Internetcafés im Visier der Justiz

Holger Gaspers / September 2003

billardLängst gibt es sie in jeder Stadt, die Internetpoints und -cafés, in denen Netzsurfer gegen eine Gebühr in die Tiefen des World Wide Web eintauchen können. Ob zur Informationssuche oder zum Abfragen des eigenen E-Mail-Kontos - Internetcafés sind feste Bestandteile der Gewerbestruktur von deutschen Städten. Weil sich viele Inhaber von solchen Internetcafés aber nicht nur auf das Anbieten von Internetzugängen beschränken, droht den Betreibern jetzt möglicherweise das Aus: Um ihrer vor allem jungen Klientel gerecht zu werden, bieten verschiedene Internetcafés seit einiger Zeit auch Single - oder Multi-Player-Computerspiele an. Ob alleine oder gegen die mittels Netzwerkkarte verbundenen Tischnachbarn soll so für Kurzweil bei der zahlenden Kundschaft gesorgt werden.

Der Internet-PC als Spielgerät

Rechtliche Probleme mit dieser Art der Gewinnerzielung hat am 17. Dezember 2002 - nach dem Verwaltungsgericht - auch das Oberverwaltungsgericht Berlin bestätigt. In einem Verfahren des vorläufigen Rechtschutzes unterlagen in zweiter Instanz Inhaber von Internetcafés gegen das Wirtschaftsamt der Stadt Berlin. Die Behörde hatte die Cafés geschlossen, weil eine ihrer Ansicht nach erforderliche Genehmigung nicht vorlag.

Nach § 15 Abs. 2 der Gewerbeordnung (GewO) kann die zuständige Behörde die Ausübung eines Gewerbes »verhindern«, wenn eine eigentlich notwendige Genehmigung nicht vorliegt. Und genau einer solchen Genehmigung bedarf es für den Betrieb von Internetcafés nach Ansicht des Wirtschaftsamtes und des OVG Berlin.

Nach Auffassung der Verwaltungsrichter betreibt ein Inhaber eines Internetcafés, der auf seinen »multifunktionalen« Computern auch Spiele zum Abruf bereit hält, eine Spielhalle oder ein spielhallenähnliches Unternehmen. Für derartige Einrichtungen sieht die Gewerbeordnung in § 33 i eine Erlaubnispflicht vor.

Das Gericht ließ den Einwand der Betreiber nicht gelten, die Computer würden nicht schwerpunktmäßig für Spiele, sondern für den Zugang zum Internet genutzt. Es komme nicht darauf an, ob eine tatsächliche Nutzung stattfinde, so die Richter. Allein die Möglichkeit einer - vom Betreiber des Intercafés bezweckten - Nutzung von auf der Festplatte installierten Spielen reiche aus, um eine Anwendung des § 33 i GewO zu begründen. Wer neben der reinen Internetnutzung auch Spielmöglichkeiten einräume, der könne sich nicht darauf berufen, dass die Mehrzahl der Kunden gerade nicht spiele.

Die Folgen und der Fiskus

Wenn die Auffassung des OVG Berlin Schule macht, werden viele Internetcafés zukünftig den erlaubnispflichtigen Spielhallen gleichzustellen sein. Nicht nur, dass Kindern und Jugendlichen der Zutritt dann wegen § 8 des Gesetzes zum Schutze der Jugend in der Öffentlichkeit (JÖSchG) versperrt bliebe, die Gleichstellung wird sich nach Angaben der Industrie- und Handelskammer Berlin auch steuerlich bemerkbar machen: Die Betreiber von Internetcafés sollen nach Plänen der dortigen Finanzverwaltung aufgrund der OVG Entscheidung mit einer unter anderem für Spielhallen vorgesehenen Vergnügungssteuer belastet werden. Die Folge wäre, so die IHK, dass zahlreiche Internetcafés aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr fortgeführt werden könnten.

Auch Online-Spiele betroffen?

Liest man den Berliner Beschluss genau, so ist eine Tendenz der Richter zu erkennen, auch das öffentliche Anbieten von jederzeit im Internet frei abrufbaren Online-Spielen unter den Erlaubnisvorbehalt von § 33 i GewO zu stellen. Der Betreiber eines Internetcafés habe es in der Hand, durch technische Vorkehrungen oder Anweisungen an seine Kunden die Nutzung dieser Spiele zu unterbinden. Folgt man dieser Argumentation des Oberverwaltungsgerichts, könnte bereits heute jedes Internetcafé ohne Spielhallenerlaubnis, das kein ausdrückliches »Spielverbot« ausspricht, geschlossen werden. Denn auch ohne extra angebotene LAN (Local Area Network) - Spiele stünde den Nutzern die Teilnahme an Online-Spielen prinzipiell offen. Nach den Ausführungen des Gerichts läge damit der Tatbestand des § 33 i GewO vor: das gewerbsmäßige Aufstellen von Unterhaltungsspielen ohne Gewinnmöglichkeiten. Auf eine tatsächliche Nutzung käme es auch hier - konsequent gedacht - nicht an, solange nicht auszuschließen wäre, dass der Inhaber des Internetcafés die Teilnahme an Online-Spielen zumindest neben dem allgemeinen »Surfen« bewusst eingeräumt hat.

Ausblick

Es stellt sich die Frage, ob diese weitreichenden - auch fiskalischen - Folgen vom Gericht gewollt waren und ob die Entscheidung nicht anders ausgefallen wäre, wenn die am Verfahren beteiligten Betreiber nicht gerade einen viel kritisierten so genannten »Ego-Shooter« in einer nicht jugendfreien Version zum Abruf bereitgehalten hätten. Das Anbieten von nicht jugendfreien - insbesondere Gewalt verherrlichenden - Spielen in der Öffentlichkeit ist nach § 8 Abs. 5 JÖSchG verboten. Zuwiderhandlungen können mit Geldbußen und bei beharrlicher Wiederholung mit Freiheitsstrafe geahndet werden. Als Reaktion auf Verstöße gegen den Jugendschutz durch einzelne Betreiber aber die Masse der Internetcafés als erlaubnispflichtige Spielhallen zu definieren, erscheint nach der Auffassung des Verfassers verfehlt und am Problem vorbeizugehen. Insbesondere dann, wenn wirklich die Möglichkeit einer Nutzung von Online-Spielen zur Einordnung als Spielhalle führen sollte. Der noch jungen Informationsgesellschaft wäre damit eine diskussionswürdige Barriere in den Weg gestellt.

Setzt sich die Auffassung des Senats wirklich durch und weitet man diese auch auf das Angebot von Online-Spielen aus, so dürfte die Existenz zahlreicher Internetcafés tatsächlich bedroht sein.

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