Treuhändler im Internet

Daniel S. Raimer, LL.M. /  Januar 2003 

strohmannBei Kaufverträgen in Vorleistung zu treten, egal ob als Käufer oder Verkäufer, ist seit jeher eine risikobehaftete Angelegenheit. Bei Vertragsschlüssen im Internet wird diese Unsicherheit für beide Seiten erheblich verstärkt. Der kalifornische Anbieter »Escrow.com« bietet nun Vertragsparteien weltweit die Möglichkeit, die mit einer Vertragsabwicklung verbundenen Risiken zu minimieren.

1. Die Problematik

Mehr noch als »herkömmliche« Kaufverträge bergen Vertragsschlüsse im Internet ein erhebliches Risiko, für seine Leistung keine Gegenleistung zu erhalten. Käufer und Verkäufer kennen voneinander oft nicht mehr als die E-Mail Adresse oder ein Pseudonym, sie leben möglicherweise in verschiedenen Ländern, mit verschiedenen Sprachen und Rechtssystemen. Bei weniger wertvollen Gegenständen ist ein Großteil von uns bereit ein gewisses Risiko zu tragen und - sei es mit der Ware, sei es mit dem Kaufpreis - in Vorleistung zu treten.

Aber spätestens wenn es um den Erwerb eines Ferienhauses, eines Bootes oder einer bestimmten Internet-Domain geht, wird es aufgrund der nicht unerheblichen Werte, welche in Rede stehen, an der Zeit die Vertragserfüllung durch einen Treuhänder absichern zu lassen. Die herkömmliche Methode, zu einem Notar oder Rechtsanwalt zu gehen, scheidet mit Unkenntnis des fremden Rechtssystems oder der fremden Sprache oft aus. Ein venezolanischer Verkäufer, welcher die Verwahrung durch einen venezolanischen Treuhänder anbietet, wird hiermit bei europäischen und amerikanischen Vertragspartnern selten Begeisterungsstürme ernten. Aber auch ein Spanier wird, mit Hinblick auf die sich aus den Sprachproblemen möglicherweise ergebenden praktischen Schwierigkeiten, zurückhaltend sein, einen deutschen Notar als Treuhänder zu wählen.

2. Der Anbieter

Der kalifornische Anbieter »Escrow.com« bietet nun weltweit Kunden die Möglichkeit, ihre Verträge durch ein weitestgehend automatisiertes Treuhandverfahren abzuwickeln. Gegründet wurde das Unternehmen 1999 von »Micro General Corp.« (NASDAQ : MGEN), einer Tochtergesellschaft der »Fidelity National Financial, Inc.« Der Name »Escrow« entspricht übrigens sinnigerweise dem englischen Begriff für „Treuhand".

3. Der Ablauf

Die Nutzung von Escrow.com zur treuhänderischen Abwicklung von Verträgen ist für den der englischen Sprache mächtigen Benutzer so einfach wie möglich gestaltet worden.

a. Vertragsschluss

Nach kostenloser Registrierung (welche mit nicht-amerikanischen Adressen erfreulicherweise halbwegs vernünftig zu Recht kommt) hat der Benutzer die Möglichkeit anderen Personen einen Vertragsschluss unter Abwicklung durch Escrow.com anzubieten.

Hierfür bietet die zur Verfügung gestellte Internetplattform speziell zugeschnittene Module für die Übertragung von Domain Namen, Kraftfahrzeugen und sonstigen Waren. Vertragspartner, die noch nicht bei Escrow.com registriert sind, erhalten zunächst eine automatisch generierte E-Mail, in der sie vom Vertragsangebot informiert und ebenfalls zur Registrierung aufgefordert werden. Ist auch der Vertragspartner erst einmal registriert, werden ihm auf der Website des Unternehmens nochmals die angebotenen Vertragsmodalitäten detailliert vor Augen geführt. Mit simplem Mausklick kann der Vertrag dann angenommen werden.

b. Überweisung des Kaufpreises an Escrow

Die weitere Vertragsabwicklung beginnt sodann mit der Überweisung der Kaufsumme durch den Käufer. Als Möglichkeit stehen hier vor allem die Banküberweisung sowie die Bezahlung per Kreditkarte zur Verfügung. Andere, in den USA noch heute übliche Bezahlungsformen, wie die Bezahlung per Scheck oder der »money order«, werden zwar ebenfalls unterstützt, dürften für deutsche Kunden jedoch relativ uninteressant sein. Jede der zur Verfügung stehenden Zahlungsmethoden ist mit Vor- und Nachteilen verbunden. Bei Zahlung per Kreditkarte verlangt Escrow.com z.B. bei Summen ab $500 eine persönliche Kontaktaufnahme des Karteninhabers. Dieser muss sich entweder telefonisch bei dem Unternehmen in Kalifornien melden, oder aber Escrow eine gescannte oder gefaxte Kopie seiner Kreditkarte sowie eines Lichtbildausweises zukommen lassen. Erst nachdem mit diesen Informationen die Berechtigung des Karteninhabers überprüft wurde, wird der Zahlungsvorgang abgewickelt. Bei der Banküberweisung ist hingegen zu beachten, dass Transaktionen in die USA üblicherweise recht lange dauern und, je nach Kaufpreis, mit höheren Gebühren verbunden sein können als die Zahlung per Kreditkarte. Bei größeren Kaufpreisen lohnt es sich daher, sich zuvor über die Gebühren der Banken und Kreditkartenunternehmen zu informieren. Die Unterschiede können leicht Beträge ausmachen, von denen ein Essen in einem Mittelklasserestaurant bezahlt werden kann.

c. Versenden des Kaufgegenstandes

Nach Eingang des Geldes bei dem kalifornischen Unternehmen erhält der Verkäufer eine Benachrichtigung hierüber, verbunden mit der Aufforderung den Kaufgegenstand nunmehr dem Käufer zur Verfügung zu stellen. Um den ordnungsgemäßen Ablauf der Lieferung überprüfen zu können, müssen je nach Kaufgegenstand als vertrauenswürdig eingestufte Lieferanten gewählt werden. Bei normaler Handelsware stehen neben UPS, Federal Express, DHL Worldwide zahlreiche weitere Unternehmen zur Verfügung. Domain Namen hingegen werden über größere Registrare, wie Network Solutions, Register.com oder enom abgewickelt.

d. Freigabe des Geldes durch den Käufer

Nach Eingang der Ware beim Käufer hat dieser nach einer festgesetzten Überprüfungsfrist den ordnungsgemäßen Eingang dem Treuhänder entweder zu bestätigen oder bei Mangelhaftigkeit der Ware diese zurückzugeben. Nach Bestätigung des ordnungsgemäßen Erhalts durch den Käufer wird die Transaktion schließlich mit Überweisung des Geldes an den Verkäufer durch Escrow.com abgeschlossen.

4. Fazit

In der Praxis hat sich die treuhänderische Abwicklung über Escrow.com als zuverlässige Methode zur Abwicklung von Kaufverträgen gerade im internationalen Verkehr erwiesen. Unter erfahrenen Verkäufern munkelt man zwar über stets um wenige Tage verzögerte Auszahlungszeitpunkte durch Escrow, mit der die Firma angeblich ihre Zinsgewinne am treuhänderisch verwalteten Geld erhöht. Bei der Schnelligkeit und Zuverlässigkeit, mit der das Unternehmen die treuhänderische Verwaltung durchführt, sollte man jedoch bereit sein, über diese kleinen Schönheitsfehler hinwegzusehen.

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