Fundstelle: NJW 2002, 2114
LANDGERICHT DUISBURG
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL
Aktenzeichen: 21 O 201/01
Entscheidung vom 10. Januar 2002
Zum Sachverhalt
Die Parteien streiten um die Verbreitung einer Homepage unter der Internetadresse »www.anwalt-muelheim.de«. Der Ast. betreibt unter der Internetadresse »www.advocarat.de« ein für Einträge kostenpflichtiges bundesweites Anwaltsverzeichnis im Internet. Benutzer, die einen Rechtsanwalt in der Stadt Mülheim a. d. Ruhr suchen, gelangen auf eine Seite mit der Adresse »www.anwalt-muelheim.advocarat.org«.
Der Ag., Rechtsanwalt in Mülheim a. d. Ruhr, unterhält eine Homepage, auf der die Rechtsanwaltskanzlei, die er mit einem Kollegen betreibt, dargestellt wird, und die seit dem 5. 6. 2001 unter der Internetadresse »www.anwalt-muelheim.de« aufgerufen werden kann. Der Ast. vertritt die Ansicht, auf Grund der Verwendung der genannten Domain durch den Ag. bestehe die Gefahr der Irreführung umworbener, durchschnittlich informierter und verständiger Verkehrskreise der Internetnutzer, da diese unter der angegriffenen Domain ein Verzeichnis von Rechtsanwälten in Mülheim a. d. Ruhr erwarteten. Der Unterlassungsantrag hatte keinen Erfolg.
Entscheidungsgründe
Der Antrag, gegen dessen Zulässigkeit keine Bedenken bestehen, hat keinen Erfolg. Der Ast. kann vom Ag. unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt verlangen, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr im Internet unter der alleinigen Domain »http://www.anwalt-muelheim.de« ohne unterscheidungskräftigen Zusatz für anwaltliche Dienstleistungen nur der Rechtsanwaltkanzlei L GbR zu werben.
Der Ast. ist gem. § 13 11 Nr. 1 UWG antragsbefugt.
(...)
Der geltend gemachte Verfügungsanspruch besteht nicht.
1. Die Verwendung der Internetadresse »www.anwalt-muelheim.de« stellt keine irreführende Angabe i. S. von § 3 UWG dar, die geeignet wäre, die Entscheidung der umworbenen Verkehrskreise in wettbewerblich relevanter Weise zu beeinflussen. Hierfür wäre erforderlich, dass von der verwendeten Internetadresse die unzulässige Behauptung der Alleinstellung am Standort Mülheim a. d. Ruhr ausginge. Das ist nicht der Fall. Wie der Entscheidung »Mitwohnzentrale.de« des BGH (NJW 2001, 3262 = MDR 2001, 666 m.Anm. Hoeren) entnommen werden kann, muss bei der Beurteilung einer etwaigen Alleinstellungsbehauptung die Gesamtbetrachtung von Internetadresse und Eingangsseite der Homepage zu Grunde gelegt werden. Das vom Ast. angeführte Urteil des OLG Celle (NJW 2001, 2100) hat jedoch einzig die Internetadresse zur Beurteilung herangezogen.
Eine Irreführung wäre demnach anzunehmen, wenn Internetnutzer, die auf die Homepage des Antragsgegners stoßen, zur Annahme verleitet würden, es handele sich um das »Portal« der in Mülheim a. d. Ruhr ansässigen Rechtsanwälte oder gar die dargestellte Kanzlei sei die einzige Anwaltskanzlei in Mülheim a. d. Ruhr.
Diese Gefahr besteht im vorliegenden Fall jedoch nicht, da bereits die Eingangsseite der Homepage ausdrücklich klarstellt, dass einzig die vom Ag. mit einem Kollegen gemeinschaftlich betriebene Anwaltskanzlei dargestellt wird. Schon die Adresse »anwalt-muelheim.de« legt nahe, dass es sich nur um eine Anwaltskanzlei handelt.
2. Es liegt auch kein Verstoß gegen § 1 UWG, gegebenenfalls i. V. mit § 43 b BRAO vor. Die Verwendung der beanstandeten Internetadresse, die sich in geografisch eingeschränkter Weise einer Gattungsbezeichnung bedient, entspricht keiner der von der Rechtsprechung hierzu entwickelten Fallgruppen der unsachlichen Beeinflussung, des unlauteren Abfangens oder des Vorsprungs durch Rechtsbruch.
Eine unlautere Nutzung durch unsachliche Beeinflussung des internetspezifischen Kundenverhaltens kann nicht festgestellt werden. Dabei besteht die Möglichkeit, dass Internetnutzer, denen kein bestimmter Anbieter bekannt ist, ohne Umweg über eine Suchmaschine durch Direkteingabe der Internetadresse auf die Homepage des Antragsgegners gelangen. Der Gebrauch der eingeschränkten Gattungsbezeichnung »anwalt-muelheim« stellt keine unlautere Nutzung unter dem Gesichtspunkt der unsachlichen Beeinflussung dar. Der BGH (NJW 2001, 3262 = MDR 2001, 666) hat hierzu in der oben erwähnten Entscheidung festgestellt:
»Erscheint dem durchschnittlich informierten und verständigen Internetnutzer die Verwendung einer Suchmaschine lästig und gibt er stattdessen direkt einen Gattungsbegriff als Internetadresse ein, ist er sich im Allgemeinen über die Nachteile dieser Suchmethode im klaren. Er ist sich bewusst, dass es auf Zufälle ankommen kann (...), ob er auf diese Weise das gesuchte Angebot findet. Lädt der fragliche Gattungsbegriff ferner nicht zur Annahme einer Alleinstellung des auf diese Weise gefundenen Anbieters ein, erkennt der Internetnutzer auch, dass er mit dieser Suchmethode kein vollständiges Bild des Internetangebots erhält«.
Auch ein unlauteres Abfangen von Kunden des Ast. scheidet aus. Das läge nur dann vor, wenn sich der Ag. gewissermaßen zwischen dem Ast. und dessen Kunden stellte. Die Verwendung der beanstandeten Internetadresse ist jedoch ausschließlich auf den eigenen Vorteil des Ag. gerichtet, ohne dass auf bereits dem Antragsteller zuzurechnende Kunden in unlauterer Weise eingewirkt würde.
Die Verwendung der Internetdomain »anwalt-muelheim.de« verstößt auch nicht gegen § 43 BRAO. Rechtsanwälten ist es erlaubt, Werbung zu betreiben, soweit sie über die berufliche Tätigkeit in Inhalt und Form sachlich unterrichtet und nicht auf die Erteilung eines Auftrags im Einzelfall gerichtet ist. Das gilt auch für die Internetpräsenz von Rechtsanwälten. Nach der Rechtsprechung des BVerfG liegt die Grenze im »reklamehaften Sichherausstellen« (vgl. BVerfG, NJW 1992, 1613).
Die Grenze wird vom Ag. jedoch nicht überschritten. Nach der zitierten Rechtsprechung des BGH muss die Adresse im Zusammenhang mit dem bereitgestellten Inhalt der Eingangsseite betrachtet werden. Die Darstellung der Anwaltskanzlei des Ag. bewegt sich dabei im zulässigen Rahmen.