Streitwert: 200.000 Euro.
LANDGERICHT DÜSSELDORF
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen 12 O 114/06
Urteil vom 17. Mai 2006
In dem einstweiligen Verfügungsverfahren
[...]
hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Düsseldorf auf die mündliche Verhandlung vor, 10. Mai 2006 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht von Gregory, die Richterin Dr: Kohlhof-Mann und den Vorsitzenden Richter am Landgericht Dr Grabinski
für Recht erkannt:
Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird unter Aufhebung, des Beschlusses vom 29. März 2006 zurückgewiesen.
Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist Vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten um Nutzungsrechte an der im Tenor der einstweiligen Verfügung vom 29. März 2006 näher bezeichneten Software »[...]«. Diese Software wurde bei dem heute unter der Firma [...] GmbH geführten Unternehmen entwickelt, und ermöglicht die Bestellung von Reifen und Felgen per Internet. Sie wurde 2001 auf dem Markt eingeführt: Die Antragsgegnerin und der Zeuge [...] haben ursprünglich bezüglich der Software zusammengearbeitet. Die Software und die Lizenz- und Wartungsverträge wurden mit Vortrag vom 10. Januar 2005 (Anlage AS 4) für einen Preis von 3.000,- Euro von der [...] GmbH an den Zeugen [...] veräußert. Unter 2.4 ist Folgendes vereinbart:
»Nutzungsrechte Dritter, die [...] vor Abschluss dieses Vertrages Dritten eingeräumt hat, bleiben unberührt.«
Unter 6.2. ist festgehalten, dass zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses die in Anlage AS 4 aufgeführten Wartungsverträge über die Software bestehen. In dieser Anlage AS 4 ist sowohl die [...], die die Antragstellerin auf den Erlass der einstweiligen Verfügung hin zu Lizenzzahlungen hin aufgefordert hat (Schreiben Anlage AG 1), als auch die Antragsgegnerin selbst, nämlich die [...] GmbH explizit aufgeführt. Über sechs Monate hinweg zahlte die Antragsgegnerin im Jahre 2005 3.500,- Euro netto bzw. 4.016,- Euro brutto an die Antragstellerin. Unter dem 23. Juni 2005 haben die Antragsgegnerin und der Zeuge [...] einen Abtretungsvertrag geschlossen (Anlage AG 3). In diesem wird Bezug genommen auf den Vertrag vom 10. Januar 2005 (Anlage AS 4). Vor dem Hintergrund dieses Vertrages wurde u.a. Folgendes vereinbart:
»Hiermit trete ich - Herr [...] - meine gegen die oben genannten Kunden zustehenden Vergütungsansprüche an die Firma [...] GmbH ab. Die Firma [...] GmbH nimmt hiermit die Abtretung der Ansprüche an.«
Weiterhin wurde vereinbart, dass der Abtretungsvertrag vom 7. März 2005 seine Gültigkeit verliere und durch diese Abtretung ersetzt werde.
Die Antragstellerin forderte die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 14. Februar 2006 (Anlage AS 5) auf, ihren Zahlungsverpflichtungen hinsichtlich der Software nachzukommen. Sie berief sich auf eine mündliche Vereinbarung der Beteiligten von Anfang 2005. Nach dieser sei der Antragsgegnerin der Kundenstamm der Antragstellerin und eine nicht ausschließliche Lizenz an der Software überlassen worden. Die Antragsgegnerin bestritt mit Schreiben vom 20. Februar 2006 (Anlage AS 6) eine entsprechende Vereinbarung, erklärte aber vorsorglich deren Kündigung. Mit Schreiben vom 15. März 2006 (Anlage AS 8) erklärte die Antragsgegnerin, die Software nicht mehr zu verwenden. Unter dem 24. März 2006 gab sie eine Unterlassungserklärung ab (Anlage AS 9), die sie unter näher bezeichnete auflösende Bedingungen stellte.
Am 29. März 2006 hat die Kammer auf Antrag der Antragstellern im Wege der einstweiligen Verfügung bei Meidung der gesetzlich vorgesehenen Ordnungsmittel der Antragsgegnerin untersagt, die Software »[...]« zu nutzen und/oder nutzen zu lassen, insbesondere, Dritter weiterhin oder erstmalig Lizenzen an der Software zu gewähren.
Die Antragsstellerin fordert nunmehr die Kunden der Antragsgegnerin auf, Lizenzzahlungen an die Antragstellerin zu leisten (Schreiben Anlage AG 1). .
Die Antragstellerin hat zuletzt vorgetragen, dass sie vor dem Hintergrund der vertraglichen Abreden zwischen den Beteiligten davon ausgegangen ist, dass die Antragsgegnerin die Software bearbeite und verändere und dazu auch berechtigt sei.
Die Antragstellerin behauptet sie sei Inhaberin der Nutzungsrechte an. der Software, diese seien ihr von dem Zeugen [...] übertragen worden. Der Wert des Programms betrage 400.000.- Euro Die Antragsgegnerin habe ca. 10 Kunden, die auf die Software zugriffen und denen die Antragsgegnerin Nutzungslizenzen erteilt habe, wofür sie monatlich ca. Euro 9.000,- an Lizenzgebühren erhalte. Anfang 2005 seien die Beteiligten übereingekommen, dass die Antragstellerin der Antragsgegnerin den Kundenstamm und die Software überlasse und die Kunden der [...] GmbH gemeinsam weiter betreut werden sollten. Hierfür sei zunächst eine. Vergütung von 3.500,- Euro monatlich netto vereinbart gewesen, später hätte eine. Umsatzbeteiligung erfolgen sollen. Ein diesbezüglicher schriftlicher Vertragsentwurf, der der Kammer von der Antragstellerin nicht vorgelegt worden ist, sei zwar von der Antragsgegnerin, nicht jedoch von der Antragstellerin unterzeichnet worden.
Die Antragstellerin ist der Ansicht, dass die Antragsgegnerin zumindest seit der mit dem Schreiben vom 20. Februar 2006 (Anlage AS 6) ausgesprochenen vorsorglichen Kündigung, die Software rechtwidrig benutze und bearbeite.
Die Antragsgegnerin hat gegen den Beschluss vom 29. März 2006 mit Schriftsatz vom 4. Mai 2006 Widerspruch eingelegt.
Die Antragstellerin beantragt nunmehr,
die einstweilige Verfügung vom 29. März 2006 zu bestätigen.
Die Antragsgegnerin beantragt,
die einstweilige Verfügung vom 29. März 2006 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligenVerfügung zurückzuweisen.
Die Antragsgegnerin behauptet, sie selbst habe keine Lizenzvereinbarung mit Vertragspartnern abgeschlossen und erhalte keine Lizenzzahlungen. Sie erbringe IT-Dienstleistungen und erfülle Wartungsverträge für Kunden, jedoch erteile sie keine Softwarelizenzen. Auch nutze sie selbst die Software nicht. Die von der Antragstellerin behauptete vertragliche Kooperation von Anfang 2005 habe es nie gegeben, es sei nur um eine Beteiligung an Umsätzen nach Warengruppen auf Provisionsbasis gegangen. Sie habe im Jahre 2005 6 x 3.500,- Euro netto an die Antragstellerin gezahlt, um eine Tätigkeit des Zeugen [...] zu vergüten. Dieser habe diese Zahlungsart über die Antragstellerin gewünscht. Vergütet worden seien unter dem Zweck »Consulting« Betriebstätigkeiten für die Antragsgegnerin, keinesfalls seien Lizenzgebühren gezahlt worden. Sie habe nur mit der Software im Rahmen der Betreuung von Altkunden der [...] GmbH zu tun gehabt. Ausweislich 2.4 des Vertrages vom 10. Januar 2005 seien deren Nutzungsrechte ausdrücklich nicht auf den Zeugen [...] übergegangen. Eine Einigung über eine Lizenzierung sei nie getroffen worden. Wegen, der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.
Entscheidungsgründe
Der Beschluss der Kammer vom 29. März 2006 ist aufzuheben und der Antrag auf Erlass der einstweiligen Verfügung zurückzuweisen, da nach der Durchführung der mündlichen Verhandlung nicht mehr glaubhaft gemacht, d.h. überwiegend wahrscheinlich ist, dass der Antragsteller der geltend gemachte Unterlassungsanspruch, aus §§ 67 in Verbindung mit 69 UrhG, 8 in Verbindung mit 3, 4 Ziffer 10 UWG zusteht.
Nach der mündlichen Verhandlung bestehen, zum einen Bedenken gegen die Aktivlegitimation der Antragstellerin und zum anderen kann nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, dass die Antragsgegnerin im Rahmen ihrer Tätigkeit in die Rechte der Antragstellern an der Software rechtswidrig eingreift.
Es ist bereits zweifelhaft, ob die Antragstellerin ihre Aktivlegitimation hinreichend glaubhaft gemacht hat. Der Zeuge [...] hat zwar per eidesstattlicher Versicherung vom 10. Mai 2006 versichert, dass er der Geschäftsführerin der Antragstellerin vor dem Abschluss des Vertrages am 10. Januar 2005 (Anlage AS 4) zugesagt habe, dass er die Nutzungsrechte auf sie übertragen werde, wenn dieser Vertrag zustande kommt und dass er nach dem Abschluss dieses Vertrages der Geschäftsführerin der Antragstellerin gegenüber bestätigt habe, dass eine Übertragung der Nutzungsrechte stattgefunden habe. Nicht an Eides statt versichert hat er hingegen, dass die Geschäftsführerin der Antragstellerin die Abtretung der Rechte auch angenommen hat. Dass eine wirksame Abtretung eine Annahme voraussetzt, ist der Zeugen [...] ausweislich des Abtretungsvertrages vom 23, Juni 2005 (Anlage AG 3) bekannt, denn dort ist ausdrücklich festgelegt, dass die Antragsgegnerin die Abtretung der Ansprüche annimmt. Zudem war er bei der Abfassung der eidesstattlichen Versicherung anwaltlich beraten. Auf die Aktivlegitimation der Antragstellerin kommt es vorliegend im Ergebnis jedoch nicht an, da die einstweilige Verfügung vom 29. März bereits aus anderen Gründen aufzuheben ist, so dass diese Frage letztlich offen bleiben kann.
2. Der Antragstellerin steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 97 in Verbindung mit 69 c) UrhG nicht zu. Es wird ausdrücklich offengelassen, ob die Software urheberrechtlichen Schutz genießt. Die Antragstellerin hat jedenfalls nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin in die Rechte der Antragstellerin an der Software eingreift. Hierfür ist sie darlegungs- und beweisbelastet. Es ist zumindest ebenso wahrscheinlich, dass die Antragsgegnerin sich im Rahmen der ihr bzw. der den Drittkunden der [...] GmbH eingeräumten Nutzungsrechte bewegt hat. Dem Zeugen [...] sind zwar ausweislich des Vertrages vom 10. Januar 2005 (Anlage AS 4) die Rechte an der Software eingeräumt worden. Nutzungsrechte Dritter blieben davon jedoch unberührt. Im Zeitpunkt des Vertragsschlusses bestand ausweislich der Anlage 4a) zum Vertrag vom 10. Januar 2005 (Bl. 30 GA) ein Wartungsvertrag sowohl mit der fri, die von der Antragstellerin im Nachgang zu der einstweiligen Verfügung vom 29. März 2006 zu Lizenzzahlungen aufgefordert worden war (Anlage AG 1), als auch mit der Antragsgegnerin. Die Rechte aus diesen Wartungsverträgen wurden per Abtretungsvertrag vom 23. Juni 2005 von dem Zeugen [...] an die Antragsgegnerin abgetreten. Es ist jedenfalls überwiegend wahrscheinlich, dass der Antragsgegnerin nicht nur die Vergütungsansprüche abgetreten wurden, sondern dass sie die Wartungen auch selbst durchführen sollte. Die entsprechende Wartung der Software kann nur erfolgen, wenn der Antragsgegnerin auch entsprechende Nutzungsrechte eingeräumt worden sind. Die Antragstellerin selbst stellt auch nicht in Abrede, dass sie davon ausgegangen war, dass die Antragsgegnerin im Rahmen der Wartung die Software bearbeitet und verändert und hierzu auch berechtigt war. Die mit dem Abtretungsvertrag vom 23. Juni 2005 (Anlage AG 3) verbundene Einräumung von Nutzungsrechten ist nicht im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin mit Schreiben vom 20. Februar 2006 (Anlage AS 6) ausgesprochene vorsorgliche Kündigung hinfällig. Diese Kündigung bezieht .sich ausweislich des Schreibens der Antragstellerin vom 14. Februar 2006 auf eine mündliche Vereinbarung zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zum Anfang 2006. Die Abtretungserklärung ist hingegen schriftlich verfasst und datiert vom Juni 2005.
Soweit die Antragstellerin sich auch darauf beruft, dass die Antragsgegnerin Mitstörerin sei, weil sie Kunden gestatte, über ihren Server die Software zu benutzen, obwohl diese keine Nutzungsrechte besitzen, ist nicht glaubhaft gemacht, dass es sich um unberechtigte Dritte handelt. Der Zeuge [...] hat zwar in der eidesstattlichen Versicherung vom 10. Mai 2006 ausgeführt, dass die Software noch auf dem Server der Antragsgegnerin laufe und den diesbezüglichen Sachvortrag glaubhaft gemacht. Nicht eidesstattlich versichert und damit nicht glaubhaft gemacht hat er hingegen, dass der Zugriff durch Dritte erfolgt, die keine Nutzungsrechte für die Software besitzen.
Weiterhin ist nicht glaubhaft gemacht, dass die Antragsgegnerin Dritten Lizenzen an der Software einräumt bzw. eingeräumt hat. Bezüglich dieser Frage ist die Antragstellerin darlegungs- und beweisbelastet. Vor dem Hintergrund sich widersprechender eidesstattlicher Versicherungen der Beteiligten liegt ein non liquet vor, dass zu Lasten der Antragstellerin geht.
3. Der von der Antragstellerin geltend gemachte Unterlassungsanspruch aus §§ 8 in Verbindung mit 3, 4 Ziffer 10 UWG ist ebenfalls nicht glaubhaft gemacht. Die Antragsgegnerin behindert nicht gezielt die Antragstellerin als Mitbewerberin. Dies folgt daraus, dass bereits der Verstoß gegen das Urheberrechtsgesetz nicht glaubhaft gemacht worden ist.
4. Das Gericht musste dem Beweisantritt der Antragsgegnerin, der in der mündlichen Vorhandlung vom 10. Mai 2006 gestellt worden ist, nicht nachgehen. Er war als unzulässig zurückzuweisen. Es handelte sich, um einen unzulässigen Ausforschungsbeweis, da die Antragsgegnerin eine Zeugenvernehmung zu dem Thema beantragt hatte, »ob die Firma [...] GmbH vor Übertragung der hier streitgegenständlichen Software an Herrn [...] uneingeschränkte Nutzungsrechte an der Software für Endkunden insbesondere der Firma [...] erteilt hat«. Eines weiteren Hinweises der Kammer gemäß § 139 ZPO bedurfte es nicht im Hinblick darauf, dass die Antragstellerin bereits einen Verstoß gegen das UrhG bzw. das UWG nach ihrem eigenen Sachvortrag nicht glaubhaft gemacht hatte.
5. Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 708 Nr. 6 ZPO.
von Gregory Dr. Kohlhof-Mann Dr. Grabinski