LG Düsseldorf, Urt. v. 02.11.11, 12 O 326/11

eigenesache Es ist unzulässig, im Rahmen eines Forenbeitrags im Internet den Eindruck zu erwecken, gegen einen Prozessgegner ein Strafurteil erlangt zu haben wenn tatsächlich eine Verurteilung nur in einem zivilrechtlichen Verfahren erwirkt wurde.

Streitwert: 10.000 €

nrw

LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Entscheidung vom 2. November 2011
Aktenzeichen: 12 O 326/11

 

In dem einstweiligen Verfügungsverfahren

(...)

hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vom 05.10.2011 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht von Gregory, den Richter am Landgericht Sackermann und die Richterin Dr. Möller

für Recht erkannt:

Die einstweilige Verfügung der Kammer vom 08.07.2011 wird bestätigt.

Die Antragsgegnerin trägt die weiteren Kosten des Verfahrens.sr

Tatbestand

Die Antragstellerin war vor etwa zehn Jahren als Mitarbeiterin des Vereins „Kinder in Not" tätig, gegen den wegen Veruntreuung von Spendengeldern strafrechtlich ermittelt wurde. In dieser Zeit führten die Antragsstellerin und die Antragsgegenerin einen mietrechtlichen Rechtsstreit, der mit einer Verurteilung der Antragstellerin endete.

Auf der Intemetseite »[...].blogspot.com/[...]« wurde mutmaßlich in der Nacht vom 22. auf den 23.05.2011 folgender Beitrag gepostet:

»Mein Name ist [...]. Ich bin einer der Leute die im Namen der Johanneshilfe, ASB und vielen anderen Firmennamen Leute um ihr Geld betrogen hat. Gemeinsam mit [...]/ [...]/ [...], [...], [...], [...] u.a. habe ich Spendengelder veruntreut, kein Löhne gezahlt, Menschen beleidigt und vor allem nur an mein eigenes Wohlergehen gedacht. Seit sehr langer Zeit mache ich das nun schon und ich kann ja lustig weiter machen. Wer will mich aufhalten?

Aber vielleicht ist ja doch der Eine oder Andere da draußen, der geschädigt wurde, der den Mut hat sich an Medien oder Polizei zu wenden, so dass solche Betrüger keine Chance mehr haben ihr Unwesen zu treiben und ihre gerechte Strafe erhalten.«

Kurz nach der Veröffentlichung kommentiere die Antragsgegnerin den vorstehenden Beitrag an gleicher Stelle wie folgt:

»Hallo [...], toll. von Ihnen endlich einmal von Seiten der Mittäter einen reuigen Sünder zu entdecken. Ich war und bin seit dem Jahr 2000 schwervon der Bande um [...], [...], [...], seinerzeit noch viele andere Namen im Spielschwer geschädigt worden. Polizei, Staatsanwaltschaft, Presse, TV habe ich in Bewegung gesetzt, aber alle waren immer ein bischen langsamer um den immer neuen gegründeten Verein — wie KINDER IN NOT —rOBIN hOOD — Securitee —Brennpunkt — und viele weitere das Handwerk zu legen. Immerhin hatte ich seinerzeit einen Haftbefehl und Wiedergutmachungsurteil gegen [...] erreicht, 3 Jahre hat sie sich an verschiedene Auflagen halten müssen, aber dann ging es, wie mir scheint, munter weiter. Im neuesten Fall JOHANNIS-HILFE — werde ich mich auch einschalten, vielleicht können wir mal Kontakt aufnehmen. Grüße — [...]«


Beim Lesen des Beitrags kam bei der Antragstellerin wegen der vorangegangen mietrechtlichen Streitigkeiten der Verdacht auf, die Antragsgegnerin könne Autorin des letzten Beitrags sein. Aus diesem Grunde richtete sich die Antragstellerin mit anwaltlichem Schreiben vom 01.06.2011 an die Antragsgegnerin und forderte diese erfolglos zur Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auf. Die Antragsgegnerin meldete sich daraufhin am 07.06.2011 telefonisch bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin und räumte diesem gegenüber ein, den zweiten Teil des Beitrags, die »Kommentierung« des ursprünglichen Blogbeitrags, verfasst zu haben.


Mit Beschluss vom 08.07.2011 hat die Kammer der Antragsgegnerin unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel untersagt, den nachfolgend wiedergegebenen Text zu veröffentlichen:

»Ich war und bin seit dem Jahr 2000 schwervon der Bande um [...], [...], [...], seinerzeit noch viele andere Namen im Spielschwer geschädigt worden. Polizei, Staatsanwaltschaft, Presse, TV habe ich in Bewegung gesetzt, aber alle waren immer ein bischen langsamer um den immer neuen gegründeten Verein — wie KINDER IN NOT —rOBIN hOOD — Securitee —Brennpunkt — und viele weitere das Handwerk zu legen. Immerhin hatte ich seinerzeit einen Haftbefehl und Wiedergutmachungsurteil gegen [...] erreicht, 3 Jahre hat sie sich an verschiedene Auflagen halten müssen, aber dann ging es, wie mir scheint, munter weiter.«

Hiergegen hat die Antragsgegnerin Widerspruch eingelegt.

Die Antragstellerin beantragt,

die einstweilige Verfügung vorn 08.07.2011 zu bestätigen.

Die Antragsgegnerin beantragt sinngemäß,

die einstweilige Verfügung vom 08.07.2011 aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen.

Die Antragsgegnerin meint, das Verhalten der Antragstellerin sei widersprüchlich, da sie bereits am 01.06.2011 ein anwaltliches Schreiben von der Antragsgegnerin mit Vollmacht vom 26.05.2011 erhalten habe, diese aber meint, erst am 07.06.2011 von der Autorenschaft der Antragstellerin Kenntnis erlangt zu haben. Aus diesem Grund bestehe keine Eilbedürftigkeit.

Hinsichtlich der näheren Einzelheiten des Vorbringens der Parteien wird auf wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Die einstweilige Verfügung ist zu bestätigen, da die Voraussetzungen zum Erlass der einstweiligen Verfügung — Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund — nach wie vor vorliegen.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen Verfügungsanspruch auf die begehrte Unterlassung aus §§ 823 Abs. 1 i.V.m. 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB analog glaubhaft gemacht.

Durch die streitgegenständlichen Äußerungen hat die Antragstellerin das Allgemeine Persönlichkeitsrecht der Antragsgegnerin verletzt. Das Allgemeine Persönlichkeitsrecht schützt die soziale Anerkennung des Einzelnen, insbesondere auch gegenüber Äußerungen, die sich abträglich auf sein Bild in der Öffentlichkeit auswirken können, das heißt eine Herabsetzung enthalten. Werden derartige Tatsachen behauptet, stellt dies einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar. Die durch die Antragsgegenerin im Rahmen ihres Blogbeitrags geschriebenen Ausführungen erfüllen diese Voraussetzungen.

Die Antragsgegnerin führte aus, »schwervon der Bande um [...], [...], [...], seinerzeit noch viele andere Namen im Spielschwer geschädigt worden" zu sein. »Polizei, Staatsanwaltschaft, Presse, TV« habe sie »in Bewegung gesetzt« aber alle seien »immer ein bischen langsamer« gewesen, »um den immer neuen gegründeten Verein — wie KINDER IN NOT —rOBIN hOOD — Securitee —Brennpunkt — und viele weitere das Handwerk zu legen.« Immerhin habe sie seinerzeit »einen Haftbefehl und Wiedergutmachungsurteil gegen [...] erreicht«. Die vorgenannten Ausführungen erwecken den Eindruck, die Antragsgegenerin habe gegen die Antragstellerin eine strafrechtliche Verurteilung in Zusammenhang mit deren Tätigkeiten bei gemeinnützigen Organisationen erwirkt. Diese Behauptung ist geeignet, das Ansehen der Antragstellerin in der Öffentlichkeit herabzusetzen.

Die Verletzung des Allgemeinen Persönlichkeitsrechtes der Antragstellerin war auch rechtswidrig. Für die Frage der Widerrechtlichkeit der Aussage kommt es maßgeblich auf deren Wahrheitsgehalt an. Die Verbreitung wahrer Tatsachen fällt grundsätzlich in den Schutzbereich der grundrechtlich geschützten Meinungs- und Pressefreiheit (Art. 5 GG). Bewusst unwahr aufgestellte Tatsachenbehauptungen, deren Unwahrheit im Zeitpunkt der Äußerung bereits fest stehen, genießen den Schutz des Art. 5 GG demgegenüber nicht.

Die aufgestellten Behauptungen der Antragsgegnerin waren zum Zeitpunkt ihrer Äußerung unwahr und damit widerrechtlich. Entgegen der von Seiten der Antragsgegnerin aufgestellten Behauptung ist gegen die Antragstellerin im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit bei einer Spendenorganisation kein strafrechtliches Urteil ergangen. Die Parteien haben vielmehr im Rahmen- einer mietrechtlichen Auseinandersetzung miteinander gestritten. Allein in diesem Zusammenhang erwirkte die Antragsgegnerin ein zivilrechtliches Urteil gegen die Antragstellerin. Diese Verurteilung stand aber in keinem Zusammenhang mit der Tätigkeit der Antragstellerin für einen gemeinnützigen Verein, sondern betraf ausschließlich das private Mietverhältnis zwischen den Parteien.

Auch die von Seiten der Antragsgegnerin vorgelegten Unterlagen — eine Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Köln gegen die Antragstellerin vom 10.10.2000 (Bl. 92 GA), ein Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 22.09.2000 (Bl. 94 GA), in dem die Antragstellerin vom weiteren Vollzug des Haftbefehls des Amtsgerichts Köln vom 22.08.2000 (503 Gs 2804/00) verschont wird, sowie das gegen Herrn [...] ergangene Urteile des Amtsgerichts Köln vom 22.02.2010 (Bl. 106 GA) -- belegen keine strafrechtliche Verurteilung der Antragstellerin.

Die für den Unterlassungsanspruch nach § 1004 BGB erforderliche, durch die Persönlichkeitsrechtsverletzung indizierte Wiederholungsgefahr besteht weiterhin fort, da die Antragsgegenerin es abgelehnt hat, diese durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung auszuräumen.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegenerin ist auch die für den Erlass einer einstweiligen Verfügung nach § 935 ZPO erforderliche Dringlichkeit durch die Antragstellerin glaubhaft gemacht worden. Der diesbezügliche Vortrag, insbesondere die Behauptung, die Antragstellerin habe erst am 07.06.2011 davon Kenntnis erlangt, dass die Antragsgegnerin Autorin des in Rede stehenden Blogbeitrags ist, steht nicht im Widerspruch zu ihren übrigen Angaben. Die Antragstellerin hat ausgeführt, dass sie die Antragsgegnerin aufgrund der vorangegangen mietrechtlichen Auseinandersetzungen zunächst lediglich in Verdacht gehabt habe, den Beitrag verfasst zu haben. Auf der Grundlage dieses Verdachts habe sie dann der Antragsgegenerin durch ihren Prozessbewillmächtigten mit Schreiben vom 01.06.2011 eine Abmahnung zukommen lassen. Erst nach dem Anruf der Antragsgegnerin bei dem Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin am 07.06.2011, in dessen Rahmen die Antragsgegnerin das Verfassen des in Rede stehenden Beitrags einräumte, habe sich ihr Verdacht dann bestätigt. Vor diesem Hintergrund steht die im Rahmen des Schriftsatzes der Antragstellerin vom 04.07.2011 getätigte Äußerung, sie habe erst am 07.06.2011 Kenntnis von Person des Autors des in Rede stehenden Beitrags erlangt, im Einklang mit ihre übrigen Vorbringen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO. Einer gesonderten Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedurfte es aufgrund des Charakters des einstweiligen Verfügungsverfahrens nicht.

Streitwert: 10.000 €

von Gregory                   Sackermann                   Dr. Möller

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