Öffentliche Ausschreibungen

Tobias H. Strömer / November 2001

Wenn die öffentliche Hand Aufträge vergeben möchte, dann kann sie das häufig nur dann tun, wenn zuvor eine formelle Ausschreibung vorausgegangen ist. Das Verfahren regelt das sogenannte Vergaberecht. Ziel der darin enthaltenen Regelungen ist die Sicherstellung eines wirtschaftlichen Einkaufs durch Wettbewerb vieler Anbieter. Der Zwang zu wirtschaftlichem Verhalten ist erforderlich, damit Steuergelder sparsam und sachgerecht verwendet werden. Außerdem soll verhindert werden, dass der Staat als großer Nachfrager auf dem Markt seine Marktstärke missbraucht.

Das Vergaberecht unterscheidet dabei zwischen der öffentlichen Ausschreibung (europaweit: das sog. offene Verfahren), bei dem ein unbeschränkter Kreis von Unternehmen zur Abgabe von Angeboten aufgefordert werden muss, die beschränkte Ausschreibung, die vorsieht, dass nur ein beschränkter Kreis von Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird (europaweit: das sog. nicht offene Verfahren) und die freihändige Vergabe (europaweit: das sog. Verhandlungsverfahren), das als einziges Verfahren Verhandlungen mit den Unternehmen zulässt. In aller Regel sind die öffentlichen Auftraggeber zur öffentlichen Ausschreibung verpflichtet. Eine europaweite Ausschreibung eines Auftrages hat immer dann zu erfolgen, wenn bestimmte Auftragswerte überschritten werden. Für Liefer- und Dienstleistungsaufträge der Bundesstellen gilt dies ab 130.000 Euro, für Liefer- und Dienstleistungsaufträge aller anderen Auftraggeber ab 200.000 Euro und für Bauaufträge ab 5 Mio. Euro. Auf die Weise vergeben über 30.000 öffentliche Auftraggeber jährlich Aufträge im Wert von rund 500 MRD. DM. Seit kurzem können solche Aufträge auch elektronisch ausgeschrieben werden. Diese Möglichkeit eröffnet eine Änderung der Vergabeverordnung (VgV), die zum 1. Februar 2001 wirksam geworden ist und wegen europäischer Vorgaben erforderlich wurde. Nach § 15 VgV können die Auftraggeber zulassen, dass die Abgabe der Angebote in anderer Form als schriftlich per Post oder direkt erfolgen kann, sofern sie sicherstellen, dass die Vertraulichkeit der Angebote gewahrt ist. Digitale Angebote sind dabei mit einer Signatur im Sinne des Signaturgesetzes zu versehen und zu verschlüsseln. Nähere Einzelheiten enthalten die Verdingungsordnungen für Bauleistungen (VOB/A 2000) , für Dienstleistungen (VOL/A 2000) und für freiberufliche Leistungen (VOF 2000), die zusammen mit der neuen Vergabeverordnung in Kraft getreten sind.

§ 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/A wiederholt, dass die öffentliche Verwaltung bei Ausschreibungen auch die Einreichung digitaler Angebote zulassen kann. Die Vorschrift ist eine Kann-Bestimmung. Es ist daher grundsätzlich dem Auftraggeber überlassen, ob er die Einreichung digitaler Angebote zulassen will oder nicht. Da die Vorschrift die Möglichkeit der Nutzung moderner elektronischer Methoden einräumen soll und damit auf eine Vereinfachung des Vergabeverfahrens abzielt, kann man von großen öffentlichen Auftraggebern mit entsprechenden technischen Voraussetzungen erwarten, dass sie digitale Angebote zulassen. Eine grundsätzliche Ablehnung solcher Angebote dürfte als Verstoß gegen die VOB/A zu werten sein. Kleineren öffentlichen Auftraggebern mit begrenzter technischer Ausstattung wird man dagegen keinen Vorwurf machen können, wenn sie digitale Angebote nicht zulassen.

Wenn ein öffentlicher Auftraggeber die Einreichung digitaler Angebote zulässt, müssen die Bieter, die von dieser Möglichkeit Gebrauch machen wollen, zwei Voraussetzungen erfüllen. Zum einen müssen die digitalen Angebote verschlüsselt eingereicht werden, zum anderen müssen sie mit einer digitalen Signatur im Sinne des Signaturgesetzes versehen sein. Hierdurch soll sichergestellt werden, dass die digitalen Angebote nicht verfälscht werden können und die Bieter nachweisbar zu identifizieren sind. Da § 21 Nr. 1 Abs. 1 Satz 2 VOB/A auf das Signaturgesetz verweist, reicht eine Signatur, die den dort aufgestellten Voraussetzungen nicht entspricht, nicht aus. Fraglich kann nur sein, welche der drei im neuen Signaturgesetz vorgesehen elektronischen Unterschriften gefordert wird. Das zum Zeitpunkt des Inkrafttretens der VOB/A 2000 noch geltende Signaturgesetz 1997 regelte vor allem die mit einer Echtheitsvermutung versehene, von einem akkreditierten Zertifizierungsanbieter versehene Signatur, auch wenn es andere elektronische Signaturen nicht verbot. Heute unterscheidet der Gesetzgeber zwischen der elektronischen, der fortgeschrittenen und der qualifizierten elektronischen Signatur. Da nach § 126a BGB aber nur die qualifizierte Signatur der gesetzlichen Schriftform gleichgestellt ist, können Interessenten nur mit einer solchen Unterschrift elektronisch mitbieten.

Ob öffentliche Aufträge - also etwa ein Großbauauftrag - im Internet auch »versteigert« werden können, erscheint zumindest fraglich. Immerhin handelt es sich letztendlich auch bei einer öffentlichen Ausschreibung bzw. das Offene Verfahren durchaus auch eine Art »Versteigerung« der Aufträge im Wettbewerb in einem allerdings sehr formalisierten Verfahren darstellen. Das gilt selbst für die Freihändige Vergabe, bei der nach § 7 Nr. 2 III VOL/A die Angebote »möglichst« im Wettbewerb eingeholt werden sollen.

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