Wetten ohne Reue?

Holger Gaspers / Februar 2003

wettenJedes große Sportereignis zieht nicht nur Scharen von sportbegeisterten Fans an, sondern auch immer dutzende Unternehmer und Geschäftsleute, die in einem sportlichen Umfeld ein wirtschaftliches Zuhause suchen. So boomt im Internet der Markt für Sportwetten, so genannte »Oddset«-Wetten, seit geraumer Zeit. Immer neue Anbieter sprießen aus dem - meist ausländischen - Boden und bieten den dankbaren Teilnehmern mit fast schon britischer Vielfältigkeit Wetten auf alles und jeden an. Wer nun aber glaubt, in Deutschland einfach so auf den fahrenden Zug der Wettanbieter aufspringen zu können, dem sei zur Vorsicht geraten.

Strafbarkeit von Glückspielen ohne Genehmigung

Der deutsche Gesetzgeber geht davon aus, dass Spiele um Geld etwas anrüchiges, verbotenes an sich haben. Um zu verhindern, dass geschäftstüchtige Unternehmer mit dem natürlichen Spieltrieb der Menschen auf deren Kosten Gewinne erwirtschaften, stehen Glückspiele aller Art unter Genehmigungsvorbehalt.

Wer also ein Glückspiel ohne Genehmigung veranstaltet oder dafür wirbt, macht sich nach § 284 des Strafgesetzbuches strafbar; wer sich an einem Glücksspiel beteiligt, verstößt gegen § 285 StGB. Dabei ist das Glücksspiel von den genehmigungsfreien Geschicklichkeitsspielen abzugrenzen, bei denen die Aufmerksamkeit, Fähigkeiten und Kenntnisse der Spieler über Gewinn und Verlust entscheiden sollen. Im Gegensatz dazu wird beim Glücksspiel die Gewinnchance nach Leistung eines Einsatzes im Wesentlichen vom Zufall bestimmt. Und genau das, so große Teile der Rechtsprechung, treffe die Natur der Sportwette. In einem Urteil von Februar diesen Jahres geht eine Strafkammer des Landgerichts Bochum (Urt. v. 26.02.02, 01 I 49/01) einen anderen Weg. Die Richter ordneten die Sportwette als Geschicklichkeitsspiel ein, sodass eine Genehmigungsbedürftigkeit nicht bestehe. Jeder Teilnehmer an einer Sportwette könne sich selbst durch Lektüre einschlägiger Sportmagazine sowie durch eine konsequente Beobachtung des Geschehens und der Beteiligten Sportler eine Prognose über den Ausgang des Sportereignisses erstellen. Genau dies sei aber bei einem reinen Glücksspiel nicht der Fall. Da die Staatsanwaltschaft Revision zum BGH eingelegt hat, wird hoffentlich bald eine höchstrichterliche Entscheidung Klarheit schaffen.

Solange sind aber eben auch Entscheidungen in der Welt, die Sportwetten als Glückspiele klassifizieren und die rechtmäßige Veranstaltung solcher Wetten von einer Genehmigung abhängig machen (so z.B. das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung vom 28. März 2001). Es fragt sich also, welche Möglichkeiten bestehen, an die begehrte Spiellizenz zu gelangen.

Nach deutschem Recht muss eine derartige Lizenz von den Landesbehörden ausgestellt werden. Aufgrund einer sehr restriktiven Glücksspielpolitik, die nicht zuletzt durch den Schutzauftrag des Staates vor einem dem Menschen eigenen Spieltrieb definiert ist, erhalten diese Genehmigungen allenfalls staatliche Lotterien, wie z.B. der Deutsche Lottoblock. Genehmigungen aus anderen - auch europäischen - Staaten werden in Deutschland nicht als Genehmigungen im Sinne des § 284 StGB anerkannt, sodass diese nicht geeignet sind, der Veranstaltung einer Sportwette die Rechtswidrigkeit zu nehmen. (vgl. hierzu OLG Hamburg, Urt. v. 10.01.02, 3 U 218/01).

Und dennoch, es gibt private Unternehmen, die Sportwetten veranstalten und hierfür nicht vom Staatsanwalt verfolgt werden. Dank der Vereinigung der Bundesrepublik Deutschland mit der Deutschen Demokratischen Republik handeln diese Wettanbieter - soweit ersichtlich - im Moment durchaus rechtmäßig.

Genehmigungen nach dem Gewerbegesetz der DDR
Hintergrund dieses Schachzuges ist ein Kuriosum bei der rechtlichen Überleitung von DDR-Vorschriften in bundesrepublikanisches Recht. Dass der Genosse Honecker ein begeisterter Sportwetter gewesen sein soll, hält der Autor zwar für ein Gerücht, aber im Staat der „Arbeiter und Bauern" gab es Gesetze, die noch bis heute nachwirken:

Nach dem Gewerbegesetz der DDR konnten Genehmigungen zur Veranstaltung von Sportwetten unter weniger restriktiven Kriterien erlangt werden als in der Bundesrepublik. So kam es, dass einige ostdeutsche Geschäftsleute kurz vor der deutschen Wiedervereinigung noch eine DDR-Lizenz erhielten, die dann Dank einer Regelung im Einigungsvertrag auch im gesamten erweiterten Bundesgebiet fort galt. Kurz: im Osten genehmigt - im Westen weiter gültig. Die Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser DDR-Genehmigungen und ihrer Fortgeltung für das gesamte Bundesgebiet sind vom BGH in einer Entscheidung aus dem Jahr 2001 vorerst zerstreut worden. Der erkennende Senat bezeichnet die DDR-Lizenz als „ausreichende Grundlage für eine bundesweite" Veranstaltung von Sportwetten.

Der Streit über die Fortgeltung solcher Genehmigungen schwelt parallel aber auch vor den Verwaltungsgerichten. Vor dem VG Gera stritten die Stadt Gera und die Thüringer Landesanwaltschaft mit einem ortsansässigen Wettanbieter um die Zulässigkeit seines Geschäftsbetriebes. Nachdem in dieser 1. Instanz das Gericht die Ostlizenz als ausreichende Genehmigung für die Veranstaltung von Sportwetten im Internet eingestuft hat, haben die Stadt Gera und die Landesanwaltschaft die Zulassung der Berufung durch das Oberverwaltungsgericht Weimar beantragt. Wird dieses Rechtsmittel erst einmal zugelassen, könnte der Streit in letzter Instanz sogar bis zum Bundesverwaltungsgericht durchdringen, wodurch die Chance bestünde, dass sich ein weiteres höchstes Gericht zum Thema äußert. Über die Zulassung ist beim OVG Weimar bislang allerdings noch keine Entscheidung gefallen.

Wie dem auch sei, solange die Rechtslage nicht eindeutig geklärt ist, können auch Inhaber von DDR-Lizenzen nicht völlig sicher sein, dass ihr Tun irgendwann als illegal eingestuft wird.

Außerdem liegen diese Lizenzen auch nicht gerade auf der Straße. Wer mit einer solchen Lizenz ein Sportwettengeschäft aufziehen möchte, der wird schon einen Lizenzinhaber dazu bewegen müssen, mit an Bord zu kommen. Denn aufgrund gewerberechtlicher Bestimmungen ist eine beliebige Unterlizenzierung nicht möglich.

Perspektiven
Mit Spannung bleiben also die höchstrichterlichen Entscheidungen abzuwarten: Einerseits zu der Frage, ob Sportwetten Glückspiele sind, die nur vom Zufall abhängen, oder doch eher Geschicklichkeitsspiele, die durch Erfahrung, Kenntnisse und Aufmerksamkeit zu gewinnen und daher genehmigungsfrei sind. Andererseits eine klare Äußerung zu der Frage der Fortgeltung von DDR-Genehmigungen auch im Gebiet der wiedervereinigten Bundesrepublik. Die Beantwortung beider Fragen durch die Gerichte wird Klarheit schaffen, sowohl für den Anbieter von Sportwetten, als auch für die werbende Industrie, die heute immer Gefahr läuft, sich durch das Marketing für ein solches Angebot strafbar zu machen, aber auch für den Verbraucher, der dann ohne Sorge vor der Kriminalisierung seine Wette platzieren kann. Sollte sich die Auffassung des Landgerichts Bochum durchsetzen und Sportwetten in Zukunft als genehmigungsfreie Geschicklichkeitsspiele eingestuft werden, dann wird die Zahl der Sportwettenanbieter - nicht nur im Internet - wohl sprunghaft ansteigen.

Für den findigen aber sicherheitsbewussten Unternehmer heißt es somit zunächst abwarten. Denn auch wenn es noch ein wenig dauert, eine Entscheidung der Gerichte fällt bestimmt. Wetten dass?

Nachtrag
Der Bundesgerichtshof hat das im Text erwähnte Urteil des Landgerichts Bochum am 28. November 2002 aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen. Mit der Begründung, die vom Bochumer Gericht im Urteil niedergelegten „Feststellungen" seien „unzureichend" gewesen, konnte der BGH eine eigene Entscheidung über die Frage nach der Rechtsnatur von Glücksspielen somit vorerst aufschieben.

Die „Feststellungen" eines strafrechtlichen Urteils sollen den für die Entscheidung zugrunde gelegten und für erwiesen gehaltenen Sachverhalt so genau darstellen, dass auf ihrer Grundlage eine juristische Beurteilung für ein Gericht höherer Instanz möglich ist. Diese Anforderungen sahen die Richter des BGH hier offenbar nicht erfüllt. Eine Entscheidung zur Sache durch den Bundesgerichtshof ist daher vorerst nicht zu erwarten.

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