LG Halle, Urt. v. 18.05.96, 8 O 103/95 - Einwilligungsklausel zur Datenspeicherung

Eine Klausel zur »elektronischen oder anderartigen Datenspeicherung und -verarbeitung« in den AGB eines Wirtschafts- und Finanzberatungsvertrages verstößt gegen das AGBG.

Fundstelle: CR 1998, 85

sachsen-anhalt

LANDGERICHT HALLE
IM NAMEN DES VOLKES
URTEIL

Aktenzeichen: 8 O 103/95
Entscheidung vom 18. Mai 1996

 

Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 26. Februar 1996 wird für Recht erkannt:

Der Beklagte wird verurteilt, es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung anzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen,

im Zusammenhang mit Verträgen über eine Beratung in geschäftlichen Fragen die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung durch Allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen sowie sich auf diese Bestimmungen bei der Abwicklung derartiger, nach dem 1.4.1977 geschlossenen Verträge zu berufen, soweit es sich nicht um Verträge mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einem Kaufmann handelt, wenn der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört:

EINWILLIGUNG ZUR DATENSPEICHERUNG

»Hiermit erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir in diesem Vertragsformular gemachten personenbezogenen Angaben elektronisch oder andersartig in Dateien gespeichert und bearbeitet werden.«

Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 1100,- DM abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet, die 'durch die selbstschuldnerische Bürgschaft einer in der Bundesrepublik ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden kann.

Tatbestand

Der Kläger bezweckt nach seiner Satzung, unter Ausschluss eines wirtschaftlichen Geschäftsbetriebes die Interessen der Verbraucher durch Aufklärung und Beratung zu schützen und zu fördern. Zu seinen satzungsgemäßen Aufgaben gehört es auch, gegen unzulässige Allgemeine Geschäftsbedingungen vorzugehen, die gegenüber Nichtkaufleuten verwendet oder empfohlen werden.

Der Beklagte betreibt eine Wirtschafts- und Finanzberatung. Die Beratungsverträge, die formularmäßig ausgestaltet sind, enthalten folgende Klausel:

»EINWILLIGUNG ZUR DATENSPEICHERUNG

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir in diesem Vertragsformular gemachten personenbezogenen Angaben elektronisch oder andersartig in Dateien gespeichert und verarbeitet werden.«

Der Kläger hat in Erfüllung seiner satzungsgemäßen Aufgaben die Beklagte mit Schreiben vom August 1995 aufgefordert, eine sogenannte »strafbewehrte Unterlassungserklärung« zu unterzeichnen, in der sich die Beklagte verpflichtet, diese oder eine inhaltsgleiche Klausel künftig nicht mehr zu verwenden und auch bei denjenigen Verträgen, die vor Abgabe der Unterlassungserklärung abgeschlossen wurden, diese Klausel nicht zugrundezulegen.

Der Beklagte hat die Abgabe dieser Erklärung verweigert.

Der Kläger vertritt die Auffassung, dass diese Klausel unwirksam sei, da sie Vertragspartner des Beklagten nach § 9 Abs. l i.V.m. Abs. 2 Ziffer l AGB-Gesetz unangemessen benachteilige, weil diese Klausel von wesentlichen Grundgedanken des des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) abweiche und mit dessen Grundgedanken nicht zu vereinbaren sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, es bei Meidung eines für jeden Falls der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 500.000 DM, ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, zu unterlassen, im Zusammenhang mit Verträgen über eine Beratung in wirtschaftlichen Fragen die nachfolgende oder eine inhaltsgleiche Bestimmung durch allgemeine Geschäftsbedingungen einzubeziehen, sowie sich auf diese Bestimmung bei der Abwicklung derartiger, nach dem 1.4.1977 geschlossene Verträge zu berufen, soweit es sich nicht um Verträge mit einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, einem öffentlich-rechtlichen Sondervermögen oder einem Kaufmann handelt, wenn der Vertrag zum Betrieb seines Handelsgewerbes gehört:

»EINWILLIGUNG ZUR DATENSPEICHERUNG

Ich erkläre mich damit einverstanden, dass die von mir in diesem Vertragsformular gemachten personenbezogenen Angaben elektronisch oder andersartig in Dateien gespeichert und verarbeitet werden.«

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie vertritt die Auffassung, dass die Klausel mit dem Grundgedanken des BDSG, insbesondere § 28 BDSG, vereinbar sei, zumal es sich nur um unverfängliche Daten wie Kundennummer, Anschrift und Telefonnummer des Kunden handele. Bezüglich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze und den Inhalt des Sitzungsprotokolls verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Klage ist begründet.

Die im Streit stehende Klausel verstößt gegen § 9 Abs. l i.V.m. Abs. 2 Ziff. l des Gesetzes zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGBG-Gesetz).

Der Grundsatz, wann und in welchem Maße personenbezogene Daten verarbeitet, also auch weitergegeben werden dürfen, ergibt sich aus § 4 BDSG. Nach dieser Vorschrift ist die Verarbeitung personenbezogener Daten und deren Nutzung nur zulässig, wenn das BDSG oder eine andere Rechtsvorschrift sie erlaubt oder anordnet oder soweit der Betroffene eingewilligt hat.

In § 28 BDSG ist geregelt, inwieweit die Datenspeicherung, Übermittlung und - Nutzung für eigene Zwecke erlaubt ist. Nach § 28 Abs. 1 Ziffer 1 BDSG ist die Weitergabe von personenbezogenen Daten im Rahmen der Zweckbestimmung des Vertragsverhältnisses zwischen der Beklagten und ihren Kunden zulässig, § 28 Abs. l Ziff. 2 BDSG stellt darauf ab, die Weitergabe zur Wahrung etwaiger berechtigter Interessen der Beklagten oder von Dritten erforderlich ist. Zur Zweckbestimmung des abgeschlossenen Beratervertrages gehört es nicht, dass personenbezogene Daten weitergegeben werden. Der Vertrag kann ohne weiteres beidseitig vollzogen werden, ohne dass Daten gespeichert und / oder übermittelt werden.

Die Weitergabe der Daten ist auch zur Wahrung etwaiger berechtigter Interessen der Beklagten oder von Dritten nicht erforderlich. Hierbei verkennt die Kammer nicht, dass die Beklagte als Unternehmen der Finanz- und Wirtschaftsberatung ein wirtschaftliches Interesse daran haben mag, dass Bausparkassen, Versicherung, etc. die Daten ihrer Kunden erfahren, um in ihrerseits mit Angeboten an sie heranzutreten. Diese wirtschaftlichen Interessen sind aber nicht so stark zu gewichten, dass deshalb die Weitergabe der Daten auch notwendig, also faktisch zwingend erforderlich, ist.

Eine andere Rechtsvorschrift im Sinne des § 4 Abs. 1 BDSG, nach der die Verarbeitung der personenbezogenen Daten der Kunden der Beklagten zulässig ist, ist nicht ersichtlich. Die Einwilligung in die weitere Verarbeitung der personenbezogenen Daten ist nach § 4 Abs. 2 BDSG nur möglich, wenn die Einwilligung bei dem Betroffenen eingeholt wird und er auf den Zweck der Speicherung und einer vorgesehenen Übermittlung sowie auf Verlangen auf die Folgen der Verweigerung hingewiesen wurde. Diese Einwilligung bedarf nach § 4 Abs. 2 Satz BDSG regelmäßig der Schriftform.

Dieser gesetzlichen Anforderung wird die von der Beklagten verwendete Schriftformklausel nicht gerecht. Dies ergibt sich schon daraus, dass in der Klausel in keiner Weise auf den Zweck der Speicherung eingegangen wird. Aus der formularmäßig verwendeten Klausel ergibt sich ferner nicht, dass unter Verarbeitung im Sinne des BDSG auch die Übermittlung fällt, wie sich aus der gesetzlichen Definition des § 3 Abs. 5 BDSG ergibt. Der Durchschnittskunde wird sich daher in aller Regel gar nicht bewusst, dass er mit der Unterzeichnung dieser Klausel auch darin eingewilligt hat, dass seine Daten an Dritte weitergegeben werden können. Eine differenzierte Abwägung der beiderseitigen Interessen - beim Kunden regelmäßig am Datenschutz, bei der Beklagten an der Speicherung und Verarbeitung - lässt sich aus der verwendeten Klausel nicht entnehmen. Sie birgt vielmehr die Gefahr in sich, dass die Beklagte weitreichende Rechte zur Datenübermittlung formularmäßig eingeräumt erhält, von denen der Kunde nichts ahnt und die auch regelmäßig nicht möchte.

Unerheblich ist es im übrigen, dass sich die gespeicherten und weiterzugebenden Daten auf Name , Anschrift und ggfs. Telefonnummer beschränken. Denn auch dann, wenn die Daten objektiv neutral sind, hat der Vertragspartner regelmäßig ein Interesse daran, dass die jedem Vertragsverhältnis innewohnende Verschwiegenheitspflicht gewahrt wird. Dies gilt in Fällen der vorliegenden Art insbesondere, da es naheliegend ist, dass die Beklagte als Unternehmen der Finanz- und Wirtschaftsberatung auch mit Dritten (Versicherung, Bausparträger, etc.) zusammenarbeitet, die ein Interesse daran haben, die Daten potentieller Kunden zu gewinnen. Unerheblich ist es ferner, ob die Beklagte auch beabsichtigt, die Daten weiterzugeben. Denn es ist von der kundenfeindlichsten Möglichkeit, hier also von der tatsächlichen Weitergabe der Daten an Dritte, auszugehen.

Der Hinweis der Beklagten auf § 16 Abs. 3 BDSG greift nicht, da die hier aufgeführten Pflichten die Gefahren, die aus einer formularmäßigen Zustimmung der Verarbeitung, d.h. also aus der Weitergabe personenbezogener Daten, resultieren, nicht entgegenwirkt.

Im übrigen verstößt die Klausel auch gegen § 3 AGB-Gesetz, da die gesetzliche Definition der Verarbeitung, die auch - wie bereits mehrfach ausgeführt - die Übermittlung enthält, für den Durchschnittskunden, der vor Unterzeichnung des Kundenberatungsvertrages regelmäßig nicht in das Bundesdatenschutzgesetz schauen wird, so überraschend ist, dass er im Sinne dieser Vorschrift nicht mit dieser (gesetzlichen) Interpretation und Definition des Begriffes Verarbeitung rechnen musste.

Nebenentscheidung
§ 91, 708 Ziff. 11, 711 ZPO. Streitwert: 5000,- DM.

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