts an. Vor allem kann eine solche Auskunft erst dazu führen, dass unangenehme Nachfragen dazu gestellt werden wann denn wo die erforderlichen Lizenzen erworben wurden. Im Rahmen einer anwaltlichen Erstberatung sollte einzelfallbezogen geprüft werden, ob und gegebenenfalls wie auf das Schreiben reagiert werden soll.