Abschied von der Zahnarztfrau – Weißkittelwerbung jetzt zulässig

René Irmscher / September 2012

justiziaWerbemaßnahmen für Arzneimittel und Medizinprodukte waren lange Zeit nur in sehr beschränktem Ausmaß zulässig, sodass viele Ärzte aufgrund der schier undurchdringlichen und unübersichtlichen Rechtslage von Werbeaktivitäten vollständig Abstand nahmen. Dass effektive und gezielte Werbung einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil bringen kann, liegt auf der Hand. War es bislang so, dass viele Werbeaktivitäten durch die zahlreichen gesetzlichen Verbote von vornherein ausgeschlossen waren und im Rahmen anwaltlicher Beratung komplett gestrichen oder erheblich entschärft werden mussten, werden sich die Rahmenbedingungen für die Heilmittelwerbung jetzt erheblich entspannen. Der Bundesrat hat am 21. September 2012 grünes Licht für Änderungen im Arznei- und Heilmittelrecht gegeben, sodass viele bisher unzulässige Werbeaussagen und Werbemaßnahmen künftig erlaubt sein werden. Die Änderungen werden voraussichtlich am 1. Oktober 2012 in Kraft treten.

 

Grundlage für die gesetzlichen Änderungen sind Richtlinien der Europäischen Union, die in nationales Recht umzusetzen sind. Diese Richtlinien sind von einem wesentlich liberaleren Grundgedanken getragen und schaffen im Werberecht deutlich weitere Freiräume. Änderungen ergeben sich zu verschiedenen Werbeverboten.

 

Bislang war es nach § 11 Abs. 1 Ziff. 1 HWG vollständig untersagt, außerhalb der Fachkreise mit Gutachten, Zeugnissen, wissenschaftlichen oder fachlichen Veröffentlichungen sowie mitHinweisen darauf zu werben. Dieses Verbot bestand unabhängig von der Richtigkeit solcher Aussagen. Dieses Verbot wird nun in seiner umfassenden Wirkung aufgehoben. Die Werbung mit den eben beschriebenen Aussagen und Dokumenten ist dann auch außerhalb der Fachkreise zulässig. Voraussetzung dafür ist, dass hinter den zu Werbezwecken verwendeten Gutachten oder Zeugnissen wissenschaftlich oder fachlich dazu berufene Personen stehen und in der Werbung zugleich Name, Beruf und Wohnort der Person die das Gutachten oder Zeugnis erstellt hat, veröffentlicht werden. Praktisch kann durch das Sternchenhinweise an den Werbeaussagen geschehen, die in Ihrer Auflösung die relevanten Angaben enthalten.

Erleichtert wird auch die Werbung mit Empfehlungen von Wissenschaftlern oder sonst im Gesundheitswesen tätigen Personen. War es bislang vollständig untersagt, mit ärztlichen Empfehlungen außerhalb der Fachkreise zu werben, steht derartigen Werbeaussagen nichts mehr im Weg, solange nicht die Bekanntheit der zitierten Personen die angesprochenen Verkehrskreise zum Verbrauch von Arzneimitteln anregt. Eine hierunter fallende Konstellation dürfte vor allem dann gegeben sein, wenn Ärzte, die sich in Fernsehshows tummeln, für solche Werbezwecke eingesetzt werden.

Den Erleichterungen unterfällt auch das bislang in § 11 Ziff. 3 HWG geregelte absolute Verbot der Wiedergabe von Krankengeschichten oder Hinweisen darauf. Die neue gesetzliche Regelung erlaubt es, mit der Wirkungsweise von Arzneimitteln oder Medizinprodukten beim bisherigen Einsatz zu werben, so lange das nicht in »missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise« erfolgt oder durch eine ausführliche Beschreibung oder Darstellung zu einer falschen Selbstdiagnose verleiten kann. Was genau unter »missbräuchlichen, abstoßenden oder irreführenden« Merkmalen zu verstehen ist, lässt sich derzeit noch nicht beurteilen. Hier bleibt abzuwarten, wie sich die Gesetzeslage in der Praxis, insbesondere bei der Beurteilung durch Gerichte entwickeln wird.

Ein weiteres Werbeverbot, das mit der Gesetzesnovelle fällt ist die bislang verbotene Darstellung von Personen in Berufskleidung oder bei der Ausübung der Tätigkeit von Angehörigen der Heilberufe, des Heilgewerbes oder des Arzneimittelhandels (»Weißkkittelwerbung«). So darf künftig ein Arzt in typischer Berufskleidung für Arzneimittel (Verfahren, Behandlungen, Gegenstände oder andere Mittel) werben.

Besonders effektiv in der Gesundheitswerbung sind »Vorher-Nachher-Bilder«. Bisher war auch derartiges außerhalb von Fachkreisen untersagt. Nunmehr gibt der Gesetzgeber grünes Licht für Vorher-Nachher-Vergleiche, solange diese nicht in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise Veränderungen des menschlichen Körpers aufgrund von Krankheiten oder der Wirkung eines Arzneimittels präsentiert werden. Eine Ausnahme gilt allerdings für operativ plastisch-chirurgische Eingriffe. In diesem Bereich der Schönheitschirurgie darf nicht mit Darstellungen geworben werden, die einen Vorher-Nachher-Unterschied zeigen.

Ein weiterer Meilenstein aus Sicht des werbeinteressierten Mediziners oder Produktherstellers ist die Lockerung des Verbots der Werbung mit Äußerungen Dritter, insbesondere Dank-, Anerkennungs- oder Empfehlungsschreiben. Auch diese Werbeform war bisher ohne Rücksicht auf den nachweisbaren Hintergrund einer Äußerung unzulässig, Künftig ist diese Werbung erlaubt, soweit sie nicht – wie bereits aus dem oben angesprochenen Punkt schon bekannt – in missbräuchlicher, abstoßender oder irreführender Weise umgesetzt wird. Preisausschreiben und Verlosungen, für die bisher ein ebenfalls umfassendes Werbeverbot bestand, können künftig zu Werbezwecken eingesetzt werden, solange solche Werbemaßnahmen nicht dazu führen, dass sofern diese Maßnahmen nicht zu einer unzweckmäßigen oder übermäßigen Verwendung von Arzneimitteln führen.

Keine Lockerungen wird es bei den Verboten für Werbemaßnahmen, die sich ausschließlich oder überwiegend an Kinder unter 14 Jahren richten sowie bei der Arzneimittelwerbung die dem Angesprochenen suggeriert, er werde ohne die Verwendung des Produktes gesundheitliche Nachteile erleiden.

Die Zahnarztfrau kann sich künftig also wieder dem Haushalt widmen, statt werbewirksam in grüne Äpfel zu beißen. Das kann ihr Gatte jetzt allein. Vorausgesetzt, er stößt dabei nicht ab.

 

 

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