Düsseldorf locuta, causa finita?

Tobias H. Strömer / September 2004

justiziaDas Landgericht Düsseldorf (Urt. v. 28.07.04, 12 O 19/04) hatte über den Antrag des Anbieters eines Jugendschutzsystems zu entscheiden, einem Mitbewerber den Vertrieb seines Konkurrenzprodukts zu verbieten, das auf einer Personalausweisroutine ohne vorausgegangene PostIdent-Kontrolle beruht. Der in Wettbewerbsachen ungewöhnlich hohe Streitwert von 500.000 €, den die Antragstellerin und das Gericht der Entscheidung zu Grunde legten, zeugt von der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit.

Viele Anbieter pornographischer Inhalte im Internet sprechen sich zwar nachhaltig für Jugendschutz aus. Ein Jugendschutzsystem, das eine persönliche Identifikation des Nutzers durch einen Mitarbeiter der Post für den Zugang zum Angebot zwingend vorschreibt, wird aber potentielle Kunden auf der Suche nach dem raschen nächtlichen Vergnügen abhalten. Die Konkurrenz, die von ungeschützten Angeboten aus dem Ausland droht, erhöht den Unmut deutscher Adult Webmaster über allzu strenge Anforderungen an den Jugendschutz in Deutschland. Der Streit um das richtige System - Face-to-Face-Kontrolle oder Personalausweisnummer - hat sich längst zur Glaubensfrage entwickelt.

Immerhin: Das Urteil des Landgerichts Düsseldorf ist richtig, weil der bloße Vertrieb eines Jugendschutzprogramms wettbewerbsrechtlich ebenso wenig unlauter ist wie der Verkauf von Schusswaffen. Eine Antwort auf die Frage, ob der Schutz eines pornographischen Angebots durch eine Personalausweisroutine den gesetzlichen Jugendschutzbestimmungen entspricht, gibt die Entscheidung aber erwartungsgemäß nicht.

Gegenstand der Prüfung war allein die Frage, ob der bloße Vertrieb eines Systems, das auf eine Face-to-Face-Kontrolle verzichtet und stattdessen maßgeblich auf die Eingabe einer Personalausweisnummer mit anschließender Plausibilitätsprüfung abstellt, wettbewerbsrechtlich unlauter ist. Die Frage, ob der Einsatz (also nicht der Vertrieb) des Systems gegen Straf- und Jugendschutzbestimmungen verstößt, hatte das Gericht nicht zu prüfen. Es hat sie deshalb auch nicht beantwortet.

An mehreren Stellen gibt das Gericht im Urteil zu erkennen, dass es bei einer anderen Formulierung der Verfügungsanträge unter Umständen anders entschieden hätte. So hält das Gericht die Klage eingangs der Entscheidungsgründe (nur) deshalb für unbegründet, weil die Beklagte nicht verpflichtet ist, "generell und umfassend wie beantragt" den Vertrieb zu unterlassen. An anderer Stelle hält die Kammer - ohne jede Not - fest, dass ein Verstoß gegen das Irreführungsgebot des § 3 a.F. UWG wegen der Werbung mit der Aussage "verlässliches Altersverifikationssystem" nicht zu prüfen war, und gibt damit inzident zu erkennen, dass sie hier durchaus einen Angriffspunkt sieht. Jedenfalls werde „allein durch das Angebot" eines auf einer Personalausweisroutine beruhenden Schutzsystems kein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch wegen eines Verstoßes gegen die „so guten Sitten" begründet.

Das Landgericht Düsseldorf macht in seiner Entscheidung zunächst deutlich, dass vom Vertrieb eines Jugendschutzsystems auch dann keine besondere Gefahr für die Lauterkeit des Wettbewerbs ausgeht, wenn es in unzureichender Weise Jugendliche vom Besuch von Angeboten abhält, die eigentlich Erwachsenen vorbehalten sind. Die einschlägigen Vorschriften - § 184 StGB und § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 1 JMStV - richteten sich nämlich an den Webmaster, nicht an den Hersteller oder Vertreiber von Jugendschutzsystemen.

Die Kammer weist dann zwar auch darauf hin, dass aus ihrer Sicht nicht „ohne Weiteres" die „persönliche Identifikation" des Nutzers - gemeint ist wohl die Face-to-Face-Kontrolle - den einzig glückselig machenden Weg darstellt. Weil der Gesetzgeber sich um eine klare Definition der Anforderungen an ein Jugendschutzsystem gedrückt habe, könne der reine Vertrieb eines Systems, das hinter dem beim Jugendschutz technisch Machbaren zurückbleibt, wettbewerbsrechtlich nicht unlauter sein. Wenn das Gericht festhält, es sei grundsätzlich nicht Sache des Wettbewerbsrechts, einen gesetzgeberischen Freiraum zu beschneiden, dann macht es damit zugleich klar, dass dem Strafrecht diese Aufgabe durchaus zukommen kann.

Auch aus wettbewerbsrechtlicher Sicht werden sich die Gerichte aber noch einmal mit Personalausweisroutinen befassen müssen. Dem Vernehmen nach haben in den letzten Tagen gleich mehrere Gerichte einstweilige Verfügungen gegen Webmaster erlassen, die solche Systeme einsetzen. Ob die zunächst auf der Grundlage des Antragsteller-Vortags erlassenen Beschlüsse einer mündlichen Verhandlung standhalten, bleibt zwar abzuwarten. Klar ist aber, dass ein Adult Webmaster durchaus gegen Wettbewerbsrecht verstoßen kann, („Wettbewerbsvorteil durch Rechtsbruch") wenn er ein - aus der Sicht des jeweiligen Richters - unzulängliches Jugendschutzsystem einsetzt.

Zumindest aus straf- und jugendschutzrechtlicher Sicht besteht aus unserer Sicht kein vernünftiger Zweifel daran, dass die Entscheidungen des OLG Düsseldorf, des KG Berlin und des Bundesverwaltungsgerichts (zu Pornoangeboten im Pay-TV) richtungsweisend sind. Wenn der Gesetzgeber verlangt, dass Jugendschutz „sichergestellt" werden muss, dann wird kein verständiger Richter sicheren Schutzmaßnahmen den Vorrang vor unsichereren Varianten verwehren. Face-to-Face ist zwar lästig und vergrault Nutzer, es erfüllt aber zuverlässiger den Auftrag des Gesetzgebers, Jugendliche fernzuhalten, als eine Personalausweisroutine. Auf die Sorgen und Nöte von Adult Webmastern werden Richter angesichts des insoweit klaren Gesetzgebungsauftrags keine Rücksicht nehmen. Anbietern pornographischer Inhalte fehlt bei Richtern, beim Gesetzgeber und bei Bildzeitungslesern die Lobby.

Wie die hiervon in vorderster Linie betroffenen Adult Webmaster reagieren, ist Geschmackssache. Umzug ins Ausland, Verschleierungstaktiken oder Abwarten, bis der Blitz einschlägt, sind eine Möglichkeit. Gaaaanz vorsichtig auf Face-to-Face umstellen - völlig unabhängig davon, ob man dabei auf die Kompetenz von Anbietern in Düsseldorf, Mainz oder sonstwo vertraut - eine andere. Oder wir warten alle auf die Signaturkarte, die der Gesetzgeber 1997 mit dem Signaturgesetz erfunden hat. Bis 2015 werden wir uns aber wohl noch gedulden müssen, bis es die zum Personalsausweis kostenlos dazugibt.

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